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III

Acht Tage arbeiteten die beiden vom Hellwerden bis zum Einbruch der Dunkelheit in den Flußtälern, aber nirgends fand sich auch nur eine Spur von Gold.

»Wenn wir innerhalb der nächsten drei Tage wieder umsonst scharwerken, haue ich ab!« sagte Franz nach Ablauf dieser arbeitsreichen Woche. »Es hat keinen Zweck. Der Junge hat ganz recht, hier sind schon zu viele Prospectors vorbeigegangen, und keiner hat was gefunden!«

»Sie können nicht jedes Stückchen Flußlauf umgesiebt haben!« antwortete Korbin verbissen. »Man darf die Flinte nicht zu zeitig ins Korn werfen, und der Sommer hat ja kaum erst begonnen.«

Am späten Abend – das Lagerfeuer überstrahlte längst den letzten Schein des sinkenden Tages – tauchte plötzlich Tonio aus dem Dunkel der Schlucht auf. Die beiden Goldsucher waren einmal nicht zur Arbeit ausgezogen, hatten vielmehr ihren kleinen ›Haushalt‹ ein wenig in Ordnung gebracht und am Spätnachmittag zur Belohnung ihres häuslichen Fleißes ein großes Stück Bärenfleisch gebraten. Sie mußten bei dieser Gelegenheit zu ihrer Betrübnis feststellen, daß ihnen das Salz ausgegangen war, und sie machten nun die Erfahrung, daß zartes, kurzgebratenes Bärenfleisch auch ohne Salz ganz vorzüglich schmeckt. Die Indianer tauchen das gebratene Fleisch in eine Mischung aus Honig und Bärenfett, und erfahrene Köche im Distrikt behaupten, daß eine so zubereitete Mahlzeit besser schmecke und bekömmlicher sei als gesalzenes Fleisch. Korbin war geneigt, dieser Meinung beizutreten, obwohl er statt des Honigs nur eine Prise Zucker in die Pfanne gestreut hatte. Franz Henne zog ein schiefes Gesicht, aß aber trotzdem die doppelte Portion. So ein Tag ohne eigentliche Arbeit macht hungriger als das Herumwühlen im Sande des Cooper-Rivers.

»'n Abend, Gentlemen«, sagte Tonio freundlich und stellte seine Büchse neben die Werkzeugkiste. »Nun, wie ist das Geschäft gewesen? Haben Sie Gold gefunden?«

Zwei betrübte Gesichter starrten ins Feuer.

»Nichts, Tonio«, antwortete Korbin. »Wir werden doch wohl in einigen Tagen heimkehren; es scheint ganz aussichtslos zu sein.«

Tonio neigte zweifelnd den Kopf zur Seite, der noch durch das schmutzige Pflaster entstellt war.

»Machen Sie, was Sie wollen. Von Gold verstehe ich nichts. Habe noch nie prospected.«

»Was haben Sie eigentlich in dieser Einöde zu suchen?« fragte Korbin neugierig.

»Meine Sache, Mr. Holzer, meine ganz eigene Sache«, antwortete er. »Kann da leider keine Frage gestatten. Frage Sie doch auch nicht, wo Sie Ihr Latein gelernt haben!«

Korbin blickte überrascht auf.

»Woher wollen Sie wissen, daß ich Latein gelernt habe?«

»Sie sprechen Englisch wie einer, der eine gute grammatische Schule genossen hat, so, wie man sie etwa auf einem humanistischen Gymnasium in Deutschland erhält.«

»Aber auf deutschen humanistischen Gymnasien lernt man nur wenig Englisch.«

»Weiß ich selber. Aber die grammatische Schulung hängt Ihrer Sprache an. Habe auch Latein gelernt. Nicht so gut und gründlich wie Sie, Mr. Holzer, aber immerhin, für den Hausgebrauch langt's.«

»Sie sprechen Deutsch?«

»Wie Englisch.«

»Aber das ist ja großartig!« rief Franz erfreut aus, der sich nur mühsam in der englischen Sprache verständigen konnte; und ins Deutsche fallend: »Endlich kann man miteinander ein vernünftiges Wort reden. Nun erzähl mal, Kleiner, wo kommst du eigentlich her?«

Dieses Ins-Du-Fallen, das für Franz eine Selbstverständlichkeit zu sein schien und das der Junge anscheinend ebenso als selbstverständlich hinnahm, wälzte einen merkwürdigen Druck von Korbin Holzers junger Seele. Er hätte nie gewagt, diesem jungen Menschen gegenüber das Du anzuwenden, ohne es ihm vorher in aller Form angeboten zu haben. Die gesellschaftlichen Formen der Heimat, sie mögen gut oder weniger gut sein, lassen den wohlerzogenen Deutschen eben auch in der fernsten Wildnis nicht los. Tonio sprach übrigens ein vollendetes, völlig mundartfreies Deutsch, und es wäre schwer gewesen zu erraten, aus welcher Gegend er stammte. Er löste selbst alle Zweifel:

»Ich war nie in Deutschland, aber meine Eltern stammen beide aus Zürich. Sie sind schon viele Jahre tot. Jetzt wohne ich drüben bei meinem Onkel Mac'Phenor – das heißt, er ist natürlich nicht mein Onkel, sondern mein Patenonkel – nicht weit von der Stelle, an der im Dezember die Familie Valler ermordet wurde. Zwei Prospectors sollen es gewesen sein, ein Norweger und ein Schweizer. Sie steckten nach der Tat das Haus in Brand; haben wohl Gold vermutet bei Mr. Valler. Man sagt so.«

Korbin entsann sich dieser Tat sofort. Der ganze Distrikt hatte wochenlang kein anderes Gesprächsthema gekannt als diesen grausigen Mord. Es war nichts Seltenes, daß hier oben einmal einer über den Haufen geschossen wurde. Aber dieser wohlüberlegte Mord an einer ganzen Familie war denn doch etwas so Außerordentliches, daß er alle Gemüter in die höchste Aufregung versetzt hatte. Mr. Valler, seine Frau und drei unmündige Kinder waren auf eine grauenhafte Weise ums Leben gekommen, und die Regierungspolizei fahndete noch immer erfolglos nach den Tätern.

Franz Henne blickte schweigend ins Feuer. Dann sagte er:

»Ein Norweger und ein Schweizer, sagst du? Woher will man das wissen?«

»Kann's nicht sagen«, antwortete Tonio in gleichgültigstem Tone. »Vielleicht ist es auch nur Gerücht. Die Leute reden ja so viel.«

»Und die Polizei? Was hat sie unternommen?«

»Ach – die Distriktspolizei in Cerdova«, sagte der Junge, und es klang beinahe verächtlich, »ehe die einen vor die Geschworenen stellt, muß er schon gestehen. Wie soll man Mörder zum Geständnis bringen? Solche Sachen müssen in diesem Lande ohne die Mitwirkung der Polizei erledigt werden.«

»Aber es ist niemand von der Familie mit dem Leben davongekommen«, beharrte Franz Henne merkwürdig eigensinnig. »Alle wurden ausgelöscht. Wer soll sich der Sache denn annehmen?«

»Weiß ich wirklich nicht. Vielleicht Gott selber? Sicherlich wird er den Mörder strafen. Ich mache mir jedenfalls keine Gedanken darüber.«

Der Junge erhob sich, nahm seine Büchse in die Hand und tat ein paar Schritte in Richtung der Klippen. Dann blieb er stehen und blickte ins Tal. Ein klarer Sternhimmel wölbte sich über dem schwachen Lichtschein, der von der überhängenden Wand zu ihm herüberleuchtete.

Franz Henne blieb stumm am Feuer sitzen. Korbin hatte plötzlich das Gefühl, als sei die Gleichgültigkeit des Jungen gespielt. Hing er doch irgendwie mit den Vallers zusammen? – Er stand auf und trat neben Tonio.

»Hast du's etwa miterlebt – – ich meine diese grausige Geschichte mit den Valiers?« fragte er leise und legte seinen Arm um den Nacken des Jungen.

Tonio entzog sich dieser ungewollten, beinahe zufälligen Vertraulichkeit scheu und hastig. Aber er lachte dazu – ein sonderbares Lachen, das Korbin im Innersten aufrührte. Ohne auf die Frage einzugehen, sagte er:

»Ihr wollt also wieder nach Cerdova zurückgehen?«

»Franz Henne ist jedenfalls fest dazu entschlossen. Er will nicht weiter suchen, wenn wir in den nächsten Tagen wieder erfolglos sind.«

Korbin war sichtlich verletzt durch die Art des Jungen, seine Teilnahme zurückzuweisen. Forschend blickte er ihn von der Seite an.

»Willst du, daß ich hierbleibe?«

Korbin versuchte, Tonios Hand zu fassen, aber der entzog sie ihm mit einer raschen Wendung.

»Mach, was du willst. Aber denke an das, was ich dir gesagt habe: Es gibt Gold in diesen Bergen! Heute ist Sonntag. Am Donnerstag komme ich wieder und sehe nach, ob das Lager abgebrochen ist.« – Mit diesen Worten sprang er in großen Sätzen dem Flusse zu und verschwand in der Dunkelheit.


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