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III. Magister Stephan Rumelant grüßt den Magister Ortuin Gratius.

In aller Eile, ohne irgend welchen Vorbericht, soll Eurer Herrlichkeit zu wissen getan werden, wie neulich ein Doktor der Theologie hier angekommen ist, der sich Thomas Murner nennt; derselbe ist aus dem Orden des heiligen Franziskus, ein Oberländer, und nimmt sich so viel heraus, daß Ihr es gar nicht glaubet. Man sagt, er mache Karten, und wer mit diesen Karten spiele, der lerne Grammatik und Logik. Auch hat er ein Schachspiel verfertigt, auf welchem sich die Quantität der Silben ziehen läßt. Auch gibt er vor, hebräisch zu verstehen, und macht auch deutsche Verse. Es hat mir einer gesagt, ein solcher Doktor wisse in allen Künsten etwas. Als ich das hörte, erwiderte ich: »In allem etwas, im ganzen nichts«. Da standen einige da und lachten. Es ist aber jener Doktor ein großer Freund von Johannes Reuchlin hol' ihn der Teufel! – ich fürchte, er macht hier gemeinschaftliche Sache mit den Chorherren und anderen Geistlichen, daß sie es mit Reuchlin halten. Unlängst sagte er, so daß viele es hörten, ein Knabe könne die Torheit, das läppische Treiben und die Bosheiten der Kölner Theologen und ihrer Anhänger erkennen. Auch schwur er bei allem was heilig ist, daß, wenn nicht der Papst wohl achtgebe und sie wegen ihrer Verkehrtheit züchtige, ein Schisma in der Kirche und im christlichen Glauben entstehen werde, weil, wenn der Papst ihnen solches zu tun gestatte, fürderhin niemand mehr studieren und darauf bedacht sein werde, sich Kenntnisse zu erwerben. Überdies sagte er noch, Reuchlin könne in einem einzigen Tage der Kirche mehr nützen als jene seine Feinde in hundert Jahren. Ferner sagte er: »Wenn sie gute und rechtschaffene Männer sind, oder eine gerechte Sache wider Reuchlin haben, warum handeln sie nicht selbst? Warum wollen sie durch einen getauften Juden ihre Geschäfte, besorgen, lassen und fabrizieren skandalöse Schriften gegen jenen guten Doktor, und schieben diesen Windbeutel als Verfasser vor? Gäbe es einen noch schlechtern und übler berüchtigten Menschen in ganz Deutschland, sie hätten sich auch mit diesem verbündet. Allein es ist kein Wunder, denn »Schlim, Schlim sucht immer einen auf, gleich ihm«. Da konnte ich nimmer länger schweigen, sondern sagte: »Herr Doktor, nichts für ungut, Johannes Pfefferkorn ist ein ehrenwerter Mann, er ist ein treuer Sachwalter Kaiserlicher Majestät und geboren aus dem Stamme Naphthali, und Ihr wisset, daß dies ein altes Geschlecht ist. Er könnte sich rühmen, von Adel zu sein, obwohl er das aus Demut nicht tut«. Auf dies entgegnete jener Doktor: »Nehmet einen Löffel und fresset eure eigenen Worte«. Ich darauf. »Glaubet Ihr, ich hätte nicht auch Menschen gesehen? Ich bin Pariser Magister, und habe zu Köln wohl zwei Jahre Theologie studiert, Herr Doktor seid doch nicht so stolz, bevor Ihr die Leute kennet«. Doktor Murner erwiderte, er habe nicht gewußt, daß ich Magister sei, und setzte hinzu: »Von der Ehrenhaftigkeit des Johannes Pfefferkorn habe ich nicht viel gehört, was ich aber von ihm gehört habe, kann ich wohl sagen, wenn nicht die Juden daran gewesen. wären, ihn wegen seiner Freveltaten vom Leben zum Tode zu bringen, so wäre er nie ein Christ geworden. Auch habe ihm ein Jude gesagt: »Da sieht man, was den Juden zu schlecht ist, das ist den Christen gut genug. Wir wollten diesen Übeltäter zum Tode verurteilen; nun haltet ihr Christen ihn in Ehren, wie wenn er ein rechtschaffener und gelehrter Mann wäre, während ihr doch sehet, wegen was er ein Christ geworden ist.« Da antwortete ich: »Herr Doktor, höret doch nur ein wenig: die Juden tun dem Johannes Pfefferkorn unrecht; denn nie hat er etwas gestohlen, noch etwas Schlechtes getan, als er noch Jude war, wie man nach Pflicht und Gewissen glauben muß. Und daß dies die wirkliche Wahrheit ist, so müßt Ihr wissen, daß ihm einmal zwei Juden die Schande eines Diebstahls aufbürden wollten, was sie aber nur aus Neid und verfluchter Bosheit taten. Da lud er sie vor die kaiserliche Kammer, und sie gaben ihm dreißig Gulden für die Kosten, womit er zufrieden war. Auch stammt Johannes Pfefferkorn aus guter Familie. So lange er aber Jude war, war er wie die andern Juden; denn – wie es im Sprichwort heißt – »wer unter den Wölfen ist, muß mit den Wölfen heulen«; nunmehr aber ißt er Schweinefleisch, wie jeder gute Christ tut.« Hierauf warf Doktor Murner die Frage auf. »Ißt Pfefferkorn auch Würste?« Ich erwiderte: »Noch habe ich ihn keine essen gesehen, indessen ist anzunehmen, daß, wenn er Schweinefleisch ißt, er auch das ißt, was aus Schweinefleisch gemacht wird.« Worauf jener: »Ihr habt den Johannes Pfefferkorn gut entschuldigt,« und frug, ob er auch noch beide Ohren habe? Ich antwortete: »Als ich noch in Köln war, hatte er sie, und ich glaube, er hat sie auch jetzt noch und wird sie in alle Ewigkeit haben.« Dann frug er: »Was haltet Ihr von Johannes Reuchlin?« Ich sagte ihm, daß ich ihn nicht kenne, aber wohl wisse, daß die Theologen und weitaus der größte Teil der Kirche ihn für, einen Ketzer halten, weil er den Johannes Pfefferkorn und außer ihm noch die vortrefflichsten Männer verlästert habe, ohne daß sie sich vorher etwas hätten zuschulden kommen lassen. Da lachte er und sagte: »Bei Gott, Ihr tut wohl daran, daß Ihr den Johannes Pfefferkorn und die andern so vortrefflichen Männer verteidigt.« Ich: »Höret noch mehr: jener Pfefferkorn ist in der Kirche Gottes von großem Nutzen, denn er brachte Gott zwölf Seelen zu, wie er selbst freimütig gesteht.« Doktor Murner frug weiter: »Wo brachte er Gott jene Seelen zu? im Böhmerwald, wo er wahrscheinlich in Gemeinschaft mit anderen Räubern die Leute ermordet hat, deren Seelen zu Gott gekommen sind.« »Keineswegs,« erwiderte ich, »sondern indem er sie zum christlichen Glauben bekehrte.« Darauf sagte jener: »Wie wisset Ihr denn, daß solche Seelen zu Gott gekommen sind?« Ich antwortete: »Weil Pflicht und Gewissen gebieten, es zu glauben.« Frage von Murner: »Was tut also jetzt Pfefferkorn?« Ich: »Wahrscheinlich geht er in die Kirche, um Messe und Predigt zu hören, und erwartet, indem er sich gegen Johannes Reuchlin verteidigt, den Tag des jüngsten Gerichtes.« Er: »Wird denn Pfefferkorn so lange am Leben bleiben?« Ich: »Seine Seele allerdings, sein Körper freilich nicht.« Da sagte Doktor Murner: »Gut, Pfefferkorn ist wert, einen solchen Verteidiger zu haben,« und entließ mich-, alle Anwesenden aber lachten und sagten: »Bei Gott, Herr Stephan, Ihr habt ihm mutig geantwortet.« Auf dies sagte ich: »Ich will Wort für Wort dem Magister Ortuin schreiben,« und Ihr seht nun, daß ich es jetzt tue; schreibet auch Ihr mir wieder. Ich bin zu Euern Befehlen.

Gegeben zu Trier.


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