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Fünfte Reihe.

Dreizehnte Ordnung.
Die Robben oder Flossenfüßler ( Pinnipedia).


[Allgemeines]

In der ersten Ordnung der Seethiere sehen wir Wesen vor uns, welche auch dem Laien als Säugethiere erscheinen. Noch sind vier Beine vorhanden, schleppende zwar, aber doch deutlich von dem Leibe abgesetzte, deren Füße ziemlich klar die Gliederung in Finger und Zehen erkennen lassen. Bei den meisten sind letztere vollkommen beweglich und nur durch Schwimmhäute mit einander verbunden, bei wenigen dagegen ganz von der Körperhaut umhüllt und unbeweglich, dann aber immer noch durch die außen angehefteten kleinen Nägel erkenntlich. Eigentlich fremd erscheinen uns nur die Füße. Ihr Zehenbau ist ein anderer, als wir bisher beobachteten: die Mittelzehe ist nicht mehr die längste und stärkste, sondern alle Zehen liegen in einer gleichen Ebene. Im übrigen unterscheidet sich der Leibesbau der Robben zwar merklich von dem aller uns bisher bekannt gewordenen Säugethiere, läßt sich jedoch recht wohl mit dem einzelner Arten, namentlich der Fischottern, vergleichen, und demgemäß erscheint es erklärlich, daß einzelne Forscher die Flossenfüßler, wenn auch nicht mit den Raubthieren vereinigen, so doch unmittelbar auf sie folgen lassen. Der verhältnismäßig kleine Kopf ist ziemlich deutlich vom Halse abgesetzt, erinnert jedoch weniger an den eines Hundes als vielmehr an den des Fischotters, obwohl bei genauerer Vergleichung beider seine Eigenthümlichkeiten sofort hervortreten. Der Hirntheil ist breit und flach, der Schnauzentheil kurz und vorn breit gerundet, das Maul tief gespalten, die Oberlippe mit starken, federnden Borsten besetzt, welche von den Schnurrhaaren der Raubthiere sich sehr unterscheiden; die Nase zeichnet sich durch ihre schief gestellten, schlitzförmigen und verschließbaren Löcher aus; das Auge ist groß, ziemlich flach und mit einer Nickhaut versehen, der Stern groß, das ebenfalls verschließbare Ohr endlich bei nur einer Familie einigermaßen entwickelt, indem bei den meisten Robben die äußere Ohrmuschel gänzlich fehlt. Der kurze und dicke Hals geht unmittelbar in den mehr oder weniger walzigen, nach hinten allmählich sich verjüngenden Leib über; der Schwanz ist zu einem mittellangen Stummel herabgesunken. Die Geschlechtstheile liegen mit der Afteröffnung in einer schlitzförmigen Grube. Die dicke und feste Haut wird meist nur mit einfachen, borstenartigen, gleichmäßig langen Grannen bekleidet, obwohl auch das entgegengesetzte stattfinden, das Grannenhaar mähnenartig sich verlängern oder unter ihm ein mehr oder minder dichtes Wollhaar sich einschieben kann. Vorherrschende Färbung des Felles ist ein mehr oder weniger in das Gilbliche oder Röthliche spielendes Grüngrau, welches durch gruppenweise zusammenstehende, dunkelspitzige Haare eine gemarmelte Zeichnung erhält; doch gibt es auch einfarbige und ebenso gescheckte Robben. Gebiß und innerer Leibesbau zeigen, trotz vielfacher Aehnlichkeit mit den betreffenden Theilen der Raubthiere, ein sehr bestimmtes Gepräge. Während, wie Carus klar und bündig hervorhebt, bei den Raubthieren, infolge der Bildung der Gliedmaßen zu Bewegungs- und gleichzeitig zu Greif- und Fangwerkzeugen, das Gebiß ausschließlich zur Zermalmung und Zerkleinerung der von den Vorderbeinen festgehaltenen Nahrung dienen soll, ist bei den Robben durch die flossenförmige, für andere als Bewegungsleistungen untaugliche Bildung der Glieder die Verrichtung des Ergreifens und Festhaltens der Nahrung vorzüglich den Zähnen übergeben. Die Schneidezähne sind meist klein, die oberen zahlreicher als die unteren, die äußeren oben oft eckzahnartig verlängert, die Eckzähne ragen, mit einer einzigen Ausnahme, verhältnismäßig weniger als bei den Raubthieren vor, eine Unterscheidung der Backenzähne in Lück-, Fleisch-, Höcker- oder Mahlzähne fällt weg, weil sie sämmtlich entweder einfach spitzkegelig oder platt, oder seitlich zusammengedrückt, gelappt, mit mehreren kleinen oder einem größeren Haupt- und vorderen und hinteren kleinen Nebenzacken versehen, sowie entweder ein- oder zweiwurzelig sind. Der Zahnwechsel findet häufig schon während der Keimlingszeit statt, wie die Jungen überhaupt sehr entwickelt geboren werden. Nach den Angaben des letztgenannten Forschers zeichnet sich der Schädel durch die sehr starke Einschnürung im Stirntheile aus, wodurch der mehr oder weniger gewölbte Hirntheil scharf vom fast ebenso großen Gesichtstheile abgesetzt wird. Die kleinen Flügel des Keilbeins sind zuweilen so nahe aneinander gerückt, daß die Sehlöcher fast zusammenfallen; die Augenhöhlen sehr groß, die Jochbogen weit abstehend und aufwärts gerichtet. Ein hinterer Augenhöhlenfortsatz des Stirnbeines findet sich nur bei einer Familie, wie sich ebenso einzig und allein hier der Zitzenfortsatz deutlich erkennen läßt. Die Wirbelsäule erinnert an die der Raubthiere; die Halswirbel sind deutlich geschieden und mit sehr entwickelten Fortsätzen versehen. Vierzehn bis fünfzehn Wirbel bilden den Brusttheil, fünf bis sechs den Lendentheil, zwei bis sieben, und zwar verwachsene, das Kreuzbein, neun bis fünfzehn endlich den Schwanztheil. Schlüsselbeine fehlen. Die Knochen der Glieder zeichnen sich durch große Kürze aus; Vorderarm- und Unterschenkelknochen bleiben stets getrennt, Hand- und Fußwurzeln sind regelmäßig gebildet, die Vorder- und Hinterzehen bei den einzelnen Sippen verschieden lang. Das verhältnismäßig entwickelte Gehirn hat zahlreiche, ähnlich wie bei den Raubthieren angeordnete Windungen. Der Magen ist einfach, fast darmartig, der Blinddarm sehr kurz. Die Gefäße endlich zeigen in den wundernetzartigen Adergeflechten der Glieder sowie an der unteren Fläche der Wirbelsäule besondere Eigenthümlichkeiten; auch macht sich, wie bei anderen tauchenden Thieren, eine Erweiterung der unteren Hohlader bemerklich. Die Gebärmutter ist zweihörnig. Die Anzahl der Zitzen beträgt zwei oder vier.

Die Robben verbreiten sich über alle Meere der Erde, haben ebensowohl im höheren Süden wie im Norden ihre Vertreter und finden sich sogar in den großen Binnenseen Asiens, in welche sie theils in den von diesen ausgehenden Flüssen gekommen sind, theils aber zurückgeblieben zu sein scheinen, als die Wasserverbindung unterbrochen wurde. Im Norden leben die zahlreichsten, im Süden die auffallendsten Arten. Die meisten lieben die Nähe der Küsten, und viele unternehmen zeitweilig Wanderungen von einem Theile derselben zum anderen, wie sie auch oft in den Flüssen emporsteigen. Auf dem Lande halten sie sich nur bei besonderen Gelegenheiten, namentlich während der Fortpflanzungszeit und als kleine Junge auf; denn ihre eigentliche Wohnstätte ist und bleibt das Wasser. Dort erscheinen sie als sehr unbehülfliche Thiere, hier bewegen sie sich mit der größten Leichtigkeit. Mühsam klimmen sie vom Strande aus an den Klippen oder an den schwimmenden Eisbergen empor und strecken sich dort behaglich auf den festen Boden, um sich zu sonnen; bei Gefahr flüchten sie so rasch als möglich wieder in die ihnen so freundliche Tiefe des Meeres. Sie schwimmen und tauchen mit größter Meisterschaft. Es gilt ihnen gleich, ob ihr Leib mit der Oberseite nach oben oder nach unten liegt; sie bewegen sich sogar, wie ich nach eigenen Beobachtungen verbürgen kann, rückwärts. Jede Wendung und Drehung, jede Ortsveränderung überhaupt führen sie im Wasser mit größter Schnelligkeit und Sicherheit aus; auf dem Lande dagegen humpeln auch diejenigen Arten, welche wirklich noch gehen, mühselig dahin, während alle übrigen in höchst eigenthümlicher, nur ihnen zukommender Weise sich forthelfen. Es geschieht dies fast ebenso, wie manche Raupenarten sich bewegen. Der Seehund, welcher sich auf dem Lande von einer Stelle zur anderen begeben will, wirft sich auf die Brust, krümmt den Leib in einem Katzenbuckel nach oben, stemmt sich dann auf den Hintertheil, also etwa auf die Weichen, und streckt hierauf rasch den Leib, wodurch er den Vordertheil desselben wieder vorwärts wirft. So kommt er durch wechselseitiges Aufstemmen des Vorder- und Hinterleibes, durch Krümmen und Strecken des ganzen Körpers verhältnismäßig noch immer rasch von der Stelle. Die Beine leisten dabei eigentlich gar keine Dienste: sie werden nur in Anspruch genommen, wenn das Thier bergauf klimmt. Auf ebenem Boden stemmt es sie zwar manchmal auf, immer aber so leicht, daß die Hülfe, welche sie leisten, eigentlich mehr eine scheinbare als wirkliche ist. Ich habe die Spuren der Seehunde sehr genau untersucht und gefunden, daß man auf große Strecken hin in dem reinen und weichen Sande keine Eindrücke der Vorderfüße findet, was doch der Fall sein müßte, wenn das Thier wirklich auf seinen Flossen ginge. Manchmal legt der Seehund beide Ruder an den Leib und humpelt ebenso rasch vorwärts, als wenn er sie gebrauchen wollte: kurz, zum Gehen sind seine Flossenbeine nicht eingerichtet. Dagegen benutzt er sie, und zwar in sehr geschickter Weise, nach Art der Affen oder Katzen, um sich zu putzen, zu kratzen, zu glätten, auch wohl, um etwas mit ihnen festzuhalten, z.+B. das Junge an die Brust zu drücken.

Alle Robben sind im hohen Grade gesellig. Einzelne sieht man fast nie. Je einsamer die Gegend, um so zahlreichere Herden oder Familien bilden sich; je weniger der Mensch mit ihnen zusammen kommt, um so behäbiger, ich möchte sagen gemächlicher, zeigen sich die in bewohnten Gegenden überaus scheuen Geschöpfe. Der Mensch ist offenbar der furchtbarste und blutdürstigste Feind der wehrlosen Wasserbewohner; denn die wenigen Raubthiere, welche ihnen gefährlich werden können, wie der Eisbär, welcher wenigstens die kleineren Arten bedroht, oder der mordsüchtige und freßgierige Schwertfisch, welcher auch stärkere anfällt, wüthen weniger unter ihnen als der Beherrscher der Erde, und so erklärt es sich, daß man Robben nur da wirklich beobachten kann, wo sie fern von dem Erzfeinde der Schöpfung sich aufhalten oder von ihm geschützt werden.

Die Lebensweise der Robben ist eine nächtliche. Den Tag bringen sie am liebsten auf dem Lande zu, schlafend und sich sonnend. Hier erweisen sie sich in jeder Hinsicht als das gerade Gegentheil von dem, was sie im Wasser waren. Von der Behendigkeit und Schnelligkeit, welche sie in ihrem eigentlichen Elemente bethätigen, bemerkt man am Lande nichts; sie erscheinen uns vielmehr als das vollendetste Bild der Faulheit. Jede Störung ihrer bequemen Lage ist ihnen höchst verhaßt: manche Arten lassen sich kaum zur Flucht bewegen. Mit Wonne dehnen und recken sie sich auf ihrem Lager und bieten bald den Rücken, bald die Seite, bald den Unterleib den freundlichen Strahlen der Sonne dar, kneifen die Augen zu, gähnen und zeigen sich überhaupt mehr todten Fleischmassen als lebenden Geschöpfen gleich; nur die regelmäßig sich öffnenden und schließenden Nasenlöcher geben Kunde von ihrem Leben. Wenn sie sich vollkommen wohl befinden, vergessen sie tage- und wochenlang Fressen und Saufen; endlich treibt sie der Hunger aber doch auf und in das Meer, wo sie ihren inzwischen abgemagerten Leib bald wieder runden, glätten und mit Fett auspolstern. Je älter die Thiere werden, um so fauler benehmen sie sich. Die Jungen sind lebhafte, spiellustige und fröhliche Geschöpfe, die Alten hingegen oft höchst mürrische, in ihrer Trägheit förmlich verkommene Thiere. Freilich muß man zu ihrer Entschuldigung sagen, daß ihre Unbehülflichkeit auf dem Lande sie noch fauler erscheinen läßt, als sie wirklich sind. Wenn sie sich gefährdet sehen, gehen sie, wie bemerkt, sehr eilig und schnell in das Wasser; kommt ihnen die Gefahr aber plötzlich über den Hals, so überfällt sie die Angst und der Schreck in so hohem Grade, daß sie seufzen und zittern und vergeblich alle mögliche Anstrengungen machen, um dem Verderben zu entrinnen. Gilt es dagegen, Weibchen und Junge zu vertheidigen, so bekunden manche hohen Muth. Auf den einsamsten Eilanden sind gewisse Arten so gleichgültig gegen fremde Besucher, daß sie diese ruhig unter sich herumgehen lassen, ohne zu flüchten; sie werden aber sehr vorsichtig, wenn sie den Menschen, diesen Verderber der Thierwelt, erst kennen gelernt haben.

Unter ihren Sinnen ist das Gehör, trotz der kleinen Ohrmuscheln, vorzüglich, das Gesicht wie Geruch dagegen weniger entwickelt. Die Stimme besteht in heiseren Lauten, welche bald dem Gebelle eines Hundes, bald dem Blöken eines Kalbes oder dem Brüllen eines Rindes ähneln.

Jede Robbengesellschaft ist eine Familie. Das Männchen verbindet sich immer mit mehreren Weibchen, und mancher dieser Seesultâne besitzt einen Harem von dreißig bis vierzig Sklavinnen. Blinde Eifersucht gegen andere Bewerber seiner Art steht hiermit im Einklange. Jede Robbe kämpft der Weiber halber auf Tod und Leben; doch bilden das dicke Fell und die Fettlagen unter ihm den besten Schild beider Kämpen gegen die Bisse und Risse, welche sie in der Hitze des Gefechts gegenseitig sich beibringen.

Etwa acht bis zehn Monate nach der Paarung bringt das Weibchen ein, seltener zwei Junge zur Welt. Die Kleinen sind zierliche und muntere Geschöpfe. Von den Reisenden wird angegeben, daß sie wegen ihrer dicken Behaarung noch nicht zu allen Schwimm- und Tauchkünsten geeignet sind und deshalb in Gesellschaft ihrer Mütter auf dem Lande bleiben müssen, bis das erste Haarkleid gewechselt ist; diese Angabe darf nicht verallgemeinert werden: so wenigstens schließe ich nach eigenen Beobachtungen, welche weiter unten ihre Stelle finden werden.

Alte und Junge lieben sich mit gleicher Zärtlichkeit, und die Mutter schützt ihren Sprößling mit Aufopferung ihres Lebens gegen jede Gefahr. Der Vater, erfreut an seinen lustigen Spielen, gibt sein Wohlgefallen durch vergnügliches Brummen und Knurren zu erkennen und folgt, weil seine Leibesbeschaffenheit ihm thätige Mithülfe am Spiele verbietet, dem rasch hin- und hergleitenden und Purzelbäume werfenden Kleinen wenigstens mit den Augen. Nach höchstens zwei Monaten sind die jungen Robben so weit entwickelt, daß sie entwöhnt werden können. Das Wachsthum geht unglaublich schnell vor sich, und bereits nach Verlauf eines Jahres haben die Jungen mehr als die halbe Größe der Alten erreicht. Nach zwei bis sechs Jahren sind sie erwachsen, im Alter von fünfundzwanzig bis vierzig Jahren abgelebt und greisenhaft geworden.

Thierische Stoffe aller Art, zumeist aber Fische, Schal- und Krustenthiere, bilden die Nahrung der Robben. Einzelne Arten sollen auch verschiedenen Seevögeln, welche die kleineren Flossenfüßler nicht behelligen, oder selbst anderen Robben gefährlich werden. Um ihre gesegnete Verdauung zu befördern, verschlucken einige, wie die Vögel es thun, Steine; andere füllen den bellenden Magen im Nothfalle mit Tangen an.

Alle Robbenjagd ist eine gemeine, erbarmungslose Schlächterei, bei welcher sich Roheit und Gefühllosigkeit verbinden. Deshalb wird auch der Ausdruck »Jagd« vermieden: man spricht von Schlächterei und Schlägerei, nicht aber von edlem Waidwerk. Grenzenlose und leidenschaftliche Blutgier bemächtigt sich der Matrosen, welche auf Robbenjagd ausgehen, und treibt sie an, Alt und Jung, Groß und Klein ohne Unterschied zu vertilgen. So ist es gekommen, daß fast alle Robbenarten bereits sehr vermindert worden sind und einzelne ihrem gänzlichen Untergange entgegen gehen. Von den Herden, welche im vorigen Jahrhunderte die einsamen Inseln bedeckten, sind jetzt nur noch Ueberbleibsel zu sehen, und weiter und weiter müssen die Schiffe vordringen, wenn sie guten Fang machen wollen. Thran und Fett, Zähne und Haut der Robben sind gesuchte Gegenstände und erklären gewissermaßen die Vertilgungswuth des selbstsüchtigen Menschen.

Fast alle Robben lassen sich zähmen, und manche werden fast zu Hausthieren. Sie gehen aus und ein, fischen im Meere und kehren freiwillig wieder nach der Wohnung ihres Pflegers zurück, lernen diesen kennen und folgen ihm nach wie ein Hund. Einzelne sollen sogar zum Fischfange abgerichtet werden können.


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