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Nachdem der Kommissionsreferent v. Bodelschwingh-Hagen den Wortlaut einer Adresse an den König befürwortete, die ihn der Unterstützung seines Volkes bei Vertretung der äußeren Würde Preußens versicherte und gegen jede Neubelebung des selig entschlafenen Bundestags protestierte, suchte Manteuffel lahm und ungeschickt die Unterwerfung Preußens zu verhüllen. Sofort sprang Vincke-Aachen auf und verlangte einen Zusatz zur Adresse, das Land sei empört über ein System, das zu solcher Erniedrigung führe. Es machte Aufsehen, als der geheime Archivrat Riedel diesen Antrag nicht nur unterstützte, sondern sofortige Entlassung Manteuffels forderte, der Preußens Ehre beschimpft habe. Da sprang der Abgeordnete v. Bismarck für seinen bedrohten Gönner ein. Es sei leicht, mit populärem Winde in die Kriegstrompete zu stoßen. Er schilderte die Schrecken des Krieges, und für was? Für die schönen Augen der Hessen? Für die Ehre? Davon redeten heut so laut gerade die Feinde der Armee. Er erinnerte daran, daß das siegreiche Österreich vor den Toren von Turin haltmachte auf französische Drohung hin, daß Rußland auf Auslieferung ungarischer und polnischer Flüchtlinge verzichtete, weil England und Frankreich mit Krieg drohten. Niemand habe darin eine Ehrverletzung gesehen. Preußens Ehre bestehe nicht darin, überall in Deutschland den Don Quixote zu spielen. Die Erfurter Union nenne man sonst überall nur noch mit stiller Heiterkeit. Sie sei nicht lebensfähige Jugendphantasie, und zwar, wie er sich geistvoll ausdrückte, »ein Produkt furchtsamer Herrschaft und zahmer Revolution«. Sie schließe die Süddeutschen aus, könne also nicht deutsche Einheit bedeuten, die freilich auch nicht in dem Recht bestehe, auf einer Tribüne parlamentarische Reden zu halten. In einem Krieg für das Unionsprinzip würde der Mantel des Liberalismus bald in Fetzen gehen und das rote Unterfutter zum Vorschein kommen. Man rufe zu einem Prinzipienkrieg auf im Namen Robert Blums, vor dessen Büste man allen Monarchen Rache schwöre, gegen den Erben einer langen Reihe deutscher Kaiser, und man schließe Österreich mit unbegreiflicher Bescheidenheit aus Deutschland aus, obschon dort das Deutschtum regiere und die anderen Völkerschaften nur dem deutschen Schwerte unterworfen seien. Die Kölnische Zeitung fordere die Deutschen auf, der italienischen Independenta Garibaldis zu Hilfe zu ziehen. Das enthülle so recht die Orgien der Demokratie, die sich als Patriotismus vermummen. Er sehe keinen Grund zum Krieg mit Österreich, wohl aber zum Krieg gegen eine solche Partei. Eine Kammer sei leichter zu mobilisieren als eine Armee – durch Auflösung und Wiederwahl.

Die durch häufigen Lärm unterbrochene Rede entfesselte eine zum Teil ehrliche, zum Teil theatralische Entrüstung, machte aber auf alle Gemäßigten ersichtlichen Eindruck und rettete das Ministerium. Natürlich brandmarkte die Linke den verteufelten Erzjunker und Streber, daß er die Schmach von Olmütz verteidigt habe, und Otto blieb sich bewußt, daß dieser Vorwurf in allen nationalgesinnten Kreisen außerhalb der Rechten an ihm haften werde als lebenslängliches Odium. Es war aber ganz unbegründet. Er ging mit keinem Wort auf die Olmützer Abmachung ein, und völlig unbeachtet blieb der bedeutsame Hinweis, daß die soeben stipulierten »freien Konferenzen« in Dresden das Verhältnis von Österreich und Preußen erst klarlegen würden. »Wer den Krieg durchaus will, vertröste sich darauf, daß er in den freien Konferenzen jederzeit zu finden ist. Man dürfe daher nicht eher entwaffnen, als bis nicht dort ein positives Resultat erzielt sei. Dann bleibt es noch immer Zeit, Krieg zu führen, wenn wir ihn mit Ehren nicht vermeiden können oder nicht vermeiden wollen.« Er ging also bis an die äußerste Grenze der Möglichkeit, den wahren Grund seines Handelns zu erklären. Klar durfte er nicht vor dem Lande und dem österreichischen Gesandten, der verständnisvoll in seiner Loge zuhörte, den mangelhaften Zustand der preußischen Rüstung offenbaren. Er hoffte immer noch mit naiven Vertrauen des Nichtfachmanns auf zünftige Autoritäten, daß jede Diplomatie in der Lage sei, einen Krieg je nach Bedarf zu verschieben oder für dessen Austragung einen Vorwand zu finden. Aber er rechnete nicht mit der Duckmäuserei des armen Manteuffel, eines gewöhnlichen Bureaukraten, der als kleiner Landrat anfing und der sich in Dresden mit einigen Kanzleidienern dem pomphaften millionenreichen böhmischen Magnaten mit Livreebedienten, Silbergeschirren und Champagnerkübeln gegenübersah. Die Gesandten der deutschen Kleinstaaten verglichen beide Staaten in ihren Vertretern, und da zog Preußen kläglich den kürzeren. Auf diesem neuen Regensburger Reichstag schwebte wie in der guten alten Zeit wieder Habsburgs Doppeladler in vollem Glanze.

... Weihnachten in Reinfeld feiernd, verbrachte er nachher in Berlin seine Zeit mit lauter Familiensorgen, Kinderkrankheiten, deren Gefährlichkeit er als zärtlicher Vater übertrieb, Gehirnerweichung des Vetters Albert Below und ähnlichen erbaulichen Dingen. In Reinfeld hatte die Kusine Melissa v. Behr, ihm schon früher mit hysterischer Muckerei lästig fallend, die Bethanien-Stiftung mit schmachtenden Blicken verfolgt und sich nach Berlin begeben, um Diakonissin zu werden. Taktvoll schrieb er an Johanne: »Von Melissa werde ich nicht reden.« Als parlamentarischer Revisor der Seehandlung hatte er sehr langweilige Aktengeschäfte, Abhetzung mit Einladungen. Flügeladjutant v. Goltz gab ihm ein Rendezvous, um mit ihm im Auftrag des Prinzen von Preußen einiges zu beraten, wie sich denn Rußland zu den Dresdener Verhandlungen stelle.

»Sehr ruhig. Ich dinierte neulich bei Budberg. Dieser junge Diplomat wird mit seiner arroganten Verachtung alles Deutschen sicher beim Zaren Karriere machen, er ist schon so gut wie Gesandter. Der Militärattache Graf Benkendorff tröstete mich freundlich, Rußland fasse die deutsche und polnische Frage nicht mehr militärisch, d. h. gefährlich auf. Ein Generaladjutant Grünewald war auch da, der irgendwie meine pommersche Familie kennt. Er sprach Baltisch-Deutsch mit Moskowiter Akzent, sagte: ›Der Kai-isr wird mir dankbar sie-in, wenn ich ihm werrd erzählen von Ihnen.‹ Man hält mich offenbar als Verfechter von Thron und Altar für einen besonderen Russophilen. Auch bei Herrn v. Prokesch steh' ich in Gunst, er grüßt immer so freundlich, berichtet wohl nach Wien, daß ich ein besonderer Freund Österreichs sei.« Er lachte leise. »Herz, was verlangst du noch mehr! Vor dieser Fülle der Gesichter wird mir noch bange.«

»Ich hörte so ähnliches vom Grafen Stolberg und vom Präsidenten Senft v. Pilsach, mit denen Sie ja näher verkehren. Ich darf also dem Prinzen berichten, daß eine versöhnliche Meinung herrscht?«

»Jadoch, ja!« versehe er ungeduldig. »Doch was weiß ich, was in Dresden ausgeheckt wird. Ich bin an Manteuffel etwas irre geworden.«

»Das wird Seine Königliche Hoheit freuen. Höchstderselbe möchte auch wissen, wie es mit Ihrem Ministerposten in Bernburg steht, den Asseburg Ihnen anbot. Der Herzog ist blödsinnig. Sie wären der Regent des Ländchens. Ballenstädt liegt nahe am Selketal im Harz, den Sie so lieben.«

»Ich gehe nur, wenn der König befiehlt. Unser Ministerium widerrät, weil sie mich in der Kammer als Champion haben wollen. Sehr schmeichelhaft! Nach meinem trägen Geschmack wäre solch kleiner Ruheposten auf meine alten Tage!«

»Mein Gott, Sie werden ja erst 36.«

»Aber schon so verbraucht! Sie haben keine Ahnung, wie meine Nerven gelitten haben. Ich zöge gern dorthin wegen der guten Luft für Frau und Kinder, doch wie Gott will. Die Preußenpflicht geht vor.«

»Das wird den Prinzen erst recht erfreuen. Wissen Sie, daß Ihr Freund Kleist-Retzow vielleicht Präsident in Köslin wird?«

»Das ist ihm zu wünschen.« Wie sagt doch der Berliner? Mit Geduld und Spucke fängt man manche Mucke. Hänschen wird von hoher Beamtenleiter noch mitleidig auf mich stellenlosen armen Schlucker herabschauen. Als er in kirchenpatronatlicher Treue einen Sohn des Pastor Sauer von Koglizow in die Oper mitnahm, wunderte sich dieser über respektvolle Grüße, die sein kirchenfrommer Patron von sehr demokratisch aussehenden Herren empfing. Tatsächlich fügte es sich so, daß die Roten und Republikaner, Klasse Robert Prutz, ihm geradezu schmeichelten, um ihren gemeinsamen Haß gegen die »Gothaer«, die Halben und Lauen, zu betonen. Otto nahm die Dinge fast gemächlich. Masern und Scharlach seiner Kleinen bekümmerten ihn viel mehr als politische Kinderkrankheiten. Er verfiel in jenen Musikrausch, der bei bedeutenden Gehirnen immer eine Abstumpfung und Ruhepause bedeutet. Sein alter Bekannter v. Keudell in Pommern hatte ihn stets durch Meisterschaft im Klavierspiel angezogen. Jetzt tat es ihm eine Gräfin Görz an, geborene Fürstin Wittgenstein, die immer nur für Beethoven in die Tasten griff. Sogar ein Kosakenhetman, den er bei Baron Budberg traf und der wie Puschkin und Lermontoff vom Kaukasus zu berichten wußte, alles blasiert verachtend außer dem großen Zaren Nikolai, gewann ihn durch Klaviervirtuosität, wobei sein Mongolengesicht sich verklärte.

Er sehnte sich nach tiefer Einsamkeit im sommerlichen Bergtal, den Kopf in Hannas Schoß gelegt, dem Bachgemurmel lauschend, durch Zigarrendampf und grüne Wipfel den Himmel anblickend, von der Liebsten angeblickt. Statt dessen wurde er Tag für Tag wie ein Kreisel herumgejagt, so daß er erst nachts in der Kneipe verpustete und bis 3 Uhr früh beim Biere saß. Kam er nach Hause, Jägerstraße 8, so genoß er das hübsche Bild, wie der graue Hans, im grauen Schafspelz auf dem Sofa angewachsen, feierlich bei flackernder Kerze irgendein Promemoria schrieb. Der kleine Mann nahm es wirklich ernst mit seiner Staatsmannschaft! Indessen waren seine geräucherten Moränen sehr ernst zu nehmen, auch die Spickgänse von zu Hause, der einzige Lichtblick in diesem Jammertal Berlin. »Wir sind Ihnen bitterböse«, begrüßten ihn Schloßhauptmann Sigismund Arnim und zwei Herren v. Massow und Kanitz, die ihn in der verlängerten Dorotheen-Armkleinjüngchenstraße stehen sahen. »Man sieht Sie ja nirgends.« – »Weil man mich zu viel anderswo sieht, in öden Kammerkommissionen.« – »Was betrachten Sie denn so das Haus da?« – »Dort ist arm klein Jüngchen geboren,« lachte er humoristisch. »Neulich besah ich mir auch Wilhelmstraße 139, da war früher Plamann, wo arm klein Jüngchen zur Schule ging. Ach, wie ist das Leben doch nur ein flüchtiger Traum! Der kleine Garten dort war einst meine Welt. Stundenlang hätt' ich dort sitzen und an die Kindheit denken mögen! Die Bäume, diese alten Bekannten, und der Bretterzaun waren Geburtsstätten von Luftschlössern, die lange zerfallen sind. Und jetzt, wo ich hätte weinen können, rief mich mein Hans Kleist-Retzow, die verkörperte Prosa, und jetzt weiß ich ja, was für ein kleiner Fleck der Garten ist, und daß mich Geschäfte zu General Gerlach riefen. O weh, die Jugend, die Kindheit, die Romantik, die Poesie! Alles futsch!« Die drei Herren sahen ihn dumm an, und als er ging, räusperten sie sich und einer sagte bedächtig: »Merkwürdig, wie die klügsten Leute manchmal so verschroben sind!«

Er hatte mit David Hansemann zu verhandeln und fuhr mit ihm, der ihm ein besonderer Greuel war, in einer Droschke, und der rheinische Bankier sagte nachher: »Ein ganz liebenswürdiger Mensch, der böse Bismarck. Das hätt' ich nie geglaubt. Aber doch ein irrender Ritter, und von Geschäften versteht er nichts. Das heißt – die Geschäfte sieht er ganz klar, bemerkenswert klar, aber man fühlt eben, daß er an feudalen Skrupeln leidet und der liberalen Großzügigkeit entbehrt.« Indessen ging Otto zum Abendmahl, was er den Tisch des Herrn nannte, und betete inbrünstig vor Pastor Knack.

Ein Liberaler, der davon hörte, urteilte mit beneidenswerter Sicherheit: »Wußt' ich ja. Entweder total borniert oder ein kompletter Heuchler. Wahrscheinlich das letztere. Diesen Junkern ist nie zu trauen. Er weiß gewiß, daß die Pfaffen ihm eine gute Note geben und der Wind bei Hofe für solche Torheiten günstig ist.«

Auf einer Soiree bei Fürst Radziwill traf er den König, der ihm die Hand drückte und ihn persönlich zu einem Hoffest einlud ... Der hellerleuchtete Weiße Saal mit seinen Säulen und Treppen bezauberte ihn, man hatte Springbrunnen, exotische Blumen und Bäume hineingesetzt, und zum Plätschern der Wasser und zum Säuseln der Palmen stimmte seine Seele in musikalischen Akkorden. Er sah behaglich auf weichem Diwan der Galerie und überschaute das farbige Gewühl da unten, bunte Damentoiletten und Uniformen, eine wogende See von schimmernder Eitelkeit. »Eitelkeitsmarkt«, kam ihm der Titel von Thackerays Roman zu Sinn, und er versank in tiefes Nachdenken. Diese tausend Personen da unten nennen sich die große oder die schöne Welt, und doch sind sie gar nichts als ein beliebiger Ausschnitt der Welt. Die Dirnen und Zuhälter in einem öffentlichen Tanzlokal halten sich auch für eine besondere Welt, und wenn man Halbwelt sagt, so heißt das nichts, denn eine ganze Welt findet man nirgends.

Als er in den Saal herunterging, engagierte ihn erst die Stolberg zu einem Kontertanz, weil ihr Tänzer sie sitzen ließ. Da konnte er nicht mehr los, eine hohe Dame befahl ihn zum Lancier: die Herzogin Agnes von Dessau. Als er eben absetzte, stand der König vor ihm und sagte gnädig: »Sie Schlimmer! Seit einer halben Stunde liebäugelt die Königin mit Ihnen, und Sie merken es gar nicht.«

Verdutzt beeilte sich Otto, der hohen Landesmutter seine Honneurs zu machen, die von Huld strahlte. »Sie wissen, daß ich Sie als meinen Ritter betrachte. Mein Gemahl braucht solche tapferen Vasallen, die fest zum Throne stehen. Was macht Ihre Frau? Sie tanzen, wie ich sehe? Doch Sie sagten schon früher: nur aus Gesundheitsrücksichten.« Sie drohte schelmisch mit dem Fächer.

»Das ist die volle Wahrheit, Majestät. Ich muß den ganzen Tag am Schreibtisch sitzen oder in Kammersesseln und komme nicht dazu, mir sonst Bewegung zu machen. Am Tanzen selber liegt mir nichts, ein alter Ehekrüppel wie ich ist über dies Vergnügen hinaus.«

»Mit dem Krüppel wird es wohl nicht so weit her sein«, berichtigte die Königin, indem ihr Blick anerkennend seine hohe Gestalt streifte. »Doch begreife ich, was Sie meinen.« Für die Herzogin, die daneben stand und sich etwas verlegen fächerte, enthielt freilich seine Erklärung nicht viel Höflichkeit. Beim Souper traf er einen Bekannten, jenen Verehrer seiner Frau, den jüngeren Savigny, der sich auf seine französische Abkunft etwas zugute tat und sich Charles nannte. Dafür erhielt er von Otto den Spitznamen »Don Carlos« infolge seiner steifen Grandezza. »Meinen gehorsamsten Handkuß der verehrten Frau Gemahlin!« Er erkundigte sich angelegentlich und mit wirklicher Wärme, und eine Tischnachbarin Ottos, Gattin des Diplomaten v. Usedom, eine ziemlich auffallende, englische Dame, versicherte ihm, Savigny spreche auch hinter dem Rücken begeistert von Johanna als »a very clever and sensible woman«. »Sind Sie nicht eifersüchtig?« Er lachte herzlich. Ihn freute es sehr, daß Hanna vielen Leuten gefiel, obschon sie so gar nichts äußerlich Bestechendes an sich hatte. »Very clever?« sann er darüber, doch wohl nicht im üblichen Sinne, aber die Erbweisheit des weiblichen Geschlechts, den sechsten Sinn der Frau hat sie, und das bezaubert jeden Mann. Er fuhr mit Schwester Malwine nach Haus, die er ein wenig auszankte, weil sie zu viel Bälle mitmache und mit zu viel Passion tanze. »Nachher wirst du daniederliegen, körperlich abgespannt und seelisch angegriffen.« »Ach Gott, mit Fastnacht ist ja jetzt die Saison geschlossen. Und zu Hause langweile ich mich so. Wenn ich dich nicht hätte!« Er seufzte. Wie selten ist doch eine harmonische Ehe, und wie ungleich sind Geschwister! Bernhard war ein braver Philister, Malle zwar klug und leidlich gebildet, aber voll Vergnügungssucht und öder Weltlichkeit.

Zu Hause erwartete ihn der graue Hans mit dem 118. Psalm, was er nach so viel kaltem Champagner als Herzstärkung zu sich nahm. Doch konnte er nicht umhin, beim Einschlafen zu erwägen: Ob wohl der liebe Gott es für reglementmäßig hält, tagsüber zu schuften, abends zu tanzen und zu schmausen und dann als Sündenablaß einen Psalm zu lesen? Wir sind doch alle ziemlich naiv mit unserer doppelten Buchführung.

Der alte Lord Westmoreland, der für alles Berlinische schwärmte, versicherte ihn einmal über das andere, er sei ein fideles Haus, und Olympia Usedom, die ewig taktlose, klopfte ihm mit dem Fächer auf die Schulter, als Strohwitwer sei er am nettesten. Doch er war sich bewußt, daß er weder fidel noch nett, sondern innerlich des ganzen Treibens müde sei.

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