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Eppele freit und fordert von den Nürnbergern die Morgengabe

Auf allen Ritterburgen Frankens dröhnte das Gelächter über diesen Streich, den der Gailinger so glücklich durchgeführt und mit so klingendem Erfolg beendet hatte. Schloß Drameysl war diesen Sommer keinen Tag ohne Gäste, die sich am Lösegeld für Herrn Ulrich Mendel gütlich taten und dem gastfreien Herrn von Gailing Beifall spendeten für seine unnachahmliche Art, den Überfluß der Pfahlbürger in die immer leeren Kassen löblicher Ritterschaft zu leiten. Die 8000 Goldgulden der Häuser Tetzel und Mendel verwandelten sich bei diesem lustigen Leben Eppeles rasch in allerhand essens- und trinkenswerte Dinge, zu einem nicht kleinen Teile aber auch in Geschenke und Angebinde für die zahlreich an den Festen und Gelagen teilnehmenden Damen fränkischer Ritterschaft, die gern und ausgiebig bei dem stets aufgeräumten und freigebigen Gailinger verweilten. Manches schöne Ritterfräulein mühte sich auch ganz ernstlich um den Burgherrn von Drameysl und dachte sich das eheliche Los an seiner Seite nicht eben bitter. War er nicht jung, behenden Leibes und Geistes und bei seiner Jugend schon weit und breit berühmt als ein vollkommener Ritter, dessen Namen zu teilen nur Ehre bringen konnte? Eppele spürte solche Werbungen wohl, war aber gegen sie gefeit durch die Gedanken an seines besten Freundes, Wolf von Wurmstein, sechzehnjährige Schwester, die rosig zartblonde Kunigunde von Wurmstein, der er sich seit der ersten Begegnung gefangen gab. Schön wellte im saftigen Grün seiner Wälder und Felder das Tal der Wiesent an einem warmen Spätsommerabend vor der ritterbürtigen Jungfrau Kunigunde von Wurmstein, die versonnen in der Burglaube zu Drameysl saß und über das Land schaute. Eppele ging mit dem Freunde Wolf von Wurmstein im kleinen Gärtlein daneben, wo Frau Ursula ihre bewährten Heil- und Würzkräuter zog, auf und ab, ein eifriges Gespräch führend, bei dem der von Wurmstein sichtlich den einverstandenen Zuhörer abgab. Erste Abendschatten fleckten schon das besonnte Land, als Eppele der Burglaube zuschritt und Kunigunde durch sein jähes Erscheinen aus den zarten Träumen ihres sehnsüchtigen Alters schreckte. Die Jungfrau blickte auf und errötete tief beim Eintritt des jungen Ritters von Gailing, blieb aber doch auf der eichenen Bank sitzen in der Erwartung, hinter Eppele den Bruder auftauchen zu sehen. Doch Wolf von Wurmstein erschien nicht und überließ sein holdes Schwesterlein den heißen Worten Eppeles, der dem Fräulein von Wurmstein flammend von seiner Liebe sprach, die willenlos hängende Hand Kunigundens haschte, mit Küssen bedeckte, auf einmal zwei weiche Arme um seine Schultern, ein von hellblonden Flechten gekröntes Mädchenantlitz an seiner Wange fühlte und eines leisen Schluchzens einziger Zeuge war.

Der Verspruch Eppeles mit Kunigunde von Wurmstein geschah auf einem rauschenden Feste zu Drameysl, das aus den letzten Gulden der Rats- und Handelsherren Jörg Tetzel und Jost Mendel bestritten wurde, welchen leidigen Umstand Eppele selbst den zahlreich versammelten Gästen bekanntgab mit dem Bemerken, die Geldtruhen zu Nürnberg wären noch lange nicht leer und könnten einem unternehmenden Ritter weiter für manchen guten Tag bürgen. Welcher launige Hinweis von allen Gästen einverständlich begrüßt wurde, nur nicht von Kunigunde, der Verlobten Eppeles, die ihren Zukünftigen in eine stille Ecke winkte und ihm dort eine unverhoffte Meinung sagte. Kunigunde von Wurmstein war nicht etwa von der Absicht bestürzt, daß Eppele wieder die Ballenbinder kräftig zur Ader lassen wollte. Solche Absicht galt auch ihr für durchaus löblich, sonst wäre sie ja nicht eines rechten Ritters Kind gewesen. Nur daß Eppele die mächtige Reichsstadt Nürnberg schatzte, die sich doch besonderer kaiserlicher Gunst erfreuen durfte, und daß er unverlangt auch noch seinen beißenden Hohn zu solch ritterlichem Geschäft gab, gefiel ihr nicht und forderte ihren Widerspruch. Könnte denn ein Ritter von Eppeles Gaben nicht billiger Fehde treiben ohne die Gefahr, eines Tages am Rabenstein vor dem Frauentor zu stehen und des Nürnberger Nachrichters zu harren, wie es vor noch nicht fünf Wochen den edlen Herren Rudolf Cammerer und Fritz von Lindeneck widerfahren sei? Sie wolle auf keinen Fall immer dieser Sorge leben und vielleicht in einem halben Jahre schon Witwe sein. Lieber entbinde sie heute noch den Ritter von Gailingen seines Wortes und kehre mit ihrem Bruder Wolf wieder heim auf Schloß Wurmstein.

Eppele hörte diese sichtlich aus der Sorge eines verliebten Herzens kommende Rede ohne Worte des Widerspruchs an, kniff nur bedenksam die Augen ein und sagte nach einer kurzen Pause des Schweigens zu seiner schönen Braut, ganz unrecht hätte Kunigunde mit solcher Meinung nicht, obwohl er seinen Kopf trotz den Nürnbergern noch recht lange auf seinen Schultern zu tragen gedächte. Wenn aber der edlen Jungfrau von Wurmstein ein Wunsch erfüllt werden könnte, den zu erfüllen in seiner Macht sei, sollten auch die Nürnberger dabei kein Hindernis bilden.

Die tägliche ordentliche Sitzung des Rates zu Nürnberg war noch keine Stunde vorüber und Herr Bürgermeister Jakob Rieter rüstete eben zu einem Erholungsgang vor das Spittlertor, als ein Bote aus Drameysl Herrn Jakob Rieter einen Brief des Ritters von Gailing übergab. Darin war zu lesen, der Ritter von Gailing gedächte unbeschadet der vielen Kränkungen, die er schon von denen zu Nürnberg hätte erleiden müssen, die Fehde mit einem Rat beizulegen, sintemal er – Eppele von Gailing – im Grunde seiner Seele ein friedfertiger Mann und jedes verträglichen Nachbars guter Freund wäre. Träte noch dazu, daß er sich in den heiligen Stand der Ehe begeben und eines seßhafteren Lebens befleißigen möchte, welches er längst getan, wenn ihm die Jungfrau Agnes Tetzelin nicht so schnöde versagt worden wäre. Auch diese Handlung sollte vergeben und vergessen und in eine Richtigung einbezogen sein, die er sich einem hochmögenden Rate vorzuschlagen erlaubte, wonach die Stadt Nürnberg und der Ritter von Gailing hinfort aller gegenseitigen Feindschaft entsagen und gute Freunde sein wollten. Schöner Sitte von altersher entspräche schließlich, eine neugeschlossene Freundschaft durch ein Geschenk zu bekräftigen. Ein Ritter so bescheidenen Standes, wie er wäre, könnte nun freilich der reichen und mächtigen Stadt Nürnberg kein würdiges Geschenk machen außer den guten Willen zu Frieden und Freundschaft. Solcher Wille wäre aber wohl wert, nicht mit Wort und Siegel allein, sondern auch durch eine Gabe anerkannt zu werden, deren Wahl dem hohen Rate doch leicht fallen müßte angesichts der baldigen Hochzeit des Ritters von Gailing, auf welche einen hohen Rat geziemend als Gast zu bitten Herrn Eppele von Gailing ein aufrichtiges Vergnügen sei.

Der Bürgermeister Jakob Rieter liebte schnellen Entschluß, schickte darum auf der Stelle seinen Diener fort, das Ratsglöcklein zu läuten und verfügte sich mit dem Schreiben des Gailingers selbst auf dem kürzesten Weg ins Rathaus. Müßiges Volk säumte den Weg dorthin und mutmaßte verwundert, welcher gewichtige Anlaß den Rat gleich zweimal an einem Tage zusammenberufe. War auch das Staunen der versammelten Ratsherren nicht gering, da der Bürgermeister des Gailingers Brief verlas und um die Meinung der Versammelten bat. Statt einer Meinung kamen jedoch gleich drei Meinungen zutage und bekämpften sich umschichtig sehr lebhaft und wortreich. Die Gruppe um den graubärtigen, stets besonnenen Ratsherrn Holzschuher hielt dafür, das Schreiben des von Gailing wäre ernst zu nehmen und könnte bei rechter und schicklicher Behandlung die Stadt vieler Plackereien entledigen. Eine zweite Gruppe um den Ratsherrn Fürer hatte erhebliches Mißtrauen, war aber doch zu einer weiteren Aussprache mit Eppele von Gailing bereit. Ganz und gar verwarf aber Herr Jörg Tetzel die angebotene Richtigung mit dem Plagegeist auf Drameysl, erklärte den Brief für puren Hohn und erwähnte in seiner langen Rede wohl an die zehn Male jene 8000 Goldgulden Lösegeld für seinen Eidam Ulrich Mendel, wobei ein heftiges Zittern in die knarrige Stimme kam. Sollten etwa die Handelsherren zu Nürnberg für den bereits durch den Gailinger erlittenen Schaden auch noch durch ein kostbares Geschenk danken, fragte Herr Jörg Tetzel erbittert und setzte hinzu, er und seine Freunde widersetzten sich einer solchen beleidigenden das Ansehen der Stadt und ihrer Kaufmannschaft herabsetzenden Zumutung. Dem Gailinger müßte kurz und bündig abgesagt werden, daß der Rat zu Nürnberg die vorgeschlagene Richtigung für eitel Betrug und rechtes Blendwerk ansehe. Die Ansicht des Herrn Jörg Tetzel drang nach langer Beratung durch und schlug sich in einem Briefe nieder, welchen Eppele zwei Tage nach der Ratssitzung erhielt und der folgenden Inhalts war:

Der Rat zu Nürnberg an den Herrn und Ritter von Gailing auf Drameysl:

Haben Euer Schreiben richtig empfangen und solches in öffentlicher Sitzung des Rates zu Nürnberg verlesen, obwohl es besser uneröffnet und unerörtert an den Schreiber zurückgegangen wäre. Halten dafür und tun Euch redlich zu wissen, Ihr möchtet künftig den Rat zu Nürnberg mit solcher Epistel verschonen, darin kein Ernst und aufrichtiger Wille ist. Maßen es nur Art und Lust rechter Buben ist, ernster und würdiger Männer zu spotten, achten wir Eures Vorschlags nicht einen Deut und meinen: Dem Ritter von Gailing täte eine Richtigung mit dem Teufel gut, auf daß seine sündige Seele nicht für ewig verdammt bleibe.

Was endlich das Geschenk anlangt, so Ihr Euch von Uns verseht, ist und bleibt es allerdings eines ehrbaren Rates zu Nürnberg löbliche Gepflogenheit, wertgeschätzte, der Stadt gutgesinnte Personen hohen Standes solcher Ehre und Freude zu würdigen. Nicht aber Staudenhechte und Buschklepper, deren Handwerk ist, eine ehrsame und treu ihres Fortkommens beflissene Kaufmannschaft an ihrem Hab und Gut zu schmälern! Solchen Vögeln mag das Gefieder vergolden, wer dessen Lust verspürt. Ein Rat zu Nürnberg macht Geschenke nur seinen Freunden, unter die ein Ritter von Gailing nie und nimmer zählt.

Dieses geharnischte Antwortschreiben des Nürnberger Rates las Eppele zweimal Satz um Satz durch und schmunzelte sogar heiter, bevor er es verwahrte. Andern Tags ritt Eppele nach Schloß Wurmstein zu seiner Verlobten und händigte ihr den Brief des Rates zu Nürnberg aus. Das Fräulein von Wurmstein errötete vor Unwillen über den groben Ton des Schreibens, noch mehr aber über die von denen zu Nürnberg ausgedrückte Mißachtung löblicher Ritterschaft und ihrer liebreizenden Person, bat Eppele mit keinem Laut mehr um Beilegung seiner Fehde und schaute dankbar zu ihrem Verlobten auf, der lachend versicherte, nun wolle er die Morgengabe von den Nürnbergern erst recht eintreiben und, wenn nicht anders möglich, auch selber holen.


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