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»Ach, fandst du nicht das Herz, o sag,
Das gestern ich verlor,
Als wir spaziert im Blüthenhag
Beim Mondlicht vor dem Thor?«
»Ich hab' ein Herz; doch woran kennst
Du's wieder? sage mir.
'S ist billig, daß du Zeichen nennst –
Gehören wird's wohl dir.«
»Wohlan! Es war nicht hart, noch kalt,
Ein niedlich kleines Herz,
Von Sang und süßer Lust durchwallt,
Und – grade nicht von Erz.
»Es war so fröhlich, frank und frei
Wie'n Vöglein auf dem Zaun,
Andächtig ehrt es Lieb' und Treu,
Fern jeder Arglist, traun!«
»Hier ist das Herz, so treu und echt –
Die Welt, ach, gäb' ich drum!
Doch leider, dir gehört's mit Recht –
So nimm dein Eigenthum!«
»Schön Dank! Doch halt... wie! treibst du Scherz?
Mein Herz, sagt' ich, sei
klein;
Doch dieses große, warme Herz,
'S ist klar, ist gar nicht mein.
»Aha, du schelmisch arger Wicht,
Dies hübsche Herz ist deins!
Doch, topp! der Tausch verdrießt mich nicht,
'S ist fast so gut wie meins.«
*
Scheint die Geliebte kalt dir, schilt sie nicht!
Birgt frost'ges Wesen je der Flammen Hort:
'S ist nur der Schnee, der Hekla's Kamm umflicht,
Doch drunten brennt das ew'ge Feuer fort.
Ihr Denken sei nicht jedem Aug' entrollt,
Gleich lust'gem Wimpel, der im Winde fliegt;
Noch sei durch Blick und Worte stets gezollt
Der Welt, was tief in ihrer Seele liegt!
Ob bei dem Schritt, dem froh ihr Herz erbebt,
Sich auch verhüllt ihr Auge senken mag,
Und kaum ein Zittern ihre Lipp' umschwebt,
Wenn glühnde Worte deine Stimme sprach:
Mißtrau du ihren ruh'gen Träumen nicht!
Ruhig und klar schwebt über dir der Stern;
Sieh, auf dem Strome nur das irre Licht
Erbebt und schwankt bei jeder Regung gern.
Und wende nicht dich unbefriedigt fort,
Ob keinen Ton dein durst'ges Ohr vernahm,
Ein tiefes Athmen nur, kein armes Wort,
Ihr still beseligt Glück zu künden kam!
O sage nimmer, daß sie Nichts bescheert,
Zu stillen deiner Seele mächt'ge Gluth,
Weil nach dem Liebes
spruch dein Herz begehrt,
Den sie bewahrt in tief geheimer Hut.
Die Rose, sahst du, bog sich und erblich,
Von allzu jäher Himmelsfluth erdrückt –
So beugte
sie, wortlos verstummend, sich
Der großen Liebe, die ihr Herz entzückt.
*
Mein Herz durchschauert jähe Angst,
Und schwer auf meinem Geiste ruht
Der Zweifel, den dein Wort verrieth
Und deiner Augen finstre Gluth.
Schau her, der Liebe stärkster Bann,
Ihr rein Vertrauen ist zerbrochen
Durch jenen Frostgedanken, den
Dein Herz genährt, dein Mund gesprochen!
Du Glaubensloser! sprich – o kam
Denn kein Erinnern über dich?
Vertheidigte kein ernstes Wort,
Kein Lächeln, keine Thräne mich?
Hat all die Lieb' all unsrer Zeit
Nicht einen Ruf zu dir entsendet?
War dir mein Auge nicht ein Strahl,
Der jegliches Gewölke blendet?
Ob Freud' und Lächeln wiederkehrt,
Ob wohl noch manche Lust uns blieb:
Doch ist die Lieb' nicht göttlich mehr,
Wenn sie erst sagen muß: »Vergieb!«
O, mehr als nächt'ge Schatten hat,
Wie sehr uns auch umlacht der Morgen,
Des ersten Nachtgedankens Hauch
Den ganzen Himmel uns verborgen!
Nicht mehr der Hoffnung klarer Quell,
Der Kelch der Reue winkt uns nun.
Noch mögen in der Liebe Hain,
Bekränzt mit Rosen, still wir ruhn –
Doch matt nun lächeln wird ihr Mund,
Ihr Auge trüb aus Zähren schauen,
Aus ihren Wunden wird das Blut
Die Blumen all' am Weg bethauen.
Gieb Acht, o Lieber, daß kein Pfeil
Ihr zartes Herz zuletzt durchbohrt,
Daß nicht ihr trüber Schimmer selbst
Ihr traurig Lächeln uns verdorrt!
Daß scheidend nicht an ihrem Grab,
In das verwelkte Blüthen fallen,
Wir in das weite Leben ziehn,
Allein den öden Pfad zu wallen!
*
O Tochter Kreta's, der noch kaum
Das Glück gelächelt – wie geschwind
Erblaßt dein junger Lebenstraum,
Du arm, verlassen, einsam Kind!
Die Brust, an der dein Haupt geruht,
Stößt ihre Last zurück; das Aug',
Das einst geflammt in Liebeshauch,
Sah jetzt dich an mit kalter Gluth;
Der Arm, der an das Herz dich zog,
Sich warm um deinen Nacken bog,
Umarmt nun Andre – Theseus log!
Doch, Ariadne, du bist werth,
Daß dich dein finstres Loos verzehrt,
Denn du
erniedrigst dich im Weh!
Steh auf, und freudig sag ihm: »Geh!«
Denn Gott und Erdensohn – gesteh! –
Deß Lieb' und warme Leidenschaft
Selbstsucht und rohen Stolzes Kraft
Zerstört, erkältet und erschlafft,
Ist allzu kläglich und gemein,
Um
einen Schatten nur von Pein
Der Stirn des Weibes zu verleihn,
Weil er von dannen zeucht;
Um
eines Morgens goldne Pracht,
Den Traum zu stören
einer Nacht;
Um ihres Auges sanften Strahl
Erdwärts zu ziehn ein einzig Mal,
Von
einer Thräne feucht!
Du solllest jauchzen – du bist frei
Der Fessel, welche kurz dich band.
Dies, dies dein stolzer Abschied sei
Auf jenem kahlen Inselland:
»Geh hin, Verräther, der die Treue brach!
Geh – trage nach Athen dein ehrlos Haupt!
O, beugen könnt' ich mich in meiner Schmach,
Die Stirn am Fels zerschmettern sinnberaubt,
Hätt' ich dich je geliebet,
wie du bist,
Belügend selbst mein Herz mit arger List!
»Doch
so nicht liebt' ich dich – nein, vor mir stand
Ein Wesen, herrlich, stolz in Königspracht,
Deß Lippe, nur für mich zu glühn, bekannt,
Deß Herz mir seiner Liebe Zoll gebracht;
Und Das warst du – mit Schätzen, ach, gekrönt,
Mit denen dich mein reicher Geist verschönt!
»Nicht als ein Traumbild hatt' ich dich erkannt,
Als meine Seel' entzückt in deine floß;
Dein Wesen fast zu einem Gott erstand –
Solch einen Glanz um dich mein Lieben goß!
Und ich auch schien unsterblich schon beglückt,
Von deiner Lippe Flammenkuß berückt!
»Nun bist du eingeschrumpft zu Theseus mir; –
Sieh her, die Götter haben fortgeweht
Von deiner Stirn der luft'gen Krone Zier;
Das Purpurkleid, darin du dich gebläht,
Zerriß – ein Fetzen kaum umwallt dich mehr,
Bettler an Allem, was da groß und hehr!
»Auch meines Hasses nicht halt' ich dich werth;
Er wär' ein Strahl noch, der dein künft'ges Loos
Mit einem Schimmer doch von Glanz verklärt'!
Zeuch fort, ein Traum, ein böser Schatten bloß!
Nichts sei dein Name, als ein Dieb, der sich
Lautlos und feig aus meiner Seele schlich!
»Ob du aus meines Herzens Himmel auch
Die heil'ge Flamme stahlst: es giebt dich frei;
Dich kettet Nichts, als deiner Schande Hauch,
Kein Kaukasus dir
mein Erinnern sei;
Denn selbst mein finstrer Haß, entlüd' er sich,
Verstrahlte noch zu viel des Ruhms auf dich!
»Du denkst, mein Leben sei nun öde Nacht –
Ha! es ist Nacht, doch sternenlicht-erhellt;
Hoffnungen glänzen noch in stolzer Pracht,
Freie Gedanken ziehn durch seine Welt;
Und majestätisch, ruhig, kalt und hoch
Erblinkt die Luna seines Himmels noch!
»Wenn du mich arm gewähnt und thorengleich,
Wie blind bist du, gesunkner Göttersohn!
Sieh, an Verachtung deiner bin ich reich;
Und Götter schauen von Olympos' Thron
Auf mich herab – heilig für alle Zeit
Sei Naxos, und zur Göttin ich geweiht!«
Auf jenem Riff, wo blaß und kalt
Du spähtest, wie sein Kiel entwallt';
Wo, gleich zersprungner Harfe Klang,
Du, Königskind, geklagt so bang,
Und wie ein Blümlein dich geneigt,
Wenn es ein Regenguß bestreicht: –
Dort solltest aufrecht kühn du stehn,
Der Eiche gleich im Sturmeswehn,
Gebeugt nicht, noch zerspellt!
Es sollte durch die Lüfte glühn
Dein letzter Blick und ihn umsprühn,
Ein Blitz vom Himmelszelt!
Dort solltest schaun du klarbewußt,
Wie fern sein Segel jetzt entschwebt,
Kein wilder Schmerz in deiner Brust,
Von keiner Hoffnung feig durchbebt; –
Nur dieser flücht'gen Worte Ton
Sendend empor zu Jovis Thron:
»Hemm deiner Rache Donnerkeil,
Und des Verräthers Fahrt beeil'!
Ihn locke nicht Sirenenfang –
Nein, gieb ihm Glück den Pfad entlang!
Wie einen schnellen Pfeil zum Ziel
Beflügle seiner Barke Kiel!
Send hinter ihm die Stürme her,
Den Feigling jagend übers Meer!
Vom Blitz sei ihm der Weg gesagt –
Triff ihn, wenn er die Rückkehr wagt!«
*