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Feldau spielte vorläufig die Rolle des Klempners weiter. Er besuchte noch einmal die Kaschemme, um Kaumann mitzuteilen, daß es ihm nur gelungen war, vier der Scheine abzusetzen. Er habe jedesmal gezittert und gebebt, und es koste ihm immer einen entsetzlichen Kampf, bevor er sich entschließen könne, einen der falschen Fünfmarkscheine auf den Ladentisch zu legen.
Kaumann lachte. Das kannte er von den andern. Na, mit der Zeit lege sich das. Von da ab kamen die beiden an einem anderen Ort zusammen, im Freien, an einem einsamen Platz, an dem kein Unbeteiligter, kein Lauschender sie überraschen oder beobachten konnte.
Es war an einem der nächsten Abende, als Kaumann mit leeren Händen erschien und lachend erklärte, daß er ausverkauft habe. Das Geschäft gehe glänzend.
Feldau stellte sich erschrocken und betrübt. Was denn nun werden solle? Kaum habe er sich ein bißchen eingearbeitet, und nun solle er schon wieder feiern.
Aber Kaumann schüttelte lächelnd mit dem Kopf.
»Nur ein paar Tage, dann gibt's wieder frische Ware. Mein Lieferant hat mir Nachricht gegeben. Wir treffen uns an einem der nächsten Abende. Von übermorgen ab können Sie mich wieder hier erwarten.«
Feldau hätte beinahe einen Freudelaut ausgestoßen. Da schien man ja schneller, als er zu hoffen gewagt, ans Ziel zu kommen. Wenn man erst festgestellt haben würde, wer dieser Lieferant Kaumanns war – aller Vermutung nach der Generalvertreiber der Falsifikate, der sie von dem Hauptschuldigen, dem Fälscher, selbst erhielt – dann hatte man ja gewonnenes Spiel, dann würde auch der Falschmünzer und seine Werkstätte entdeckt werden. Und dann – den Polizeiagenten durchrieselte es heiß – dann würde sich auch sein sehnlichster Wunsch erfüllen, dann erhielt er die feste Anstellung als Kriminalschutzmann, dann konnte er seinen kleinen Schatz, die süße, liebe, blonde Käthe heiraten. Dann lag der Weg zu Ehre und Ansehen vor ihm, dann konnte er Kriminalwachtmeister werden und es später vielleicht gar einmal, wenn ihm weitere große Erfolge beschieden waren, zum Kriminal-Kommissar bringen.
Natürlich wurde Kaumann von den Leuten des Kommissars jetzt noch emsiger als vorher beobachtet, und richtig, schon zwei Tage später hatte Weigand – er war mit einem seiner Kriminalschutzleute selbst auf dem Posten – das Glück, Kaumann sich der Königs-Allee, von der Saarbrücker Straße her, nähern zu sehen. Er schlenderte anscheinend nachlässig, nur um sich, wie es schien, in der frischen Luft zu ergehen, dahin.
Weigand aber bemerkte wohl, daß er von Zeit zu Zeit vorsichtig um sich spähte. Nun war größte Vorsicht geboten. Der Kommissar nahm mit seinem Begleiter in dem Eckhause der in die Königs-Allee mündenden Belforter Straße Stellung, von wo aus er einen Teil der Allee übersehen konnte.
Kaumann aber schritt weiter hinauf, wo die Häuser aufhörten und die Allee sich in die Chaussee verlor. Aber nach einer Weile kam er zurück und schritt dem Königs-Tor zu, kehrte aber schon nach ein paar Minuten wieder um und näherte sich wieder der Belforter Straße, wo die Beamten in größter Spannung auf ihrem Lauscherposten standen.
Es war in der achten Abendstunde, die Allee, war an dem oberen Ende fast menschenleer. Nur hin und wieder kamen ein paar Fußgänger vorüber, die wegen des kühlen und regnerischen Wetters in Eile ihren Wohnungen zustrebten.
Da erschien plötzlich von dem unteren Ende der Allee her ein ziemlich großer, schlanker Herr und ging dem Kaumann, der gerade die Richtung des Königs-Tores verfolgte, entgegen.
Der Kriminalkommissar konnte, so oft er auch schon spannende Kriminaldramen sich hatte entwickeln sehen und so abgestumpft er gegen Überraschungen und sensationelle Ereignisse war, sich eines ihn heiß durchströmenden Schauers nicht erwehren. Das Herz klopfte ihm höher und er strengte seine Augen aufs schärfste an. Jeder Bewegung des fremden, gelassen, in gleichmäßigem Tempo näherkommenden Mannes folgte er mit gespanntester Aufmerksamkeit. Jetzt trafen die beiden Männer zusammen – im nächsten Augenblick mußten sie beieinander stehenbleiben. Aber was war das?
Ein abkühlendes Gefühl unangenehmer Enttäuschung dämpfte die Erregung des Kommissars. Sie gingen aneinander vorbei, ohne einen Gruß, ohne auch nur ein Zeichen des Einverständnisses auszutauschen. Also nichts; die beiden kannten einander nicht. Es war nur ein Zufall, daß sie aneinander vorübergegangen waren. Jetzt verfolgte jeder seinen Weg in der entgegengesetzten Richtung. Ein Fehlschlag – man war daran gewöhnt. Das Amt des Kriminalbeamten erforderte nicht nur Unerschrockenheit, Kaltblütigkeit und listige Kombinationsgabe, sondern auch ein vollgerütteltes Maß von Ausdauer und Geduld.
Aber was tat Kaumann hier? Wartete er ebenfalls vergeblich? Da – dem Beobachter gab es einen Ruck – die beiden Männer waren nach einigen hundert Schritt wieder umgekehrt und gingen nun abermals aufeinander los. Diesmal nahmen sie die Richtung direkt aufeinander, und nachdem jeder noch einmal kurz Umschau gehalten und sich überzeugt hatte, daß niemand in der Nähe war, begrüßten sie sich mit einem Händedruck und begannen lebhaft miteinander zu sprechen.
Die Kriminalbeamten ließen keinen Blick von den Männern; vornübergebeugt, standen sie in fiebernder Spannung, und ihre geistige und körperliche Tätigkeit konzentrierte sich während der nächsten Sekunden in ihren Sehorganen. Ein stürmisches Gefühl der Befriedigung und an Ausruf freudiger Genugtuung entschlüpfte den Lippen des Kommissars. Der Fremde, der neben Kaumann stand, hatte in die Tasche gegriffen und dem andern ein kleines Paketchen zugesteckt. Kein Zweifel, es war der Generalvertreiber des Falschgeldes, sozusagen der Generalagent des Falschmünzers, dessen Aufgabe es war, den Absatz der falschen Scheine zu leiten. Einen Moment lang durchrüttelte den Kommissar der Impuls, hinzueilen und Kaumann sowohl wie seinen Komplizen festzunehmen. Aber diese Regung schwand sofort wieder. Nichts wäre törichter gewesen als das.
Nein, das nächste war, die Persönlichkeit des Fremden festzustellen, natürlich, ohne daß er oder Kaumann eine Ahnung davon hatte.
Die beiden Männer trennten sich wieder; die ganze Unterredung hatte nicht länger als vier oder fünf Minuten gedauert. Der Unbekannte bog, nachdem er Kaumann zum Abschied die Hand gereicht, in die Belforter Straße ein. Als er bei dem Hause, in dem die beiden Beamten auf der Lauer standen, vorüber war, traten sie vorsichtig auf die Straße hinaus und folgten dem Vorausschreitenden unauffällig, sie konnten ihn jetzt besser in Augenschein nehmen als vorher und mit starkem Interesse machten sie ihre Beobachtungen weiter. Seine Gestalt war groß und hager; er war sehr gut gekleidet. Ein grauer Ulster umschloß ihn fast bis zu den Füßen; ein weicher, grauer, in der Mitte eingedrückter Filzhut saß auf seinem Kopf und in der Hand trug er ein elegantes Spazierstöckchen. Die Farbe seines Haares war in der Dunkelheit und in der Entfernung nicht zu erkennen. Es blieb übrigens zur Beobachtung nur wenig Zeit, denn der ahnungslos Vorausschreitende betrat ein ungefähr in der Mitte der Straße gelegenes Haus.
Die Beamten faßten auf der andern Seite Posto und ließen ihre Blicke zu den Fenstern der verschiedenen Etagen des Hauses hinüberschweifen. Es dauerte nicht lange, als sich zwei Fenster in der dunklen Parterrewohnung erhellten und die Gestalt im Ulster am Fenster erschien, um die Rouleaux herabzulassen.
Der Kommissar hieß seinen Begleiter warten und ging selbst zu dem Hause hinüber, um den auf dem Flur aufgehängten »Stillen Portier« zu befragen. Als Mieter der Parterre-Wohnung war verzeichnet: »Bratz, Bäcker«.
Während Weigand zu seinen Beamten zurückkehrte, sann er nach. Bratz? Kannte er nicht einen Mann dieses Namens? Richtig, da fiel ihm ein, daß er einen Bäcker Bratz vor Jahren wegen Falschspiels verhaftet hatte, nachdem er in längerer Observation das Delikt festgestellt. Auch der Kriminalschutzmann kannte die Affäre, in der er seinerzeit einige Beobachtungen gemacht und über die er bei der gerichtlichen Verhandlung, die zur Verurteilung des Bratz geführt, bekundet hatte. Die Beamten tauschten ihre Erinnerungen aus und sie einigten sich in der Ansicht, daß der Mann im Ulster und Bratz nicht ein und dieselbe Persönlichkeit waren. Der Bratz war um gut einen halben Kopf kleiner und dazu auch korpulenter gewesen.
Wer konnte der Unbekannte sein? Während sie die Straße hinabschritten, ließen sie die Komplizen des Bratz, die mit ihm seinerzeit auf der Anklagebank gesessen, vor ihrer Erinnerung Revue passieren. Aber soweit sie sich erinnern konnten, befand sich niemand darunter, dessen Erscheinung der des Mannes im Ulster entsprochen hätte.
Es blieb also nichts übrig, als nach dem Revier-Polizeibüro zu gehen und hier Erkundigungen einzuziehen.
Kommissar Weigand erfuhr hier, daß Bratz ein möbliertes Zimmer an seinen Schwager, einen gewissen Spangenberg, vermietet hatte. Dieser Spangenberg sei wegen Münzverbrechens vorbestraft.
Wegen Münzverbrechens! Wie eine feurige Lohe schlug es in dem Kriminalkommissar hoch. War Spangenberg vielleicht der Falschmünzer selber, befand sich in der Wohnung des Bratz eine Falschmünzerwerkstatt?
Äußerlich ließ sich Weigand vor den Beamten im Revierbüro nichts anmerken. Er äußerte mit keinem Wort, daß er Spangenberg irgend eines Verbrechens für verdächtig hielte. Im Gegenteil, er erklärte ausdrücklich, daß gegen Spangenberg und Bratz nichts vorliege, und daß er sich auf einer falschen Fährte befunden habe. Je weniger von der Angelegenheit wußten, desto besser. Dieser Spangenberg schien jedenfalls ein schlauer Fuchs, gegen den mit aller Vorsicht und in aller Heimlichkeit operiert werden mußte. Der Kommissar selbst kannte ihn nicht und wußte über ihn nichts weiter, als er im Revierbüro erfahren hatte. Seine Festnahme und Verurteilung mußte in einer Zeit geschehen sein, als er – Weigand – seine jetzige Stellung noch nicht innegehabt hatte.
Am andern Morgen ließ sich der Kommissar im Polizeipräsidium die Akten des Spangenberg kommen. Die letzte Strafe hatte er allerdings schon vor acht Jahren erhalten; er hatte fünf Jahre Zuchthaus abgesessen wegen gewerbsmäßigen Vertriebs von Falschgeld, und zwar in demselben Zuchthaus und zum Teil in derselben Zeit, wie Lomnitz. Freilich, sie waren nicht wegen derselben Sache bestraft worden, immerhin ließ sich annehmen, daß sie im Zuchthaus miteinander bekannt geworden waren. Es schien nicht ausgeschlossen, daß Spangenberg sich an seinem ehemaligen Zuchthausgenossen herangemacht hatte, und nun mit ihm in Kompagnie arbeitete. Er selber war allem Anschein nach bei der Verfertigung der falschen Scheine nicht tätig, denn er war, wie die Akten ergaben, von Beruf Buchbinder, und besaß wohl keine mechanische Fähigkeiten, die ihn zur Herstellung von Banknoten qualifiziert hätten.