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Viertes Kapitel

Tanzai's Wahl. Geschenk der Barbacela

Diejenigen, die nur die Natur und deren Regungen kennen, werden glauben, daß, wenn es den Prinzen verdroß, weggehen zu müssen, die Prinzessin nicht weniger verdrießlich war, ihn fortgehen zu sehen. Sie werden vielleicht denken, daß sie sich Vorwürfe machte, so geschrien zu haben, daß man sie im Vorgemach hatte hören können. Diejenigen, die noch weiter in ihren Betrachtungen gehen, werden sagen, daß ihre Tugend bei dieser Gelegenheit zu viel Gefahr lief, als daß sie das Fortgehen des Prinzen nicht mit Verdruß hätte ansehen und sich nicht Vorwürfe darüber hätte machen sollen, daß sie nicht eher geschrien.

Das ist stets das Unglück der Helden und Heldinnen, deren Geschichte man der Nachwelt überliefert. Der Leser beurteilt sie weniger nach dem, was sie, den Umständen nach, worin sie sich befinden, tun können, als nach dem, was sie seiner Meinung nach hätten tun sollen. Er setzt sich, kalten Bluts, an ihre Stelle und, unbefangen von den Leidenschaften, die sie beseelten, spricht er sie los oder verdammt sie, je nachdem der Erfolg ihrer Unternehmungen gewesen sein mag. Er untersucht nicht, ob die Umstände ihnen Zeit ließen, Beratungen mit sich selbst vorzunehmen, oder ob ihnen ihr Affekt nur so viel Muße gönnte, ans Überlegen zu denken. Sonach wird man nicht unterlassen, günstige und ungünstige Urteile über Neadarnens Benehmen anzustellen. Was man aber auch sagen mag, sie mag nun diesem zu früh, jenem zu spät geschrien haben, so ist einmal dies gewiß, daß sie geschrien hat und daß viele Frauenzimmer in solchem Falle es bei der Drohung bewenden lassen und viel später, mindest viel leiser als die Prinzessin, Ernst aus dieser Drohung gemacht hätten.

Sie hatte sich von dem Schreck, den des Prinzen Lebhaftigkeit ihr verursacht hatte, noch nicht völlig erholt, als er wiederkam, ihr zu sagen: er habe soeben den Staatsrat verlassen und seine Wahl darin bekannt gemacht. Endlich, göttliche Prinzessin, sagte er zu ihr, werdet Ihr mein sein. Meine Liebe ist zu heftig, um mich Gesetzen zu unterwerfen, die eine schüchterne und jetzt unnötige Vorsicht mich hatte für nötig erachten lassen. Heute noch schickt man die Prinzessinnen zurück, die auf meine Hand Anspruch machten. Ich will die Verdrießlichkeiten jener Marterwoche abkürzen, die mich zum endgültigen Entschluß bringen sollte. Ich bedarf es nicht mehr, jene Damen zu sehen, die mir verhaßt sind. Alles schickt sich zu meinem Glück. Und nichts wird dasselbe forthin verzögern, wenn Ihr einwilligt, es mir zu verschaffen. – Ach! Tanzai, rief sie, warum sagt Ihr mir bloß von Eurem Glück, vergeßt Ihr denn, daß Ihr das meinige macht?

In diesem Augenblick trat der König in Neadarnes Zimmer und unterbrach das Gespräch. Er äußerte ihr, – und das führte ihn her – daß die Wahl seines Sohnes ihm sehr angenehm sei. Sodann verabredete man den Vermählungstag. Er ward auf den Anfang der folgenden Woche festgesetzt. Der Prinz hätte es gern gesehen, daß dieser Tag nicht so weit wäre hinausgeschoben worden; allein das Beilager sollte mit so vielem Pomp gefeiert werden, daß er unumgänglich so lange warten mußte, bis alles dazu in Bereitschaft gesetzt war. Nachdem man alle diese Maßregeln genommen hatte, tat man dem Volke kund, daß Tanzai sich mit Neadarne, der Tochter des großen Königs von Koapuchulim vermählen würde. Dies Bündnis war den Untertanen um so angenehmer, da dieser König in der Tat sehr mächtig war, seine Staaten an die Scheschianei grenzten und Neadarne die einzige Erbin war; folglich die beiden Reiche nach des Königs Tode unter Tanzai sich vereinigten, dessen Macht dadurch ungemessen wurde. Man erteilte dem Prinzen große Lobsprüche und maß seiner tiefen Staatsklugheit bei, was nichts als die Wirkung des Ungefährs und der Liebe war. Was bei dem Volke so gute Aufnahme gefunden hatte, fand sie ganz und gar nicht bei den Prinzessinnen. Ihr Verdruß war ausnehmend groß und es war keine unter ihnen, die nicht acht Tage lang Migräne und trübe Augen hatte. Einige Schriftsteller aus der Zeit behaupten sogar (es ist gleichwohl gar nicht glaublich), daß der Schmerz dieser Prinzessinnen und ihre Liebe zu Tanzai so weit gegangen sei, daß unter ihnen keine gewesen wäre, die ihm nicht unter der Hand einen gütlichen Vergleich angetragen hätte. Er war von Neadarne zu sehr eingenommen, als daß er Lust gehabt hätte, diesen Anträgen Gehör zu geben. Vielleicht ist auch diese Sache nicht einmal wahr; so viel ist ausgemacht, daß ihre Verzweiflung ihm nicht so nahe ging, daß er irgend einen seiner Entschlüsse deswegen geändert hätte. Allein mitten unter so vieler Freude drängten sich Tanzai schwermütige Betrachtungen wegen Barbacelas Drohung auf. Er erwog, daß er nicht nur, ohne sie zu Rate zu ziehen, eine Wahl getroffen, sondern dieselbe auch aller Welt kundgetan habe, ohne sie ihr zu melden. Er befürchtete, sie möchte ihn für diese wenige Achtung durch Entziehung ihres Schutzes bestrafen. Mit diesen Gedanken war er beschäftigt, als man ihm die Ankunft der Fee meldete. Wiewohl diese Nachricht ihn bestürzte, ging er dennoch zum König, wo sie sich befand.

Ich mache Euch wegen der getroffenen Wahl keine Vorwürfe, sagte sie zu ihm; sie ist meinen Absichten gemäß, ich wünschte aber, daß Ihr nicht weiter ginget und mit der Vermählung so lange wartet, bis Ihr Neadarne ohne alle Gefahr besitzen könnt. Das Schicksal droht Euch nur mit widrigen Ereignissen, wenn Ihr vor zurückgelegtem zwanzigsten Jahre Euch vermählt und Ihr könntet ... Ich weiß, himmlisches Wesen, unterbrach sie Tanzai, was Eure Klugheit und Güte mir raten wollen. Aber ich kann nicht warten. Komme ich nicht bald zu Neadarnens Besitz, so sterbe ich. Wie gräßlich auch die Schläge sein mögen, die das Schicksal mir aufbewahrt, sie werden mir minder hart dünken, als der kleinste Aufschub. Überdies kann ich nicht begreifen, weshalb das Schicksal ergrimmt ist, daß ich mich vor meinem zwanzigsten Jahre vermähle, und ich kann nicht glauben, daß eine Begebenheit, wie diese, woran ihm so wenig gelegen sein muß, es dahin bringen könnte, mich zu verfolgen. – Mein Sohn, versetzte die Fee, ich kann zwar durch meine Weisheit die Verläufe des Schicksals zuvorsehen, deren Ursachen aber bleiben mir verborgen. Inzwischen müßt Ihr denken, daß das Verhängnis seine Gründe hat, und gehorchen, ohne darüber nachzugrübeln. Unglücksfälle werden nur zu gewiß sein. Doch gibt es trotz Eurer Vermählung noch ein Mittel, ihnen zu entgehen. Hier ist es.

Bei diesen Worten zog die Fee unter ihrem Rock einen goldenen Schaumlöffel hervor, der drei Fuß lang war und dessen runder Stiel drei Zoll im Durchschnitt enthielt. Der Stiel hatte ein Loch, von der erforderlichen Weite, daß eine Kette von Edelsteinen hätte durchgezogen werden können. Was ist das für ein Kleinod? fragte der Prinz. Eins, das meine Freundschaft für Euch aufgehoben hat, versetzte die Fee, und Ihr sollt davon folgenden Gebrauch machen.

Am Tage Eurer Vermählung werdet Ihr bei dem Tempel eine kleine Matrone finden. Dieser bemächtigt Euch, und trotz all ihres Sträubens und Flehens stoßt ihr ohne alle Barmherzigkeit den Stiel dieses Schaumlöffels in den Mund. – Aber Eure ätherische Hoheiten, wo werd ich einen Mund finden, der diesen Stiel faßt? – Das ist nicht Eure Sorge, entgegnete die Fee, auch sage ich Euch nicht, daß die Alte bei dieser Operation nicht Schmerzen ausstehen sollte. Doch, damit ist die Sache nicht abgemacht. In dem Augenblick, da Ihr den Stiel aus dem Munde der Alten gezogen, müßt Ihr zum Oberpriester eilen und das Nämliche auch ihm tun.

Dem Oberpriester! rief der König. Darein wird er nie willigen. Den Stiel eines Schaumlöffels hinunterwürgen! Das tut er in Ewigkeit nicht. – Ich weiß nicht, was er tun wird, versetzte der Prinz, wäre ich aber an seiner Stelle, so sollte keine Macht auf Erden mich dazu zwingen können. – Gleichwohl muß er unumgänglich dahin gebracht werden, entgegnete die Fee, nicht mit Gewalt, sondern durch Überredung und die gelindesten Mittel, deren Ihr Euch nur bedienen könnt. – Inzwischen würde doch Gewalt sicherer sein als alles, was Ihr saget, nahm Tanzai wieder das Wort. Gesetzt nun aber, er willigt darein, wozu kann mir das frommen? – Die Euch bedrohenden Unglücksfälle abzuwenden, versetzte die Fee. – Laßt uns aber einmal annehmen, daß er nicht darein willigte, hub Tanzai wieder an. – In dem Fall, sagte die Fee, müßt Ihr Euer Beilager nicht vollziehen, oder Euch all dem unterwerfen, was Euch Trauriges begegnen wird.

O, in dem Fall, rief der Prinz, wird mir der Oberpriester auch den Schaumlöffel niederwürgen müssen! – Ich habe Euch schon gesagt, erwiderte die Fee, daß nichts durch Gewalt geschehen soll. – Aber glaubt Ihr in vollem Ernst, entgegnete Tanzai, daß ein Mensch, dem man dergleichen Antrag tut, ihn annehmen kann? Dieser Stiel ist von so ungeheurer Größe, daß kein Mund scheuntormäßig genug sein wird, davon nicht noch aufgeschlitzt zu werden. Allein, fügte er hinzu, wenn mirs verboten ist, Gewalt zu gebrauchen, kann ich mich doch wohl der List bedienen?

Meinethalben, sagte die Fee; aber erinnert Euch dessen, was ich Euch empfohlen habe. Haltet die Sache geheim. Befestigt den Schaumlöffel an Eurem Knopfloche und seid versichert, daß dies das einzige Werkzeug ist, das Euch aus der Verlegenheit ziehen kann. Wahrlich, versetzte der Prinz, wenn das Schicksal mir seltene Unglücksfälle bereitet, so muß man gestehen, daß es mir sonderbare Mittel dagegen verordnet. Erinnert Euch auch, sagte die Fee, wenn Euch unangenehme Vorfälle betreffen, daß Ihr mich nicht um Hülfe rufen dürft, ich werde Euch in Nichts dienen können.

Die Fee verschwand mit diesem Worte, und hinterließ Cephaes, erstaunt über den Schaumlöffel, und Tanzai, fest entschlossen, sich seiner zu bedienen, möge die Art nun sein, welche sie wolle.


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