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Drittes Buch.

Erstes Kapitel. Liebe Brüder.

Ueber die staubige Landstraße, welche aus dem Hügellande nach dem Gebirgspasse führte, rollte eine offene Kalesche. Zwei schnellfüßige, wohlgenährte Rosse flogen so rasch mit der leichten Last dahin, daß es gefährlich aussah und entgegenkommende Fußgänger wohl stehen blieben, um dem in Windeseile fortsausenden Fuhrwerk eine Zeit lang nachzublicken.

In diesem Wagen saßen zwei Männer, die so im Gespräche vertieft waren, daß sie weder auf den Ungestüm der Thiere achteten, deren Jugendfeuer sie sich anvertraut hatten, noch auf die Reize der prächtigen Gebirgslandschaft, die sich ihnen mehr und mehr enthüllten. Der Größere dieser Männer war schwarz gekleidet, der Kleinere trug einen grauen Rock und einen sehr breitkrempigen Hut mit niederm Kopf, der fast sein ganzes Gesicht bedeckte. Letzterer sagte jetzt, als die Straße eine Biegung machte und in ein anmuthiges Wiesenthal sich hinabwand, was den Zügellenker zu langsamerem Fahren nöthigte:

So stehen die Sachen, verehrter Herr Graf und lieber Bruder. Ich wünschte nun sehr, Ihre Ansicht zu hören, damit ich auf dem rechten, gottgefälligen Wege fortwandeln möge und nicht, so nahe dem Ziele, noch strauchele, irregeleitet durch Verblendung.

Vorsicht und Geduld, mein Lieber! versetzte der Mann im schwarzen Anzuge. Uebereilung kann zu Nichts führen. Gefangen hat sich der junge Mann schon längst, das wissen wir, er wird mithin auch Einer der Unsern werden, wenn ihn das Leben nur erst mehr dazu vorbereitet hat.

So lange er beim Vater bleibt, ist dazu keine Aussicht, sagte Wimmer. Dieser Mann, mein sehr wackerer Freund, ist ein gar zu seltsamer Mensch, gutmüthig, freigebig, fromm, und wiederum hartnäckig-starr, geizig und voll arger Gelüste. Seine schlimmsten Eigenschaften, die mir schon ein ganzes Leben voll Kämpfe, Mühen und Sorgen verursacht haben, sind sein Mißtrauen und sein unbeugsam starrer Eigensinn.

Wäre es nicht viel klüger, lieber Bruder, Sie fragten gar nicht mehr nach ihm? warf Graf Alban ein. Was ist überhaupt an dem Manne gelegen? Unsern Zwecken dient er niemals, wir brauchen mithin nicht ihn, sondern höchstens seine Mittel, und diese sind uns, soweit Sie dieselben nicht schon in Händen haben oder doch mittelbar über sie verfügen, durch beide Söhne gewiß; denn der Aeltere hängt zuletzt, wie Sie ja selbst sagen, von seinem energischeren jüngeren Bruder ab.

Wimmer hob seinen Kopf etwas und sah den neben ihm sitzenden Grafen mit seltsamen Augen an; dann seufzte er, legte die feinste Frömmlermiene auf und versetzte:

Lieber Bruder in Christo, was mich so wunderbar hinzieht zu dem Weber, das in Worte zu kleiden, vermag ich nicht. Es ist eine Art Wahlverwandtschaft, Magnetismus, Nächstenliebe, vielleicht gar Schicksal oder, was für Männer des Glaubens und der Bruderliebe, wie wir, wohl richtiger sein mag, eine Fügung unseres Heilandes, die mich an Ammer kettet. Ich könnte nicht mehr leben, sollte ich von ihm lassen. Darum arbeite und bete ich Tag und Nacht zu meinem grundgütigen Gott, daß er mich begnadigen möge, den Sinn des starren Mannes zu beugen und ihn zu freiem Handeln geneigt zu machen in unserm Sinne.

Nun, wer weiß, was geschieht, sagte Graf Alban. Mit den Jahren verliert sich der Eigensinn. Ammer soll jetzt nicht mehr so rüstig sein, wie noch vor wenigen Jahren. Seit der Verheirathung seiner Tochter führt der Schwiegersohn das Geschäft mehr als er selbst, und um die Neuerungen bekümmert er sich ja doch nur, um seinen Aerger daran auszulassen.

Ja, ja, versetzte Wimmer, ungefähr so mag es wohl sein, wenn man's oberflächlich betrachtet. Wissen Sie, Herr Graf, daß mir diese Heirath nicht gefällt, daß ich sie für ein großes Mißgeschick halte, das uns betroffen hat?

Weßhalb?

Weil das Herz des Alten, das auch seine Schlacken angesetzt hat, dadurch ruhiger geworden ist.

Wie soll ich das verstehen?

Wimmer lächelte. Es ist nicht immer gut, sagte er, wenn ein Sünder zu zeitig Buße thut. Er wird dann leicht sicher und erschlafft im Werke des Glaubens, der doch unser Aller alleiniger Stab ist in Zeit und Ewigkeit.

Während dieser Unterredung hatte der Wagen das Wiesenthal passirt, die Straße zog sich wieder eine Berglehne hinan und lief auf der freien Höhe derselben nach einem einsam gelegenen stattlichen Wirthshause fort, wo eine zweite Straße von Osten her aus den Gebirgsgründen heraufstieg. Unfern von diesem Wirthshause, das man seiner Lage wegen die Bergschenke nannte, zog sich die Landesgrenze über das Gebirg, das zugleich auch den katholischen Süden von dem protestantischen Norden scheidet.

Schon von weitem sahen die beiden Reisenden ein lebhaftes Menschengewühl auf den Straßen wie auf den Bergabhängen, welche mit Steinblöcken besäete, unfruchtbare Senkungen bildeten. Man hörte den Widerhall singender Stimmen, dazwischen Harfenaccorde und den Ton einer Fiedel.

Da gibt's wohl eine Hochzeit? sagte Graf Alban, als sie dem Gewühl näher kamen. Es scheint recht lustig herzugehen.

Ach nein, lieber Herr Bruder in Christo, versetzte Wimmer. Es wird nur eins der vielen Baalsfeste begangen, welche die Römlinge so hoch halten. Von weitem schon merk' ich es der Gesellschaft an, daß es Wallfahrer sind. Sie werden hinunterziehen zur wunderthätigen Maria, wie sie's nennen, die in der hohen Linde im Kloster der Minoriten ihren Hokus-Pokus machen muß; und da gibt's immer ein Fest und viel sündhaftes Thun, was dann den Herrn Klerikern wieder mehrfach zu Gute kommt. O, lieber Bruder, wie wird das wohl enden dereinst! Wir leben in einer argen sündhaften Welt, und es scheint, als wollte Gebet und Fürbitte wenig helfen, obwohl wir es, dem Heilande sei Dank, niemals daran fehlen lassen!

Graf Alban mußte weltlicher gesinnt sein, als sein würdiger Bruder, denn er lächelte diesmal etwas spöttisch über Wimmer's Sermon.

Was zu ändern nicht in unserer Macht liegt, müssen wir in Geduld ertragen, sprach er. Wir irren ja Alle und tasten nur unsicher umher, ob wir die Wahrheit finden möchten. Nehmen wir an, daß auch diese ein ähnliches Streben erfüllt, so erscheint uns ihr Irren in milderem Lichte.

Sie hatten jetzt die Höhe vollends erreicht und konnten das Menschengewühl, das diesen für gewöhnlich so leeren Platz erfüllte, bequem übersehen. An den Fahnen erkannte man leicht die Wallfahrer; auch verriethen sie sich durch das Gepäck, das sie mit sich führten. In größeren und kleineren Gruppen vertheilt, lagerten sie zwischen den Felsblöcken auf schattigen Plätzen. Durch den Tannenwald herauf, in dessen Dickicht die Straße nach dem Gebirgspasse hier hinabstieg, kamen neue Zuzügler. Von diesen rührte der Gesang her, welchen die beiden Herrnhuter Brüder schon seit einiger Zeit vernommen hatten.

Außer den Wallfahrern gab es aber auch noch andere Personen, die gleichsam als unentbehrlicher Anhang die Pilgrime begleiteten, und in der Zeit, wo unsere Geschichte spielt, noch bei keinem Wallfahrtsfeste fehlten. In einem Winkel der Waldung hockten um ein knisterndes Feuer vier bis fünf jener braunen Gestalten, die alljährlich mehrmals die Grenzen Böhmens überschritten, und mit ihren Wahrsagerkünsten die Jugend entzückten, das Alter ängstigten. Doch hielten sich die braunen Söhne des ewig wandernden Volkes fern von dem lebhaften Treiben der Wallfahrer. Mit diesen machten sich einige jener hohen schlanken Magyaren viel zu thun, die ebenfalls einige Monate im Jahre aus den Pußten der Theiß bis in die Grenzscheiden heraufkamen und als Tabuletkrämer, mehr noch als hausirende Mediciner einen ganz einträglichen Handel trieben. Sie zeichneten sich durch ihre nationale Kleidung, einen sehr großen Klapphut und den Medicinkasten aus, den sie auf dem Rücken trugen, und über welchen der weite blaue Mantel, den sie stets mit sich führten, radförmig bis zum Knie herabhing. Das lange, schwarze, glänzende Haar, der große Schnurrbart, die kohlschwarzen Augen und die markirten Züge der bleichen Gesichter gaben selbst den sanfter Aussehenden dieser Fremdlinge etwas Unheimliches, das nicht ohne Wirkung auf die Menge blieb. Es bestimmte die Meisten, den Ungarn etwas abzukaufen. Auch verstanden die Magyaren durch häufiges Lateinsprechen sich dem ungebildeten Haufen gegenüber gebührend in Respect zu setzen. Endlich trugen zur Erhöhung der Stimmung ein blinder Geiger und zwei Harfenistinnen, die unvermeidlichen Insassen jeglichen Gasthauses an der Grenze, so lange die gute Jahreszeit dauert, nach Kräften bei.

Lassen Sie uns hier rasten, sagte Graf Alban zu seinem Begleiter. Ich mag zuweilen gern einen Blick in das Gewirr einer Welt thun, die von unserm stillen Asyl grundsätzlich fern gehalten wird.

Wimmer wagte dem viel vermögenden Manne nicht zu widersprechen, obwohl es seinen Neigungen widerstrebte, mit allerlei Volk, wie es sich hier zusammengefunden hatte, unmittelbar zu verkehren. Graf Alban bestellte bei dem dienstfertig herantretenden Schenkmädchen ein paar Gläser mit frischer Milch und erkundigte sich, als es das Verlangte brachte, nach der Ursache des so lebhaften Menschenandranges. Er erfuhr, daß in einigen Tagen das berühmte Portiunculafest zum Andenken an die Stiftung des Franziskaner-Ordens durch Franz von Assisi im nahen Minoriten-Kloster gefeiert werde, und daß zu diesem, der römischen Christenheit hochheiligen Feste viele Tausende frommer Wallfahrer zusammenströmten. Das Mädchen, selbst Katholikin, eine kleine dralle Böhmin mit dunklem Teint und kräftigen Formen, zeigte sich recht gut bewandert in der Geschichte der kirchlichen Festtage, weßhalb Graf Alban eine gute Weile sich mit ihr unterhielt, während Wimmer zwar seinen Hut ablegte, auch verstohlen einige scharfe Blicke auf das Mädchen richtete, es aber durchaus keines Wortes würdigte. Am Schlusse ihres Gesprächs mit dem Grafen bedauerte sie, daß sie durch ihre Dienstpflicht abgehalten werde, das herrliche Fest zu besuchen und der großen Absolution dabei theilhaftig zu werden.

Gehet hin in alle Welt und taufet alle Heiden! sprach Wimmer, sich wieder mit seinem Hute bedeckend, indem er der Dirne nachsah. So sprach unser Herr und Heiland, auf daß bekehrt würden die Ungläubigen; ach, und wenn man nun hinsieht auf diese blödsinnige Heerde, und fragt sich, was die Taufe ihr geholfen hat, da möchte das schwache Herz wohl Zaghaftigkeit und Bangen überfallen, und wir an unsere Brust schlagen ob unserer Sündhaftigkeit!

Zu vieles Bangen und Zagen, mein lieber Bruder, bemerkte Graf Alban, ist kein Zeichen von Glaubensfreudigkeit. Hätten Sie, wie ich, Jahre lang unter den Heiden gelebt, ihre kannibalischen Gewohnheiten mit angesehen, wären Sie Zeuge gewesen von der Wildheit ihrer Leidenschaften selbst nach ihrer Bekehrung zum Christenthume durch die Macht der Lehre unseres Erlösers, so würden Sie bei diesem Anblick von keiner Herzensbangigkeit befallen werden.

Es mag wohl sein, wie Sie sagen, Herr Graf, versetzte Wimmer. Ich bin noch unwürdig des Ruhmes, den wir vor Gott haben sollen, weil mein Geist zu sehr erfüllt wird von weltlichen Gedanken des Geschäftes wegen, das ich doch nur zu seiner Ehre mit solchem Eifer und mit so hingebender Liebe betreibe. Aber Ihr Umgang, Ihr Gespräch kräftigt und erbaut mich wunderbar, und ich bitte deßhalb nur um die aufrichtende Fortdauer Ihrer so treuen Bruderliebe!

Hier reichte Wimmer dem Grafen seine Hand, die dieser mit Wärme und Innigkeit drückte.

Ueber dem Bergkamme hatten sich inzwischen dunkle Gewitterwolken aufgethürmt, die immer drohender und finsterer den Horizont umzogen und ein heftiges Unwetter in Aussicht stellten. Die Wallfahrer brachen deßhalb großentheils auf, um noch bei Zeiten die Klosterfreiheit zu erreichen und, wenn nicht anders, doch wenigstens in Zelten ein Unterkommen zu finden, die zu diesem Behufe zu jedem Portiunculafeste in großer Anzahl errichtet werden. Auch die hausirenden Ungarn verschlossen ihre Medicinkasten, warfen die Mäntel über und griffen nach ihren langen Wanderstäben. Mit stolzem Gruße schieden sie dann und schlugen den entgegengesetzten Pfad nach dem Innern des Hügellandes ein.

Die Heerde sucht ihre Hürde auf, lieber Bruder, sprach Wimmer, den immer schwärzer werdenden Himmel betrachtend. Ich glaube, wir ahmen ihr nach und streben in möglichster Eile dem Ziel unserer Reise zu.

Graf Alban pflichtete dem Freunde bei und gab Befehl, den Wagen vorzufahren. Die Herrnhuter wollten eben einsteigen, als der Hufschlag eines rasch trabenden Pferdes sich hören ließ. Auf der Straße wirbelte der Staub auf und im nächsten Augenblick sprengte ein Reiter vor, hielt an der Bergschenke, schwang sich gewandt aus dem Sattel und schlang die Zügel um ein paar Klammern an dem Pfosten der Hausthüre.

Ist das nicht unser junger Freund? sagte Graf Alban zu seinem Begleiter. Wie doch das Glück die Menschen verwandeln kann!

Es war in der That Fürchtegott Ammer. Sein schlanker Körper hatte im Verlaufe eines Jahres mehr Elasticität und sehnige Kraft erhalten. Seine Gesichtszüge, in denen früher etwas knabenhaft Unreifes oder Versessenes bemerkbar ward, das fast immer allen der Weberei Beflissenen anklebt, waren freier, männlicher, charaktervoller geworden. Eine Fülle von Gesundheit blühte auf der jugendlichen Wange, die fein gelockter bräunlicher Flaum umsäumte. Er trug städtische Kleidung und elegante Reitstiefel, gleich einem reichen Landjunker.

Wimmer heftete mit Wohlgefallen sein Auge auf den Jüngling. Es freute ihn, seinen Liebling so kräftig und selbstständig zu sehen, rasch eine ganze Reihe von Folgerungen daran knüpfend. Als sich Fürchtegott jetzt umkehrte, rief er ihm zu:

Woher des Weges, junger Freund? sagte er in seinem gewöhnlichen sanften, freundlichen Tone. Sind der Herr Vater wohlauf? Und wie befindet sich meine liebe Pathe, die junge, kleine Frau Schwester?

Fürchtegott begrüßte mit Anstand den langjährigen Freund seines Vaters und verbeugte sich mit noch größerer Ehrfurcht vor dem Grafen. Indem er an den Wagenschlag trat, die Reitgerte unter den linken Arm schiebend und den rechten Fuß auf den Tritt setzend, erwiderte er:

Kommen Sie direct aus Herrnhut? Oder waren Sie schon bei uns daheim?

Freilich, sagte der Graf, aber die Herren von Weltenburg waren allesammt ausgeflogen.

Unsere Anwesenheit ist jetzt auch sehr nöthig in Weltenburg, erwiderte Fürchtegott. Der Vater könnte allerdings ruhig zu Hause bleiben, allein dazu bewegt ihn wenigstens keine irdische Macht. Wir Brüder müssen jedoch entweder abwechselnd oder auch beide zusammen die Aufsicht bei den neuen Bauten führen. Am liebsten thun wir es gemeinschaftlich, um auch immer ganz in Uebereinstimmung zu handeln. Das gibt nun viel Unruhe und häufiges Hin- und Herreisen. Um rascher von der Stelle zu kommen, haben wir uns denn ein Reitpferd angeschafft. Es ist freilich kein reines Racepferd, aber es greift doch tüchtig aus, hat keine Mucken, und geht Tag und Nacht sicher.

Du sprichst ja wahrhaftig wie ein junger Herr vom Adel, sagte Wimmer wohlgefällig lächelnd. Es hat dir, wie es scheint, wenig Mühe gekostet, den Leinweberkittel mit einem kleidsamen Reitrocke zu vertauschen.

Fürchtegott erröthete und zog die Augenbrauen etwas zusammen.

Sie wissen, Herr Wimmer, versetzte er, die Weberei war nie meine Leidenschaft. Ich that es dem Vater zu Liebe und werde mich auch ferner noch seinen Wünschen fügen, so lange ich eben muß. Zum Herbst werd' ich mündig, mithin mein eigener Herr. Alsdann hoffe ich selbstständiger auftreten zu können.

Diese letzten Worte sprach Fürchtegott herb, ja mit einer gewissen verdeckten Herzlosigkeit. Graf Alban erhob deßhalb mahnend seine Hand und sagte:

Vergessen Sie nie das vierte Gebot, junger Freund! Auch vom Glück Begünstigten ergeht es doch nur dann gut auf Erden, wenn sie ihre Eltern achten, ehren und lieben!

Fürchtegott schwieg und betrachtete mit Wohlgefallen seine modernen Reitstiefeln.

Sie werden entschuldigen, meine Herren, sagte er dann abbrechend, wenn ich mich empfehle. Ich muß eilen, um wo möglich noch vor Ausbruch des Wetters die Stadt zu erreichen. Ich habe Briefe zu besorgen und ein paar eilig zu erledigende Aufträge des Vaters. Bitte, ihn von mir freundlich zu grüßen, wenn Sie nach Weltenburg kommen.

Der junge Ammer verbeugte sich abermals und ging dann nach der Schenke, um sich eine Erfrischung und ein paar Krumen Brod für sein Pferd geben zu lassen. Während des Gesprächs mit den Herrnhutern war eine der Zigeunerinnen, die noch immer um das Feuer am Felsen hockten, herangeschlichen, vertrat ihm jetzt den Weg und bat sich mit freundlichem Grinsen denn sie war weder jung noch schön die Hand des jungen Herrn aus, um ihm zu wahrsagen. Fürchtegott befand sich der eben erhaltenen Warnung wegen nicht gerade in sehr menschenfreundlicher Stimmung. Er stieß daher die Zigeunerin ziemlich unsanft zurück. Diese jedoch wollte sich dadurch nicht abweisen lassen, weil sie ein Stück Geld zu verdienen hoffte, und trat ihm abermals in den Weg. Fürchtegott ergrimmte über diese Zudringlichkeit, und ohne sich lange zu besinnen, gab er der armen Creatur einen so empfindlichen Schlag mit der Reitgerte, daß sie weinend dem Walde wieder zulief.

Widerliches, gemeines Gesindel! rief er der Zigeunerin nach. Laßt ihr euch auf Weltenburg sehen, so lass' ich euch allesammt über die Grenze peitschen.

Diese Drohworte wurden so laut gesprochen, daß Graf Alban und Wimmer, welche noch Zeuge der lieblosen Handlung gewesen waren, sie deutlich hören konnten. In demselben Augenblicke zogen die Pferde an und der Wagen rollte dem schönen Flußthale zu, in dessen Hintergrunde Weltenburg lag.

Wimmer lächelte. Unser junger Bruder macht rasch Fortschritte in der Kunst zu leben, sagte er. Ja, ja, es steckt ein vornehmer Herr in dem Jünglinge. Das habe ich immer gesagt und deßhalb auch immer Demuth gepredigt. Aber Jugend hat nicht Tugend, und unerwartetes Glück macht gern ein wenig übermüthig. Nun, es schadet wohl nichts. Die Welt ist gar vieleckig und dornenreich, und wenn der liebe Mensch mit seiner Hitze sich ein paar Mal die schönen dunkeln Augenbrauen verbrannt haben wird, sollte er dann nicht milder werden, Herr Graf?

Wir werden ihn scharf zügeln müssen, lieber Bruder.

Bei Leibe nicht! erwiderte Wimmer. Wilde Pferde müssen sich müde laufen und eher noch angetrieben werden, wenn sie über die Stränge schlagen. Ich denke, es soll mir eine rechte Freude gewähren, wenn ich den jungen Uebermuth so recht toll in's Zeug gehen sehe. Man wird dabei selbst wieder jung, lebt wieder neu auf. Und der junge Mensch kann es aushalten. Dafür sorgen wir ja in christlicher Demuth und aus Liebe zu unserm Heilande!

Behalten wir ihn nur immer im Auge, meinte Graf Alban, damit er nichts Unwürdiges thut, so bin ich überzeugt, daß heilsame Trübsal ein brauchbares Werkzeug Gottes dereinst aus ihm machen wird.

Ein sehr brauchbares, lieber Bruder in Christo, bestätigte Wimmer. Die Saaten, welche wir ausstreuen zur Ehre des Herrn, sollen schon aufgehen und hundertfältige Früchte liefern.

Während dieses Gedankenaustausches der beiden Herrnhuter rollte der offene Wagen hinab in das fruchtbare, malerische Thal. Bald zeigte sich der stumpfe, nur mit einem flachen Bretterdache versehene Thurm von Weltenburg, und nach Verlauf einer Stunde hatten es die Reisenden erreicht. Eine zur Herrschaft gehörige Wirthschaft, die dicht an der Straße lag, diente Fremden zur Einkehr. Graf Alban ließ ebenfalls sein Geschirr daselbst stehen und schritt dann den Hügel hinan zum Schlosse.


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