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VIII.

Der Mond stieg jetzt über dem flachen Küstenlande auf und goß sein Silberlicht auf das weite Meer, dessen Fluth sich glänzend in ihm spiegelte, und der Seewind zog über den flachen Strand und labte und erfrischte die müden heimathlosen Wanderer.

Ruhe und Stille hatte sich über die Stadt und über die Küste gelegt, nur die rauschenden Wogen rollten ununterbrochen heran und das Dampfschiff glitt in der Ferne wie ein schwarzer Punkt auf den silbernen Wellen auf und nieder.

Es war gegen Morgen, als Sarszan in das Lager zurückkehrte und Corzaris ihn mit Liebkosungen im Eingang des Zeltes empfing.

Kaum war der neue Tag erschienen, als der Händler sich wieder zeigte und den Befehl gab, die Sclaven nach der Stadt zu führen. Dieselben wurden nun in Abtheilungen von zwanzig Stück zusammengekettet, die bewaffneten Aufseher traten an ihre Seite, und bald setzte sich der Zug der durch Sarszan an die Kaufleute in Whydah bereits verkauften Menschen in Bewegung. Buardo und Semona waren keiner der Abtheilungen beigefügt, sie schritten unabhängig von denselben nur durch eine Kette verbunden ihren Leidensgefährten schweigend nach. Auf dem Marktplatz der Stadt erwartete der Cabozir die Sclaven, zählte sie und empfing dann von Sarszan die gesetzliche Abgabe für den König von Dahomey, die bei dem Verkauf eines jeden Sclaven demselben entrichtet werden mußte.

Die verschiedenen Sclavenhändler, welche die Neger von Sarszan gekauft hatten, theilten sich nun in diese Waare, ein Jeder von ihnen führte seine Sclaven nach einem großen Feuer, welches auf dem Platze errichtet war, und brannte dort mit einem glühenden Eisen jedem einzelnen sein Zeichen auf die Hüfte. Unter lautem Schreien und Wimmern wurde die Arbeit ausgeführt, als aber der Eigenthümer Buardo's und Semona's diesen winkte, zu dem Feuer zu treten, um dort gezeichnet zu werden, flüsterte ihm Sarszan einige Worte zu, die ihn bestimmten, diesen Beiden das Gebranntwerden zu erlassen. Der neue Herr ließ sie nun seinen übrigen Sclaven folgen und führte sie sämmtlich in einen, theilweise mit Rohr und Schilf überdachten Hof hinter seinem Wohnhaus, der mit einer hohen Mauer umgeben war, und wo sie bis zum Einschiffen verwahrt werden sollten.

Sarszan hatte seine Geschäfte in Whydah bald beendigt und brach noch am selbigen Abend nach Abomey auf. Er hatte außer den Sclavinnen, die er für seine eigene Bedienung hielt, alle diejenigen hier verkauft, die Buardo und Semona noch vom Zirmiflusse her kannten, und dagegen andere, die er in Boussa eingehandelt hatte, für den König von Dahomey bestimmt. Mit diesen und mit seinen eigenen Dienern verließ er Whydah auf der Straße nach der Residenz des Königs, während er die in Boussa gemietheten Aufseher auf dem Wege zurücksandte, den er gekommen war.

Am dritten Abend schon zog er in Abomey ein, hielt auf dem Marktplatz an und ließ sich von hier aus bei dem Mayho oder Premier-Minister des Königs melden. Bald darauf erschien dieser, hieß ihn im Namen seiner Majestät willkommen und geleitete ihn nach einem Hause des Herrschers, wo er ihm und seinem Gefolge Wohnungen anwies. Der Mayho sagte Sarszan viel Freundliches vom Könige, theilte ihm mit, daß derselbe sich auf seinen Besuch gefreut habe und daß er sehr gespannt darauf sei, die Waaren und die Sclavinnen zu sehen, die er für ihn zum Kauf mitgebracht habe. Zugleich erzählte er ihm, wie der König über den Raub, den Buardo an der für ihn bestimmten Sclavin begangen, sich erzürnt und wie er sich dafür an den Annagu's gerächt habe. Leider, sagte er, sei Buardo auf dem Marsch nach Abomey durch eine Amazone aus seiner Gefangenschaft befreit worden, der König würde aber nicht eher ruhen, bis er ihn wieder in seiner Gewalt habe, um ihm den verdienten Lohn für seine Missethat zu geben. Der Mayho schied mit der Versicherung, daß sein Herr am folgenden Morgen den Händler zu sich in das Schloß befehlen würde und bat ihn, sich mit den Waaren und Sclavinnen bereit zu halten, vor seiner Majestät zu erscheinen. Noch spät am Abend erschien ein Beamter des Königs bei Sarszan, überreichte ihm nach Landessitte einen Rohrstock als Sinnbild eines Besuchs des Herrschers und erkundigte sich nach dem Befinden des Händlers. Früh am folgenden Tage kam der Mayho wieder, um Sarszan zum Könige zu führen. Die Sclavinnen, ein Dutzend an der Zahl, waren geschmückt und voll Erwartung, den mächtigen Herrn zu sehen, dessen Frauenzahl sie vermehren sollten; die Waaren standen bereit und der Händler gab seinen Dienern den Wink, dieselben voran nach dem Palaste zu tragen, während die Sclavinnen ihnen folgten und Sarszan mit dem Mayho den Zug beschloß.

In einem Hofe zwischen den Wohnungen des Königs saß dieser unter einem riesengroßen Sonnenschirm, der mit der Stange in die Erde gepflanzt war und empfing den Händler mit großer Huld und Freundlichkeit. Dieser mußte neben ihm Platz nehmen, er ließ sich einen Pokal mit Branntwein reichen und trank denselben auf das Wohl feines Gastes aus. Während der König den Becher zum Munde führte, hielten zwei Sclaven ein Tuch vor sein Gesicht, da Niemand ihn essen oder trinken sehen durfte. Nach diesem Empfang ließ sich der König die Sclavinnen vorführen, über welche er Sarszan seine größte Zufriedenheit zu verstehen gab, besonders erhielt eine Negerin, Namens Dagana, seinen Beifall, welche der Händler durch Zahlung eines sehr hohen Preises von ihren Eltern in Boussa gegen den Willen des Mädchens an sich gebracht hatte, und die ihren Unwillen auch jetzt noch vor dem Könige nicht verbergen konnte. Demungeachtet gefiel sie Ihrer Majestät, denn sie war jung und schön und der Handel über sie und über ihre Gefährtinnen war bald abgemacht.

Einige Frauen des Königs führten die Sclavinnen hinweg, um sie unter sich aufzunehmen, und nun legte der Händler dem Könige die Waaren vor, die ihm dieser auch größtentheils abkaufte. Nach beendigtem Geschäfte ließ der Monarch sich Champagner bringen und leerte die Flasche mit großer Huld auf das Wohlergehen Sarszan's, während welcher Zeit er sich von ihm genauen Bericht abstatten ließ, in welcher Weise Buardo ihm damals die Sclavin Semona geraubt habe. Die Erinnerung an die, gegen ihn verübte Gewaltthat und die Stärke der genossenen Getränke versetzten den Herrscher wieder in großen Zorn, er schwur, die Annagu's zu verfolgen und sie aus der Welt zu schaffen, bis er des Räubers habhaft würde, um ihn der gerechten Strafe zu überliefern. Seine Aufregung aber that seinem Wohlwollen für Sarszan keinen Abbruch, und als er ihn entließ, bat er ihn, den Abend bei ihm zuzubringen, da er ihm zu Ehren ein Fest veranstalten würde. Sarszan wäre lieber schon heute wieder aufgebrochen, die Einladung des Königs war aber Befehl für ihn, und er verschob seine Abreise auf den folgenden Tag.

Als der Händler sich entfernt hatte, begab sich der König zu seinen Frauen, um die neu angekauften in ihrem königlichen Schmuck zu sehen. Als er in den Saal eintrat, fand er die Frauen in großer Aufregung um Dagana versammelt, viele derselben kamen ihm entgegen und jede wollte die erste sein, ihm die Kunde zu überbringen, die Dagana ihnen so eben mitgetheilt hatte, die nämlich: daß Sarszan den Königssohn der Annagu's, Buardo und die Sclavin Semona nach Whydah geführt und dort verkauft habe. Dagana mußte ihre Mittheilung wiederholen und berichtete, daß sie durch eine Sclavin davon in Kenntniß gesetzt worden wäre, die ebenfalls nach Whydah geführt sei, und welche zugegen gewesen, als der Händler im Lager am Zirmifluß Semona und Buardo verkauft habe.

Der König gerieth in eine schreckliche Wuth, er befahl den Frauen, das tiefste Schweigen über Geschehenes zu beobachten, und stürmte dann fort, um mit seinen Beamten zu berathen, auf welche Weise er den Verräther bestrafen solle.

Sarszan benutzte den Tag zum Verkauf der noch vorräthigen Waaren an die Kaufleute in der Stadt, und als er Nachmittags in seine Wohnung zurückkehrte, fand er den Mayho, ihn erwartend, dort vor. Derselbe überbrachte ihm die freundlichsten Grüße vom Könige, der ihn bitten ließ, heute Abend seine eigenen Sclaven mitzubringen, damit dieselben das Fest durch Musik verherrlichten und Corzaris vor dem Könige tanzen möge, über deren Kunst und Geschicklichkeit seine Majestät so viel Wunderbares gehört habe.

Sarszan's Blick verfinsterte sich bei den Worten des Ministers, seine Brauen zogen sich zusammen und er blieb dem Abgesandten des Königs eine Zeit lang die Antwort schuldig. Der unbeugsame Wille des Herrschers und die furchtbare Härte, womit er jedes Zuwiderhandeln gegen denselben bestrafte, waren dem Händler aber zu wohl bekannt, als daß er sich der Willfahrung des ausgesprochenen Wunsches hätte entziehen können, und mit erzwungener Bereitwilligkeit versprach er, dem Befehle Folge zu leisten.

Der Abend erschien und die Dunkelheit, die dem Aufsteigen des Mondes voranging, hatte sich über die Stadt gelegt, als Sarszan, von seinen Sclavinnen gefolgt, mit schweren Gedanken den Weg nach der königlichen Wohnung antrat. Schon von Weitem kam ihm ein heller Lichtglanz von dem Platze vor dem Schlosse entgegen, tausende von Fackeln sah er bald dort lodern und in ihrem Scheine eine gedrängte Volksmenge sich bewegen. Er hatte den Platz erreicht, der im Kreise von Amazonen umstellt war, dieselben öffneten ihre Reihen, um ihn eintreten zu lassen, und nun wurde er von der wilden betäubenden Regimentsmusik begrüßt. In der Mitte des Platzes saß der König auf hohem, mit Gold und Menschenschädeln geschmücktem Throne von seinem Hofstaate und seinen Frauen umgeben, und der Mayho kam Sarszan entgegen, um ihn zu dem Herrscher zu geleiten.

Der Händler hatte die Stufen des Thrones erreicht, kreuzte die Arme vor seiner Brust und neigte sich ehrerbietig vor dem Monarchen, der einen großen dreieckigen Hut mit goldenen Tressen und hohem Federbusch, einen weißen goldgestickten Atlasmantel und goldverzierte Sandalen trug, während die Frauen und Beamten in bunten Mänteln von Seide und Sammet prangten und reicher Federschmuck über ihren Häuptern wallte.

Der König hatte sich erhoben und sein wuthstrahlender Blick traf Sarszan wie ein Todesurtheil.

»Sei willkommen bei dem Feste, welches ich der glücklichen Befreiung Buardo's und Semona's zu Ehren gebe, ich hoffe, Du wirst Dich dabei gut unterhalten! Ich habe Dir einen Ehrenplatz zugedacht, von wo Du dem Tanz Deiner Frauen herrlich zusehen kannst und wo Dich das Gedränge nicht belästigen wird,« sagte der grimme, schwarze Herrscher und zeigte nach einer tiefen Grube in kurzer Entfernung vor sich, an deren beiden Seiten starke Baumstämme in die Erde gepflanzt waren und auf deren Spitzen ein eben so starker Stamm mit seinen beiden Enden ruhte.

Sarszan sah entsetzt nach diesem hohen Galgen hin, seine Glieder zitterten, seine Kinnladen schlugen laut zusammen und, von den kalten Schauer n des nahen Todes durchbebt, fiel er auf seine Kniee nieder und flehte um Erbarmen. Der König aber winkte dem schwarzen Scharfrichter, der in blutrothem Mantel hinter ihm stand, im nächsten Augenblick hatte derselbe mit seinen Knechten den Händler erfaßt, ihn seiner Kleider beraubt, ihm zwei schwere Ketten fest an die Oberarme geknebelt und schleppte ihn nach dem Galgen hin. Dort wurde er mit den Ketten an dem Querbalken über der Grube befestigt, so daß er mit erhobenen Armen hoch in der Luft schwebte und nun banden die Henker über seinen Knieen zwei eben so starke Ketten fest, an deren Enden ein starkes Rohrgeflecht in Form eines Schiffes hing. In dieses Schiff warfen die Knechte nun schwere Eisenstücke, deren ein großer Vorrath zur Seite der Grube lag, und die Musik begann wieder ihre wilden stürmischen Klänge ertönen zu lassen, in denen die Schmerzesschreie des Händlers verhallten.

Corzaris lag flehend und händeringend vor dem racheathmenden Monarchen, umklammerte in ihrer Verzweiflung seine Füße und bat um Erbarmen für ihren Herrn; der König aber wies sie mit den Worten von sich:

»Jetzt tanz' für Dein eigenes Leben; erfreust Du mein Herz nicht, so wirst Du lebendig mit Deinem Herrn begraben!«

Dann rief er den andern Sclavinnen Sarszan's, die hinter Corzaris im Staube lagen, zu, Musik zu machen, und warf sich in seinen Sessel.

Der Gedanke, lebendig begraben zu werden, durchbebte Corzaris mit Entsetzen, sie hob sich vom Boden auf, sie ergriff das Tambourin und den Florshawl, der auf ihrem Arme hing, gab den Sclavinnen das Zeichen, den Tanz anzustimmen, und drehte sich nun auf der Spitze ihrer kleinen Füße wie ein Wirbelwind in weitem Kreise. Wild flog ihr schönes Haar, hell glänzten ihre großen Augen, weiß blitzten ihre schönen Zähne und mit allem Zauber der Bewegung schwebte sie vor dem Könige auf und nieder, der überrascht und entzückt durch Ausrufe und Klatschen in die Hände seinen Beifall, seine Bewunderung zu erkennen gab. Corzaris tanzte für ihr Leben.

Da traf das laute Stöhnen und Klagen Sarszan's das Ohr seiner Leibsclavin, man hatte eben die Last an seinen Füßen noch durch einen schweren eisernen Anker vermehrt und sein schon langgedehnter Körper hatte sich noch um einige Zoll verlängert.

Wie ein Blitzschlag traf der Klageton des Händlers Corzari's Ohr, sie sah nach ihm hin, sie warf das Tambourin von sich und stürzte vor dem Herrn, dem geliebten, an dem Rande der Grube nieder.

»Hier, Herr!« rief sie, ihre Hände nach ihm ausstreckend, »hier liegt Deine treue Corzaris, nimm sie mit Dir in Deinen Himmel, auch der lebendige Tod soll sie nicht von Dir trennen!«

Dem Donner gleich dröhnte jetzt der Beifallruf des Volkes über den Platz, wuthschaumend sprang der König zu Corzaris hin, die Henker mußten sie ergreifen, sie warfen sie auf den Anker in das Schiff, Sarszan's Körper riß von seinen Armen los und stürzte mit der treuen Sclavin in das Grab hinab. Nach wenigen Minuten war die Grube mit Erde über ihnen ausgefüllt, die Henker entfernten den Galgen und der König ließ seine Amazonen einen Kriegstanz aufführen.


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