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Vierte Familie: Potwale ( Catodontida)

Die vierte Familie der Zahnwale ( Catodontida) vertritt der Potwal oder Pottfisch der Deutschen, »Spermwhale« der Engländer, »Cachelot« der Franzosen, »Kegutilik« der Grönländer, »Tweldhval« der Isländer etc. ( Catodon macrocephalus, Balaena macrocephala, Physeter macrocephalus und trumpo), Urbild der gleichnamigen Sippe ( Catodon), unzweifelhaft das ungeschlachteste und abenteuerlichste Mitglied der ganzen Ordnung, ausgezeichnet durch den ungemein großen, am Schnauzenende hoch aufgetriebenen und gerade abgestutzten Kopf, die getrennten, oft ungleichen, längsgerichteten Spritzlöcher sowie die absonderliche Bildung seines Unterkiefers, dessen Aeste im größten Theile ihrer Länge sich aneinander legen und mit einer Reihe kegelförmiger, unter sich fast gleich langer Zähne besetzt sind, wogegen die Zahngebilde des Oberkiefers kaum noch den Namen von Zähnen verdienen. Gray unterscheidet mit Bestimmtheit zwei Arten von Pottfischen, deren jeder er den Rang einer Unterfamilie zuspricht; es fragt sich jedoch noch sehr, ob die von ihm hervorgehobenen Unterschiede ständige oder nur zufällige sind. Erfahrene Walfischfänger nehmen nur eine einzige Art von Potwalen an, behaupten aber, daß die verschiedenen Aufenthaltsorte und die hier reichlichere, dort spärlichere Nahrung nicht allein auf die Größe, sondern auch auf die Gestalt der Potwale einen gewissen, unter Umständen sehr erheblichen Einfluß auszuüben vermögen. Die Untersuchung solcher Thiere stößt auf kaum überwindliche Schwierigkeiten und hindert, wie Pöppig treffend bemerkt, eine richtige Auffassung der Gestalt. »Gelegenheit zu eingehender Betrachtung bieten sie eigentlich nur dann, wenn Stürme einen solchen Riesen zum Stranden an europäischen Küsten gebracht haben; niemals aber können die erlangten Ergebnisse der Wahrheit ganz entsprechen; niemals kann das Gesammtbild des Thieres von dem Zeichner treu wiedergegeben werden, weil die ungeheuere Körpermasse durch ihr eigenes Gewicht zusammensinkt, theils auch im Sande vergraben ist. Im Wasser ruhig liegende Pottfische bekommt nur der Walfänger zu sehen, wenn ihm das Jagdglück günstig sein sollte; allein er hat dann wichtigeres zu thun als zu zeichnen. Aus diesem Grunde erklärt es sich, warum es noch keine ganz zuverlässige Abbildung gibt, und warum die mit urtheilsfähigem Auge entworfenen Zeichnungen fehlen, ohne welche der Thierkundige sich umsonst abmüht, die hinsichtlich der Potwale herrschende Verwirrung zu beseitigen.«

siehe Bildunterschrift

Geripp des Potwals. (Aus dem Berliner anatomischen Museum.)

Der Pottfisch steht beziehentlich seiner Größe keinem anderen Wale nach: erwachsene Männchen sollen 20 bis 30 Meter an Länge und einen Leibesumfang von 12 Meter erreichen; die Weibchen dagegen höchstens halb so groß werden. Im Verhältnis zu dieser Größe ist die Brustfinne sehr klein. Bei einem 20 Meter langen Männchen war sie nur 1 Meter lang und 60 Centim. breit; die Schwanzfinne dagegen hatte eine Breite von 6 Meter. Beide Geschlechter ähneln sich; doch wollen einige Walfischfänger einen Unterschied in der Form der Schnauze gefunden haben, welche, wie sie behaupten, bei weiblichen Thieren gerade abgestutzt, bei männlichen aber mehr gewölbt sein soll. Der überaus lange, breite, fast viereckige, vorn gerade abgestutzte Kopf hat dieselbe Höhe und Breite wie der Leib und geht ohne merkliche Abgrenzung in diesen über. Der Leib ist, von vorn gesehen, also im Querschnitte, auf der Rückenmitte etwas eingesenkt, oben seitlich fast gerade abfallend und von der Mitte an stark ausgebaucht, längs der Bauchmitte aber kielartig verschmächtigt, in den beiden vorderen Dritteln sehr dick, von da an bis zum Schwanze verschmächtigt. Im letzten Drittel erhebt sich eine niedere, höckerartige, schwielige, unbewegliche Fettflosse, welche hinten wie abgeschnitten erscheint und nach vorn zu allmählich in den Leib übergeht. Die kurzen, breiten, dicken Brustflossen, stehen unmittelbar hinter dem Auge und zeigen auf ihrer Oberseite fünf Längsfalten, welche den Fingern entsprechen, während sie auf der Unterseite glatt sind. Die Schwanzfinne ist tief eingeschnitten und zweilappig, in der Jugend am Rande gekerbt, im Alter glatt. Kleine, höckerartige Erhöhungen laufen vom Ende der Fettflosse an bis zur Schwanzfinne herab. Das Spritzloch, eine S-förmig gebogene Spalte von 20 bis 30 Centim. Länge, liegt, abweichend von anderen Walen, am Schnauzenrande, entsprechend der Nase der meisten übrigen Säugethiere, das kleine Auge weit nach rückwärts, das Ohr, eine kleine Längsspalte, etwas unterhalb des Auges. Der Mund ist groß; der Kiefer öffnet sich beinahe bis zum Auge. Der Unterkiefer ist beträchtlich schmäler und kürzer als der Oberkiefer, von welchem er bei geschlossenem Munde umfaßt wird, und wie dieser mit wurzellosen, kegelförmigen Zähnen besetzt, deren Anzahl beträchtlich schwankt, weil im Alter manche ausfallen und andere von dem Zahnfleische fast ganz bedeckt werden. Verhältnismäßig groß sind nur die Zähne im Unterkiefer, neununddreißig bis fünfzig an der Zahl, in dem einen Kiefer mehr als in dem anderen, wogegen die des Oberkiefers meist gänzlich verkümmern und vom Zahnfleische überdeckt werden. Bei jungen Thieren sind jene scharsspitzig, mit zunehmendem Alter stumpfen sie sich ab, und bei ganz alten Thieren erscheinen sie als ausgehöhlte Kegel aus Elfenbeinmasse, deren Höhlung mit Knochen ausgefüllt ist. Der Schädel selbst fällt wegen seiner Ungleichmäßigkeit, der Kopf wegen seiner Massigkeit und sich gleich bleibenden Dicke auf. Unter der mehrere Centimeter dicken Specklage breiten sich Sehnenlagen aus, welche einem großen Raume zur Decke dienen. Derselbe ist durch eine wagerechte Wand in zwei, durch mehrere Oeffnungen verbundene Kammern getheilt. Der ganze Raum wird vou einer öligen, hellen Masse, dem Walrat, nusgefüllt, welches außerdem noch in einer vom Kopfe bis zum Schwanze verlaufenden Röhre und in vielen kleinen, im Fleische und Fette zerstreuten Säckchen sich findet. Im Halse verschmelzen sechs Halswirbel; nur der Atlas bleibt frei. Vierzehn Wirbel tragen Rippen, zwanzig bilden den Lendentheil und neunzehn den Schwanz. Das Schulterblatt ist verhältnismäßig schmal, der Oberarm kurz und dick, mit dem noch kürzeren Unterarmknochen verwachsen. Das Fleisch ist hart und grobfaserig und von vielen dicken und steifen Sehnen durchflochten. Ueber ihm liegt eine mehrere Centimeter dicke Specklage und endlich die kahle, fast vollkommen glatte, glänzende Haut, welche trübschwarze, am Unterleibe, dem Schwänze und dem Unterkiefer stellenweise lichtere Färbung hat.

siehe Bildunterschrift

Potwal ( Catodon macrocephalus). 1/192 natürl. Größe.

Die Zunge ist mit ihrer ganzen Unterseite am Grunde des Unterkiefers festgewachsen, der Magen viertheilig, der Darm fünfzehnmal so lang wie der Leib, die Luftröhre in drei Hauptzweige gespalten. Außerdem verdient noch ein eigenthümlicher, als Harnblase zu deutender Sack Beachtung. Er liegt über der Wurzel der Ruthe und steht mit einer durch diese verlaufenden Röhre und einer zweiten, welche zu den Nieren führt, in Verbindung. Eine dunkle, orangefarbige, ölige Flüssigkeit füllt ihn, und zuweilen schwimmen in dieser kugelartige Klumpen von acht bis dreißig Centimeter im Durchmesser und sechs bis zehn Kilogramm Gewicht umher, wahrscheinlich krankhafte Erzeugnisse, dem Harnsteine anderer Thiere vergleichbar: der bekannte, überaus hochgeschätzte Amber.

Der Pottfisch ist Weltbürger. Alle Meere der Erde beherbergen ihn, und wenn er sich auch in den Meeren rings um die Pole südlich und nördlich des 60. Grades der Breite nur selten findet, so darf man doch annehmen, daß er hier ebenfalls zuweilen sich einstellt. Als seine eigentliche Heimat betrachtet man die zwischen dem 10. Grade nördlicher und südlicher Breite gelegenen Meere, von denen aus, warmen Strömungen folgend, er nach Norden und Süden hin unregelmäßig wandert. Dahin steuern die Schiffer, welche den Fang dieses Riesen betreiben, und von hier aus wandert derselbe, wie man annimmt, durch alle Meere der Erde. Auch an den europäischen Küsten gehört er nicht zu den Seltenheiten. Die Geschichtsbücher aller Länder, ebensowohl die älteren wie die neueren, berichten von Pottfischen, welche an ihren Küsten strandeten. Nach Norden oder Süden hin zieht der riesige Wal nur so weit, als er offenes Meer findet; denn er meidet mit Sorgfalt alle Meerestheile, welche zeitweilig mit Eis bedeckt werden. Aus diesem Grunde begegnet man ihm, wie Brown ausdrücklich hervorhebt, auch keineswegs so häufig in den hochnordischen Meeren, insbesondere der Davisstraße und Baffinsbai, als man früher angenommen hat; er gehört im Gegentheile hier zu den seltensten Erscheinungen und darf höchstens als Irrling angesehen werden. »Wie es auch früher gewesen sein mag«, sagt unser Gewährsmann, »gegenwärtig kennen ihn die Fischfänger der Davisstraße nur noch dem Namen nach, und viele von ihnen belächeln die Angabe, daß er ein ständiger Bewohner jener Meerestheile sein soll. Selbst unter den Eskimos lernte ich bloß einzelne kennen, welche von ihm durch Ueberlieferung noch etwas wußten, und ungeachtet aller Nachforschungen erfuhr ich von nicht mehr als einem Falle, daß in der Neuzeit, und zwar im Jahre 1857, ein Pottfisch an der Küste von Grönland gefangen worden war.« Die noch heutigen Tages in den Naturgeschichten sich findende Angabe bezüglich des Vorkommens in hochnordischen Breiten gründet sich wahrscheinlich auf die Thatsache, daß in früheren Zeiten, als die Walfänger so gut wie ausschließlich das nördliche Eismeer aufsuchten, von ihnen gelegentlich dann und wann auch ein Pottfisch erlegt wurde. Demungeachtet kann es nicht in Abrede gestellt werden, daß letzterer nicht allzu selten jenseit des 56. Grades der nördlichen oder südlichen Breite gefunden wird und sich in den gemäßigten oder selbst in den kalten Gürteln nicht minder wohl zu fühlen scheint als unter den senkrecht herabfallenden Strahlen der Sonne in den Gleicherländern; nur darf man die Anzahl jener nicht mit der Menge vergleichen, welche die Meere zwischen den Wendekreisen niemals verläßt. Das häufige Vorkommen des Pottwales in den südlichen Meeren erklärt sich übrigens einfach durch die Leichtigkeit einer Wanderung vom Atlantischen nach dem Stillen Weltmeere, indem er um die Spitze des Feuerlandes seinen Weg nimmt, vielleicht auch dann und wann das Vorgebirge der Guten Hoffnung umschwimmt. Doch hat man in den Gewässern um die Südspitze Afrikas bisher noch niemals einen Pottfisch erbeutet.

Nach Art der Delfine zieht der riesige Wal in enggeschlossenen »Schulen« oder Scharen von beträchtlich abändernder Stärke durch das Meer, die tiefsten Stellen desselben auswählend. Gern treibt er sich in der Nähe der steilen Küsten umher, ängstlich aber vermeidet er die ihm so gefährlichen Seichten. Die Walfänger berichten, daß jeder Schule immer ein großes, altes Männchen, der »Schulmeister«, vorstehe, welches den Zug leite und die Weibchen und Jungen, aus denen die übrige Herde bestehe, vor den Angriffen feindlicher Thiere schütze. Alte männliche Potwale durchschweifen wohl auch einzeln die Flut oder scharen sich wenigstens nur in kleine Gesellschaften. Die Schulen bestehen meist aus zwanzig bis dreißig Mitgliedern; zu gewissen Zeiten sollen sich aber auch mehrere Herden vereinigen und dann zu Hunderten gemeinschaftlich ziehen. Scammon bestätigt im wesentlichen diese Angaben. Nach seinen Erfahrungen sieht man oft Herden von fünfzehn, zwanzig bis zu hunderten bei einander, und wenn auch die Männchen während des größten Theiles des Jahres einzeln angetroffen werden, mangelt es doch nicht an Fällen, daß sich mehrere der Ungethüme zusammenschlagen und nach und nach ebenfalls namhafte Gesellschaften bilden. In das Führeramt der aus männlichen, weiblichen und jungen Thieren zusammengesetzten Herden theilen sich in der Regel mehrere alte Männchen, vielleicht schon aus dem Grunde, als die Weibchen, welche Junge haben, sich um nichts anderes als um diese bekümmern. Die jungen Männchen bilden zeitweilig besondere Herden, welche sich möglicherweise bis zur Mannbarkeit nicht trennen.

Hinsichtlich seiner Bewegungen erinnert der Pottfisch mehr an die Delfine als an die Bartenwale. Er gibt den schnellsten Mitgliedern seiner Ordnung wenig nach. Schon bei ruhigem Schwimmen legt er drei bis vier englische Meilen in der Stunde zurück, erregt aber jagt er durch die Fluten, daß das Wasser brausend aufkocht und die ruhige See Wellen schlägt, welche weithin sich verbreiten. Schon von fern erkennt man den Pottfisch an seinen Bewegungen. Bei ruhigem Schwimmen gleitet er leicht unter der Wasserfläche dahin, bei schnellerem schlägt er so heftig mit dem Schwanze auf und nieder, daß sein Kopf bald tief untersinkt, bald wieder hoch emportaucht. Gar nicht selten stellt er sich senkrecht in das Wasser, entweder den Kopf oder die Schwanzfinne hoch über den Spiegel emporhaltend und hierdurch von den meisten anderen Walen sich unterscheidend; ja es kommt auch vor, daß er plötzlich mit großer Wucht über das Wasser emporschnellt, zwei-, dreimal hinter einander, und sich dann für längere Zeit tief in die Fluten versenkt. Erschreckt läßt er sich in fast wagerechter Stellung zu Boden fallen; wiederholt gestört und belästigt, nimmt er ebenfalls eine senkrechte Stellung an, hebt den Kopf hoch über das Wasser, um zu sichern und zu lauschen, oder dreht sich, wenn er auf der Oberfläche liegt, zu gleichem Zwecke um sich selbst herum. Beim Spielen reckt er bald die eine, bald die andere Brustflosse in die Luft, schlägt hierauf mit großer Kraft gegen das Wasser und bringt die Wellen zum Schäumen, oder aber sinkt einige Faden tief unter die Oberfläche, wirft sich im mächtigem Schusse unter einem Winkel von etwa fünfundvierzig Graden über das Wasser heraus, fällt auf die Seite, daß man ihn weithin klatschen hört und bis zur Höhe einer Mastspitze ein Schwall emporsteigt, welcher an klaren Tagen zehn Seemeilen weit gesehen werden kann und erfahrenen Walfängern als erfreuliches Zeichen dient. In der Regel schreibt man diese absonderlichen Bewegungen dem Streben des Pottfisches zu, von einem ihn sehr quälenden Schmarotzer sich zu befreien; allein man findet selten eins von denjenigen Thieren, welche andere Wale in so hohem Grade behelligen, auf seiner Haut und kann deshalb doch wohl nur annehmen, daß er derartige Hebungen zu seinem Vergnügen oder zu seiner Unterhaltung ausführt. Die Mitglieder einer Gesellschaft ordnen sich gewöhnlich in eine lange Reihe, einer hinter dem anderen, und tauchen zu gleicher Zeit auf und nieder, blasen zugleich ihre Wassersäulen in die Luft und verschwinden fast in demselben Augenblicke unter den Fluten. Selten sind die Thiere ruhig; bloß wenn sie schlafen, liegen sie fast bewegungslos auf der Oberfläche des Wassers und lassen sich von der Dünung wiegen oder stecken den riesigen Kopf weit über die Wellen heraus, so daß man glauben möchte, »die Enden gewaltiger Baumstämme oder die Hälse ungeheuerer Flaschen zu sehen, welche in der hebenden Flut leise auf und nieder schaukeln«. Unter allen Walen gibt es, laut Scammon, nicht einen einzigen, welcher so regelmäßig athmet wie der Pottfisch. Wenn derselbe auftaucht, läßt er zunächst die Gegend der Fettflosse sehen; hierauf erhebt er sein Haupt, wirft mit Macht einen nach vorne und links gerichteten, einfachen, sehr niedrigen, d.+h. durchschnittlich nur meterhohen, aber sehr dicken und buschigen, bis auf drei oder vier Meilen Entfernung wahrnehmbaren Strahl in die Höhe und schöpft von neuem Athem: alles innerhalb eines Zeitraumes von etwa drei Sekunden. Ungestört bewegt er sich beim Athmen zuweilen nicht, zuweilen nur langsam, etwa zwei oder drei Seemeilen in der Stunde zurücklegend; wenn er aber von einem seiner Jagdplätze zum anderen zieht, jagt er mit erstaunlicher Schnelligkeit durch die Wogen, dabei fortwährend Athem schöpfend. Unter diesen Umständen genügt ihm ein Augenblick zum Luftwechsel: der Kopf erscheint und verschwindet sofort wieder; jeder Wechsel aber geschieht mit der größten Regelmäßigkeit. Die Anzahl der mit Auswerfen von Wasser verbundenen Athemzüge hängt von der Größe des Thieres ab, da alte Weibchen und die Jungen beiderlei Geschlechtes weit weniger Luft bedürfen als alte und große Bullen. Letztere athmen durchschnittlich alle zehn bis zwölf Sekunden einmal und wiederholen dies sechzig- bis siebzigmal nach einander, verweilen also zehn bis zwölf Minuten an der Oberfläche des Meeres. Sobald sie zum letztenmale geblasen haben, tauchen sie kopflings zum Grunde herab, »runden«, strecken die Schwanzflosse in die Luft und fallen, sowie sie eine mehr oder weniger senkrechte Stellung erlangt haben, mit großer Schnelligkeit in die Tiefe hinab, in welcher sie nunmehr von fünfzig Minuten bis zu fünf Viertelstunden verweilen können, bevor sie wieder auftauchen müssen. Während Scammon im Jahre 1853 in der Nähe der Schildkröteninseln kreuzte, wurde ein großer Pottfisch gefangen, nachdem man ihn von elf Uhr vormittags bis vier Uhr nachmittags verfolgt hatte. Im Laufe dieser Zeit blies er sehr regelmäßig fünfundfünfzigmal bei jeder Erhebung und verweilte dann jedesmal fünfundfünfzig Minuten unter Wasser, hier wie an der Oberfläche durchschnittlich drei Meilen in der Stunde znrücklegend. Kleinere und jüngere Pottfische dagegen bekunden nicht die gleiche Regelmäßigkeit im Athmen und Verweilen über oder unter der Oberfläche, blasen auch weniger oft nach einander und tauchen häufiger auf. Nach Scammons Beobachtungen halten sie sich gewöhnlich den vierten oder fünften Theil der Zeit, welche die alten nothwendig haben, über Wasser auf, athmen dreißig- oder vierzigmal und sind dann fähig, zwanzig bis dreißig Minuten unter Wasser zuzubringen. Geübte Walfischfänger versichern, daß sie durch das Gehör allein den Pottfisch von allen übrigen Walen unterscheiden können, weil sein Blasen ein ganz eigenthümliches Geräusch verursachen, eine Verwechselung mit anderen großen Seesäugern daher kaum möglich sein soll.

Unter den Sinnen des Thieres glaubt man dem Gefühl den ersten Rang einräumen zu dürfen. Die mit zarten Nervenwarzen besetzte Haut scheint befähigt zu sein, den geringsten Eindruck zur Wahrnehmung zu bringen. Das Gesicht ist ziemlich gut, das Gehör dagegen schlecht. Hinsichtlich seiner geistigen Fähigkeiten ähnelt der Pottfisch mehr den Delfinen als den Bartenwalen. Doch meidet er die Nähe des Menschen ungleich ängstlicher als der den Schiffern so befreundete Delfin, vorausgesetzt, daß er sich nicht verfolgt oder angegriffen sieht; denn dann tritt an die Stelle der Furchtsamkeit unbändiger Muth und eine Kampflust, wie wir sie bei anderen Walen nicht wiederfinden. Man hat beobachtet, daß ein Rudel von Delfinen im Stande ist, eine ganze Herde von Pottfischen überaus zu ängstigen und zu eiligster Flucht zu veranlassen, weiß aus Erfahrung, daß alte Bullen bei Annäherung eines Schiffes so schnell wie möglich entfliehen, und kennt Beispiele, daß eine Herde durch plötzliche Annäherung ihrer Feinde vor Schrecken bewegungslos, am ganzen Leibe bebend, an einer Stelle blieb, ganz ungeschickte, ja geradezu verwirrte Anstrengungen machte und dem Menschen hierdurch Gelegenheit gab, mehrere Stücke zu bewältigen. Die Walfänger wollen wissen, daß dies gewöhnlich der Fall ist, wenn zuerst ein Weibchen verwundet wurde, wogegen die ganze Herde die Flucht ergreift, wenn das leitende Männchen seinen Tod fand. Nach Scammons Erfahrungen bethätigen verschiedene Weibchen hingebende Anhänglichkeit an einander, sammeln sich, wenn eins von ihnen angegriffen wird, um das betreffende Boot und verweilen in der Regel geraume Zeit bei ihrem sterbenden Gefährten, obwohl auch ihnen unter solchen Umständen sicheres Verderben droht. Unter jungen Männchen bemerkt man ein so inniges Zusammenhalten nicht: sie verlassen feige den durch einen Wurfspeer verwundeten Genossen.

Verschiedene Arten von Kopffüßlern bilden die hauptsächlichste Nahrung des Pottfisches. Kleine Fische, welche zufällig in seinen großen Rachen sich verirren, werden natürlich auch mit verschluckt; auf sie aber jagt unser Wal eigentlich nicht. Aeltere Seefahrer erzählten, daß er sich auch an Haifische, Robben, Delfine und selbst an Bartenwale wage, die neueren sorgsamen Beobachter haben jedoch hiervon nichts bemerkt. Von ihnen erfahren wir dagegen, daß der Pottfisch zuweilen pflanzliche Nahrung genießt, wenigstens verschiedene Baumfrüchte, welche durch die Flüsse in die See geführt worden waren, verschlingt. Dank seiner Begabung, länger als jeder andere Wal unter dem Wasser verweilen und dabei auch anderen Ordnungsgenossen unzugängliche Höhlen oder doch Unebenheiten des Bodens untersuchen zu können, fehlt es ihm niemals an genügender Nahrung. Die Art und Weise, wie er seine flüchtige Beute gewinnt, kennt man zwar noch nicht genau; verschiedene Sachverständige aber behaupten, daß er, nachdem er sich in die Tiefe herabgesenkt, seinen sehr beweglichen Unterkiefer so weit öffne, bis derselbe fast unter einem rechten Winkel vom Leibe abstehe, und nunmehr, langsam durchs Wasser schwimmend, auf den spitzigen Zähnen desselben alle in den Weg kommende Beute aufspieße, einen Augenblick später zermalme und hierauf verschlinge. Scammon spricht dieser Annahme eine gewisse Berechtigung zu, bemerkt aber sehr richtig, daß über der Erbeutung so erstaunlich großer Mengen von Thieren, wie sie dieser gewaltige Räuber bedarf, ein geheimnisvolles Dunkel liege.

Zu allen Zeiten des Jahres hat man Mütter mit säugenden Jungen getroffen. Bennett, welcher hierüber am genauesten berichtet, hat die Säuglinge nur in den Monaten März, April, Oktober und November vermißt; doch beweist diese Angabe noch nicht, daß zu dieser Jahreszeit keine Jungen geboren würden. In der Regel bringt jedes Weibchen nach einer Tragzeit von etwa zehn (?) Monaten sein einziges Junge oder höchstens deren zwei zur Welt. Die neugeborenen Potwale haben etwa den vierten Theil der Größe der Alten und schwimmen lustig neben dieser her. Beim Säugen soll sich die Mutter aus die Seite legen und das Junge die Zitze mit dem Winkel, nicht aber mit der Spitze der Kiefern fassen.

Der Pottfisch wurde schon seit alten Zeiten, mit besonderem Eifer jedoch erst vom Ende des siebzehnten Jahrhunderts an von Walfischfängern verfolgt. Die Amerikaner rüsteten im Jahre 1677, die Engländer erst hundert Jahre später Schiffe zu seinem Fange aus. Seit Anfang unseres Jahrhunderts ist die Südsee der hauptsächlichste Jagdgrund dieser Schiffer, und heutzutage noch sind es fast nur die Engländer und Nordamerikaner, welche sich mit dem Fange beschäftigen. In den Jahren 1820 bis 1830 sind durch englische Walfischfänger 45,933, im Durchschnitte also jährlich fast 4600 Tonnen Walrat erbeutet worden; in den Jahren 1831 und 1832 stieg die Ausbeute auf 7605 und bezüglich 7165 Tonnen. Von dieser Zeit an hat sie etwas abgenommen, weil die Kosten der Ausrüstung für diese Schiffe allzu hohe Summen in Anspruch nehmen, der Erfolg auch immer nur ein ungewisser bleibt. Freilich ist der Gewinn bedeutend: jede Tonne Walrat wird mit mindestens achtzehn Pfund Sterling bezahlt.

Die Jagd auf den Pottfisch ist mit weit größeren Gefahren verbunden als der Fang des Grönlandwales. Ausnahmsweise nur versucht ein Bartenwal seinem kühnen Feinde Schaden zuzufügen, während jener, wenn er angegriffen wird, sich vertheidigt, muthig auf seinen Gegner losstürmt und beim Angriffe nicht allein seines Schwanzes, sondern auch seines furchtbaren Gebisses sich bedient. Daß er so gut wie ausschließlich mit den Zähnen sich vertheidigt, geht aus verschiedenen Beobachtungen hervor: so erlegt man zuweilen einzelne alte Männchen mit gänzlich verstümmeltem Unterkiefer, welche offenbar vorher einen Kampf mit ihresgleichen oder einem noch unbekannten Leviathan der Tiefe ausgefochten haben mußten. Wie bestimmte Beobachtungen dargethan haben, ist er im Stande, seinen zähnestarrenden Unterkiefer fast bis zum rechten Winkel aus der gewöhnlichen Lage zu biegen, und mit einer Behendigkeit zu bewegen, welche geradezu in Erstaunen setzt. Wenn er nahe der Oberfläche schwimmt, kann man beobachten, wie er den Kiefer innerhalb eines einzigen Augenblickes öffnet und schließt; aber ebenso wie er ihn nach einer Richtung hin gelenkt, vermag er ihn auch seitlich überraschend weit zu bewegen. Gelingt es ihm dann, einen größeren Gegenstand aus dem Wasser zu fischen, so rollt er diesen sofort nach dem Schlunde zu oder zerfetzt ihn wenigstens bis zur Unkenntlichkeit. Wenn er angeworfen wird, bleibt er zuweilen einige Augenblicke wie gelähmt im Wasser liegen und gibt dann dem achtsamen Walfischfänger Gelegenheit, ihm noch eine oder mehrere Lanzen in den Leib zu schleudern und seinen Fang zu vollenden; in der Regel aber kämpft er verzweiflungsvoll um sein Leben und sucht keineswegs immer sein Heil in der Flucht, sondern erwidert die ihm angethane Unbill mit Wuth und Ingrimm. Alle erfahrenen Seeleute wissen von Unglücksfällen zu erzählen, welche durch ihn herbeigeführt wurden. Die Mannschaft des Schiffes Essex hatte einen Pottfisch verwundet, mußte aber zum Schiffe zurückkehren, weil ihr Boot durch einen Schwanzschlag des harpunirten Thieres stark beschädigt wurde. Während die Seeleute beschäftigt waren, das Boot auszubessern, erschien ein anderer Wal derselben Art in geringer Entfernung vom Schiffe, betrachtete es eine halbe Minute lang aufmerksam und verschwand in der Tiefe. Nach wenigen Augenblicken kam er wieder an die Oberfläche, eilte in voller Hast herbei und rannte mit dem Kopfe so gewaltig gegen das Schiff, daß die Seefahrer glaubten, ihr Fahrzeug wäre in vollem Laufe auf ein Riff gestoßen. Das wüthende Thier ging unter dem Schiffe weg, streifte den Kiel, drehte sich um und schwamm von neuem herbei. Der zweite Stoß schlug den Bug ein und brachte das Fahrzeug zum Sinken. Von der Mannschaft wurden wenige gerettet. Ein zweites amerikanisches Schiff, die Ann Alexander, wurde ebenfalls durch einen Pottfisch vernichtet; ein drittes, die Barke Cook, nur durch einen gutgezielten Kanonenschuß vom Untergange gerettet. Vier Monate nach dem Untergange des Schiffes Ann Alexander fing die Mannschaft der Rebekka einen ungeheueren Pottfisch, welcher sich ohne jeden Widerstand einbringen ließ. Man fand zwei Harpunen in seinem Körper, gezeichnet Ann Alexander. Der Kopf war stark beschädigt, und aus der fürchterlichen Wunde ragten große Stücke von Schiffsplanken hervor. Scammon zählt noch eine Reihe ähnlicher Angriffe des erbosten Wales auf. Man weiß selbst von Fällen zu berichten, daß Potwale Schiffe ohne allen Grund herausforderten, angriffen und zerstörten. So geschah es mit dem Waterloo, einem mit Früchten beladenen britischen Fahrzeuge, welches in der Nordsee durch einen Pottfisch zertrümmert wurde. Wie viele andere Schiffe noch durch das gewaltige Thier vernichtet worden sind, ist schwer zu sagen; Scammon aber zweifelt nicht, daß mehr als ein Schiff, welches zum Walfange aussegelte und nicht zurückkehrte, durch Pottfische in den Grund gebohrt wurde.

Mit den ernsten Gefahren, welche der Pottfischfang zur Folge hat, steht der zu hoffende Gewinn, so groß er auch ist, kaum im Einklange. Außer dem Specke, welcher einen sehr guten Thran liefert, erzeugt der Pottfisch noch den Walrat und den Amber, beides Gegenstände vom größten Werthe. Der Walrat ist im frischen Zustande flüssig, durchsichtig und fast farblos, gerinnt in der Kälte und nimmt dann eine weiße Färbung an. Jemehr er gereinigt wird, um so mehr erhärtet und trocknet er, bis er schließlich zu einer mehlartigen, aus kleinen Blättchen zusammengesetzten, perlmutterglänzenden Masse sich gestaltet. Man verwendet ihn ebensowohl in der Heilkunde wie zum Anfertigen von Kerzen, welche allen übrigen vorgezogen werden. Werthvoller noch ist der Amber, über welchen man seit den ältesten Zeiten unendlich viel gefabelt hat: eine leichte und haltlose, wachsartige Masse von sehr verschiedener Färbung, welche sich fettig anfühlt, einen höchst angenehmen Geruch besitzt, durch Wärme sich erweichen, in kochendem Wasser in eine ölartige Flüssigkeit umwandeln und bei großer Hitze verflüchtigen läßt. Man verwendet ihn hauptsächlich als Räuchermittel oder mischt ihn sogenannten wohlriechenden Oelen und Seifen bei. Schon die alten Römer und Araber kannten seine Anwendung und seinen Werth, und bereits bei den Griechen wurde er in der Arzneiwissenschaft als krampfstillendes, beruhigendes Mittel verwandt, hat sich auch bis zum vorigen Jahrhunderte als solches in allen Apotheken erhalten. Noch heutzutage wird eine Unze von der besten Sorte mit zweihundert Mark unseres Geldes bezahlt. Lange Zeit war der Amber ein rätselhafter Gegenstand. Die alten Griechen betrachteten ihn ganz richtig als den Auswurfsstoff eines Thieres; später jedoch tauchten andere Meinungen auf. Man hielt ihn bald für den Koth eines fabelhaften Vogels, welcher nur wohlriechende Kräuter fresse, bald für ein schwammiges Seegewächs, bald für ein Gummiharz, bald für umgewandelten Schaum des Meeres. Erst Boylston erkannte im Jahre 1724 zufällig den wahren Erzeuger des kostbaren Stoffes. Häufiger als aus dem Leibe des Pottfisches gewinnt man den Amber durch Auffischen im Meere. Es wird erzählt, daß glückliche Fänger Klumpen von fünfundzwanzig Kilogramm aus dem Leibe großer Pottfischmännchen geschnitten hätten, und früher wurde behauptet, daß selbst Klumpen von siebzig bis fünfundfünfzig Kilogramm in dem Oele der betreffenden Blase umherschwämmen. Daß man wirklich Stücke von neunzig Kilogramm Gewicht, anderthalb Meter Länge und über einen halben Meter Dicke aufgefischt hat, unterliegt keinem Zweifel; doch ist es wahrscheinlich, daß so große Klumpen von den Wellen zusammengetrieben und vielleicht durch eine in der Sonnenhitze mögliche theilweise Schmelzung an einander geklebt wurden. Außer diesen drei wichtigsten Fettstoffen finden auch die Zähne des Pottfisches Verwendung. Sie sind hart, lassen sich leicht glätten und bearbeiten und würden dem Elfenbeine an Werth gleichgeschätzt werden, wenn sie dieselbe reine Farbe besäßen.


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