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Ecco la Roma! Lothar sprang auf aus seiner [Kupee-Ecke] und sah gleich seinen Mitreisenden auf die ewige Stadt. Ecco la Roma! Da ist Rom!
Wie freudig sich das die Menschen zuriefen. Lothar erlebte das nicht zum ersten Male, er war schon früher in Rom gewesen. Und doch blickte er mit gleichem Interesse auf das Meer von Dächern, Mauern, und sich daraus hervorhebenden Türmen. Hinter Monte [Mari] hervor leuchtete St. Peter mit seiner majestätischen Pracht im hellen Sonnenglanze.
Als der Zug hielt, stand Lothars Kammerdiener, der ihm vorausgereist war, schon wartend an der Kupeetür. Lothar hatte nichts zu tun, als sich in den bereitstehenden Wagen zu werfen und nach seiner Wohnung zu fahren, die vollständig zu seiner Aufnahme bereit war.
Nachdem er sich umgekleidet und erfrischt hatte, war es Abend geworden. Er ging noch aus. Da er in etwas gedrückter Stimmung war, hoffte er, irgendwelche Aufheiterung zu finden. – – –
Er war in der Hochflut der römischen Festsaison gekommen. Ehe er es sich versah, war er mitten im Trubel der Gesellschaft. Fast keinen Abend war er frei. Manchen Tag mußte er mehrere Festlichkeiten besuchen. Und der vornehme deutsche Aristokrat mit dem eleganten, sympathischen Wesen wurde überall mit Auszeichnung aufgenommen. Schöne Frauenaugen in allen Farben sahen ihn lockend an, manch süßer Mund lachte ihm verheißungsvoll entgegen, und manche weiße Hand bot sich ihm ausdrucksvoll zum Kusse. – Der stattliche Deutsche mit den breiten Schultern und dem geistvollen Gesichte gefiel den römischen Frauen so gut als den deutschen. Früher hätte er wohl dem Zauber nicht so leicht widerstehen können. Aber jetzt schob sich Jonnys goldschimmerndes Köpfchen zwischen ihn und jede Versuchung, ihre reinen, zärtlichen Augen strahlten ihn an im Wachen und Träumen. Sie war die Eine, Einzige, der sein ganzes Herz gehörte.
Mit welchem Entzücken preßte er jetzt ihre Briefe an seine Lippen, wie wichtig und interessant erschien ihm jedes Wort, das sie ihm schrieb.
Sie wechselten noch fleißiger als früher Briefe miteinander. Mochte er noch so viel Ablenkung haben durch sein Amt und die Geselligkeit: um Jonnys Briefe zu lesen und ausführlich zu beantworten, hatte er immer Zeit.
Der Inhalt dieser Briefe war fast noch ganz in dem frühern Tone gehalten, aber ihre Worte wurden ihm lebendig, er sah sie dabei vor sich in ihrem ganzen maifrischen Zauber, ihrer ganzen Holdseligkeit. Ihre Worte waren so ganz der Ausfluß ihrer Persönlichkeit, eine köstliche Vereinigung der heitern Plauderei eines Kindes mit der Gedanken- und Gemütstiefe des werdenden reifenden Weibes. In seine Briefe schlich sich wohl trotz aller Vorsicht manchmal ein heißeres Wort und eine heimliche, sehnsüchtige Frage; die Briefe wurden immer gehaltvoller und wärmer, aber nie vergaß er ganz, daß er ihren Frieden nicht stören durfte. – – –
Gleich nach Lothar war Gräfin Susanne nach der Residenz abgereist, um noch an einigen Hoffestlichkeiten teilzunehmen. Sie kam dort fast täglich mit Liebenaus zusammen. Anscheinend hatte Lothar Eindruck auf Komtesse Herta gemacht. Ihre Eltern kamen seiner Mutter entschieden mehr entgegen, und ohne es direkt auszusprechen, war man darüber einig, daß eine Verbindung der beiden jungen Leute beiderseitig sehr erwünscht sei.
Ende Februar wollten Liebenaus, angeblich um Hertas Vetter zu besuchen, nach Rom gehen und bis zum Osterfeste dort bleiben. Susanne ahnte sehr wohl, daß Lothars Anwesenheit in Rom gerade für diese Reise nicht zuletzt bestimmend war. Sie überlegte sich, daß die jungen Leute dort eher einander nahe zu bringen seien. Lothar stand dort nicht unter dem unmittelbaren Einflusse seiner Großmutter und Jonny konnte ihn ebenfalls nicht ablenken. Es fiel ihr ein, daß es von Nutzen sein könnte für ihre Pläne, wenn sie selbst als Vermittlerin mit nach Rom ging. Ein Aufenthalt in der ewigen Stadt würde außerdem sehr reizvoll sein. In Wildenfels dagegen würde sie ohnedies trostloser Langerweile anheimfallen – zumal ihr Freund Hasselwert abwesend war. So entschloß sie sich kurzerhand, Graf Liebenau und seine Damen nach Rom zu begleiten. Die Art, wie ihr Entschluß von der Komtesse Herta und ihren Eltern aufgenommen wurde, verriet ihr zur Genüge, wie viel Wert diese auf ihre Begleitung legten.
Susanne kehrte nur für drei Tage nach Wildenfels zurück, um allerlei Vorbereitungen für eine längere Abwesenheit zu treffen. Gräfin Thea war nicht wenig überrascht von ihrem Plane, nach Rom zu reisen. Sie begriff sofort, zu welchem Zwecke Susanne die Liebenaus begleitete. Aber sie sagte kein Wort, trug nur ihre Grüße auf für Lothar und wünschte ihr viel Vergnügen. Am 26. Februar reiste Susanne mit den Liebenaus nach Rom. Sie hatte Lothar ihre Ankunft gemeldet. Er war sehr überrascht gewesen, freute sich aber, sie einige Wochen in der Nähe zu haben, war sie doch ein Bindeglied zwischen ihm und der Heimat.
Er belegte im Hotel Quirinal Wohnung für sie und erwartete sie zur angegebenen Zeit am Bahnhofe.
Wie groß war aber sein Erstaunen, als er sie in Gesellschaft der gräflichen Familie aussteigen sah. – Ein Blitz der Erkenntnis schoß durch seine Gedanken. Plötzlich wußte er genau, weshalb seine Mutter nach Rom gekommen war. Sie hoffte sicher, ihn hier in der Fremde ihren Plänen leichter geneigt zu machen.
Mit keiner Miene verriet er, was er dachte. Mit förmlicher Artigkeit begrüßte er die Herrschaften, die im gleichen Hotel wie seine Mutter Wohnung nahmen.
Es verging nun kein Tag, an dem er nicht mindestens einmal mit Komtesse Liebenau zusammentraf. Besuchte er seine Mutter, so durfte er sicher sein, daß sich die junge Dame bei ihr einstellte. Holte er seine Mutter zu einer Spazierfahrt ab, dann fand sich für diese immer ein Grund, die Komtesse allein oder mit ihren Eltern ins Schlepptau zu nehmen.
Den römischen Karneval, dieses farbenfreudigste aller Feste verlebte er in Gesellschaft der Liebenaus. Bei dem berühmten Blumenkorso saß er mit der Komtesse und seiner Mutter in einem mit Veilchen geschmückten Wagen und wunderte sich garnicht, daß die junge Dame genau wußte, daß Veilchen seine Lieblingsblumen waren und daß sie aus diesem Grunde ihren Wagen damit geschmückt hatte.
Er erkannte immer deutlicher, wie fleißig daraufhin gearbeitet wurde, ihn der Komtesse näher zu bringen.
Nie wurde es einem Kavalier leichter gemacht, um eine Dame zu werben, als ihm. Es fehlte nicht an stimmungsvollen Gelegenheiten aller Art, ihm das Herz warm zu machen und die Zunge zu lösen. Das reizlose blutarme Komteßchen schien allen Ernstes Feuer gefangen zu haben. Ihre schweren Augenlider hoben und senkten sich ausdrucksvoll, wenn sie mit Lothar sprach. Sie gab sich sichtlich Mühe, ihn zu fesseln, und ihre Mutter und die Gräfin Susanne ersannen die herrlichsten verführerischen Kostüme für sie. Nur das Persönchen selbst bekam dadurch nicht das geringste Verführerische für Lothar, trotz aller Mühe.
Dem jungen Manne wurden diese immer deutlicher werdenden Veranstaltungen reichlich unangenehm. So oft er konnte, schob er dienstliche Abhaltung vor. Die Freude am Besuche seiner Mutter war ihm längst vergällt worden. Als er einmal einen dienstlichen Vorwand gebraucht hatte, um sich von einem gemeinsamen Ausfluge frei zu machen, mußte er zu seinem Leidwesen erfahren, daß durch den Vetter der Komtesse verraten worden war, daß es eben nur ein Vorwand gewesen. Seine Mutter aber machte ihm Vorwürfe, die geborene Prinzessin neckte ihn mit süßsaurer Vertraulichkeit, Graf Liebenau blinzelte ihm jovial vertraulich zu und sprach von der Anziehungskraft beliebter Künstlerkneipen, die man eben auch einmal besuchen mußte und Komtesse Herta versuchte zu schmollen.
Lothar war dies alles sehr lästig. Man begann in der römischen Gesellschaft schon aufmerksam zu werden auf das junge deutsche Paar, das man überall beisammen sah. Eines Tages neckten einige Freunde und Bekannte Lothar ziemlich deutlich mit seiner Vorliebe für die Gesellschaft der Liebenaus. Er wies sehr energisch und verstimmt diese Neckereien zurück. Aber dieser kleine Zwischenfall war der Tropfen, der den Becher seiner Geduld zum Ueberlaufen brachte. Er besuchte seine Mutter am nächsten Tage zu einer Zeit, da er wußte, daß die Liebenaus mit dem Vetter Kirchen und Museen besichtigten. Gräfin Susanne kannte das alles schon und liebte solche anstrengenden Genüsse nicht. So traf er sie, wie er gehofft hatte, allein an.
Ohne Umschweife bat er sie eindringlich, ihn in Zukunft so wenig wie möglich mit Komtesse Herta zusammen zu bringen.
Gräfin Susannes Gesicht rötete sich. »Aber ich bitte dich, Lothar, warum verlangst du das? Die Liebenaus sind mir so sympathische, charmante Persönlichkeiten, deren Gesellschaft ich hier schwer entbehren könnte. Und Herta ist doch wirklich eine so liebenswürdige junge Dame, sie besitzt so vornehme Charaktereigenschaften, und –«
»Verzeihe, daß ich dich unterbreche, Mama, ich kenne alle Vorzüge, die du an Komtesse Liebenau gefunden hast, zur Genüge, da du mir dieselben oft genug aufgezählt hast. Leider kann ich deinen Geschmack nicht teilen – die junge Dame ist mir mehr als gleichgültig. Ich bitte dich, gib deine nutzlosen Bemühungen auf. Die Komtesse Liebenau wird ganz sicher niemals Gräfin von Wildenfels. Deshalb möchte ich vermeiden, daß man unsere beiden Namen mit mehr oder weniger diskretem Lächeln zusammen nennt, wie ich leider schon gestern abend gehört habe. Im Interesse der jungen Dame möchte ich jede falsche Deutung vermeiden.«
Seine Mutter nagte erregt an ihrer Lippe. Dann richtete sie sich energisch empor und sah ihn fest und entschlossen an.
»Nun denn – du sollst hören, daß es mein Wunsch und Wille ist, daß du dich noch während meines Hierseins mit Komtesse Herta verlobst. Ich bin eigens zu dem Zwecke mit nach Rom gekommen, euch einander näher zu bringen.«
»Darüber war ich mir klar seit dem Augenblicke, da ich dich in ihrer Gesellschaft hier ankommen sah. Es war mir sehr unangenehm, daß du mich so viel zu einem Zusammensein mit ihr nötigst, denn ich kann dir deinen Wunsch nicht erfüllen. Wie konntest du nur einen Augenblick annehmen, daß ich mich auf solche Weise zu einer, wie du wissen mußt, mir sehr unsympathischen Verbindung zwingen lassen würde? Das widerstrebt meinem Charakter vollständig. Selbst wenn mir die Komtesse weniger gleichgültig wäre, hätten mich diese Bemühungen abgestoßen. Wenn ich mich einmal verheirate, werde ich mir schon selbst eine Frau aussuchen. Verzeihe mir, daß ich das alles so unumwunden ausspreche, aber ich muß deutlich werden, da du meine Abwehr nicht verstanden hast oder nicht verstehen wolltest. Bei allem schuldigen Respekt vor dir – aber du weißt, daß ich einen sehr ausgesprochenen Selbständigkeitstrieb habe und mich nicht am Gängelbande führen lasse.«
Gräfin Susanne zog die Stirn finster zusammen. – »Dieser Selbständigkeitstrieb ist entschieden eine Frucht der Erziehung durch deinen plebejischen Hauslehrer. Du vergißt, daß es gottlob in unsern Kreisen noch üblich ist, daß die Eltern über die Verbindungen ihrer Kinder bestimmen. Dein Vater und ich, wir haben uns auch nur dem Befehle unserer Eltern gefügt, daß wir heirateten.«
Lothar ergriff ihre Hand und sah ihr ernst und bittend ins Gesicht.
»Und Ihr seid beide glücklos geworden, Mama. Kannst du das leugnen?«
Sie entzog ihm lächelnd die Hand.
»Das sind Empfindungen für Bürgersleute. Was heißt übrigens glücklos? Wir waren eben zu verschiedene Charaktere.«
»Wahre Liebe gleicht auch solche Unterschiede aus. Nur die Liebe fehlte.«
Sie zuckte spöttisch die Achseln.
»Du redest wie ein schwärmerischer Primaner. Wahre Liebe – bah – Ammenmärchen – die gibt es nicht in dem Sinne, wie du meinst, glaube es mir.«
Lothars Augen leuchteten auf.
»Doch – man muß nur daran glauben und ihr sein Herz nicht verschließen.«
»Hast du es vielleicht schon an dir selbst erfahren?«
Er zögerte einen Augenblick. Gern hätte er sich zu seiner Liebe bekannt. Aber er durfte es nicht, Jonnys wegen.
»Jedenfalls weiß ich, daß ich für Komtesse Liebenau nichts – garnichts empfinde als den Wunsch, nicht mehr mit ihr zusammentreffen zu müssen,« antwortete er ausweichend.
Sie sah ihn lauernd an.
»Und wenn ich nun schon mit ihren Eltern einig wäre, daß eine Verbindung zwischen Euch nur eine Frage der Zeit ist?«
»Du hattest kein Recht, eine solche Abmachung zu treffen!«
»Doch, das Recht der Mutter an ihrem Sohne.«
»Dieses Recht geht nur bis zu einer gewissen Grenze. Bist du irgendwelche Verpflichtungen eingegangen, so mußt du sie schon selbst wieder lösen.«
»Willst du mich bloßstellen? Was soll ich für einen Grund angeben? Es gäbe nur einen, der stichhaltig wäre – daß du ohne mein Wissen bereits eine andere Verpflichtung eingegangen wärst.«
Wieder traf ihn ein lauernder Blick. Er fing ihn auf und mahnte sich selbst zur Ruhe und Vorsicht. »Zwar bin ich noch keinerlei derartige Verpflichtungen eingegangen, aber meinetwegen benutze diese Ausrede. Sage den Liebenaus, was du willst, nur befreie mich endlich von dem Zwange, ihnen überall begegnen zu müssen und ihren ziemlich deutlichen Bemühungen ausgesetzt zu sein, was nachgerade unerträglich geworden ist. Sogar ihr Vetter liegt mir mit Lobgesängen auf seine Kusine in den Ohren, wenn ich amtlich mit ihm zusammentreffe. Ich streike einfach, das halte ich nicht länger aus.«
Die letzten Worte brachte er heftig und ungestüm heraus. Seine Mutter machte ein nervös abwehrendes Gesicht.
»Du bist unglaublich burschikos in deinen Ausdrücken. Das ist auch noch ein Andenken an Wetzel. Im übrigen vermisse ich schmerzlich den Ton kindlicher Verehrung in deinen Worten.«
Er küßte schnell ihre Hand.
»Verzeih, Mama, ich bin zu heftig geworden, aber bedenke meine Lage. Zwang ertrage ich nicht, bitte, befreie mich davon. Dann will ich dir sehr dankbar und ergeben sein.«
Sie seufzte tief auf.
»Mit dir ist nichts – garnichts anzufangen, du bist ein Starrkopf.«
»Besser als ein – Schwächling,« sagte er leise.
Etwas in seinem Ausdrucke mahnte sie zur Vorsicht. Sie wußte, daß er mit diesem Worte sie an den Ausspruch über seinen Vater erinnern wollte, und sie fühlte auch, daß ihm der tote Vater noch heute mehr galt, als die lebende Mutter. Daß sie wirklich keine Aussicht mehr hatte, Lothar mit Komtesse Herta zu verbinden, sah sie ein. Vielleicht war die junge Dame doch zu reizlos. Aber wenn sie auf diesen Wunsch verzichten mußte, wollte sie sich wenigstens in einer andern Weise davor sichern, daß er keine törichte Verbindung eingehen würde.
»Nun wohl – ich werde sehen, was sich tun läßt. Aber dafür verlange ich ein bindendes Versprechen von dir.«
»Welches Versprechen?«
»Daß du nie eine andere als standesgemäße Ehe eingehen wirst.«
Lothar hatte sein Gesicht in der Gewalt, kein Zucken verriet seine Empfindungen bei diesen Worten.
»Ich verspreche dir, daß ich nie einer Dame meine Hand reichen werde, die nicht würdig ist, Gräfin Wildenfels zu heißen.«
»Bah – das ist ein sehr dehnbarer Begriff, mein Sohn.«
»Ein anderes Versprechen kann ich dir nicht geben, Mama.«
Sie preßte zornig die Nägel in ihre Handflächen und ein böses Leuchten trat in ihre Augen. »Er denkt dennoch an diese Jonny Warrens – das scheint mir sicher. Nun denn – ich werde meine Maßnahmen zu treffen wissen. Dieses Mädchen soll und muß unschädlich gemacht werden auf irgend eine Weise,« dachte sie erbittert.
»Und ich sage dir, daß ich nie eine andere als standesgemäße Nachfolgerin in Wildenfels haben will. – Ich schwöre dir, nie werde ich meinen Segen geben zu einer unebenbürtigen Heirat, so wahr das Wappenschild der Grafen Wildenfels rein und makellos ist bis auf den heutigen Tag. Nie hat ein Wildenfels seinem Namen eine Schmach angetan, auch nicht den Makel einer unebenbürtigen Heirat. Du sollst nicht der erste sein, das schwöre ich dir, der einen Makel auf seinen Namen heftet.«
Lothar war bleich geworden, aber in seinen Augen glühte ein unabänderlicher Entschluß.
»Ein Makel würde es nur dann sein, wenn ich eine Frau mit schlechtem Rufe heiraten würde.«
»Das ist deine bequeme Auffassung. Ich halte mich an meinen Schwur,« sagte sie kalt und scharf.
Lothar richtete sich hoch auf. »Solch ein Schwur kann zu einem zweischneidigen Schwerte werden, Mama. Uebrigens ist es sehr gewagt, einen Schwur abzulegen auf das, was ein andrer tun und lassen wird.«
Sie starrte ihn finster an.
»Ich bleibe bei dem, was ich dir gesagt habe – und daran halte ich fest.«
Mutter und Sohn trennten sich heute in gereizter, erbitterter Stimmung.
Aber in Zukunft hatte er Ruhe vor Komtesse Liebenau und ihrer Familie. Gräfin Susanne hatte mit Graf und Gräfin Liebenau gesprochen und es sehr bedauert, daß ihr Sohn, ohne ihr Vorwissen, bereits Verpflichtungen eingegangen sei.
Das Verhältnis zwischen ihr und Liebenaus lockerte sich merklich. Man zog sich gegenseitig zurück. Die Herrschaften kehrten früher, als sie beabsichtigt hatten, unter einem Vorwande nach Hause zurück.
Gräfin Susanne blieb bis nach dem Osterfeste. Ihr Verhältnis zu Lothar blieb merklich gespannt. Der Abschied fiel noch kühler aus als sonst, als sie abreiste.
Lothar konnte einer gewissen Verstimmung nicht Herr werden. So töricht ihm der Schwur seiner Mutter erschien, mußte er sich doch sagen, daß er nun niemals darauf rechnen konnte, ihren Segen zu seiner Vereinigung mit Jonny zu erhalten. Er kannte die Chronik seines Hauses genau genug, um zu wissen, daß keinem seiner Vorfahren der geringste Makel nachzuweisen war. Und ohne den Segen seiner Mutter zu heiraten, dünkte ihm bitter – so fern sie sich auch innerlich standen.
Trotzdem dachte er nicht einen Moment daran, Jonny aufzugeben, dazu liebte er sie zu sehr. Er war sicher, daß seine Mutter argwöhnisch war, daß ihr Schwur nur deshalb abgelegt wurde, um ihn von einer Verbindung mit Jonny zurückzuhalten.
Jedenfalls sehnte er sich nun doppelt danach, daß dieses Jahr vergehen möge, damit er heimkehren und um Jonnys Besitz kämpfen konnte.
Nach Ostern wurde es bald still in Rom. Die Fremden reisten ab und die vornehmen Römer suchten Sommerfrischen auf am Meere oder im Gebirge.
Auch die Herren der Gesandtschaft zogen es vor, aufs Land zu ziehen, als es heißer und heißer wurde.
Lothar tat das Gleiche. Er mietete sich in Rocca di Papa ein kleines Häuschen, rings von blühenden Gärten umgeben. Hier gedachte er die heißen Monate zuzubringen und sich nur in Rom aufzuhalten, wenn ihn seine Geschäfte unbedingt festhielten.
Ein befreundeter junger Diplomat wählte gleichfalls dieses idyllische Oertchen als Sommeraufenthalt. Mit ihm zusammen unternahm Lothar kleine Ausflüge in das Albanergebirge, wenn die Sonne sich dem Untergange zuneigte.
Eines Abends hatten sich die beiden Herren in unbekannter Gegend verirrt und fanden sich erst spät auf den richtigen Weg zurück. Beim hastigen Vorwärtsschreiten glitt Lothar aus und fiel so unglücklich einen kleinen, aber steilen Abhang hinab, daß er den Unterschenkel brach.
Mit zwei herbeigerufenen Landleuten brachte ihn sein Freund auf einer zurechtgemachten Bahre nach Hause und holte einen Arzt herbei.
Es war nur ein einfacher Bruch, der in wenig Wochen geheilt sein würde. Immerhin war Lothar zum Stilliegen verurteilt und hatte nun Zeit und Muße, seinen unerfreulichen und sehnsüchtigen Gedanken Audienz zu geben. »Jonny – liebe kleine Jonny – wärst du bei mir,« dachte er oft in ungestümer Sehnsucht. Er wünschte sich Flügel und mußte doch bewegungslos auf seinem Lager ausharren.
Sein Kammerdiener hatte seine liebe Not mit ihm, denn er war ein ungeduldiger Patient und das Kranksein nicht gewöhnt. –