Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Im Oberwald, der sich gegen die Ultner Gränze hinzieht, hausten vor vielen Jahren die Kohlfräulein, welche verwünschte Leute waren. Zu Zeiten kamen sie auf die nahe gelegeneWeide, um mit den das Vieh hütenden Kindern zu kurzweilen. Sie hüpften und tanzten,rupften auch für das Vieh Gras, molken aber dafür auch die Kühe. Kamen zuweilen erwachseneLeute in die Nähe, flohen sie zu einer großen »Ganne« und verschwanden darin spurlos.Sie waren bunt gekleidet und nicht höher als ein Tisch. Im Oberwalde, wo es viele solcheFräulein gab, wohnte auch der wilde Mann, der ihnen auflauerte oder auf sie Jagd machte.Fieng er ein Fräulein, rieß er es in Stücke und fraß es auf. Wenn er ein Fräulein jagte,gab es für dieses nur ein Mittel, sich zu retten.
Es mußte sich auf einen Baumstock setzen, in den ein Kreuz gehauen war. Aber das Kreuzmußte in den Stock gehackt werden, während der Baumstamm fiel. Da es im Walde nichthäufig solche Stöcke gab, wurden viele Fräulein gejagt und zerrissen und man hörtesie oft jämmerlich schreien.
Ein alter Pergerbauer, dessen Hof an den Oberwald gränzte, rief einmal dem wildenMann, als er jagte, zu: »Wildmann, trag' mir mein Theil her!« Auf dies kam schnellder Wilde und hängte eine kleine Frauenhand an die Hausthüre, die man nicht wegbringenkonnte. Des andern Tags, als wieder der wilde Mann vorbeifuhr, rief derBauer: »Wildmann, geh' her um dein Theil!« Darauf nahm der Jäger die Hand undtrug sie fort. Nach und nach verloren sich die Kohlfräulein, und als der wildeMann keine Fräulein mehr zu fressen bekam, gieng er auch fort. (Proveis.)