Ignaz Vinzenz Zingerle
Sagen aus Tirol
Ignaz Vinzenz Zingerle

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Zwerge in Wildschönau

Als in Wildschönau das Haus zu Unterhausberg aufgezimmert wurde, waren die Arbeiter mit aller Mühe nicht im Stande, den ungeheuer großen Schwellstein an die Stelle, wo er in den Grund gesenkt werden sollte, zu wälzen. Da erschien, derweil sie Mittag aßen, ein Zwerg und brachte ohne Anstrengung den Stein an den bestimmten Platz. Dafür gaben ihm die Leute einen Kuchen und luden ihn freundlich ein, hiefür öfter zu ihnen zu kommen. Von nun an holte sich der Zwerg an jedem Jahrestag, wo er den Grundstein gelegt hatte, eine Gabe. Später aber, wie das Haus niederbrannte, blieb er aus für immer.

Zu Holzalm, einem Bauernhause im nämlichen Thale, trieb ein boshafter Zwerg sein Unwesen. Dieser hatte seine Freude daran, nachts allerlei Tücke zu verüben. Er warf der Bäuerin in der Vorrathskammer Erbsen, Fisolen, Bohnen, Gerste, Mehl und alles, was er finden konnte, untereinander. Abends, sobald es finster geworden, legte er sich den Leuten vor die Füße, daß sie über ihn hinwegfielen. Während sie wieder aufstanden, schlüpfte er in einen Winkel und schlug ein helles Gelächter auf.

Ferner erzählen die Wildschönauer von Zwergen in den Almenhütten. Wo Senner die Wirthschaft leiteten, pflegten gute, wo hingegen Sennerinnen walteten, bösartige Zwerge den Aufenthalt zu nehmen. Gegen die Senner waren sie sehr dienstfertig, sie wuschen ihnen die Milchgeschirre blank, reinigten die Viehställe und holten Brennholz aus dem Wald. Aber den Sennerinnen schütteten sie die Milch um, machten ihnen das Vieh scheu, kurz, sie spielten denselben alle erdenklichen Possen. Daher soll es kommen, daß in dieser Gegend nicht Sennerinnen, wie dies anderwärts häufig der Fall ist, sondern nur Senner auf die Almen fahren. (Beilage zur Donau 1855 Nr. 35.)

 


 


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