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Baron Hasselwert vermochte seine Ungeduld, sich bei Jonny Warrens Gewißheit zu holen, nicht lange zu beherrschen. Erst wollte er bis nach dem Feste warten, ehe er wieder einmal nach Wildenfels fuhr. Aber dann überlegte er sich, daß ja der heilige Abend so recht geeignet erschien, eine Verlobung zu feiern. Und so kam er am Tag vor dem Christabend resolut im schönsten Freierdreß in Wildenfels vorgefahren und ließ sich diesmal sofort bei Gräfin Thea melden. Vor Gräfin Susanne fürchtete er sich ein wenig.
Gräfin Thea empfing ihn etwas bestürzt. Sein feierlicher Anzug verriet ihr den Zweck seines Besuches. Er ließ sie auch gar nicht lange im Zweifel, sondern ging schnell auf sein Ziel los und hielt in aller Form um Jonnys Hand an.
Die alte Dame war sehr peinlich berührt, wußte sie doch, wie Jonnys Antwort auf diesen Antrag ausfallen würde. Sie hätte ihm gern einen Korb erspart, aber er ließ ihr gar keine Zeit, ihm einen abwehrenden Wink zu geben.
So antwortete sie ihm, daß Jonny allein über diese Frage entscheiden könne.
Er bat nun um die Erlaubnis, die junge Dame sogleich sprechen zu dürfen.
Gräfin Thea ließ Jonny rufen. Das junge Mädchen erschrak, als sie Hasselwert erblickte und ihr Gesicht rötete sich. Der Baron ging mit Todesverachtung vorwärts und wiederholte seine Werbung.
Jonny hatte sich hinter Gräfin Theas Sessel geflüchtet und umfaßte dessen Lehne, als müsse sie einen Halt haben. In ihrem Gesicht prägte sich tödliche Verlegenheit und große Betrübnis aus.
Als der Baron zu Ende war und sie flehend ansah, nahm sie allen Mut zusammen.
»Herr Baron – Sie erweisen mir eine so große Ehre – aber – verzeihen Sie mir, bitte, – ich kann nicht – es ist mir leider unmöglich, Ihren Antrag anzunehmen – ich kann wirklich nicht.«
Des Barons Gesicht verfärbte sich. »Mein teures gnädiges Fräulein, mein Antrag kommt Ihnen vielleicht zu plötzlich – zu unerwartet,« sagte er bittend. »Wollen Sie mir ein wenig Hoffnung lassen? Sie müssen sich nicht in diesem Augenblick entscheiden. Ich weiß, ich bin bedeutend älter als Sie und würde mich mit einer kindlichen Zuneigung begnügen. Mein Leben ist so einsam – in Hasselwert fehlt die Herrin – ich würde Ihnen die Hände unter die Füße legen – Sie sind mir sehr, sehr teuer – jeden Wunsch würde ich Ihnen erfüllen. Vielleicht ziehen Sie das alles einmal ruhig in Betracht und geben mir dann erst eine entscheidende Antwort.«
Jonny trat hastig einen Schritt vor. »Nein, nein,« wehrte sie ängstlich ab. »Bitte, Herr Baron – glauben Sie mir, ich bin mir ganz klar. Und mein Entschluß wird nie anders ausfallen. Ach, bitte – glauben Sie mir – ich werde überhaupt, will immer bei Großmama bleiben. Seien Sie mir nicht böse, lieber Herr Baron.«
Hasselwert seufzte tief auf und sah sehr niedergeschlagen aus.
»Böse gewiß nicht, mein gnädiges Fräulein, obwohl es mich sehr schmerzt. Es war mein ehrliches Bestreben, Sie glücklich zu machen, glauben Sie es mir.«
Sie sah in sein von roten Aederchen durchzogenes Gesicht, auf sein gelichtetes Haar und die faltigen Wülste unter den Augen. Und vor ihrem geistigen Auge erschien plötzlich neben diesem Freier die schlanke, elegante Gestalt Lothars. Ein heißes Erschrecken durchzuckte sie. Wie kam sie dazu, Lothar in diesem Augenblicke mit dem Baron zu vergleichen? Ihr Herz klopfte bis zum Halse hinauf. Mit peinlicher Schärfe erkannte sie, so wie Lothar würde ihr nie ein anderer Mann gefallen, gleichviel ob er jung oder alt, schön oder häßlich war. Es wäre ihr vermessen erschienen, daran zu denken, daß Lothar eines Tages wie der Baron vor ihr stehen könne. Nein, sie war sich nur bewußt, daß sie nie heiraten würde und nichts wünschte, als mit Lothar in Wildenfels zu bleiben, so wie jetzt.
»Sie sind so gütig, Herr Baron. Es schmerzt mich sehr, Ihnen wehe tun zu müssen. Verzeihen Sie mir.«
Sie trat auf ihn zu und bot ihm kindlich bittend die Hand.
Er zog ihre Hand an seine Lippen.
»Mein gnädiges Fräulein,« stieß er halberstickt hervor.
»Bitte, bitte, bleiben Sie mir auch in Zukunft freundlich gesinnt. Sie werden sehr bald einsehen, daß ich einfaches, schlichtes Ding gar nicht dazu tauge, Baronin Hasselwert zu werden.«
Ihre Lieblichkeit entzückte und rührte ihn zugleich. Ein weiches, fast väterliches Gefühl, wie er es nie gekannt, stieg in ihm auf. Noch einmal führte er ihre Hand an seine Lippen.
»Sie würden einem Fürstenthrone zur Zierde gereichen, mein gnädiges Fräulein. Verzeihen Sie mir, daß ich so vermessen war, zu hoffen, daß Ihre holde Jugend Sonnenschein in mein einsames Haus bringen würde. Leben Sie wohl.«
Hierauf wandte sich Hasselwert an Gräfin Thea, die stumme Zeugin dieser Szene gewesen war, und verabschiedete sich auch von ihr.
Sie war nicht so gerührt, wie die weichherzige Jonny. Nach ihrer Meinung hätte der Baron bei einiger Ueberlegung einsehen müssen, daß es ein Unrecht war, so ein junges Ding an sich fesseln zu wollen.
»Leben Sie wohl, lieber Baron, ich hoffe, Sie kommen schnell über diese Enttäuschung hinweg,« sagte sie trotzdem freundlich. –
Der Baron ließ sich, als er Gräfin Theas Zimmer verlassen hatte, bei Gräfin Susanne melden. Sie empfing den vertrauten Freund in ihrem blauen Zimmer.
»Ich hörte, Sie waren bereits bei meiner Schwiegermutter, lieber Baron,« sagte sie, ihn mit unruhiger Spannung betrachtend.
Er machte ein eigentümliches Gesicht und seufzte ein wenig. »Ich bin nur zu Ihnen gekommen – um mich auslachen zu lassen – vielleicht gibt mir das mein seelisches Gleichgewicht wieder,« sagte er mit Galgenhumor.
»Auslachen? Warum?«
»Weil ich mir heute den zweiten Korb in Wildenfels geholt habe. Vor Jahren gaben Sie mir den ersten, Fräulein Warrens hat mir soeben mit Grazie den zweiten verabfolgt. Nun sitze ich vor Ihnen und erwarte, daß Sie mich auslachen.«
Susanne preßte die Lippen herb zusammen. Nach einer Weile sagte sie vorwurfsvoll:
»Wie konnten Sie sich nur eine solche Blöße geben. Ein Mann wie Sie – und dieses Mädchen.«
Er seufzte verstohlen.
»Ich wäre unsinnig glücklich gewesen, wenn Fräulein Warrens mir ihr Jawort gegeben hätte. Mein Herz wußte nichts von Alter und von Torheit.«
Susanne zog die Stirn in Falten.
»Unsinnig – jawohl – glücklich – das wage ich zu bezweifeln. Ich kann Ihnen nur Glück wünschen, daß Sie abgewiesen wurden.«
»Es kommt alles nur auf die Auffassung an, gnädigste Gräfin. Aber nun will ich Sie nicht länger mit meinen Gefühlen langweilen. In der Hauptsache bin ich zu Ihnen gekommen, um mich zu verabschieden. Nach dem Feste gehe ich auf längere Zeit nach Nizza.«
Susanne lachte zornig auf.
»Nun vertreibt mir dieses Fräulein Warrens auch noch meinen besten Freund.«
Er küßte ihr die Hand.
»Bin ich das wirklich?«
Sie sah ihn lächelnd an.
»Zweifeln Sie daran? Was soll ohne Sie aus unserem Silvesterballe werden?«
»Nun – den will ich noch mit meiner Gegenwart verschönen, auf einige Tage kommt es mir nicht an. Sie bleiben doch auch nur noch so lange in Wildenfels, bis Ihr Herr Sohn abgereist ist, nicht wahr?«
»Ja, ich werde an einigen Hoffestlichkeiten teilnehmen, Ende Januar gehe ich mit Graf und Gräfin Liebenau nach der Residenz.«
»Sehen Sie wohl, dann wäre es noch öder für mich. Und ich halte es jetzt in meinen vier Wänden schon nicht mehr aus.«
»Sie kommen aber Silvester bestimmt, lieber Freund?«
»Mein Wort darauf.«
Gleich darauf verabschiedete sich der Baron und fuhr betrübt nach Hause. Susanne sah ihm betrübt nach.
»Kein Zweifel – sie hofft entschieden, Lothar in ihre Netze zu ziehen, sonst hätte sie den Baron nicht abgewiesen. Aber es soll ihr nicht gelingen – niemals!« dachte sie zornig.