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John Greenleaf Whittier.

Maud Müller.

Maud Müller an einem Sommertag
Rechte das Heu am Wiesenbach.

Es blinkt' unter ihrem zerknitterten Hut
Schlichte Schönheit und rosige Gluth.

Sie schaffte singend; ihr Singen gab
Zurück Spottdrossel vom Baum herab.

Doch als sie zum fernen Städtchen sah
(Weiß lag es am Hügelabhang da),

Starb hin ihr Lied, und ein süßer Schmerz,
Ein namenlos Sehnen erfüllt' ihr Herz, –

Ein Wunsch, den kaum sie zu hegen gewagt,
Nach Besserm, als sonst ihr Sinn erjagt. –

Der Richter ritt langsam zur Tränke sein Roß,
Dem die Mähne braun auf den Nacken floß.

Wo die Apfelbäum' ihre Schatten breit
Hinwarfen, da hielt er, und grüßte die Maid;

Und erbat einen Trunk sich aus kühlem Quell,
Entsprudelnd am Wege klar und hell.

Es beugte die Maid sich zur Quelle hin,
Und füllte den kleinen Becher von Zinn.

Sie bot ihn dem Richter mit zagem Gruß,
Und blickte voll Scham auf den nackten Fuß;

Auf den nackten Fuß, das zerrißne Gewand –
O wie schön das Roth ihrer Wange stand!

»Dank!« sagte der Richter; »ein Trank, so werth,
Ward nimmer von schönrer Hand bescheert.«

Er sprach von den Bäumen, von Gras und Blum,
Von der Vöglein Sang und der Bienen Gesumm;

Vom Heu sodann, und ob das schlechte
Gewölk im Westen wohl Regen brächte.

Und Maud vergaß ihr zerrißnes Kleid
Und die nackten Knöchel voll Lieblichkeit;

Und mit horchendem Staunen stand sie da,
Das aus braunen, langwimprigen Augen sah.

Zuletzt, als ihm, länger zu weilen dort,
Kein Grund mehr einfiel, ritt er fort.

Maud Müller sah auf, und seufzte laut:
»O, daß ich wäre des Richters Braut!

»Er würde mich kleiden in Seide fein.
Und tränke mein Wohl in dunklem Wein.

»Mein Vater trüge ein tuchnes Gewand,
Mein Bruder führ' über Meer und Land.

»Und Mutter würd' eine Dame groß,
Viel Spielzeug bekäme das Kind auf dem Schooß.

»Die Armen entließ' ich gespeist von der Thür,
Und es segneten Alle mich für und für.« –

Der Richter wandte sein Haupt zum Spähn,
Und sah Maud Müller noch sinnend stehn.

»Eine schönre Gestalt, ein lieber Gesicht
In all meinen Tagen erschaut' ich nicht.

»Und ihr zart bescheidnes Benehmen zeigt,
Daß Gemüth und Verstand ihrer Schönheit gleicht.

»O wäre mein dies Mägdlein treu,
Und recht' ich gleich ihr das duftige Heu!

»Dann nimmer quälten mich Recht und Gesetz,
Noch widriges Advokatengeschwätz.

»Das Brüllen der Kühe, der Vöglein Sang
Nur hört' ich und lieblicher Worte Klang.«

Doch er dachte der Schwestern, stolz und kalt,
Und der Mutter, eitel auf Rang und Gewalt.

So ritt entsagend der Richter fort,
Und Maud blieb allein auf dem Felde dort.

Die Kollegen wohl haben gelacht und gebrummt,
Als ein Liebeslied er im Saal gesummt;

Und das Mädchen säumte am Bach – o weh! –
Bis der Regen fiel auf den trocknen Klee.

Er freite ein Weib, das viel Gold ihm gebracht,
Der Mode lebend, wie er der Macht.

Doch oft in dem Haus, wo die Säulen stehn,
Schaut' er ein Bildniß kommen und gehn;

Der süßen Maud Müller staunend Gesicht
Mit den frommen Augen, braun und licht.

Statt des Weines im Glase, purpurn und hell,
Sehnt' er sich oft nach dem Wiesenquell;

Und schloß seine Augen in bitterm Weh,
Von Feldern zu träumen und rothem Klee.

Und es seufzte der Stolze voll stiller Pein:
»O dürft' ich wieder frei doch sein –

»Frei wie an jenem Sommertag,
Wo die Maid Heu rechte am Wiesenbach!« –

Sie nahm einen schlichten und armen Mann,
Viel' Kinder umspielten ihr Hüttchen dann.

Doch es gruben Sorge und Kindbettspein
Auf Herz und Hirn ihre Furchen ein.

Und oft, wenn der Sommersonne Strahl
Das Heu ihr dörrte im Wiesenthal,

Und wenn mit melodischem Rauschen schnell
Uebern Weg hinhüpfte der Murmelquell:

Im Schatten der Apfelbäume dann
Hielt im Traum ein Reiter den Zügel an.

Und träumend fühlte sie wieder nun
Auf ihrem Antlitz sein Auge ruhn.

Oft dehnte die enge Häuslichkeit
Sich aus zu Sälen, gewölbt und weit;

Ein Flügel wurde das Spinnrad schwer,
Die Unschlittskerze ein Lampenmeer.

Und statt Dessen, der übern Bierkrug tief
Gebückt an der Ecke des Herdes schlief,

Sah sie ein männliches Angesicht,
Und Liebe war Regel, und Freude Pflicht.

Dann trug sie von Neuem des Lebens Wehn,
Nur seufzend: »Es hätte können geschehn!!«

O, wehe dem Richter und weh der Maid –
Dort Reichthumssorgen, hier Wirthschaftsleid!

Sei gnädig Beiden Gott und uns Allen,
Denen die Träume der Jugend verhallen!

Denn von allem Trüben die trübsten Wehn
Sind die Worte: »Es hätte können geschehn!«

Ach, Jeder wohl senkte ins finstre Grab
Eine süße Hoffnung tief hinab;

Und Engel vielleicht an künft'gem Ort
Wälzen den Stein vom Grabe fort.

 

*

 

Gesang der Sklavinnen in der Wüste.

      Wohin gehn wir, wohin gehn wir,
            Wohin gehen wir, Rubie?

      Herr, o Herr von Volk und Land,
      Schau auf diesen Wüstensand
      Durch der glühnden Sonne Qual,
      Durch des Mondes weißen Strahl!
Heiße Ghibliwinde wehn hier,
Fremde, weite Flächen sehn wir –
Sprich, und sag uns: wohin gehn wir,
            Wohin gehen wir, Rubie?

      Burnu-Land war reich und schön,
      Frucht und Trank in Thal und Höhn,
      Bohnen dort und Hirse blühn,
      Palmenbäume schlank und grün.
Burnu-Land nicht länger sehn wir,
Hungernd, durstend, ach, vergehn wir,
Unterm Grimm des Mohren stehn wir –
            Wohin gehen wir, Rubie?

      Blättern gleich und Ufersand,
      Kamen wir von Burnu-Land,
       Hin nun rafft uns hier die Noth –
      Eine ist von Zweien todt.
Bleiche Knochen ringsum sehn wir,
Allerbarmer, zu dir flehn wir!
Hör uns, sag uns: wohin gehn wir,
            Wohin gehen wir, Rubie?

      Seit gar manchem Mond ist schon
      Burnu-Land dem Blick entflohn;
      Fremder täglich dehnt sich aus
      Um uns her der Wüste Graus.
Wellen nur von Sand erspähn wir,
Brennende Wüstenwinde wehn hier –
Herr der Welten, wohin gehn wir,
            Wohin gehen wir, Rubie?

      Du bist stark, doch wir sind schwach;
      Kurz ist unser, lang dein Tag;
      Du hast Augen, wir sind blind;
      Du bist weis', wir Thoren sind.
Kund ist, was da wird geschehn, dir;
Fremdes Land durchirrend flehn wir –
Hör uns, sag uns: wohin gehn wir,
            Wohin gehen wir, Rubie?

 

*

 

Aussaat und Ernte.

Wie über die gefurchte Au,
Vom scharfen Märzeswind umweht,
Der noch vom Winterfroste rauh,
Der Landmann, Saaten streuend, geht:

So streuen, Freiheit! sturmumtost
Wir deine Saat in alle Welt,
Und hoffen, daß ein lindrer Ost
Die Keime weckt, die Halme schwellt.

Wer heißet schwer den Dienst für dich,
Schaut in ihm selber nicht den Lohn?
Wer preist in ihm nicht glücklich sich,
Währt auch die Prüfung lange schon?

Es mag uns nicht beschieden sein,
Im fruchtbeladnen Feld zu stehn;
Zu hören, wie im Abendschein
Die Schnitter singend Garben mähn –

Doch, so wir unser Werk gethan
In Harmonie mit Gottes Rath,
Wird uns im Heut die Zukunft nahn,
Und unser Wille gilt als That.

Ja, unser ist die Arbeit doch.
Die einst den höchsten Lohn erwirbt!
Die Hoffnung blieb, der Glaube noch,
Und Wald und Quelle nie verdirbt.

Und wär' dies Leben Alles nur,
Der Menschheit einzig Ziel und Loos:
Dann lieber dies Bebaun der Flur,
Als müßiger Traum, die Hand im Schooß!

Doch ist, wenn Tod uns niederwarf,
Dies Leben neuem Sein geweiht:
Dann selig, wer erwarten darf
Im Himmel seine Erntezeit!

 

*

 


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