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XIII.

Die Zeit war nun bald gekommen, wo das junge Ehepaar sich nach der, wenige Meilen entfernten Kirche begeben sollte, und Morin ließ sein stärkstes schönstes Pferd satteln. Buardo mußte es besteigen, dann wurde eine rothe wollene Decke hinter ihn auf das breite Kreuz des Thieres gelegt, Semona in ihrem Festanzuge hinauf gehoben und im Paradezuge ging es nun fort zur Kirche; denn eine große Zahl der Sclaven Morin's folgte auf vielen Pferden und Maulthieren, von denen ein jedes zwei auch drei Personen trug, oder sie liefen zu Fuß hinterdrein und suchten mit den Reitern Schritt zu halten.

Die Kirche, ein sehr großes geräumiges Blockhaus, lag mitten im Walde auf einem kleinen Platz, wo viele Wege zusammenkamen. Hier war der ungefähre Mittelpunkt zwischen den zahlreichen großen und kleinen Ansiedelungen der Umgegend, den man gewählt hatte, damit die Bewohner derselben so ziemlich eine gleiche Entfernung bis zur Kirche zurückzulegen hatten. Als der Zug der Sclaven Morin's sich näherte, standen schon viele Pferde und Maulthiere um den Platz herum an Bäumen befestigt und ihre dunkelfarbigen Reiter und Reiterinnen erwarteten in ihrem Sonntagsstaat vor der Kirche den schwarzen Prediger. Nur ein Weißer, ein junger Mann von wüstem Aeußern, wenn auch in der Kleidung eines Gentleman, stand zwischen den vielen Farbigen und vertrieb sich die Zeit, indem er Spaße mit den hübschen Mädchen machte, und mit ihnen lachte und scherzte. Kam einer der jungen Männer in seine Nähe, so versetzte er demselben einen Hieb mit der Reitpeitsche, worauf die ganze Versammlung in ein lautes Gelächter ausbrach. Er war der Sohn eines sehr reichen Pflanzers aus der Umgegend, hieß Charles Tuff und war hierhergekommen, um dem Gottesdienst der Sclaven beizuwohnen und darüber zu wachen, daß keine Freiheitsgedanken unter denselben verbreitet würden. Die weißen Bewohner dieser Gegend sandten an jedem Sonntag einen, oder mehrere solcher Wächter hierher, und es war den Sclaven verboten, ohne das Beisein eines Weißen Arche zu halten. Charles Tuff war heute allein gekommen und unterhielt sich so gut wie er konnte. Er trug einen schwarzen runden Hut, schwarzen Frack, keine Weste, ein grauleinenes Beinkleid, aus dessen Gürtel der Griff eines schweren Messers hervorsah, und braune hirschlederne Schuhe. Sein strohgelbes Haar, seine aufgeworfene Nase und die dicken kippen, so wie sein rothes Gesicht verriethen das Irische Blut, welches von mütterlicher Seite her in seinen Adern floß, und die braunen Flecken, die durch den Gebrauch von Kautaback auf dem Busen seines Hemdes erzeugt waren, bekundeten Amerika als sein Geburtsland.

»Verdammt, was ist das für ein Zug, der dort herkommt?« fragte er einen der Neger.

»Es sind Morin's Leute. Wie ich höre, sind heute früh zwei echte Afrikaner, die Herr Morin kürzlich gekauft hat, durch unsern Prediger verheirathet worden; sie werden wohl das Paar auf dem vordersten Pferde sein,« antwortete der Schwarze.

»Verheirathet? – Unsinn, als ob Neger verheirathet werden könnten! Der alte Frömmler, der Morin, will sich nur ein Ansehen geben und sich selbst dadurch ein Sittenzeugniß schreiben. Mein Vater hat eben so viele Neger, als er, und verdammt viel mehr Negerkinder, doch solcher Unsinn, wie Heimchen, ist nicht bei uns eingeführt,« bemerkte der junge Tuff und schlug sich im Tact mit der Reitpeitsche an das Bein.

»Bei Gott, ein schönes schwarzes Thier!« fuhr er nach einer Weile fort, als Buardo an dem Platze vom Pferde sprang und Semona auf seinem Arm von dessen Rücken hob. Während Buardo den Zügel des Pferdes an einen Ast befestigte, war Tuff zu Semona getreten und sagte zu ihr:

»Du schöne Afrikanerin, wie ich höre, bist Du heute verheirathet, ich darf Dir wohl Glück wünschen?«

»Ich danke, Herr, wohl darf man mir Glück wünschen, der Himmel mag es mir erhalten!« antwortete Semona und wich dem stechenden, unverschämt lächelnden Blick des jungen Mannes aus..

»Und dies ist der glückliche Gemahl?« fragte Tuff, sich an Buardo wendend.

»Ja wohl, Herr, und glücklich bin ich in der That!« erwiederte dieser, indem er Semona seinen Arm gab.

»Das glaube ich Dir, ohne daß Du darauf schwörst, Bursche, Du hast Dir eine reizende Frau ausgesucht; die könnte einen Weißen selbst beglücken!« sagte Tuff und schoß abermals einen stechenden Blick auf Semona, doch Buardo wandte sich ernst und stolz von dem Sprecher ab und näherte sich der Kirchthür.

»Ich glaube bei Gott, die schwarze Kanaille ist eifersüchtig auf einen weißen Mann, schade, daß Ihr meinem Vater nicht angehört!« sagte Tuff so laut, daß Buardo es hören sollte, worauf die umstehenden Neger in ein schallendes Gelächter ausbrachen und gellende Schreie ausstießen.

In diesem Augenblicke stieg der schwarze Prediger vom Pferde und begab sich schnell in die Kirche, die sich sogleich füllte und in welcher der junge Tuff sich auch einen Platz wählte. Er hatte sich so gesetzt, daß er Semona im Auge hielt, und verwandte während des ganzen Gottesdienstes den Blick nicht von ihr. Buardo bemerkte bald dessen Unverschämtheit und begegnete seinem Auge wiederholt strafend und verächtlich, doch Tuff lachte als Antwort darauf und fuhr fort, Semona zu betrachten. Diese würdigte ihn keines Blickes, obgleich sie recht gut fühlte, daß sie der Gegenstand seiner widrigen Beobachtung war, und sie dankte dem Himmel, als der Gottesdienst zu Ende ging und sie am Arme Buardo's sich aus der Nähe dieses lästigen Menschen entfernen konnte.

»Nun, Glück auf, schönes Weibchen!« rief Tuff der verlegenen Semona noch zu, als sie ihren Platz wieder hinter Buardo auf dem Pferde eingenommen hatte und warf ihr einige Küsse nach. Buardo trieb das Pferd an, um schnellmöglichst aus dem Bereiche dieses verhaßten Mannes zu kommen, doch mußte er noch viele Scherze, viele kränkende Nachrufe und Hurrahs hören, welche die schwarze Versammlung hinter ihm herschickte.

Zu Hause angekommen, wurden sie Beide von Morin und dessen Gattin freudig begrüßt und die Freundlichkeit und Herzlichkeit der alten Leute verscheuchte sogleich jeden Unmuth von Buardo's Stirn, so daß er es auch unterließ, des Vorfalls in der Kirche zu erwähnen, obgleich er, es zu thun, sich vorgenommen hatte.

Als er mit Semona in sein neues Haus trat, war dort ein Tisch sauber für sie gedeckt, einige Negerinnen trugen sofort das Essen auf, welches Madame Morin für sie hatte bereiten lassen, und Herr Morin schickte ihnen einen herrlichen, mit Blumen geschmückten Kuchen und eine Bouteille alten vortrefflichen Madeirawein. Nachdem die Sclaven sie verlassen hatten, fielen sich Buardo und Semona in die Arme und konnten lange für ihr großes Glück keine Worte finden. Alle ihre Wünsche waren erfüllt und der Gedanke, daß sie das Eigenthum eines andern Menschen waren und daß ihre Zukunft von dem Willen desselben abhing, kam ihnen nicht in den Sinn. Sie beteten zusammen und dankten Gott für die Gnade, die er ihnen so reichlich hatte angedeihen lassen, dann nahmen sie gegeneinander über an dem Tische Platz und erfreuten sich des reichen ersten Mahls, welches sie als Mann und Frau zusammen genossen. Der Tag verging in Freuden und mit dem Grauen des nächsten Morgens hatte Semona schon das Frühstück bereitet, damit sie Beide die Ersten bei der Arbeit erscheinen möchten.

Ungestört und in höchster Glückseligkeit schwand den jungen Eheleuten nun die Zeit, und es waren schon einige Wochen seit ihrer Verheirathung verstrichen, als Semona eines Morgens den Auftrag von ihrer Herrin erhielt, in dem Garten die Grundnüsse Eine kleine süßschmeckende Nuß, die ähnlich der Kartoffel in der Erde wächst. zu ernten.

Semona nahm vergnügt die kleine Hacke nebst einem Tack und begab sich freudig nach dem bezeichneten Orte, denn heute sollte Buardo ihr nahe bleiben, indem Morin ihm den Auftrag gegeben hatte, die Einzäunung des Gartens, da, wo er an den Wald stieß, auszubessern. Nahe an derselben begann Semona ihre Arbeit, hob mit der Hacke die Nüsse aus dem Lande, befreite sie von Erde und warf sie dann in den Sack, während sie sich mit Buardo unterhielt, der ein Stück der Einzäunung umgeworfen hatte und das noch taugliche Holz derselben zusammenlegte.

»Jetzt muß ich Dich aber auf kurze Zeit verlassen, um weiter im Walde frisches Holz für die vermoderten Stücke zu schlagen; es soll jedoch nicht lange dauern, süße Semona, bald bin ich wieder bei Dir,« sagte Buardo, nachdem sie wohl eine halbe Stunde ruhig gearbeitet hatten, sprang zu der Geliebten hin, küßte ihren Mund und Hand und eilte in den Wald hinein. Semona sah ihm nach, bis er vor ihrem Blick verschwunden war, und begann dann wieder mit der Ernte, indem sie ein Lied halb laut anstimmte, welches sie als Kind oftmals zwischen den Heerden ihres Vaters in der fernen Heimath gesungen hatte. Sie stand niedergebeugt und schüttelte die Erde von einem Bündel Nüsse, als sie etwas hinter sich rauschen hörte und sich im selbigen Augenblick umfaßt fühlte. Es war Charles Tuff, der seinen Arm um ihren schlanken Leib geschlungen hatte und sie an sich zog, um ihr einen Kuß zu geben.

»Fort – unverschämter, abscheulicher Mensch, wenn Dir Dein Leben lieb ist!« rief Semona entsetzt und stieß ihn mit aller, ihr zu Gebote stehenden Kraft zurück, konnte sich aber dem Arme des jungen Mannes nicht entwinden. »Fort – sage ich nochmals, oder ich rufe Buardo – dann bist Du verloren!« rief Semona wieder und sträubte sich gegen die Angriffe des Weißen. Dieser aber preßte seine Rechte auf ihren Mund und schlang seinen Arm fester um ihren Leib.

»Buardo – Buardo!« schrie plötzlich Semona mit gellender Stimme, indem sie sich von Tuffs Hand befreite, und machte die verzweifeltsten Anstrengungen, ihm zu entweichen.

Da schallten flüchtige Tritte durch den Wald, in fliegendem Lauf brauste Buardo durch die Büsche heran, er sah Semona in den Armen jenes verhaßten Mannes aus der Kirche, noch einen Sprung, die Axt schwirrte sausend durch die Luft nach dem Haupte des weißen Mannes nieder und Tuff stürzte zu Boden.

»Ach, Buardo, unser Glück!« stöhnte Semona, in den Arm des Geliebten geschmiegt, und sah mit Schrecken das Blut über die Wange des Gefallenen rieseln.

»Glück – Semona, welches von der Willkür jedes weißen Schurken abhängt?« schrie Buardo in höchster Wuth auf Tuff niederblickend, und zuckte abermals die Art empor, Semona aber fiel ihm in den Arm und flehte um Erbarmen für den Nichtswürdigen und um Mitleid mit ihrer eigenen Zukunft.

»Komm, Buardo, schnell, laß uns zu unserm Herrn eilen und ihm Alles offenbaren, er wird uns helfen, wird uns beistehen – sieh – der Mann erholt sich wieder – Gott gebe, daß Du ihn nicht tödtlich getroffen hast!«

Mit diesen Worten zog sie Buardo mit sich fort und sie erreichten Morin's Wohnung in dem Augenblick, als dieser sein Pferd besteigen wollte.

Wenige Minuten reichten hin, dem Pflanzer den ganzen Hergang des Geschehenen zu berichten, wobei dieser kopfschüttelnd zuhörte und dann mit bekümmerter, besorgter Miene sagte:

»Bös – sehr bös – Buardo – das kann schlimme Folgen haben! Geht in Euer Haus und schließt Euch ein – ich will sehen, was ich thun kann.«

Dann rief er mehrere Neger herbei und eilte mit ihnen nach dem Garten, um den Verwundeten in seine Wohnung zu schaffen. Tuff aber war verschwunden und nur der blutige Fleck auf dem Kampfplatz bezeichnete die Stelle, wo er gelegen hatte.

Morin war in großer Sorge und sah von Stunde zu Stunde dem Erscheinen von Tuffs Vater entgegen; derselbe aber kam nicht. Gleich nach Tisch jedoch, als Morin sich unter die Veranda vor das Haus gesetzt hatte, sah er einen Zug bewaffneter Reiter sich der Wohnung nahm, unter denen er bald den jungen Tuff selbst erkannte. Derselbe, so wie seine Gefährten hatten ihre Rosse außerhalb der Einzäunung an Bäumen befestigt und schritten nun mit den Waffen in der Hand auf das Haus zu. Worin war beim Anblick des jungen Mannes, den er tödtlich verletzt glaubte und der auch ein Tuch um den Kopf gebunden trug, eine schwere Last vom Herzen gefallen, seine Besorgniß verwandelte sich in Unmuth, als er die Schaar von einigen zwanzig bewaffneten Männern in sein Eigenthum eindringen sah, und er ging ihnen ernst und festen Schrittes entgegen und fragte sie, wer sie dazu berechtigte, in dieser Weise hier zu erscheinen.

Unter lauten Verwünschungen und Flüchen verlangten sie die Herausgabe des Negers Buardo, um ihn zu lynchen. Morin aber ließ sich, so alt er war, durch die Drohungen nicht einschüchtern, sondern rief Tuff mit zorniger Stimme zu:

»Sie sind ohne meine Erlaubniß in meinen Garten eingedrungen, haben sich dort an einer meiner Sclavinnen vergriffen und Sie können von Glück sagen, daß es mir nicht zeitig genug bekannt wurde, denn ich hätte Sie sicher über den Haufen geschossen. Sie sind dem Gesetz verfallen, eben so, wie Sie es Alle in diesem Augenblick sind, da Sie mit bewaffneter Hand hier in meinem Eigenthum erschienen und meinen Hausfrieden brachen. Im Augenblick verlassen Sie meinen Grund und Boden, oder ich schieße den Ersten den Besten nieder – ich sollte denken, der Name des alten Morin wäre noch aus frühern Zeiten in gutem Andenken. Fort, sage ich, den Augenblicks und wer mich zu sprechen wünscht, der komme ohne Waffen zu mir.«

Bei diesen sehr zornig und bestimmt gesprochenen Worten war der Pflanzer in die Thür seines Hauses getreten, hinter welcher mehrere geladene schwere Doppelflinten standen, nach denen er wiederholt hingesehen hatte. Die jungen Männer waren stumm geworden, mehrere von ihnen verließen schweigend die Einzäunung, und die andern, bis auf Tuff, folgten ihnen bald nach. Dieser stellte seine Büchse an einen der Bäume und trat dann dem Pflanzer mit den Worten näher:

»Sie werden mir doch die Genugthuung nicht verweigern, Herr Morin, daß ich den Neger selbst bestrafe, wie dies Landesbrauch ist, wenn ein Farbiger die Hand nach einem weißen Manne aufhebt?«

»Das ist eine andere Sprache, Herr Tuff, und wenn Sie auch dem Neger auf unverzeihliche Weise die Veranlassung dazu gegeben haben, so werde ich mich doch dem Gebrauch des Landes nicht widersetzen, und will Ihnen erlauben, ihn in meiner Gegenwart mit fünfzig Peitschenhieben zu bestrafen. Wollen Sie es jetzt thun, oder zu welcher anderen Zeit?«

»Ich werde morgen früh zurückkommen und meine Peitsche mitbringen. Im Augenblick ist mir der Kopf noch zu wüst, der Kerl hat mich zwar nur mit der breiten Seite der Art gestreift, weil ich dem Hieb auswich, sonst hätte er mir den Kopf gespalten.«

»Der Himmel hat es noch gnädig gelenkt, und so lassen Sie uns denn die Sache friedlich abmachen. Ich erwarte Sie morgen nach dem Frühstück,« entgegnete Morin mit beruhigendem Tone und war froh, daß die Angelegenheit diesen Ausweg genommen hatte.

Tuff grüßte den Pflanzer mit einer geringen Handbewegung, nahm dann seine Büchse von dem Baume und ging zu seinen Gefährten, die seiner bei den Rossen warteten. Sie schwangen sich alle in die Sättel und ritten davon.

Morin athmete wieder freier auf, denn er wußte nur zu gut, daß Tuff, wenn er gewollt hätte, die ganze weiße Bevölkerung der Umgegend würde für sich gewonnen haben, und dann wäre Buardo verloren gewesen. Der Pflanzer war zwar auch für diesen Fall fest entschlossen, mit der Gewalt der Waffen sein Hausrecht zu vertheidigen, daß er aber nichts gegen die Uebermacht hätte ausrichten können, war ihm bekannt. Wie jetzt die Sachen jedoch standen, so hoffte er, daß mit der Bestrafung Buardo's Alles abgemacht sein würde, und vergnügt über diese Aussicht, eilte er schnell nach dessen Haus, um ihn von der günstigen Wendung seines Schicksals zu unterrichten. Er fand Semona in Thränen und Buardo in stummer Verzweiflung neben ihr sitzend.

»Ich bringe gute Nachricht, Buardo, die Sache wird sich machen. Es mag Dir aber eine Lehre für Lebenszeit sein, daß Du niemals wieder die Hand nach einem Weißen erhebst; denn es steht der Tod darauf,« sagte Morin eintretend, und schloß die Thür wieder hinter sich.

»Gott der Allmächtige sei gelobt!« rief Semona aus, und schlang ihren Arm um den Geliebten.

»Ganz ohne Strafe, Buardo, kommst Du nicht davon, doch ist dies nicht der Rede werth; Tuff wird morgen früh kommen und Dir in meiner Gegenwart fünfzig Hiebe auf den Rücken geben,« fuhr der Pflanzer mit beschwichtigender Stimme fort.

»Mir fünfzig Hiebe! Herr, eher reiße ich den Schurken fünfzig Mal in Stücke!« schrie Buardo mit wild funkelndem Blick, und befreite sich von Semona, die sich an ihn hing, und ihn um Ruhe anflehte.

»Und doch wirst Du es dulden müssen, Buardo, Du bist Sclave, und warest eigentlich dem Tode verfallen,« sagte Morin ernst.

»Gut, so laß mich sterben, Herr, laß mich aber nicht entehren, das überlebe ich nicht, so wahr ich Buardo heiße,« rief dieser mit verzweifelter Stimme und wehrte Semona zurück, die ihre Arme um ihn schlingen wollte.

»Du hast zu wählen, Buardo, entweder Du nimmst geduldig die Paar Hiebe, oder ich muß Dich der eigenmächtigen Rache der Weißen Preis geben, und dann stirbst Du keinen guten Tod. Ueberlege es Dir bis morgen,« sagte der Pflanzer, winkte Semona zu, das Ihrige bei Buardo zu versuchen, und verließ schnell das Haus.

Kaum hatte sich die Thür wieder geschlossen, als sich Semona vor ihrem Gatten niederwarf, seine Kniee umklammerte und ihn um Erbarmen für sie, um Ergebung in sein Schicksal anflehte.

»Willst Du Deine Semona allein in dieser fremden Welt, unter fremden bösen Menschen zurücklassen, willst Du Deiner Frau den Gatten nehmen – ist Dir unsre Liebe, unser Glück kein Opfer werth?«

»Es giebt kein Glück für uns in diesem Lande, wir sind mit Fluch beladen und müssen wie die Thiere leben und sterben. Besser jetzt, als später nach einem langen, elenden Leben!« rief Buardo und suchte sich aus den Armen seiner Gattin zu befreien.

»Buardo – Buardo – muß ich Dich an eine Zeit erinnern, wo ich Dir zu Liebe kein Elend, keine Beschimpfung, keine Gefahr scheute?« sagte Semona mit halblauter Stimme sich erhebend, und verbarg ihre Thränen in ihren kleinen Händen.

Wie vom Blitz getroffen, stürzte Buardo aber nun vor Semona's Füßen nieder, er schlang seine Arme zitternd um ihre Kniee und rief in höchster Zerknirschung:

»Gnade, Semona – Gnade – vergieb mir – wenn Du kannst – ich bin Deiner nicht werth – ich verdiene Deine Liebe nicht! Ja, Semona, sie mögen mich peitschen, sie mögen mich schinden, sie mögen mir ein Glied nach dem andern vom Körper reißen, Alles, Alles will ich dulden, ohne zu klagen, ja, es soll mich beglücken, kann ich Dir geliebtes Engelsweib doch dadurch einen kleinen Theil meiner unermeßlichen Schuld abtragen! Semona, theure, über Alles geliebte Semona, kannst Du mir je vergeben?«

»Mein Buardo, mein einziger, mein für die Ewigkeit geliebter Buardo, jetzt bist Du wieder mein, jetzt bist Du wieder mein lieber, mein süßer Buardo! D, Glück, wie bist Du groß – wo. soll ich Worte hernehmen, Dir zu danken, mein Alles–'mein Leben!« rief Semona, von der Macht Ihres Gefühls überwältigt und sank ihrem Gatten an die Brust.

Kaum hatten sie sich von dem Sturm des Augenblicks erholt, als Buardo sich von Semona losriß, um sofort dem Herrn Morin zu sagen, daß er bereit sei, jede Strafe ruhig über sich ergehen zu lassen, und mit Freuden nahm der alte wohlwollende Pflanzer diese Erklärung von seinem Sclaven in Empfang.

»Das ist gut von Dir, Buardo,« sagte er in seiner Freude, »es soll Dir nicht zu viel gethan werden, ich bleibe dabei. Du kannst Dich auf mich verlassen. Du bist mir jetzt in Deinem Gehorsam noch viel lieber geworden und ich werde es Dir durch die That beweisen. Nun gehe wieder in Dein Haus zu Deiner guten Semona und mache Dir keine Sorgen wegen der Strafe.«

»Die Strafe ist mir willkommen, Herr, willkommen von ganzer Seele; ich erleide sie für Semona, die ja tausendmal mehr für mich gelitten hat!« sagte Buardo mit einem glücklichen Lächeln und verließ seinen zufriedenen Herrn.

Am folgenden Morgen, gleich nach dem Frühstück, trat Morin zu Buardo in das Haus, der mit Semona im Arm bei dem Tische saß und so eben das Morgenbrod mit ihr verzehrt hatte. Beide waren aufgesprungen und empfingen ihren Herrn mit freundlichen Grüßen, als dieser sagte:

»Jetzt will ich sehen, Buardo, wie viel Du Deiner Semona und Deiner Herrschaft zu Liebe thun willst; der mir von Grund meiner Seele verhaßte Mensch, dieser Taugenichts, dieser Tuff ist da, um Dir die Strafe zu geben.«

»Mein Leben gehört Semona und Dir, Herr, willst Du darum, daß jener Bösewicht mich todtpeitsche, so werde ich ihn nicht daran verhindern und werde ohne mich zu rühren, seine Hiebe hinnehmen,« entgegnete Buardo mit ernster Bestimmtheit und Ruhe.

»Hier, Buardo, ich habe Dir einen starken Trunk mitgebracht, nimm ihn zu Dir, Du wirst im halben Rausch die Schmerzen nicht so sehr fühlen,« sagte der Pflanzer, indem er eine Flasche aus seinem Rock hervorzog und sie dem Neger hinreichte.

»Dann würde das Opfer, welches ich bringt seinen Werth verlieren, Herr, ich will mich ihm mit vollem klaren Bewußtsein unterziehen; körperlicher Schmerz macht mich nicht erbeben. Außerdem, Herr, werde ich nie im Leben wieder einen Tropfen berauschendes Getränk zu mir nehmen; im Rausch machte man mich zum Sclaven!« antwortete Buardo und wies die Flasche von sich zurück.

»Wie Du willst, Buardo,« sagte der Pflanzer freundlich, »so laß uns jetzt gehen, damit es rasch abgemacht wird.«

»Ich bin bereit, Herr,« entgegnete der Sclave und öffnete seine Arme, um die schluchzende Semona nochmals darin zu empfangen.

»Meine Semona, weine nicht, Du weißt es ja, daß der Schmerz mir Nichts anhaben kann, Du gutes, süßes, liebes Weib; der Verlust Deiner Liebe wäre das Einzige, was mich schmerzen könnte. Sei ruhig, bleibe hier, bald bin ich wieder bei Dir.«

Mit diesen Worten drückte Buardo die Geliebte nochmals an die Brust und sprang dann zum Hause hinaus, um seinem Herrn zu folgen.

Vor der Wohnung des Pflanzers stand Tuff mit den Händen in den Taschen seines Beinkleides und einer ungeheuren Peitsche unter dem Arme. Er schaute mit boshaftem, triumphirenden Ausdruck dem nahenden Neger entgegen, konnte aber den verächtlichen durchbohrenden Blick desselben nicht ertragen, als dieser ungefesselt zu ihm hintrat.

»Der Kerl hat freie Hände, wir wollen ihm dieselben binden,« sagte Tuff zu Morin, und sah verlegen auf die gewaltigen Arme des Sclaven.

»Das ist nicht nöthig, er ist mein Sclave, und bedarf keiner Fessel, um meinem Willen Folge zu leisten. Er wird die Strafe ruhig hinnehmen,« entgegnete der Pflanzer, mit Stolz auf Buardo blickend. »Folgen Sie mir gefälligst in mein Haus, Herr Tuff, damit wir die Sache ohne großes Aufsehen abmachen.«

Bei diesen Worten schritt Morin mit Buardo in die Thür voran, und Tuff folgte nach. Im Zimmer des Pflanzers angekommen, sagte dieser zu dem jungen Manne:

»Nun zeigen Sie mir erst Ihre Peitsche, wenn Sie so gut sein wollen.«

»Es ist eine Peitsche, wie andere auch,« versetzte Tuff ausweichend.

»Ich muß sie erst sehen, ehe mein Neger einen Schlag damit erhält,« sagte Morin, indem er Jenem die Peitsche aus der Hand nahm und sie dann genau betrachtete.

»Das ist keine gesetzliche Peitsche, es ist ein Kupferdraht hinein geflochten; das Gesetz sagt, sie soll nur aus einer rohen Ochsenhaut gedreht sein. Ich werde Ihnen eine solche geben, die Sie zufriedenstellen muß,« fuhr Morin fort, legte die Peitsche auf einen Stuhl und reichte Tuff dann eine andere, die er von seinem Tische nahm.

Derselbe empfing sie mit Widerwillen, doch die Sprache und die Haltung des alten Pflanzers war so bestimmt und so gebieterisch, daß er Nichts einzuwenden wagte, sondern nur das Instrument durch pfeifende Lufthiebe prüfte.

»Lege Dein Hemd ab, Buardo, halte Deine Arme über Deine Brust gekreuzt, so daß Deine Hände nicht berührt werden können und gieb dem Herrn Deinen Rücken frei,« sagte Morin in mildem ruhigen Tone zu dem Afrikaner und wandte sich dann an Tuff mit den Worten:

»Ich mache Sie dafür verantwortlich, junger Mann, daß Sie meinen Sclaven nirgendwo anders treffen, als auf den Rücken – nehmen Sie sich in acht – ich verstehe keinen Spaß.«

Dabei ergriff der Alte einen schweren Knotenstock, stellte sich, sich auf denselben stützend, einige Schritte hinter Buardo und sagte:

»Fangen Sie an, Herr Tuff.«

Dieser war augenscheinlich durch die Ruhe Morin's und das Alleinsein mit ihm innerhalb dessen Zimmers verlegen geworden, und erst der Blick Buardo's, womit ihn dieser herauszufordern schien, brachte ihn dazu, den ersten Schlag zu thun.

Buardo stand wie eine Bildsäule und zuckte nicht, nur sein Blick schoß wie ein Blitz nach seinem Peiniger. Hieb auf Hieb fiel nun auf den Rücken des Negerfürsten, während Morin die Streiche laut zählte. Buardo blieb anscheinend vollständig unempfindlich gegen die Schläge und hielt sein flammendes dunkles Auge unbeweglich auf seinen Feind gerichtet, der mit jedem Augenblick wüthender wurde und mit jedem Augenblick schwächer schlug. Schon rieselte allerdings das Blut von Buardo's Rücken, das Fleisch war hoch aufgeschwollen und die Haut barst unter der Spitze der blutigen Peitsche; der Neger aber rührte sich nicht und blickte verächtlich auf seinen ermattenden Gegner, dem der Schweiß in Strömen über das verzerrte Gesicht lief.

»Fünfzig!« rief Morin jetzt und trat mit erhobenem Stocke zwischen Buardo und den Pflanzersohn.

»Sie haben nun volle Genugthuung erhalten, Herr Tuff, und ich hoffe und erwarte, daß diese Angelegenheit vollständig abgemacht ist; einen jeden weiteren Schritt gegen meinen Sclaven würde ich als gegen mich selbst gerichtet betrachten,« fuhr der Pflanzer fort, gab dem jungen Manne dessen Peitsche gegen die seinige zurück und geleitete ihn mit einer Verbeugung nach der Thür. Kaum hatte er dieselbe hinter ihm geschlossen, so kehrte er schnell zu Buardo zurück und klopfte ihm liebevoll auf das lockige Haupt.

»Du bist ein braver Mann, Buardo, und ich danke Dir, daß Du mir gefolgt hast. Der miserable Kerl hat Dich aber doch schändlich zugerichtet. Nun wart, es soll Dir nichts schaden, sollst auch nicht viel Schmerzen mehr leiden,« sagte Morin mit inniger Theilnahme, nahm eine Flasche aus einem Schränkchen hervor, goß von deren Inhalt etwas in ein Glas, füllte dasselbe dann mit Wasser und wusch mit dieser Flüssigkeit den Rücken des Negers. Dann warf er ihm sein Gewand über, reichte ihm das Glas und trug ihm auf, recht oft damit die Wunden zu befeuchten.

Semona empfing ihren mißhandelten Gatten mit Thränen, und behandelte seine Wunden mit zitternden Händen; ihre Liebe, ihre seelenvolle Zärtlichkeit, ihre dankbare innige Hingebung aber ließ ihn alle Schmerzen vergessen, und das Gluck seiner Liebe wieder mit aller Kraft der Seele erfassen, als solle es nun für die Ewigkeit sein unantastbares Eigenthum bleiben.

Nach einer Woche hatte die sorgsame Pflege Semona's und die kräftige Gesundheit Buardo's die bedeutenden Verletzungen auf dessen Rücken geheilt, und er bat seinen Herrn, ihn wieder zur Arbeit gehen zu lassen, welches ihm dieser auch in so weit gestattete, als er ihn zur Beaufsichtigung der andern Neger mit in den Wald schickte, ihm selbst aber untersagte, schon die Axt zu gebrauchen.

Buardo folgte gehorsam dem Befehl des Pflanzers, doch schon nach wenigen Tagen bat er ihn um die Erlaubniß, wieder selbst thätig sein zu dürfen, da er sich vollständig hergestellt fühle und ihm das Nichtsthun unerträglich sei. Morin willigte mit Freuden ein und wünschte sich Glück dazu, einen solchen Neger zu besitzen, dem die Arbeit ein Bedürfniß war; denn dieses gehört zu den seltensten Ausnahmen. Buardo fühlte sich glücklich; in der anstrengenden Beschäftigung, die er sich während des Tages selbst auflegte, vergaß er, daß sein Herr ihn dazu zu zwingen das Recht hatte, und wenn er dann Abends ermüdet in das Haus zurückkehrte und Alles ihn so wöhnlich und heimisch empfing, kam es ihm nicht in den Sinn, daß nicht ein Nagel von Allem, was ihn umgab, sein Eigenthum sei. Semona's Liebe und Zärtlichkeit schien seit jener Schreckensscene wirklich noch an Wärme und Innigkeit zugenommen zu haben und die sich täglich mehrenden Beweise der Zufriedenheit und Zuneigung Seitens ihrer Herrschaft steigerte das Glück der Fremdlinge immer mehr.

Eines Morgens war Buardo auch mit einigen zwanzig Negern hinaus in den Wald gezogen, um Holz zu einer Einzäunung zu schlagen, womit ein neuangelegtes Feld umgeben werden sollte, und ging wie immer seinen Gefährten in der Arbeit mit gutem Beispiele voran. Sie befanden sich auf einer Bloße im Holz, wo die Bäume nur einzeln standen und wo der Boden frei von allem Untergebüsch war.

Buardo hatte so eben einen Baum gefällt und ging, mit der Axt auf der Schulter, über einen freien Platz, um sich weiter hin einen andern Stamm zu wählen, als plötzlich ein Reiter in voller Carriere hinter ihm hergesprengt kam und er, sich umwendend, seinen Todfeind Tuff erkannte. Buardo fuhr, von Wuth durchblitzt, herum und schwang die Axt zu seiner Vertheidigung, als Tuff sein Pferd etwas seitwärts lenkte und, nur wenige Schritte bei dem Neger vorüberjagend, eine Pistole nach ihm abfeuerte. Buardo fühlte sich getroffen, schleuderte aber die Axt sausend hinter seinem Gegner her, daß sie bei demselben vorüberfliegend weithin in dem Stamm eines Baumes stecken blieb. Kaum sah Tuff, daß Buardo sich seiner Waffe beraubt hatte, als er sein Pferd in vollem Laufe nach ihm zurücklenkte, um ihn unter dessen Hufen niederzutreten. Das Roß aber hob sich vor dem auf ein Knie gefallenen Neger und flog in hohem Sprunge über ihn hin, ohne ihn zu berühren. Tuff wandte es abermals auf Buardo zu, sah aber jetzt ein Messer in dessen Hand blitzen und jagte nun ebenso schnell, als er gekommen war, durch den Wald davon.

Jetzt erst erkannte Buardo, daß er in die Brust getroffen war, sein Hemd war mit Blut getränkt, und er fand, daß die Kugel ihm vorn eingedrungen und in der rechten Seite herausgefahren war. Er rief die Neger zu Hülfe, die sämmtlich den Hergang mitangesehen hatten und ließ sich von ihnen führen, um sich nach Hause zu begeben; bald aber ermattete er unter dem starken Blutverlust und sank zusammen.

»Tragt mich nach Hause,« sagte Buardo mit matter Stimme zu den Sclaven.

»Noch nicht, wenn Du kalt bist, dann wollen wir Dich Deinem Herrn bringen. Es wird nicht lange mit Dir dauern, Du bist gut getroffen,« entgegnete einer derselben.

»Wir haben keinen Aufpasser nöthig; jetzt werden wir Dich auf gute Manier los,« sagte ein anderer Neger.

»Du Mohrenkönig, nun ist Deine Regierung zu Ende!« rief ein Dritter, während Buardo die Sinne schwanden und er mit dem Haupte auf die Erde sank.

Die Neger standen im Kreise um ihn herum und stritten sich noch darüber, ob Buardo schon den- Geist aufgegeben habe, als Herr Morin auf seinem gewohnten Morgenritt aus der Dickung hervorkam und, die Sclaven gewahrend, die Schritte seines Pferdes beeilte, um zu sehen, was der Gegenstand ihres Versammelns sei.

Mit Schrecken und Entsetzen traf sein Blick auf den leblos daliegenden Buardo, und unter lauten Wuthausbrüchen vernahm er durch die Sclaven, auf welche Weise derselbe zu Tode gekommen sei. Unter Verwünschungen schwur er, blutige Rache an dem Mörder zu nehmen und sollte es ihm sein ganzes Vermögen kosten.

Es wurde nun schnell eine Bahre verfertigt und Buardo darauf von den Negern der Plantage zu getragen.

Morin ritt mit wuth- und schmerzerfüllter Brust neben dem Zuge her, als Buardo plötzlich die Augen aufschlug und dem Blick seines Herrn begegnete.

»Halt! – halt!« schrie dieser den Trägern zu, sprang von seinem Pferde und ergriff mit lautem »Gottlob!« die Hand des Verwundeten.

»Sei ruhig, Buardo, rede nicht, wir sind hier beim Wasser, ich will Dir nur einen nassen Umschlag auf die Wunde legen,« sagte Morin, Hoffnung schöpfend, zog sein Tuch aus der Tasche hervor, tauchte es in den Bach, neben welchem sie hielten und legte es auf Buardo's Brust. Dann befahl er einem der Neger, sein Pferd zu leiten und ging, als der Zug sich wieder in Bewegung setzte, neben der Bahre her.

Semona war nicht zu Hause, als man den Verwundeten in seine Wohnung brachte, Madame Morin aber übernahm es sogleich, denselben zu verbinden, und bei Untersuchung der Wunde fand es sich, daß die Kugel nicht in die Brust eingedrungen war, wohl aber eine Rippe zerschmettert hatte. Der Pflanzer war hocherfreut über die Verringerung der gefürchteten Gefahr und bat seine Frau, sie möge Semona von der Bleiche rufen lassen, wo dieselbe sich bei der Arbeit befand und ihr versichern, daß Buardo nur leicht verletzt sei. In fliegender Hast kam Semona bald darauf zitternd und weinend zu dem Lager des geliebten verwundeten Mannes geeilt, um selbst dessen Pflege zu übernehmen. Gegen Abend erschien auch der herbeigerufene Arzt, untersuchte die Wunde gleichfalls und erklärte sie für nicht tödtlich. Buardo war durch den Blutverlust sehr schwach geworden und litt große Schmerzen, doch seine Kräfte nahmen bald wieder zu und das Fieber, welches sich gegen Abend einstellte, war nicht sehr heftig. Am folgenden Morgen bestieg Morin sein Pferd und begab sich nach der nächsten Stadt, um dem Staatsprocurator die Klage gegen den Charles Tuff zu übergeben. Nachdem derselbe den Bericht des Pflanzers angehört hatte, fragte er denselben:

»Welche Zeugen haben Sie mir zur Begründung der Klage zu nennen?«

»Zeugen?« entgegnete Morin verlegen, »allerdings nur einige zwanzig Neger, die den ganzen Vorfall mit angesehen haben und die mir denselben berichteten.«

»Sie wissen wohl, Herr Morin, daß die Aussage eines Negers vor Gericht nicht mehr gilt, als das Bellen eines Hundes. Haben Sie sonst Nichts, was man zu einer Beweisführung verwenden könnte? Auf die Aussage der Neger kann ich die Klage nicht annehmen,« versetzte der Procurator, und Morin mußte unverrichteter Sache wieder nach Hause reiten.

Nun schrieb er an den alten Pflanzer Tuff, theilte ihm die frühern, so wie die jetzigen Gewaltthaten seines Sohnes mit und erklärte ihm, daß er denselben sofort niederschießen würde, sofern er ihm auf seinem Grund und Boden begegne. Zugleich schrieb er ihm, daß er Buardo mit einem Doppelgewehr bewaffnen werde, mit dem Befehl, den jungen Tuff über den Haufen zu schießen, sobald er dessen auf Morin's Eigenthum ansichtig würde.

Diese letzte Erklärung verursachte große Aufregung unter der weißen Bevölkerung der Umgegend, und nur der früher oftmals als muthig, ja verwegen erprobte Charakter Morin's verhinderte es, daß man ihm in sein Eigenthum rückte und ihm den Neger Buardo zum Lynchgerichte entführte.

Morin ritt jetzt nie anders als mit der Doppelflinte bewaffnet umher, besuchte seine Freunde in der Umgegend und rief deren Hülfe an, für den Fall, daß es zu Thätlichkeiten zwischen ihm und der Partei Tuffs kommen sollte.

Während dieser Zeit schritt die Heilung Buardo's rasch vorwärts, und bald war er wieder im Stande, als Aufseher mit den Sclaven an die Arbeit zu gehen. Murin hatte ihm eine große Doppelflinte gegeben, die derselbe nun auf Schritt und Tritt mit sich führte und dabei der Hoffnung lebte, daß sein Erzfeind Tuff ihm wieder in den Weg kommen möchte. Dies geschah aber nicht, und die Zeit begann bereits den Grimm zu verwischen, den die Fehde zwischen dem jungen Tuff und dem Mohrenkönig, wie man Buardo nannte, in so viele Gemüther gegossen hatte.


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