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Der würdige Ratsherr Johannes Groland wandelte am Freitag nach Pfingsten 1338 über den Herrenmarkt zu Nürnberg und war nicht der besten Laune, denn das Roß, welches ihm der Jud Elias von Forchheim vor zehn Wochen um teures Geld aufgehalst, lahmte noch immer und hatte sich überhaupt als eine nichtsnutzige Schindmäre erwiesen. Mit 50 Goldgulden und vielleicht noch mehr bemaß Herr Johannes Groland den Schaden aus diesem Betrug des heillosen Roßkamms, dem er alle Strafen der Hölle auf den krummen Leib wünschte. Vor dem Rathaus verschnaufte Herr Johannes Groland seinen Ärger ein paar Augenblicke und schaute den Herrenmarkt hinab. Durfte er wirklich seinen Augen trauen oder äffte ihn nur ein Trugbild seiner üblen Laune? Keine zwanzig Schritte entfernt führte der Roßkamm Elias ein Pferd am Halfter, ein junges, ansehnliches Tier, über dessen Anblick dem Ratsherrn Groland erst ganz der gerechte Groll aufstieg.
Schon eine Stunde später saß Elias im Lochgefängnis und kratzte beklommen den kraushaarigen Kopf, wußte er doch genau, um welches Vergehen er aufgehoben und in dieses feuchte Verließ gesteckt war. Vor den Rat geschafft und um den Betrug an des Rates Mitglied, Herrn Johannes Groland, scharf verhört, knickte Elias fast bis auf den Boden, bekannte sich schuldig und bat um mildes Urteil, denn er gedächte seine Missetat gutzumachen durch einen Dienst an der Stadt Nürnberg, wie ihn noch keiner geleistet hätte. Die Ratsherren beschauten sich sehr mißtrauisch den aus schlauen Äuglein verschmitzt blickenden Roßkamm, dessen ebenso vorsichtige wie verwegene Art, die gefährlichsten Händel einzufädeln und abzuschließen, in ganz Franken bekannt war. Forderte darum der Bürgermeister Stromair den Elias auf, doch erst einmal den Dienst an der Stadt Nürnberg näher zu benennen, was der Roßkamm auch auf der Stelle tat und einen Plan entwickelte, wie der Ritter von Gailing in des Nürnbergischen Rates Gewalt überliefert und für seine Taten gerichtet werden könnte. Nur einen Brief müßte der hohe Rat ihm und in seinem Namen an den von Gailing schreiben lassen, dessen Inhalt er dem Schreiber vorsagen wolle. Der Plan war so hinterhältig erdacht und versprach so sicheren Erfolg, daß die Ratsherren bald dafür gewonnen waren, zumal Herr Jörg Tetzel geschäftig für den Vorschlag eintrat und sogar den von Elias geforderten Judaslohn von 2000 Goldgulden dem Kopf des Gailingers für angemessen erklärte.
Der Nürnberger Rat hatte guten Grund, Eppeles Kopf um diesen Preis zu kaufen, war doch die Plackerei auf den Straßen ärger denn je vorher, und auch jetzt wieder Seele und gewandtester Arm der in ganz Franken auftretenden Heckenreiterei Eppele von Gailing. Eppele war dem Nürnberger Rat neu aufsässig geworden, weil er den Ritter Wieprecht von Finkenstein hatte enthaupten lassen trotz dem entschiedenen Widerspruch fränkischer Ritterschaft, bei welchem Widerspruch sich der Bund der Dreizehn besonders rührte. Wieprecht von Finkenstein war im Bambergischen begütert und hatte dem Rate zu Nürnberg abgesagt eines Streites wegen, den einer seiner Knechte im Dorfe Thurn bei Forchheim mit einem Nürnberger Hintersassen hatte. Die beiden Streithammel hatten sich beim Dorftanz zu packen gekriegt, wobei aber der Knecht des Finkensteiners schlecht fuhr und eine schwere Tracht heimschleppte. Vom Rate zu Nürnberg forderte der von Finkenstein für seinen Knecht Genugtuung und eine Buße von 500 Goldgulden für die empfangenen Prügel, welche Forderung der Nürnberger Rat schlank verwarf. In der daraus entsprungenen Fehde war Wieprecht von Finkenstein aufgehoben, nach Nürnberg geführt und dort kurzerhand enthauptet worden, was die fränkischen Ritter, allen voran Eppele, für Verletzung des Fehderechtes erklärt und daraufhin Nürnberg mit einem wüsten Raubkrieg überzogen hatten. Das Unwesen nahm um die Jahresmitte 1338 derart überhand, daß selbst der Burggraf von Nürnberg nicht länger mehr zusehen wollte. Obwohl dem Rate gar nicht sehr hold und im Herzen bei der Ritterschaft, sah sich der Nürnberger Burggraf zum Einschreiten gezwungen auf öftere Nachricht hin, ritterliche Haufen hätten sein Geleitsrecht verletzt und sogar auf seinem eigenen Boden Stegreif geritten, am tollsten wieder der von Gailing. Noch hatte der Nürnberger Burggraf dem Gailinger die 2000 Goldgulden nicht vergessen, die, für den Grafen von Orlamünde bestimmt, Eppele damals dem Wucherer Espach abgenommen hatte. Der burggräfliche Mißmut wuchs an dieser Erinnerung, und fleißig streiften die Reisigen des Burggrafen auf den Gailinger und seine Gesellen.
Eine Schar von fünfzig burggräflichen Reisigen trabte an einem Junimorgen 1338 fast noch im Dunkeln durch Forchheim und verschwand in der nach Bamberg zu gelegenen Vorstadt. Im Anwesen des Roßkamms Elias und in den angrenzenden Hütten, Scheuern und Stallungen verteilten sich die Reiter und harrten der weiteren Dinge. Zu dieser Zeit war Eppele eben mit seinen Dreizehn aus Drameysl fort und ritt guten Mutes nach der Forchheimer Vorstadt zum Hause des Elias. Heute war er seines Kaufes sicher und freute sich jetzt schon des prächtigen Braunen, der im Stalle des Elias stand und ein Renner war, der im Fränkischen nichts Ebenbürtiges hatte. Der Roßkamm hatte Eppele brieflich um seinen Besuch gebeten, da er selbst bettlägerig und kaum zu einem Ritt fähig wäre. Auch war in dem Brief ein Preis für den Braunen benannt, der nicht gering, doch einem solchen Handel angemessen war. Eppele legte seinen Haufen in die Hecken bei der Forchheimer Vorstadt, ritt selbst allein bis zum Hause des Roßkamms und stieg im Hofe vor der Stallung ab. Noch keine fünf Schritte hatte Eppele auf das Haus zugetan, als aus allen Ecken und Winkeln die burggräflichen Reiter stürzten. Den ersten Häscher warf Eppele mit einem Fausthieb kopfüber in die Dunggrube, einen zweiten unterlief er im Sprung und schleuderte ihn an die Hauswand, glitt aber von der Wucht seines Anlaufs selbst aus und war von zwanzig Fäusten gebändigt, als er noch, den Knebel bereits vor Augen, den Warnruf seines Haufens ausstoßen konnte. Die Dreizehn kamen auch sofort angesprengt, waren aber auch sofort überfallen und in ein wirres Gefecht vermengt, das nur mit ihrer schleunigen Flucht endigen konnte.
Den Abend dieses Junitages weinte Frau Kunigunde bitterlich auf Drameysl, während sich am Neutor zu Nürnberg das Volk drängte und den gefährlichen Gailinger gefesselt und geknebelt zwischen dem burggräflichen Haufen daherreiten sah.