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XIX.

Alle Vorbereitungen zum Wallfischfang wurden getroffen, denn man sah nun bald einer reichen Beute unter diesen Riesen des Meeres entgegen. Die Boote wurden über Bord hinaus an Flaschenzüge gehängt, um sie schnell in die See hinablassen zu können, die Masten nebst Segeln für dieselben, so wie die Ruder in Bereitschaft gehalten, die, auf Winden aufgerollten langen, dünnen, aber außerordentlich starken Leinen, an welche bei der Jagd die Harpunen befestigt werden, wurden frisch aufgerollt und die Harpunen selbst, so wie die Lanzen zum Tödten der Fische nachgesehen und geschärft. Zugleich ging der Böttcher an die Arbeit, um die Fässer in Bereitschaft zu bringen, in welche man den ersten Thran vom Deck hinablassen wollte, denn die ganzen unteren Räume im Schiffe waren mit leeren Tonnen angefüllt, und auch die großen Kessel zum Auskochen des Specks oder Blubbers der Fische ließ der Kapitain säubern und zum Gebrauch herrichten.

Das Schiff steuerte Nordwest dem Pomotu-Archipel zu, einer Gruppe unzähliger großer und kleiner Inseln, von denen die letzteren nicht von Menschen bewohnt wurden. Es war zu spät im Jahre, um in kältere Regionen auf den Fang des eigentlichen Wallfisches zu gehen, weshalb Kapitain Baker beschlossen hatte, während des Winters in der Nähe dieser Inseln auf Spermfische, den etwas kleinern Wallfisch, Jagd zu machen, die sich in den Herbstmonaten immer in großer Zahl in diesen Gewässern einfanden. Von Tag zu Tag hoffte man deren ansichtig zu werden, Alles auf dem Verdeck, so wie die in den Masten aufgestellten Späher ließen ihre Blicke verlangend über die blauen durchsichtigen Wogen und um den ganzen Horizont wandern, aber immer ließ sich noch kein Fisch sehen und kein aufsteigender Wasserstrahl verrieth die Gegenwart dieses ersehnten Wildes des Oceans. Keiner aber von der ganzen Schiffsmannschaft verlangte so sehr nach dessen Erscheinen, als Buardo, und mit unbesiegbarer Ungeduld maß er während des Tages das Verdeck auf und ab und lieh selbst Abends, wenn er an der Seite seiner Semona von ihrer Liebe beglückt die Sterne über sich blitzen sah, dem Rauschen des Meeres sein Ohr, ob er nicht zwischen dessen monotoner Stimme das Brausen eines Wallfisches heraushören könne.

Buardo war jetzt wieder ein freier Mann, seine Brust schwellte sich mit dem Verlangen, sich durch die That auszuzeichnen, sich durch Leistungen mit den weißen Männern auf gleiche Stufe zu stellen und sich deren Anerkennung, deren Achtung zu erwerben; als Sclave hatte er nie mehr erreichen können, als seine Schuldigkeit gethan zu haben. Im Gebrauch der Lanze, das wußte er, war Keiner an Bord so sicher und gewandt, als er, und oft schon hatte er den Kapitain versichert, daß er ihm als Harpunier von vielem Nutzen zu werden hoffe. Eines Morgens stand, Buardo wieder, sehnsüchtig über die Wogen schauend, an der Brüstung, als der Kapitain von dem obern Verdeck über der Kajüte ihm zurief:

»Nun, Charles, will sich denn immer noch nichts zeigen, damit Du Deine Geschicklichkeit mit der Lanze erproben kannst?«

»Leider nicht, Kapitain Baker, es ist zum Verzweifeln!« antwortete Buardo.

»Ich möchte wirklich einmal einen Wurf von Dir sehen,« fuhr Baker fort und rief dann einem Matrosen zu: »Bring doch einen der Wurfspieße her.«

Der Befehl wurde rasch ausgeführt und der Kapitain rief nun Buardo zu sich herauf und fragte ihn:

»Wie weit gedenkst Du das Eisen mit Sicherheit zu schleudern?«

»So weit, wie das Schiff lang ist,« entgegnete Buardo mit funkelndem Blick.

»Hoho, verrechne Dich nicht, Deine Augen tragen weiter, als Dein Arm!« lachte der Kapitain auf.

»Wohin soll ich werfen?« fragte Buardo, indem er Baker den Wurfspieß aus der Hand nahm.

»Nun, so warte, ich will Dir ein Faß dort vor die Matrosenkajüte legen lassen; triffst Du dessen Kopf, so nenne ich Dich meinen besten Harpunier und Du sollst das erste Boot befehligen,« entgegnete der Kapitain und ließ eine leere Tonne nach dem bezeichneten Platze rollen. Die Schiffsmannschaft war verwundert über das unausführbare Unternehmen Buardo's zur Seite getreten und Alles blickte gespannt nach ihm auf, als er die Lanze hoch über sich schwang und sie wie einen Pfeil vom Bogen von sich schleuderte, so daß sie sausend über das lange Verdeck hinwegflog und den Deckel des Fasses in dessen Mitte durchbohrte.

»Bei Gott!« schrie das Schiffsvolk in höchstem Erstaunen und –

»Ist es denn wirklich möglich?« rief der Kapitain in größter Ueberraschung, »sage mir, wo hast Du das gelernt, Charles? Das mußt Du von Jugend auf geübt haben. Es ist kein Harpunier auf dem ganzen Ocean, der auf die halbe Entfernung das Faß träfe.«

»Es hat mir als Knabe immer Vergnügen gemacht, mit Bohnenstangen zu werfen, und da habe ich ein wenig Geschicklichkeit darin erlangt,« erwiederte Buardo lachend, während die Matrosen bemüht waren, das Eisen wieder aus dem Fasse hervorzuziehen.

»Das magst Du einem Andern weiß machen, als mir! Ist aber einerlei, wo Du es gelernt hast, genug, daß Du es kannst; Du bekommst das beste Boot und die beste Mannschaft, Dich zu begleiten, sobald ein Fisch aufsteigt.«

»Fisch in Angesicht!« rief der Wachtposten in diesem Augenblick aus dem Mast herunter und deutete mit dem Arm die Richtung an, wo er die Wasserstrahlen aufsteigen sah. Alles war im Augenblick in Leben und Thätigkeit an Bord. Die Masten, Segel, Ruder und Harpunenleinen wurden in die Boote gebracht, kleine Fässer mit Trinkwasser und einige Nahrungsmittel hineingetragen, die Schiffchen schnell auf das Meer hinabgelassen, die Masten darin aufgestellt und nun sprang die Mannschaft in dieselben hinein, um die Jagd zu beginnen. Kapitain Baker hatte Buardo dem erfahrensten Harpunier beigegeben, damit dieser, der zugleich das Schiff zu steuern hatte, ihn sicher zum Wurf an einen der Fische bringen möchte; denn jetzt stiegen viele Wasserstrahlen zugleich über dem Meere auf und die Hoffnung auf eine reiche Jagdbeute steigerte sich bei deren Anblick. Drei Boote entfalteten zu gleicher Zeit ihr Segel und strichen wetteifernd über die Wogen nach Norden hin, wo die riesigen Fische ihr lustiges Spiel trieben, während Semona über die Brüstung der Oneida Buardo ihre heißesten Glückwünsche nachwinkte.

Das Boot, in welchem der Negerfürst sich befand, gewann schnell vor den beiden anderen Vorsprung, Woge auf, Woge ab schossen sie im lustigen Wettlauf dahin und die Oneida folgte ihnen nur langsam unter wenigen Segeln nach. Die Wasserstrahlen, welche die Fische hoch über sich emporbliesen, hoben sich immer deutlicher vor den spähenden Blicken der Jäger und bald erkannten diese die Fische selbst, wie sie hier und dort wie schwarze Felsen aus den Wogen auftauchten, einen leichten Bogen mit ihrem Ungeheuern Rücken über dem Wasser beschrieben, und dann langsam wieder unter dessen Oberfläche versanken. Der Harpunier hatte Buardo genau die Stelle hinter der Finne des Fisches beschrieben, wohin er ihn mit dem Wurfspieß, an dem sich kein Widerhaken befand, treffen müsse, um ihn schnell zu tödten, wollte aber selbst mit der Harpune den ersten Wurf thun, um dadurch das Thier an die Leine zu befestigen, so daß es nicht entkommen könne. Die Entfernung bis zu den Fischen verminderte sich schnell; jetzt stieg einer derselben nahe vor dem Boot aus der klaren Fluth empor, im Augenblick war das Segel eingenommen und die Matrosen legten sich mit aller Macht in die Ruder, um das ungeheure Thier zu erreichen, ehe es wieder untertauchen würde. Der Harpunier hatte Buardo das Steuerruder übergeben und stand selbst mit erhobener Harpune auf dem Vordertheil des Schiffes, als dieses an die Seite des Fisches schoß. Jetzt flog das Eisen aus der Hand des kräftigen Seemanns und vergrub sich tief in den schwarzen Rücken des sorglosen Thieres, das im Schmerz zuckend die Fluth um sich emporschleuderte und pfeilschnell in die Tiefe hinabschoß. Die Leine, an welcher der Fisch durch die Harpune befestigt war, lief pfeifend von dem sich schnurrend drehenden Haspel ab, nach wenigen Augenblicken aber tauchte das verwundete Thier weit vor dem Boote wieder aus den Wogen auf, und riß dieses nun mit solcher Gewalt und Schnelligkeit hinter sich her über die See, daß der Wasserschaum sich hoch vor dem schroffen Kiel aufthürmte und sich zu beiden Seiten des Schiffes wie kristallene Flügel ausbreitete. Der Harpunier hatte seinen Sitz am Steuerruder wieder eingenommen und Buardo stand mit der Lanze in der Hand wurfbereit auf der Spitze des Bootes. Sausend, wie im Flug ging es vorwärts an der straffen, zitternden Leine, daß die Mannschaft zurückblicken mußte, um den Athem zu behalten, nur Buardo heftete seine funkelnden Augen unbeweglich dem Sturm entgegen auf das fliehende Ungeheuer, um dessen schwarzen Körper die Fluth aufschlug und wie ein Brillantregen hinter ihm verwehte. Bald aber verminderte sich die Eile des Schiffes, die Matrosen zogen die Leine ein und rollten sie wieder auf den Haspel auf. Näher und näher rückte das Schiff nun dem ermattenden Thiere, die Leine gab leichter nach und Buardo erhob den Spieß zum Wurf.

»Wart noch, Charles, es ist zu weit!« rief ihm der Harpunier zu, doch zu spät, denn schon sauste die Lanze über die Wogen und sank bis an den Schaft in den kolossalen Körper des Wallfisches.

»Hast den Fleck richtig getroffen, bei Gott!« schrie der Bootsteuerer in vollem Erstaunen, als Buardo den Wurfspieß an der Leine, die daran befestigt war, zurückzog und das schwarze Blut dem Thiere aus der Wunde quoll. Noch wenige Todeszuckungen und der Fisch hatte sein Leben ausgehaucht. Die Matrosen ruderten nun das Boot dicht an den schwimmenden, kaum noch auf der Oberfläche des Meeres sichtbaren Koloß, einer derselben sprang auf dessen Rücken, schnitt die Harpune heraus und stach dann eine lange Stange, an der eine Fahne befestigt war, in die Wunde, so daß dieselbe hoch über dem Wasser wehte.

Jetzt blickte die Mannschaft nach der Oneida zurück, die sie über zwei Meilen weit hinter sich gelassen hatte, von den beiden anderen Booten jedoch konnte sie nichts gewahren. Der Steuermann wandte nun das Boot auf die Oneida zu, das Segel wurde wieder ausgespannt und jubelnd über den glücklichen Erfolg glitten die Jäger schaukelnd über die See. Sie hatten aber kaum die Hälfte des Weges zu dem Schiffe zurückgelegt, als plötzlich unmittelbar neben dem Boote die Riesengestalt eines Wallfisches auftauchte, so daß derselbe die Seite des Kahnes berührte. Buardo war aufgesprungen und wollte seine Lanze nach ihm werfen, doch der Steuermann rief ihm entsetzt zu:

»Um Gotteswillen, Halt – oder wir sind Alle verloren; er zerschlägt unser Boot mit dem Schwanze, oder wirft es um!«

Dabei war er aufgesprungen, ließ das Segel einziehen, die Ruderer mußten das Schiff in kurze Entfernung neben den Fisch bringen und dann warf er die Harpune in denselben fest. In demselben Augenblicke aber sandte Buardo sein Wurfgeschoß hinter die Finne des Thieres, so daß dieses schon, als es wieder auf der Oberfläche erschien, mit dem Tode kämpfte. Die Oneida kam jetzt herangesegelt und der Kapitain, der die Jagd durch das Fernglas beobachtet hatte, rief Buardo schon von Weitem sein Lob zu. Der Fisch wurde nun an der Seite des Schiffes befestigt, das Boot wurde wieder in die Flaschenzüge gehangen und die Mannschaft begab sich auf die Oneida zurück, die dem andern erlegten Walisisch langsam zusteuerte. Dieser wurde an die andere Seite des Fahrzeuges gebracht und dort festgebunden, die Segel wurden eingezogen, so daß dasselbe nur mit den Wogen trieb und nun begann die Arbeit, die Fische ihres Specks und des Fischbeins zu berauben. Die andern beiden Boote hatten Fehljagden gemacht, das eine hatte Harpune und Leine dabei eingebüßt und erst nach einigen Stunden kehrten sie wieder an Bord zurück. Buardo war der gefeierte Mann des Tages, namentlich hatte ihm sein zweiter Wurf, wodurch er ein so baldiges, günstiges Ende der Jagd herbeiführte, großen Beifall erworben, und Kapitain Baker sprach wiederholt seine Freude darüber aus, daß der Zufall ihn auf sein Schiff geführt habe.

Der Speck wurde nun von dem Rücken der Fische losgehauen, mit gewaltigen Flaschenzügen auf das Verdeck gehoben, dort ausgekocht und der Thran in die Fässer hinabgelassen. Noch ehe der Abend kam, war alles Brauchbare der beiden Riesen in Sicherheit gebracht und die Reste ihrer Körper wurden den Wogen und den Hayfischen preisgegeben.

Die Oneida folgte ihrem eingeschlagenen Course, indem sie beinahe täglich mit Spermfischen zusammentraf, unter denen ihre Mannschaft ungewöhnlich glückliche und gute Jagden machte, während Buardo's Ruhm als Harpunier sich immer mehr steigerte. Die ganze Schiffsmannschaft war bei dem glänzenden Erfolg, den man zum großen Theil seiner Geschicklichkeit verdankte, interessirt, denn ein Jeder hatte einen Antheil an dem Gewinnst, der auf dieser Reise gemacht wurde, nur Buardo war davon ausgeschlossen und erhielt außer seiner Verköstigung monatlich sechs Dollar Gehalt. Zwei Monate waren erst vergangen, seit man die ersten beiden Fische gefangen und schon hatte man im untern Raum des Schiffes fast alle Fässer mit Oel gefüllt. Blieb das Glück der Mannschaft so treu, wie bisher, so konnte die Oneida schon im nächsten Frühjahr mit voller Ladung ihre Rückreise nach Newyork antreten, während man beim Auslaufen auf eine Fahrt von drei Jahren gefaßt sein mußte.

Das Wetter blieb heiter und der Himmel ungetrübt, so daß man nie wegen unruhiger See eine Gelegenheit zum Fang unbenutzt vorübergehen zu lassen genöthigt war.

Eines Morgens tauchten die ersten blauen Berge der Pomotu-Inseln über dem Horizont auf und wurden von dem Verdeck der Oneida aus mit Jubel begrüßt, da man sich auf diesen Inseln mit Früchten zu versehen hoffte, wonach die ganze Mannschaft sich mit großem Verlangen sehnte. Höher und höher stiegen sie aus dem Meere empor, hier nur als steile nackte Felsen, dort aber mit grünen Ufern bedeckt und mit Tropenwäldern geschmückt. Je mehr der Tag sich neigte, je näher die Oneida diesen unzähligen kleinen abgeschlossenen Welten kam, um so lieblicher, um so einladender schauten dieselben über die klaren spielenden Wogen herüber, und als die Sonne hinter ihnen in ihr Gluthbett versank, schaukelte sich das Schiff, in einem Halbkreis von Inseln umgeben, auf der ruhigen durchsichtigen grünen Fluth, die nur wie in langsamen Athemzügen auf und niederwogte. Eine Ruhe, ein Friede lag auf dem Meere und auf den, in Purpur des Abends gehüllten Inseln, als könnte die Natur hier nur lächeln, nie zornig werden; Schaaren von kleinen Fischen spielten und jagten sich in dem kristallenen Spiegel der See und unzählige Vögel segelten auf leichten Schwingen über demselben, oder ließen sich darauf nieder, um sich dort weich zu betten. Die Nacht brach eilig herein, der Himmel blitzte und funkelte in seinem Sternenschmuck und der volle Mond stieg feurig glühend aus der dunkeln See empor.

Buardo und Semona saßen vor der Spitze des Schiffes auf dem Bugspriet, welches mit der schaukelnden Bewegung der Oneida sich bald hoch über die Fluth erhob, bald sich bis nahe zu derselben hinab neigte, und hielten ihre Blicke auf das steigende Gestirn geheftet.

»Dort hinaus liegt unser Vaterland, Semona,« sagte Buardo mit weicher Stimme, »noch haben wir kein zweites gefunden!«

»Doch, Buardo, – ist nicht unser Vaterland allenthalben, wo wir zusammen sind?«

»Da ist unser Himmel, geliebte Semona, den nehmen wir überall mit uns, aber eine Heimath ist uns noch nicht zu Theil geworden. Sieh, geliebtes, angebetetes Weib, ich habe in dem ersten Glücksrausch meiner wiedererlangten Freiheit der Zukunft weniger gedacht, das Schiff aber füllt seine Ladung schnell und schon höre ich den Kapitain und die Mannschaft von der Rückreise nach Newyork reden. Was wird dann aus unserm Glück werden?«

»Ei, Buardo, der Kapitain ist ja so sehr zufrieden mit Dir, daß er Dich gern in seinem Dienst behalten wird,« erwiederte Semona beruhigend.

»Er wird Dich aber nicht mit nach Newyork nehmen, weil Du dort frei würdest und das Kapital verloren ginge, welches er für Dich gezahlt hat.«

Semona erschrak heftig und faßte mit beiden Händen Buardo's Rechte, indem sie sagte:

»Was wird er denn mit mir thun?«

»Er wird Dich in den südlichen Staaten absetzen und verkaufen. Das ist die Meinung der Matrosen, die ich darüber reden hörte; und das soll nicht geschehen, dagegen setze ich mein Leben ein!«

»Aber was sollen wir thun, Buardo? soll ich ihm sagen, daß ich nicht frei sein will, wenn er mich nur mit Dir auf dem Schiffe zusammenbleiben läßt?«

»Das Wort eines Schwarzen gilt bei dem Weißen nicht, Semona; Baker wird kein so großes Kapital auf Dein Wort wagen,« sagte Buardo mit einem tiefen Athemzug und setzte nach einer kurzen Pause hinzu, »Gott mag uns helfen!«

»Er wird uns auch helfen, Buardo, wie er uns jetzt geholfen hat. Vielleicht gelingt es mir doch, den Kapitain zu überzeugen, daß er mich ohne Gefahr mit sich nach Newyork nehmen kann, wenn ich ihm verspreche, daß ich das Schiff nicht einen Augenblick verlassen will.«

»Und wenn er es Dir jetzt auch verspricht, dürfen wir es glauben? wie oft haben uns die Weißen hintergangene entgegnete Buardo und Beide versanken schweren Herzens in ernstes Schweigen.

»Charles sitzt wohl irgendwo bei seiner Geliebten?« fragte jetzt der Kapitain einen der Matrosen vor deren Kajüte, und Buardo, der diese Worte hörte, fuhr auf und lauschte auf das Verdeck hin.

»Er wird wohl mit ihr in dem Boote sitzen, welches hinter dem Schiffe hängt; das ist ihr Lieblingsplätzchen,« antwortete der Steuermann.

»Sie thun mir wirklich leid, denn sie haben sich sehr lieb und doch muß ich sie trennen. Ich kann ja Semona nicht mit nach Newyork nehmen; sie würde dort frei sein und ich wäre um das Geld, welches sie mich kostet, betrogen,« fuhr Baker fort.

»Das ist freilich hart und auch mir thut es leid. Sollte sie aber nicht gern auf ihre Freiheit verzichten, wenn sie dadurch mit Charles vereinigt bliebe?« sagte der Steuermann teilnehmend.

»Wie kann ich das wagen? wenn nun Charles sie in Newyork mit sich vom Schiff nimmt, so darf ich mich nicht einmal darüber beschweren und bin mein Geld los. Nein, Niemand kann von mir verlangen, daß ich Neger kaufen soll, um ihnen ihre Freiheit zu schenken. Ich werde das Mädchen irgendwo an der Küste im Süden absetzen und verkaufen; sie ist so schön, daß ich jeden Augenblick einen Käufer für sie finde,« versetzte der Kapitain, gab dann dem Steuermann noch einige Befehle und ging nach seiner Kajüte zurück.

Semona, welche, so wie Buardo die ganze Unterhaltung mit angehört hatte, verbarg ihre Thränen an der Brust des Geliebten und dieser hielt sie unbeweglich und schweigend umschlungen, um ihre Nähe den Matrosen nicht zu verrathen, die vor ihrer Kajüte saßen und den großen Gewinnst besprachen, den sie auf dieser Reise machen würden.

Kaum röthete der neue Tag den östlichen Himmel, als eines der Boote in die See hinabgelassen wurde, um nach einer der Inseln zu fahren und Früchte von dort zu holen. Der Obersteuermann selbst wollte es führen und Buardo sollte ihn begleiten.

Ein leichter erfrischender Wind füllte bald das Segel und trieb den scharfen Kahn schnell über die ruhige See einer der größeren Inseln zu, deren Ufer mit Bäumen bedeckt erschien. Kaum eine halbe Stunde war nöthig, um das steile felsige Ufer zu erreichen, der Steuermann mußte aber das Schiff eine lange Zeit an demselben hinlenken, ehe er einen Platz fand, wo er landen konnte. Das Boot ward hier befestigt, die Mannschaft erstieg, mit Sacken versehen, das Ufer und eilte nun landeinwärts dem Walde zu, über dem sich die Wipfel der Palmen gegen den wolkenlosen Himmel erhoben. Der Reichthum an Früchten erwies sich unbegrenzt, bald waren die Säcke damit gefüllt, in das Boot getragen, und abermals blähte sich das Segel über den Schiffern und trieb den leichten Nachen nickend und schaukelnd nach der Oneida zurück. Die ganze Schiffsmannschaft labte sich an dem Genusse der herrlichen Südfrüchte und der Kapitain versprach es, dieser Tage abermals eine Ladung davon an Bord zu holen. Am folgenden Morgen hatte sich die See gekräuselt, denn ein frischerer Wind war aus Süden aufgesprungen und die Oneida mußte wieder ein paar leichte Segel aufsetzen, um nicht den Inseln zu nahe getrieben zu werden. Kaum war der Tag angebrochen, als sich in nördlicher Richtung viele Spermfische zeigten und die Mannschaft für vier Boote sich schnell fertig machte, um sich auf den Fang zu begeben. Buardo hatte schon seit einiger Zeit das schnellste Boot allein befehligt und war heute auch wieder der Erste, der unter Segel ging. Pfeilschnell strich sein Schiffchen durch die tanzenden Wellen den beiden Inseln entgegen, zwischen welchen die Fische sich zeigten. Er stand mit der Harpune bewaffnet auf der Spitze des Bootes, welches einem colossalen Fische schnell näher kam; den Wurfspieß hatte er vor sich zur Hand gelegt, um schnell, nachdem die Harpune festgeworfen, auch mit jenem den Todeswurf thun zu können, ehe der Fisch in die Tiefe gehe. Jetzt war er nahe genug, die Harpune flog und bis an den Schaft vergrub sich das bezahnte Eisen in dem Rücken des riesigen Thieres. Dieses tauchte aber so plötzlich und so schnell in die Fluth hinab, daß Buardo keine Zeit hatte, Gebrauch von dem Wurfspieß zu machen.

Noch war der Fisch nicht wieder sichtbar, als die Leine abgelaufen war und er das Boot in fliegendem Laufe hinter sich her durch die Wogen zog.

Das lange Verbleiben des Fisches unter Wasser zeigte, daß derselbe nicht schwer verwundet sei und daß er eine ungewöhnliche Stärke besaß. Endlich erschien er an der straften zitternden Leine wie ein wüthender Renner auf den Wogen, und brauste mit rasender Schnelligkeit dem Durchgange zwischen zwei in weiter Ferne gelegenen Inseln entgegen. Buardo war an das Steuerruder gesprungen, um das Schiff selbst mit kräftiger Faust zu lenken, da es in der fliegenden Eile, womit es dahinsauste, bei der ziemlich stark bewegten See in jedem Augenblicke umzuschlagen drohte. Fort ging es, Woge auf, Woge nieder dem schmalen Kanal zwischen den beiden Inseln zu, in welchen sich die See hineindrängte und ihre Wellen hoch über sich auswarf. Zischend schoß das Boot in den fliegenden Schaum der von beiden Seiten zurückstürzenden Brandung, und mit Entsetzen erwartete die Mannschaft von Augenblick, zu Augenblick, unter den Sturzwellen begraben zu werden. Dicht von dem fliegenden Gischt umgeben, waren sie jedes Blickes um sich beraubt, und der Sprühregen fiel in Strömen auf sie herab. Da schossen sie wieder in die offene See hinaus und sahen das schwarze Ungeheuer mit unvermindeter Eile vor sich einer andern Inselgruppe zustürmen. Der Durchgang zwischen deren felsigen Ufern war noch viel schmaler, als der, welchen sie so eben durchjagt hatten, und mit Unglück weissagendem Blick baten die Matrosen Buardo, sie nicht zum Zweitenmale einer solchen Gefahr auszusetzen.

»Laßt ihn laufen, vielleicht wendet er sich vor den Inseln!« rief Buardo durch den Sturm, den die Schnelligkeit des Laufes ihnen entgegentrieb. Der Fisch aber jagte in gerader Richtung auf den Engpaß zu und die Mannschaft wiederholte die Bitte an Buardo noch dringender, sie von dem wüthenden Thiere zu befreien.

»Kappt die Leine!« rief er jetzt, als das Schiff dem Eingang zwischen den Inseln zuschoß, und im nächsten Augenblick war das Seil durchschnitten. Der Fisch jagte unaufhaltsam fort in die schäumende Fluth hinein, das Boot aber wandte sich an dem Ufer der größern von den beiden Inseln hin und hatte bald seinen Lauf beendet. Das Ufer sank hier sanft in die See hinab und war mit den üppigsten Pflanzen und Fruchtbäumen bedeckt.

»So wollen wir wenigstens eine Ladung Früchte nach der Oneida bringen, da uns dieser prächtige Fisch entgangen ist,« sagte Buardo und wandte die Spitze des Bootes dem Ufer zu. Den Matrosen war dieser Vorschlag sehr willkommen, bald war das Schiff an dem Ufer befestigt und die Mannschaft sprang auf dasselbe hinauf, um sich von der tollen Fahrt zu erholen und sich beim Einsammeln von Früchten zugleich an denselben zu laben. In kurzer Entfernung von dem Platz, wo das Boot lag, ergoß sich ein rauschender Bach in die See, der seinem klaren kühlen Wasser nach aus den Bergen kommen mußte, die Buardo während der Jagd, über der Insel aufstrebend, bemerkt hatte. Die Mannschaft hatte sich links und rechts von dem Wasser in dem Walde vertheilt und Buardo folgte gedankenvoll dem Ufer desselben durch das Dickicht, bis er plötzlich auf einer Hochebene stand, die sich, mit saftig grünem Gras bedeckt, nach den Bergen hinanzog und aus welcher hier und dort ein kleines Gehölz aufstieg. Der Bach, der aus den Bergen zu kommen schien, schlängelte sich durch dies Grasland heran und war zu beiden Seiten von Palmen und andern Tropenpflanzen überschattet. Buardo war kaum aus dem Wald getreten, als es in dem Gebüsch am Bache rauschte und er zu seiner Verwunderung ein Rudel Schweine daraus hervorbrechen sah. Die Thiere flohen wild über die Ebene und nun erkannte Buardo in der Ferne an dem Fuße der Berge noch andere Thiere, die er für Ziegen hielt. Er stand und schaute sinnend auf den Reichthum, den die Insel allenthalben, wohin er sich wandte, vor seinen Blicken entfaltete und der Gedanke schoß ihm durch die Seele, welches Glück er finden könne, wäre es ihm vergönnt, mit Semona hier zu leben. Zwischen dem ersten Gedanken und dem Beschluß, ihn auszuführen, lagen aber nur Minuten, er fühlte es, der Allmächtige hatte ihn hierher geführt und hatte ihm den Gedanken eingegeben; er faltete unwillkürlich seine Hände und sah, von Dankgefühl durchbebt, zum Himmel auf. Dann ließ er feinen Mick um sich schweifen; dort, wo der Bach aus den Bergen zu kommen schien, dort mußte er seine Hütte aufschlagen, von da aus konnte er das Meer überschauen, das Wild und die herrlichen Früchte boten ihm Nahrung im Ueberfluß, das Wasser war klar wie Kristall und Holz fand sich in Menge vor. Es war beschlossen, fest beschlossen, Buardo wollte mit Semona von dem Schiffe entfliehen und hier sich eine Heimath gründen. Er eilte schnell zu seinen Kameraden zurück, die bereits das Schiff mit Früchten beladen hatten, setzte sich an dem Steuer nieder, ließ das Segel aufziehen und lenkte das Boot in die See hinaus, den beiden Inseln entgegen, zwischen welchen sie in so großer Gefahr geschwebt hatten. Diesmal aber steuerte er um die äußere Insel, dem offenen Meere zu, wo er auch bald in weiter Ferne die Segel der Oneida erkannte, die sich nur langsam zu bewegen schien.

Die andern Harpunierer waren glücklicher gewesen, als Buardo, denn sie hatten zwei Fische gefangen, die bereits an den Seiten des Schiffes befestigt und an denen die Mannschaft schon in voller Arbeit war, sie ihres Specks zu berauben. Nach Verlauf von einer Stunde erreichte Buardo das Schiff und verkündete dem Kapitain mit Bedauern die Fehljagd, wobei er die Harpune und die Leine eingebüßt hatte; die Ladung Früchte aber, die das Boot brachte, war augenblicklich willkommener als ein Walisisch, indem man mit den beiden gefangenen vollauf zu thun hatte.

An diesem Abend saß Buardo, als der Mond aufstieg, in dem Boot, welches an der hintern Seite des Schiffes über dem Meere hing und theilte Semona seinen Entschluß mit, von dem Schiffe nach der Insel zu fliehen. Die Negerin ergriff freudig bebend den Vorschlag und erklärte sich bereit, ihn auszuführen oder mit Buardo zu sterben, da sie Beide die bevorstehende Trennung ja doch nicht überleben wollten.

Die Flucht erlaubte aber keinen langen Aufschub, indem der Fischfang die Oneida leicht vollen Inseln entfernen und es dann schwer, vielleicht unmöglich werden konnte, dieselben wieder aufzufinden. Buardo machte daher im Stillen eilig alle Vorbereitungen dazu, legte Werkzeuge aller Art in Bereitschaft, verschaffte sich durch Semona aus der Kajüte Pulver und Blei für die Flinte, die ihm der Kapitain gegeben hatte, als er die Früchte von der Insel holen sollte, und Semona versorgte sich mit Zeugen und den zur Handarbeit nöthigen Gegenständen. Nach zwei Tagen, während welchen der Fischfang sehr günstig gewesen war, hatte Buardo Alles zur Flucht vorbereitet und die kommende Nacht zu deren Ausführung bestimmt. Das Schiff war bedeutend weiter nach der nordwestlichen Seite der Inselgruppe gelangt, so daß die Berge auf der, von Buardo erwählten Insel nicht mehr zu sehen waren; ihre eigenthümliche gebrochene Form aber hatte sich dessen Gedächtniß zu fest eingeprägt, als daß er nicht überzeugt gewesen wäre, sie wieder auffinden zu können. Der Abend nahete sich, die Mannschaft hatte die Arbeit an einem heute in der Frühe gefangenen Wallfisch beendet, und Alles an Bord sehnte sich nach Ruhe. Der Mond erschien schon etwas später und um so tiefer war die Finsterniß, die seinem Aufsteigen voranging. Kaum war die Sonne glühend in die spiegelnde blitzende See versunken, als die Nacht mit eiligen Schwingen sich über die grüne Fluth ausbreitete, deren Bewegung gegen Abend heftiger geworden war und deren Wogen ihre schaumbedeckten Häupter rauschender und ungestümer gegen die starken, mit Kupfer beschlagenen Wände der Oneida warfen. Diese schaukelte sich, wie auf ihren Lorbeern ruhend, auf den brausenden Wogen, ohne auf ihrem Wege vorwärts zu kommen, denn der Kapitain hatte nur wenige kleine Segel aufgesetzt, genug, um das Schiff steuern zu können.

Das Abendbrod war in der Kajüte sowohl, als auch von dem Schiffsvolk eingenommen und der Kapitain, so wie die Mannschaft hatten sich zur Ruhe begeben, nur die Matrosen der ersten Nachtwache befanden sich noch auf dem Verdeck und saßen rauchend und Taback kauend vor ihrer Kajüte, einander ihre Schicksale erzählend. Es war so finster, daß Einer den Andern nicht sehen konnte, um so glühender aber bezeichnete das Feuer in ihren kurzen Pfeifen die Stellen, die sie in dem Kreise einnahmen. Buardo hatte sich wie gewöhnlich, und wie es auch Jeder an Bord wußte, mit Semona in das Boot begeben, welches an der hintern Seite des Schiffes in Flaschenzügen hing, um dort den Abend zu verbringen, und da der wachthabende Steuermann, der auf dem Schiffe auf- und niederschritt, nicht auf das höhere, über der Kajüte gelegene Verdeck kam, so konnte er auch nicht bemerken, daß das liebende Paar heute nicht so ruhig und unbekümmert in dem Boote saß, als sonst. Von der Dunkelheit beschützt, hatten sie die zur Flucht bereit gehaltenen Gegenstände leise und unbemerkt in das Boot getragen, Buardo hatte Mast, Segel und Ruder hineingelegt, und Semona war nochmals in die Kajüte gegangen, um sich zu überzeugen, daß Kapitain Baker sich wirklich zur Ruhe begeben habe. Lautlos kehrte sie in das Boot zurück, Buardo ließ dasselbe langsam auf die See hinab, befreite es leise von den Tauen, die es am Schiffe festhielten, und die nächste Woge trug es auf ihrem Rücken von der Oneida hinweg. In dem Boot niedergebeugt, hielt Buardo die Geliebte in seinem Arm und blickte nach dem schwarzen Koloß, von dem sie durch jede neue Woge weiter entfernt wurden. Alles blieb still und stumm auf dem Wallfischfahrer und derselbe verschwand bald in der Dunkelheit vor den Blicken der Flüchtigen. Jetzt setzte Buardo den Mast im Boote auf, entfaltete das Segel und steuerte nun nach einem Stern, den er sich, als in der Richtung stehend, gemerkt hatte, in welcher die ersehnte Insel lag. Stumm und in banger Spannung hatten die Fliehenden bis jetzt gesessen und Blick und Ohr nach der Oneida hin gerichtet, als aber das Leinen sich über ihnen blähte, da athmeten sie mit vollen Zügen auf, denn es war Freiheit, die sie umwehte. Frisch und kühlend blies der Wind in das neu gesetzte Segel und frisch und lebendig zog die Hoffnung in die Seelen der Schwergeprüften ein. Buardo nahm die Geliebte an seine Seite und schlang seinen Arm fest um sie, während er mit seiner eisernen Rechten das Ruder hielt und das Schiff durch die brausenden Wogen lenkte.

Jetzt stieg vor ihnen aus dem schwarzen Meere der Mond, wie eine glühende Kugel herauf und warf sein erstes mattes Licht über den weiten Ocean. Buardo's Blick flog schnell zurück nach der Oneida, doch noch war die Helligkeit nicht hinreichend, ihm deren Leinen erkennen zu lassen. Er zog das Segel seines Schiffchens straffer an, um dessen Schnelligkeit zu vermehren und baldmöglichst aus dem Gesichtskreis des Wallfischfahrers zu entkommen. Höher und höher stieg der Mond, sein Licht wurde heller, glänzender spiegelte es sich auf den weißen schäumenden Wellen und schärfer spähte Buardo nach der Oneida; sein Auge konnte sie nicht mehr finden und die Besorgniß, daß man das Segel des Bootes von dem Schiffe aus noch erkennen könne, verschwand immer mehr. Bald wurden in südlicher Richtung die matten Umrisse mehrerer Inseln sichtbar, in denen Buardo diejenigen erkannte, in deren Nähe er früh am Morgen einen Walisisch getödtet hatte, und nun richtete sich sein Blick weiter hin über das Meer, um die hohen spitzen Felsen wiederzufinden, unweit welchen er heute die Jagd begonnen hatte. Auch diese stiegen bald vor ihm aus der See auf und gaben ihm abermals die Richtung an, welcher er zu folgen hatte. Unaufhaltsam und mit immer straffem Segel theilte das Schiffchen die mächtigen Wogen, bis der Himmel im Osten sich röthete und der neue Tag die beiden Afrikaner wieder als freie Menschen begrüßte. Mit jubelndem Herzen und muthigem entschlossenen Blick gaben diese den Gruß zurück und gelobten bei der aufsteigenden Sonne, ihre Freiheit und ihr Leben sollten zusammen enden.

Die Sonne stand schon hoch, als Buardo in weiter Ferne die Spitze des Berges erkannte, der sich über der heißersehnten Insel erhob und nach welchem er frohlockend den Blick Semona's hinleitete.

»Noch eine Stunde Zeit mag uns der Himmel geben, meine Semona, und wir sind gerettet; denn einmal auf der Insel, und ich lache der Verfolgungen durch die Schiffsmannschaft,« sagte Buardo und schaute immer wieder hinter sich über das Meer; aber kein Segel zeigte sich. Deutlicher und hoher hob sich die Insel vor den verlangenden Blicken der Flüchtlinge, bald konnten sie die Wälder, die Grasflächen, die einzelnen Bäume erkennen und um die Mittagszeit endlich lenkte Buardo das Boot an dem felsigen Ufer hin, um einen passenden Landungsplatz zu suchen. Den frühern vermied er absichtlich, und erst über eine Meile von demselben entfernt, zog er das Segel ein und ruderte das Boot an das Ufer. Die Brandung war an dieser Seite der Insel unbedeutend, weshalb Buardo schnell das Land erreicht und die mitgenommenen Gegenstände auf dasselbe geschafft hatte. Dann befestigte er den kleinen Anker in dem harten Felsen unter dem Wasserspiegel, trug viele schwere Steine in das Boot und füllte es mit Wasser, so daß es auf den Grund versank und keine Spur seines Vorhandenseins hinterließ. Nun packten die Geretteten ihre Habseligkeiten rasch in das Segel, hingen den daraus verfertigten Ballen an den mitgenommenen schwanken Mast des Schiffes und trugen ihn gemeinschaftlich landein. Der Wald, der die Insel umgürtete, war bald durchschritten und die weite Grasflur breitete sich vor den eiligen Wanderern aus, die ohne zu rasten ihren Weg nach den Bergen durch die hohen üppigen Gräser und Pflanzen verfolgten. Die Sonne brannte heiß auf sie nieder, und je mehr sie sich den steilen Höhen näherten, um so beschwerlicher wurde ihnen das Gehen; wie willkommen war ihnen jetzt aber jede Beschwerde, jede Entbehrung, ja jede Gefahr, gingen sie doch wieder als freie Menschen umher und waren nicht mehr der verkäufliche Artikel, die Waare, die als Eigenthum von einer rauhen Hand in die andere wanderte! Hoch schlugen ihre Herzen, frei und tief athmete ihre Brust und mit glückstrahlenden Augen schauten sie nach den Bergen, wo sie ihre eigene Hütte, ihren eigenen Heerd aufschlagen wollten. Wohl richteten sie wiederholt ihre Blicke über den weiten Ocean, nach der Oneida suchend, auf der sie von dem Sclavenjoch auf ewig Abschied genommen hatten; es war aber kein ängstlicher, kein knechtisch furchtsam bangender Blick, den sie über die Wogen sandten, aus ihren Augen glänzte und funkelte die Freiheit, nach der die Menschen die Hand nun und nimmer wieder ausstrecken sollten. Je höher sie stiegen, um desto herrlicher, um desto reizender umgab sie ihre neue Heimath, ihr neues Vaterland, die grünen Matten um sie waren bunt mit den prächtigsten Blumen geschmückt, in allen Richtungen erhoben sich kleine Baumgruppen, aus deren glänzend grünem Laub ihnen goldige Früchte entgegenlachten; hier rieselte ein kristallklarer Bach über blitzendes Gestein und zu ihren Füßen umkreiste sie der üppige Tropenwald mit seinen schlanken, zum blauen Aether aufstrebenden Palmen, über den hinaus ihre Blicke auf den weiten Ocean schweiften. Es war eine kleine, eine wunderbar schöne sonnige Welt, die Buardo und Semona in sich aufgenommen hatte und die mit freundlichem ewigen Frühlingslächeln ihnen versprach, ihre Liebe, ihr Glück zu behüten und ihnen ihr verlorenes Vaterland zu ersetzen. – Sie hatten den Fuß der Berge erreicht, wo sich die Felsen wild und malerisch schön schroff übereinander aufthürmten und in steilen Abhängen tiefe Schluchten zwischen sich bildeten, aus deren Dunkel riesige Kokospalmen ihre fruchtbeladenen Wipfel über undurchdringlichen Dickichten von Stachel- und Rankengewächsen erhoben.

Von der Herrlichkeit des betretenen irdischen Paradieses wonnig durchbebt, ließen die glücklich Geretteten die Bürde fallen, sanken, von heißem Dankgefühl überwältigt, auf die Erde nieder, und sandten ihr Gebet zu dem Allmächtigen auf, der sie so gnadenreich beschützt und so wunderbar gerettet hatte. Dann fielen sie sich unter Freudenthränen in die Arme und gelobten ihre Freiheit, ihr Glück mit dem letzten Blutstropfen gegen jeden Angriff zu vertheidigen.

Buardo untersuchte nun die Flinte, schüttete frisches Pulver auf die Pfanne und übergab sie Semona, worauf er in die Berge hinan stieg, um ein Versteck aufzusuchen, welches ihnen augenblicklich Schutz gegen eine etwaige Verfolgung durch die Mannschaft der Oneida gewähren sollte. Allenthalben scheuchte er auf seiner Wanderung Rudel von wilden Ziegen vor sich auf, die denn in kurzer Entfernung von ihm stehen blieben und ihn verwundert anschauten. Nach mehrstündigem Hin- und Hersuchen fand er hoch in den Bergen eine Schlucht, die in einer tiefen Höhle endigte und deren Eingang von dichtem Rankengeflecht verdeckt war. Ein frischer Quell rieselte aus ihr hervor und ihr Schatten empfing Buardo wohlthuend und erquickend. Hier beschloß er, vor der Hand mit Semona zu wohnen, weil das Versteck schwer zu finden und leicht gegen einen Angriff zu vertheidigen war, während dessen nahe Umgebung einen freien Blick über die Insel und über den Ocean gestattete. Buardo eilte nun leichten Fußes zu der Geliebten zurück und bald waren sie mit ihrer Habe in die erwählte Wohnung eingezogen. Während Semona die Einrichtungen in der Höhle machte, begab sich Buardo mit der Flinte auf die Jagd, von der er in sehr kurzer Zeit mit einer feisten, jungen Ziege heimkehrte, deren zartes Fleisch das erste Mahl in der neuen Heimath lieferte. Die Pracht des Sonnenuntergangs lockte die beiden Glücklichen aus der Höhle hervor, und mit Begeisterung hingen ihre Blicke an dem Feuermeer des Abendhimmels, der sich in dem ruhigen Ocean spiegelte; da plötzlich bemerkten sie dort, wo die Sonne in das glühende Meer versunken war, ein aufsteigendes Segel. Unbesorgt und in ungetrübtem Genusse ihres neu begonnenen Glückes beobachteten sie das Schiff, welches sich rasch näherte und in welchem Buardo durch das Fernglas bald die Oneida erkannte. Sie hatte alle Segel aufgesetzt, welches bekundete, daß sie nicht im Wallfischfang begriffen, sondern auf der Jagd nach den entflohenen Menschen war. Die Dunkelheit hatte sich bereits über Land und Meer gelegt, als die beiden Flüchtlinge das Schiff, wie ein graues Gespenst an der Insel vorüberziehen und weiter auf dem Meere hin in der Nacht verschwinden sahen. Mit Verlangen erwarteten sie das Aufsteigen des Mondes, um den drohenden Feind wieder beobachten zu können; als aber das Licht sich mit Tageshelle über die See ausgebreitet hatte, war die Oneida verschwunden. Auch der folgende Tag verging, ohne daß sie sich hätte sehen lassen und Buardo kam zu der Ueberzeugung, daß Kapitain Baker ihn und Semona auf der Insel suchen würde, von welcher die erste Ladung mit Früchten geholt war.

Kaum aber graute der Morgen wieder und Buardo trat aus dem Eingang der Höhle hervor, als sein Blick den aufgeblähten Segeln des Wallfischfahrers begegnete, der in gerader Richtung auf die Insel zusteuerte. Er rief Semona zu sich heraus und Beide beobachteten nun das Schiff, über dessen Ziel sie mit jeder Minute mehr Gewißheit bekamen. Buardo hielt fortwährend seinen Blick durch das Fernglas auf das Verdeck gerichtet, denn das Fahrzeug war bereits so nahe, daß er jeden einzelnen Mann auf demselben erkennen konnte. Jetzt zog es Segel ein und legte sich in den Wind, um auf den Wellen zu treiben. Zugleich sah Buardo, daß zwei Boote ausgerüstet wurden, um in See zu gehen. Man ließ sie in das Wasser hinab, worauf zwanzig Mann mit Harpunen, Wurfspießen und kurzen Säbeln bewaffnet in dieselben hinunterstiegen. Feuergewehre trugen sie nicht, auch wußte Buardo, daß kein solches, außer einer Doppelflinte des Kapitains Baker, sich an Bord befinde. Bald füllten sich die Segel der Boote, die nun rasch der Insel zusteuerten, und zwar eines derselben in der Richtung nach dem Landungsplatz, wo nach der Fehljagd die Früchte eingenommen waren, während das andere an der Küste hinfuhr, mehr der Gegend zu, in welcher Buardo mit Semona das Ufer erstiegen hatte. Diese Beiden hatten sich in ihr Versteck zurückgezogen, nachdem sie sorgfältig vor dem Eingange desselben jede Spur verwischt hatten, die ihre Gegenwart verrathen konnte. Fest und unwiderruflich hatten sie beschlossen, ihr Leben für ihre Freiheit einzusetzen und dasselbe so theuer als möglich zu verkaufen. Flinte, Wurfspieß, Harpune, Art und Säbel waren zum Gebrauch bereit gelegt und es zuckte Buardo durch alle Nerven, im Kampf für sein gutes Recht und für Semona den seit langer Zeit verhallten Schlachtruf nochmals ertönen zu lassen. Sie lagen lauschend hinter dem Dickicht, welches den Weg zu ihnen verbarg und späheten durch dessen Laubmassen hinaus über die abschüssige Grasfläche vor der Schlucht. Alles blieb ruhig, nur der Wind, der sich erhoben hatte, rauschte in den Riesenblättern der Pflanzen und schwang die Wipfel der hohen Palmen hin und her. Auch zog Gewölk eilig am Himmel auf und die Sonne blickte nur noch von Zeit zu Zeit in die Schlucht herab. Mehrere Stunden verstrichen, ohne daß sich ein lebendes Wesen in der Nähe der Höhle gezeigt hätte, da sprang plötzlich ein Rudel der wilden Ziegen flüchtig vor derselben vorüber und bald darauf hörte Buardo mehrere Männerstimmen. Sie kamen näher und immer näher, bis der Obersteuermann mit neun Matrosen auf dem Platz vor der Schlucht erschien und, sich von hier umblickend, sagte:

»Sie sind auf dieser Insel, darüber kann kein Zweifel sein, denn die Fußtritte, die wir dort oben, aufgefunden haben, waren von Schuhen mit Absätzen hinterlassen worden. Wo aber finden wir die Kanaillen? Und finden müssen wir sie, und sollten wir vier Wochen nach ihnen suchen! Kapitain Baker hat es geschworen, daß er nicht eher sich von diesen Inseln entfernen wird, bis er die beiden Neger an Bord hat und daß er Charles nun auch mit Semona verkaufen will. Laßt uns diesem Wasser folgen; ich glaube, sie stecken irgendwo in dem Walde an der Küste.«

Mit diesen Worten schritt er weiter, und Buardo sah ihm mit funkelnden Augen nach, indem er leise sagte:

»Und wenn Ihr uns findet, dann wird es Manchem von Euch das Leben kosten. Gottlob, diesmal sind wir ihnen entgangen und sie werden uns hier nicht wieder suchen. Wenn die Andern nur nicht auch diesen Weg einschlagen.«

Wieder vergingen mehrere Stunden, ohne daß sich Einer der Feinde sehen ließ und Buardo schlich sich vorsichtig hinaus in das Freie, um einen Blick nach der Oneida zu thun, die jetzt etwas weiter von der Küste trieb und gewaltig von den Wogen hin und her geworfen wurde; denn der Wind hatte sehr an Heftigkeit zugenommen und die See warf ihre Wellen immer höher. Buardo hatte nur wenige Minuten nach dem Schiffe hingeschaut, als an ihrem hintersten Mast eine Signalflagge aufgezogen wurde. Es war das gewöhnliche Zeichen für die ausgesetzten Boote, sofort an Bord zurückzukehren.

»Heute werden sie uns nicht mehr beunruhigen, denn der Kapitain hat sie so eben durch ein Signal zurückgerufen,« sagte Buardo, indem er wieder zu Semona trat.

»Der Himmel ist mit uns, Buardo,« entgegnete die Negerin, »sieh nur, wie die Wolken jagen; es ist zum erstenmale, seit wir in diesem Meere sind, daß sich die Sonne versteckt hat.«

Sie schlichen Beide abermals hinaus und lauschten und spüheten über die Insel und über das Meer, doch nirgends war etwas von den Männern noch von den Booten zu gewahren. Erst nach langer Zeit schoß plötzlich das eine Schiffchen in die See hinaus, um an Bord des Wallfischfängers zu gelangen und wurde auf seinem gefahrvollen Wege von den Wogen wie ein Spielball auf und nieder geworfen; von dem zweiten Boote aber war noch keine Spur zu sehen. Der Tag neigte sich und der Wind pfiff hohl durch die Schlucht, vor welcher Buardo mit Semona stand und die See wurde immer stürmischer bewegt. Die Oneida hatte mehr Segel aufgesetzt, indem sie vor der Insel auf und nieder kreuzte und war deren Ufer sehr nahe gekommen, als plötzlich der Wind herumfuhr und mit verdoppelter Kraft auf die Küste zu blies. Jetzt wandte der Wallfischfahrer seine Spitze, um die offene See wieder zu erreichen; es war zu spät; der Wind und die Wogen trieben ihn mit jedem Augenblick den hohen steilen Felsen näher, die sich gegenüber der Insel aus der See erhoben.

Alle Segel, welche die Masten zu tragen vermochten, wurden aufgezogen, so daß das Schiff sich immer tiefer auf die Seite legte, es war umsonst, es trieb der Küste zu.

Plötzlich wurde das Segel des zweiten Bootes auf den Wogen sichtbar und kämpfte gegen den Wind an, um den Wallfischfahrer zu erreichen, der in diesem Augenblick die Anker fallen ließ: noch immer wehte die Flagge über seinem Verdeck, welche die Mannschaft an Bord rief. In wenigen Minuten war die Oneida aller ihrer Segel beraubt und stieg nun, wie ein sich hochbäumender Renner an der Ankerkette auf und nieder. Das Boot aber hielt sein Segel immer noch ausgespannt gegen den Wind, der es oft zur Seite warf, als sollte die nächste Welle darüber hinrollen; im nächsten Augenblick aber schwebte es wieder auf deren Spitze, um abermals hinunter in die gähnende Tiefe zu schießen. Es kämpfte an, trotz Sturm und Wogen und hatte den Wallfischfahrer bis auf kurze Entfernung erreicht, als es wieder zwischen den Wellen verschwand, diesmal aber nicht wieder auftauchte; die See hatte es verschlungen.

»Himmel, das Boot ist versunken!« schrie Buardo entsetzt, indem er das Fernglas vom Auge nahm, »die Mannschaft ist verloren!«

»Die armen Menschen, Gott mag ihnen beistehen!« seufzte Semona mit zum Himmel erhobenem Blick.

»Sie sind sämmtlich verloren, denn von der Oneida wird noch kein Tau in das Wasser geworfen,« sagte Buardo, nachdem er wieder eine Zeitlang durch das Glas gesehen hatte. »Jetzt lassen sie den zweiten Anker in die See hinab; wie das Schiff arbeitet und wie der Wind heult; sieh nur dorthin, Semona, wie schwarz die Wolken auf der See hängen; das wird nimmer gut gehen!«

Der Sturm wurde mit jeder Minute heftiger und die Wogen rollten sich wie Berge den hohen schroffen Felsen zu, vor welchen die Oneida sich an ihren Ankerketten bäumte. Der fliegende weiße Gischt der Wellen, die sich an dem Schiffe brachen, verhüllte dasselbe oft für Minuten vor den Blicken Buardo's und die eilig nahende Nacht machte ihm dessen Erkennen immer schwieriger.

Unbeweglich hielt er das Fernglas auf das Fahrzeug gerichtet, um dessen Schicksal so lange als möglich zu erspähen, und Semona sah schweigend auf die schwarzen, vom schäumenden Meer umtobten Klippen, und ihr Herz zitterte für das Schicksal ihrer bisherigen Gefährten.

Jetzt war das Schiff wieder von weißen Schaummassen umhüllt, abermals stieg es aus denselben auf, es bäumte sich hoch, es drehte sich im Kreise, die nächste Woge nahm es mit sich fort, es versank in der See, wieder trug es eine Welle auf ihrem Rücken weiter, und nun ging es im Sturmlauf den Klippen zu, die es in wenigen Augenblicken erreicht hatte. Die See warf es hoch über sich gegen die schwarzen Felsen, in Trümmern stürzte es von ihnen zurück und Buardo konnte keine Spur mehr von ihm erkennen.

»Gescheitert, zerschellt!« rief Buardo entsetzt, indem er die Hände nach dem Schreckensbild hin richtete, welches ihm das Fernglas so eben hatte sehen lassen.

»Was sagst Du, gescheitert, die Oneida gescheitert?« fragte Semona erschrocken und bebend und erfaßte den Arm Buardo's.

»Sie ist an den Felsen zerbrochen und im Meere versunken. Wir sind gerettet, Semona, unsre Rettung kostet aber vielen unschuldigen Menschen das Leben!« antwortete Buardo tief ergriffen und sah mitleidig nach den kaum noch zu erkennenden Felsen hin.

»Die Unglücklichen, der Allmächtige mag ihnen zu Hülfe kommen!« klagte Semona und schmiegte sich näher an Buardo, während der Sturm sie umsauste und der Donner der Brandung die Insel erbeben ließ. Es war Nacht, die Höhle war von einem kleinen Feuer erhellt und Buardo saß in ernste Gedanken versunken neben demselben auf dem steinigen Boden, während Semona damit beschäftigt war, aus dem Fleisch der erlegten Ziege das Abendbrot, zu bereiten. Heulend und pfeifend brach sich der Sturm draußen an den felsigen Wänden der Schlucht und peitschte jetzt einen heftigen Regen gegen deren Eingang.

»Wie wunderbar hat uns Gott gerettet!« sagte Buardo nach langem Schweigen, als müsse er sein Nachdenken in wenige Worte zusammenfassen.

»Unser Vertrauen auf ihn hat uns die Wege erkennen lassen, die seine Barmherzigkeit uns zeigte. Er war ja so oft unser alleiniger, unser einziger Trost, und er soll es immer bleiben, Buardo!« erwiederte Semona, indem sie ihre Arme nach dem Geliebten ausbreitete.

»Ja, er soll es immer bleiben, mag er uns auch ferner gnädig sein!« rief Buardo mit dankerfülltem Herzen, indem er aufsprang und Semona an seine Brust drückte.

Beide waren tief bewegt; Glück und Jubel über die unverhofft schnelle günstige Wendung ihres Schicksals füllte ihre Herzen, und Trauer, Schmerz und Mitleid über das entsetzliche Ende ihrer vielen Gefährten mischte sich in ihre Freude.

Sie verbrachten die Nacht wachend, sie lauschten dem nach und nach ermattenden Sturme und glaubten immer, sie müßten die Hülferufe der Gescheiterten durch seine schauerlichen Accorde vernehmen. Der Morgen kam, der Wind hatte sich gelegt und die Wolken hingen wie graue Nebelmassen tief über dem Meere. Buardo war mit Semona hinaus vor die Schlucht getreten, vergebens aber suchten sie, die Felsen zu erkennen, an denen die Oneida gescheitert war, die dichte schwere Luft verbarg sie vor ihrem Blick.

»Ich möchte wohl hinunter an den Strand gehen, die See hat vielleicht Manches von der Oneida an unsere Insel geworfen, wovon wir Gebrauch machen könnten,« sagte Buardo sinnend.

»So will ich Dich begleiten, ich kann Dir wohl hülfreich sein,« versetzte Semona schnell und fügte dann noch wehmüthig hinzu, »vielleicht finden wir auch einen der Verunglückten und können ihm einen Ruheplatz in dieser fremden Erde geben.«

»Wir wollen hinuntergehen, Semona!« sagte Buardo jetzt, wie von einem neuen Gedanken getrieben, holte schnell Waffen und Stricke aus der Höhle und eilte mit der Geliebten den Berg hinab. Bald hatten sie den Wald erreicht, der durch den Regen erfrischt, in saftigem Grün glänzte und durch welchen das Brausen und Toben der Brandung ihnen betäubend entgegenschallte. Sie verdoppelten ihre Schritte, um dem zornigen Element näher zu kommen und standen bald darnach auf dem hohen felsigen Ufer, an dem die heranrollenden Wogen emporschossen und, sich hoch über dasselbe erhebend, rücklings in die See zurückstürzten. Mit noch viel größerm Ungestüm aber rasten sie gegen die Felsen an, die sich in nicht weiter Ferne aus der tobenden Fluth erhoben und hüllten sie bis hoch hinauf in ihren fliegenden weißen Schaum.

Buardo hatte seinen Blick an dem Ufer hin und her gesandt und richtete ihn jetzt über die zischenden Wogen nach den Klippen, indem er sagte:

»Dort, Semona, dort ist die Oneida zertrümmert worden; wäre sie hier an diese Küste geworfen, so hätten sich wohl einige von der Mannschaft gerettet, aber dort an den steilen nackten Felsen – um Gottes willen – dort sitzt ein Mensch – Semona – siehst Du ihn nicht, dort oben auf' der spitzen Klippe, an der die Wellen so hoch aufsteigen, daß man sie oft nicht sehen kann? Jetzt, jetzt sieh hin – es ist wahrhaftig ein Mensch, der dort hängt!«

Mit diesen Worten zeigte Buardo in größter Bewegung nach einem spitzen Felsstück, welches nur von Zeit zu Zeit zwischen dem Gischt der Wellen sichtbar wurde.

»Du irrst Dich, Buardo, es ist nur der Stein, den Du siehst,« entgegnete Semona und strengte ihren Blick mit aller Kraft an.

»Auch ich sehe ihn jetzt nicht mehr; aber es war ein Mensch, der dort saß, das könnt' ich beschwören!« nahm Buardo wieder das Wort, »und jetzt, Semona, kommt es mir doch wieder vor, als ob ich ihn sähe. Warum nahm ich auch das Fernrohr nicht mit!«

»Soll ich es holen, Buardo?« fragte Semona.

»Nein, bestes Weib, mir wird es leichter; bleibe Du hier, es droht Dir ja jetzt keine Gefahr; außerdem lasse ich Dir die Flinte zurück,« entgegnete Buardo und sprang schnell durch den Wald davon.

»Semona hielt ihr scharfes Auge unbeweglich auf die Spitze des Felsens gerichtet, und mehrere Male kam es ihr vor, als ob sie dort eine Veränderung in deren Form wahrnehme. Aber jetzt hatte es sich, auf der Spitze deutlich bewegt, ja, sie glaubte, sie hätte einen erhobenen Arm gesehen. Sie stand bebend und mit gefalteten Händen da und warf von Zeit zu Zeit einen flehenden Blick zum Himmel auf. Wohl eine halbe Stunde verstrich, ehe sie die Fußtritte Buardo's vernahm, endlich aber kam er herangesprungen und Semona rief ihm schon von Weitem zu:

»Es ist ein Mensch, der auf der Klippe hängt!«

Schnell hatte Buardo das Fernrohr vor dem Auge, sah einen Augenblick nach dem Felsen hin und schrie:

»Kapitain Baker! – es ist Baker, der dort liegt und sich mit den Armen an dem Stein festklammert!«

»Kapitain Baker?« wiederholte Semona leise und erschrocken.

»Ja, es ist Baker, er sieht hierher,« sagte Buardo halblaut und Beide sahen schweigend vor sich nieder. Es war aber nur eine Pause von wenigen Augenblicken, dann faßte Semona den Arm Buardo's und rief:

»Laß uns ihn retten, Buardo – er fleht Gott um Beistand an, und wie oft hat der Allmächtige unser Flehen erhört! Laß uns ihn retten, und wenn er auch mein Herr war!«

»Er wollte Dich und mich verkaufen und hat das Leben der ganzen Mannschaft hierfür geopfert!« antwortete Buardo, finster vor sich niedersehend, und fuhr nach kurzem Schweigen fort: »Er wird uns verrathen und uns bei erster Gelegenheit an einen andern Wallfischfahrer ausliefern.«

»Laß uns ihn nicht richten, Buardo, überlasse dies dem Allmächtigen, der uns so oft vom Untergang gerettet und uns jetzt auffordert, einem Verzweifelnden Rettung zu bringen. Der Kapitain fleht ihn und uns um Hülfe an,« sagte Semona und legte liebkosend ihren Arm um Buardo's Schulter.

»Ja, Semona, Du, bist ein guter Engel, den Gott auf die Erde sandte, Glück zu spenden; wir wollen den Kapitain retten und wenn wir auch unser eigenes Leben dafür einsetzen müssen,« rief Buardo jetzt freudig entschlossen aus und setzte noch hinzu: »Wenn er sich so lange dort halten kann, bis die See sich etwas beruhigt; denn jetzt wäre es unmöglich, mit dem Boot sich den Felsen zu nahen, ohne an ihnen zerschellt zu werden. Wehe einmal mit Deinem Tuche, Semona, ich will durch das Glas sehen, ob er uns bemerkt hat.«

Semona that sofort, was ihr Buardo auftrug und dieser sagte nach einigen Augenblicken:

»Ja, er sieht uns und weiß, daß wir ihn sehen, denn er winkte eben mit der Hand; wird sie aber wohl beide nöthig haben, um sich auf dem nassen Stein zu erhalten. Jetzt laß uns nach unserm Boote sehen.«

Nochmals schwang Semona ihr Tuch winkend hoch durch die Luft und folgte dann Buardo eilig an dem Ufer hin. Die beabsichtigte gute That beflügelte ihre Schritte, bald hatten sie die kleine Bucht erreicht, wo Buardo das Boot versenkt hatte und wo die Brandung, an dem vorspringenden Ufer gebrochen, keine Gewalt ausüben konnte. Der Anker saß noch fest in dem Gestein, Buardo hob ihn hervor, zog das Boot an dem Tau nach dem Land herauf, warf die Steine aus demselben in das Meer und nach wenigen Minuten schaukelte sich der Kahn auf der bewegten grünen Fluth.

Dann eilte Buardo mit der Geliebten nach der Höhle zurück, um Mast und Segel zu holen und dem Manne Rettung zu bringen, der ihnen Verderben geschworen hatte.

Es war gegen Mittag, als das Boot mit Mast und Segel zum Auslaufen fertig lag und Buardo die Ruder aus dem nahen Dickicht, wo er sie versteckt hatte, herbeitrug. Die Luft war höher geworden, das Gewölk theilte sich, der blaue Himmel sah hier und dort wieder hervor und die Sonne blickte von Zeit zu Zeit auf die Insel nieder. Die See hatte sich sehr beruhigt, die Wogen gingen noch hoch, sie rollten aber regelmäßiger und stürmten nicht mehr mit solcher Wuth gegen die Küste an, wie noch am frühen Morgen.

»In Gottes Namen, laß es uns wagen, Semona,« sagte Buardo und sprang in das Boot hinein, indem er die Hand nach der Geliebten ausstreckte. Diese ergriff sie und folgte dem Manne ihres Herzens unverzagt, um die Gefahr mit ihm zu theilen. Das Segel blähte sich auf, das Schiff schoß in die See hinaus und Buardo lenkte es mit kräftiger sicherer Hand durch die gewaltigen Wogen. Bald hatten sie die Küste umsegelt und die weite Bucht erreicht, die von den Felsen gebildet wurde, an denen die Oneida ihren Tod fand. Buardo's Blick erkannte sofort die hohe Klippe, auf welcher der Kapitain hing und mit Grausen sah er die Wogen an den Felsen aufsteigen und ihren Schaum im Winde versprühen. Unerschüttert und ohne Wanken aber hielt er die Spitze des Kahns auf die furchtbare Brandung gerichtet, und die Gestalt des Kapitains wurde mit jedem Augenblick kenntlicher. Er hing mit der Brust auf dem spitzen Felsen, hielt ihn mit den Armen umklammert und um seine herabhängenden Füße leckten die Wellen mit ihren schaumbedeckten Zungen, als wollten sie ihn zu sich herunter in die Tiefe ziehen. Jetzt kam das Boot fliegend herangeschossen, Semona saß an der Brüstung mit dem Tau in der Hand, um es dem Gescheiterten zuzuwerfen und Buardo hielt mit aller Gewalt das Schiff auf die Klippe gerichtet, um so nahe als möglich an ihr vorüberzukommen. Jetzt trug die letzte Woge den Kahn nach dem Felsen hin. »Laß Dich in die See fallen!« schrie Buardo dem Kapitain zu, das Tau flog aus Semona's Hand, ein dichter Schaumregen umhüllte Boot und Schiffer und an dem schwarzen Gestein vorüber jagte der Kahn auf die nächste glatte Woge hinaus.

»Halt fest! halt fest!« schrie Buardo jetzt dem Kapitain zu, der an dem Tau hing und von Jenem nach dem Schiffe gezogen wurde, während Semona das eingenommene Segel mit ihren Armen um den Mast drückte, damit es der Wind ihr nicht wieder entreiße. Im nächsten Augenblick hob Buardo den Kapitain in das Boot herein, erfaßte wieder das Ruder und Semona entfaltete abermals das Segel. Es war die höchste Zeit, denn die Woge hatte den Kahn den ferneren Klippen zugetragen, und nur die Riesenkraft Buardo's vermochte es, denselben von ihnen abzulenken und in die offene See hinauszusteuern.

»Gott sei gelobt!« sagte er, als er das Schiff wieder durch den Wind gekehrt und dessen Spitze der Insel zugewandt hatte, nach deren Ufer es jetzt pfeilschnell durch die Wogen schoß.

Kapitain Baker lag ohne Bewußtsein neben Semona in dem Boot hingestreckt, während sich seine Brust nur mühsam hob. Bald landete der Kahn in der ruhigen Bucht und Buardo trug den alten Mann in seinen Armen auf das hohe Ufer.

Die Sonne schien warm und wohlthuend auf den erschöpften Geretteten nieder, Semona hatte süße Limonen herbeigeholt und ihm von deren Saft auf die Lippen geträufelt, er schlug die Augen wieder auf, sah die Negerin an und schloß die Lider abermals.

»Du bist bei Freunden, Kapitain,« sagte Buardo zu ihm und drückte ihm die Hand, während er seinen Kopf auf sein Kniee hob. Da öffnete der alte Seemann die Augen wieder und ein Thränenstrom brach aus ihnen hervor. Er sah schweigend bald Semona, bald Buardo an und dankte ihnen mit reuigen Blicken, als erflehe er ihre Vergebung für sein begangenes Unrecht. Beide aber sprachen herzlich und freundlich zu ihm, sie trugen ihn unter einen Baum und setzten ihn an dessen Stamm im Grase nieder, Buardo nahm die nasse Kleidung von seinem Oberkörper, gab ihm dafür seine warme Seemannsjacke, die Baker ihm an dem Morgen in der Chesapeake-Bay durch Semona übersandt hatte und bald kehrten dessen Kräfte, dessen volle Besinnung zurück.

»Wie soll ich Euch danken, wie kann ich das Unrecht wieder gut machen, welches ich an Euch begangen und wie ist es möglich, daß ich auf Eure Verzeihung hoffen darf!« hub Baker endlich mit schwacher Stimme an und sah mit feuchten Augen bittend zu seinen Rettern auf.

»Der gute Gott hat Dich gerettet, Kapitain,« sagte Buardo mild und freundlich, »er hat es durch uns gethan, die er auch so wunderbar vor Schmach und Untergang bewahrt hat. Wir hatten Dir Beide schon da vergeben, als Du von der Klippe aus Dein Flehen zu dem Allmächtigen sandtest und wir heißen Dich in unserer neuen Heimath willkommen, sowie Du mich auf Deinem Schiffe willkommen nanntest.«

Hierbei drückte Buardo dem Kapitain herzlich die Hand und Semona reichte ihm süße, saftige Früchte, woran der alte Mann sich labte.

Erst gegen Abend hatte sich Baker so weit erholt, daß er den Weg nach der Höhle mit seinen Rettern antreten konnte, den er mit vielen Unterbrechungen bei Sonnenuntergang zurücklegte. Hier bereitete Semona nun aus Laub und trocknem Gras ein weiches Lager für den Gast, sie benutzte das letzte Fleisch der Ziege, um ihm ein stärkendes Abendessen zu reichen und sie unterhielt während der ganzen Nacht das Feuer, damit er sich bei dessen Gluth erwärme. Buardo gewahrte des Kapitains Verwunderung darüber, daß Semona ihn nicht Charles, sondern Buardo nannte und theilte ihm darauf mit, daß zu jener Zeit, als er die Geliebte kennen lernte, man ihn Buardo genannt habe, weshalb ihr dieser Name lieber wäre.

Baker hatte sich am folgenden Morgen vollkommen erholt und begleitete seine beiden Wohlthäter nach dem Strande hinunter, um dort, wo die tobende Brandung verschwunden war und die Wogen nur noch spielend heranrollten, zu sammeln, was die See von der Oneida ausgeworfen hatte. Sie fanden unzählige Gegenstände, die ihnen willkommen waren, auf dem Ufer liegen, eine bei weitem größere Anzahl aber holten sie in dem Boote aus dem Meere, die in der Nähe der Küste umhertrieb. Darunter befanden sich Tonnen mit Oel, mehrere Fässer mit gesalzenem Fleisch, solche mit Mehl, mit Brod, mit Erbsen, Mais und Bohnen, ein noch halbgefülltes Faß mit Branntwein, viele Kleidungsstücke und Bettzeug, eine Menge Segel und Taue, und endlich auch die Amerikanische Flagge, die Baker an dem Schreckenstage aufgezogen hatte. Alles wurde an das Land geschafft, selbst jedes Stück Holz von den Trümmern des Schiffes, und dann begannen die drei Ansiedler, die werthvolleren Sachen nach der Höhle hinaufzubefördern. Hiermit verstrichen mehrere Wochen, während welcher Zeit Buardo häufig auf die Jagd ging, um frisches Fleisch anzuschaffen. Unzählige Ziegen und Schweine lebten auf der Insel, welche, wie Kapitain Baker sagte, von den Thieren abstammten, die mehrere amerikanische Wallfischfahrer hier absichtlich ausgesetzt hatten.

Buardo war nun darauf bedacht, sich eine bequemere Wohnung zu bauen und wählte hierzu den Platz, den er gleich bei seinem ersten Besuch auf der Insel dafür bestimmt hatte; es war da, wo sich der Bach am Fuße der Berge in die Grasfläche hinein wand. Das viele aufgefischte Holz von der Oneida kam ihm sehr hierbei zu Statten und mit der Hülfe Baker's und Semona's war bald das Haus errichtet und bezogen. Nun legte er einen Garten an, in welchem Mais, Erbsen und Bohnen gesetzt wurden und dann pflanzte er Palmen, Bananen, Citronen- und Orangenbäume, welche er aus dem Walde holte, um die Niederlassung.

So verlebten sie in ungestörtem Frieden und innigster Eintracht mehrere Monate; Baker's aufrichtigste, heißeste Dankbarkeit that sich in jedem Blick, jedem Wort, jeder Handlung kund, und mit Verlangen schaute er Tag für Tag über den weiten Ocean und hoffte ein amerikanisches Schiff nahen zu sehen, um an dessen Bord, also auf amerikanischem Grund und Boden den Freibrief für Semona ausstellen zu können.


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