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Trompeten und Klarinetten verkündeten dem Volke, daß es seine Gebieter sehen würde. Endlich erschien Neadarne vom Prinzen geführt. Was bei der mühsamen Toilette vorgefallen war, hatte bei der jungen Dame eine Röte zurückgelassen, die ihre Schönheit und Tanzais Begierden erhöhte. Der König stieg mit ihnen in einen Wagen. Der Prinz war prächtig gekleidet, und sein teurer Schaumlöffel befand sich in einem Wehrgehänge, war oberwärts an einer Kette von Edelgesteinen befestigt und wurde durch eine brillantene Agraffe zusammengehalten. Seine Wohlgestalt wurde dadurch ungemein erhöht.
Neadarne, die sich so wie jedermann gewundert hatte, daß er von diesem Küchengerät so viel her machte, unternahm es, da sie wie alle anderen, dessen Eigenschaften nicht kannte, es den Grillen zuzuschreiben, die bisweilen Prinzen und großen Herren anwandeln, die nicht zu rechtfertigen sind und wegen deren Beweggrund man sie nicht zur Rede stellen darf. Unter all den Hofschranzen war keiner, dem dieser Schaumlöffel nicht lächerlich vorgekommen wäre und der ihm demungeachtet nicht hätte haben mögen; und ohne das Verbot des Prinzen würde man in Kurzem nichts als Schaumlöffel bei Hofe gesehen haben. Neadarne, die endlich entschlossen war, ein Geheimnis zu durchdringen, das ihre Neugier schon lange gefoltert hatte, glaubte endlich zu deren Befriedigung den günstigen Augenblick gefunden zu haben. Quell meiner Freude, sagte sie zum Prinzen, indem sie ihn zärtlich anblickte, werdet Ihr mir nie sagen, was dieser Schaumlöffel bedeuten soll? Prinzessin, gab er ihr gravitätisch zur Antwort, er muß das Glück unseres Lebens entscheiden. – Was kann dieser Schaumlöffel, versetzte sie, mit uns für Zusammenhang haben? Das werdet Ihr bald erfahren, erwiderte er, und Eure Augen werden vielleicht Zeugen der sonderbarsten Ereignisse sein. – Mit Vollendung dieser Worte kamen sie beim Tempel an.
Der Oberpriester erwartete sie daselbst an der Spitze der ganzen Geistlichkeit. Dieser Mann, der es verdient, näher gekannt zu werden und der sich mehr mit seinem persönlichen Interesse als mit gottesdienstlichen Angelegenheiten beschäftigte, war zu dem Posten, den er bekleidete, nur durch vieles Intrigieren und durch seltene Geschmeidigkeit gelangt. Wenig geschätzt, desto mehr gefürchtet, bediente er sich öfters, sogar gegen den Willen des Königs zu streiten, einer Gewalt, die die Religion unumschränkt machte. Er war noch jung und von angenehmer Figur, die ihm bei Hofe vielleicht mehr geholfen hatte, als alle seine Kabalen. Schlecht in der Theologie bewandert, aber verführerisch bei den Damen, erfüllte er die Pflichten seines Amts mäßig, um denen besser obliegen zu können, die er sich gegen das schöne Geschlecht auflegte. Dem öffentlichen Gerücht nach, war er durch das Schlafgemach einer Prinzessin zum Oberpriestertum von Scheschian gelangt. Übertrieben nett und sauber in seinem Anzuge, kostbar in seinen Reden, affektiert in seinem Betragen, prachtvoll in Equipagen, geschmackvoll in seinem Luxus, Freund der Tafel und Sklave aller Leidenschaften, war er ein geschickter Hofmann, ein herrschsüchtiger Priester, guter Liederdichter und angenehmer Erzähler. Man hatte ihm hundert gute Epigramme zu danken; was die Homilien anlangte, so ließ er die von seinem Sekretär schreiben. Er war eitel und wollte gern für einen Mann angesehen sein, der viel Glück bei den Damen machte. Außerdem bildete er sich viel darauf ein, einen, besonders schönen Mund und eben so schöne Zähne zu haben. So war der Mann beschaffen, der auf den Prinzen wartete. Das erste, was Tanzai tat, wie er ausstieg, war, daß er sich umsah, ob er die Alte nicht entdecken könnte, wovon Barbacela mit ihm gesprochen hatte. Endlich wurde er gewahr, daß sie sich hinter der Leibwacht verbarg, und ihr möglichstes tat, ihm zu entwischen. Er lief ihr nach, aber wie groß war seine Bestürzung, als er Russas Pflegemutter in ihr erkannte. Nichtsdestoweniger hielt er sie an, und da er glaubte, die Gewalttätigkeit, die er gegen sie begehen wollte, durch ein Kompliment mildern zu müssen, so sagte er zu ihr: Es geht mir sehr nahe, daß ich mich genötigt sehe, die Befehle, die mir vorgeschrieben sind, an Euch zu vollziehen. Ihr würdet mich sehr verbinden, liebes Mütterchen, wenn Ihr Euch gutwillig zu dem verstündet, was ich von Euch begehren werde. – Und was wäre das? fragte die Alte. – Im Grunde eine Kleinigkeit, erwiderte der Prinz. Ihr seht den Stiel dieses Schaumlöffels, den müßt Ihr mir erlauben tief in Euren Mund hineinzustoßen. – Wem? Mir? Barbar, rief sie. – Keine Schmähungen! sagte er mit Würde; es muß geschehen, und weil Ihr meine Gütigkeit so übel aufnehmt, so wollen wirs auf eine andere Art angreifen. Man bemächtige sich ihrer! setzte er hinzu. Unter den Händen der Leibwache war die Alte nunmehr genötigt, dem Willen des Prinzen nachzugeben. Wiewohl sie bei dem Munde, womit sie von der Natur begabt war, weniger zu fürchten hatte, als andere, war doch der Stiel von so ungeheurer Dicke, daß sie ihn nicht ohne Entsetzen ansehen konnte. Tanzai nahte sich und setzte sich, ihres Zornes ungeachtet, in Bereitschaft, sie diese neue Art von Strafe ausstehen zu lassen. So geschickt er sich auch bei dieser Operation benahm, so ungeheuer der Mund, mit dem er zu tun hatte, auch war, ging es dennoch nicht so gut ab, daß er nicht der Alten die beiden einzigen Zähne zerbrochen hätte, die ihr noch übrig waren. Ein Teil der Zuschauer lachte, der andere beklagte das Opfer, keiner von beiden aber wußte, was den Prinzen zu dieser Gewalttätigkeit vermochte. Der Oberpriester zumal war höchlich erstaunt, daß an den Schwellen des Tempels eine Tat geschähe, die ihm unschicklich erschien. Er murrte ganz laut darüber; noch viel höher aber stieg sein Ärger, als Tanzai, wie er den Stiel aus dem Munde der Alten gezogen hatte, schnell auf ihn zueilte und ihm demselben darbot. Machen Ew. Hochwürden nur fort! sagte er zu ihm; alles hängt von Eurer Eile ab. – Was meint Ihr? sagte Saugrenutio. – Daß Ew. Hochwürden diesen Stiel lecken sollen, mein' ich. – Diesen Stiel lecken! sagte der Priester. Ich, der Hohepriester? Ihr habt unstreitig nicht gehofft, daß ich diesen Antrag annehmen würde? – Wohl hab ich es, das versichre ich Euch, versetzte Tanzai, und ich habe fest auf Euch gerechnet, mir gar nicht vorgestellt, daß Ihr ungehorsam sein, würdet, wenn Ihr wüßtet, daß mein Glück mit dieser Zeremonie verbunden ist. Wahrlich! ich habe mehr Gefälligkeit von Euch erwartet. – Aber potz Stern, erlauchter Herr, entgegnete Saugrenutio, Eure Hoheit überlegen die Sache nicht recht. Ich halte dafür, daß meine Ehre darunter leidet, wenn ich gehorchte, überdies müßte man den Mund nicht gesehen haben, aus dem der Stiel gezogen worden ist oder seinen Mund nicht länger behalten wollen, wenn man sich Eurem Verlangen unterwürfe; zudem der Stiel ungeachtet des Scheuntormaules jener Alten nicht hat hineingebracht werden können, ohne ihr ein Paar Zähne zu zerbrechen, wie würd' es mir nicht ergehen, der ich noch alle meine Zähne habe? Mit einem Worte, ich werd' es nicht tun. – Ihr werdet! antwortete der Prinz voller Zorn. Meine Wohlfahrt ist damit verknüpft, setzte er hinzu, indem er seinen Schaumlöffel schüttelte, und ich will mein Glück nicht durch Eure alberne Widerspenstigkeit verscherzen. – Wahrhaftig und beim großen Gott! rief Saugrenutio, ich setze allen Respekt aus den Augen, wenn mir Ew. Hoheiten zu nahe kommen!
Tanzai wollte ihm für diese trotzige Rede den Stiel um die Ohren schlagen, allein Saugrenutio warf sich mitten unter die Opferpriester und schien ihn festen Fußes zu erwarten. Das Volk, das immer abergläubisch ist, nahm die Partei des Priesters; der Hof, der immer schmeichelt, erklärte sich für den Prinzen. Alles verkündete Krieg, als sich Tanzai an das Volk wandte und ihm Stück für Stück erzählte, wo der Löffel sich herschrieb, daß er von Barbacela den Befehl erhalten habe, diesen Löffel bei dem Oberpriester wie bei der Alten zu gebrauchen, daß er diesen Befehl vollziehen müsse, und daß er sich in der harten Notwendigkeit befände, zu gehorchen, wenn er die Unglücksfälle vermeiden wolle, womit man ihn bedrohet hätte. Nachdem der Prinz seine Erzählung geschlossen hatte, verlangte Saugrenutio Gehör. Es sei kein Beispiel vorhanden, sagte er, daß man einen Oberpriester, einen Mann in einem so ehrwürdigen Posten gezwungen habe, eine solche Unanständigkeit zu begehen. Treu ergeben den Pflichten seines Amtes würde er sich dieser Handlung ohne Murren unterworfen haben, wenn das Belecken eines Löffelstiels zu seinen Amtspflichten gehörte, oder wenn er nur irgendwo gelesen hätte, daß ein Oberpriester innerhalb oder außerhalb Scheschian den Stiel eines Schaumlöffels geleckt hätte, zumal in dem Zustand, in dem man ihm demselben überreicht habe. Doch was sag ich, geleckt? fügte er hinzu, wollte der Himmel, o Ihr Scheschianer, daß man die Gewalttätigkeit nicht weiter treiben wollte, so aber ist von der grausamsten Behandlung die Rede. Das, was es der Alten gekostet hat, gibt zu erkennen, daß ich Zähne und Ehre dabei einbüßen würde. Donner und Wetter! Ich muß fluchen, Ihr Scheschianer, wenn ich nur daran denke. Der Prinz versichert, daß die Tat für ihn notwendig sei; muß er aber sein Heil durch mein Verderben erkaufen wollen?
Nein, meine Herren, ich werde nie darein willigen, und läßt er mit dieser Zumutung nicht nach, so belege ich ihn auf der Stelle mit dem Fluch des großen Affen und vollziehe seine Vermählung nicht.
Bei dieser furchtbaren Drohung erblaßte Tanzai, weinte Neadarne, schauderte der König zusammen, verwunderte sich das Volk, und Saugrenutio besänftigte sich wiederum. Tanzai vergaß beim Drange seiner Liebe die Drohungen der Fee, sah weiter nichts vor sich als die grauenvolle Aussicht, mit seiner geliebten Prinzessin nicht vereinigt zu werden, und schwur also dem Oberpriester, sich nicht weiter an ihm zu vergreifen. Saugrenutio ließ hierauf die Pforten des Tempels öffnen und Freude und Friede folgten auf den Schmerz und die Verwirrung, die anfänglich jedermann erschüttert hatten. Neadarne, die in Todesängsten war, daß ihre Vermählung aufgehoben werden möchte, stieg aus dem Wagen, und Saugrenutio, vor Zorn noch ganz rot, führte sie vor den großen Affen, vor dessen Angesicht Tanzai und die Prinzessin jenes holde Band knüpfen sollten, das sie auf ewig fesselte.