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Neadarnes Bescheidenheit und Schonkiljens Blödigkeit ließen sie eine gar erbärmliche Rolle spielen, die um so alberner war, da es doch einmal ein Ende haben mußte und in der Welt nichts lächerlicher als Ziererei ist, an einer Stelle wo sie nichts zu suchen hat. Man erlaube nur eine ganz schlichte Anmerkung! Neadarne wollte entweder entzaubert sein oder nicht. War sie mit ihrer Lage zufrieden oder ertrug sie sie wenigstens geduldig, wozu suchte sie Schonkilje auf? und da sie ihn aufgesucht hatte, weshalb machte sie der Sache mit ihm nicht ein Ende? Aber der Anstand, wird man sagen, verlangte wenigstens, daß sie kämpfte; und dann ist Schonkilje, den man ihr zu einer solchen Sache vorschlägt, eine Person, die sie noch nie gesehen hatte; es ginge hin, wenn es noch jemand wäre, den sie etwas kannte. Über dies heischt er zärtliche Gegenliebe, greift das Herz an, will aus einer flüchtigen Intrigue eine ernste Angelegenheit machen. Wohlfeiler kann man sich nicht von ihm retten, und wenn man sich auch sogar ergeben wollte, muß man sich mit einem Male ergeben? Man behauptet nicht zu viel, wenn man sagt, daß diese letzte Vorstellung nicht diejenige gewesen sei, die Neadarne am wenigsten im Kopfe herumging; und dieses aus Gründen, die man hier finden würde, wenn sie nicht bereits an anderem Ort in diesem Buche ständen.
Schonkilje, der beinahe die Bewegungen erriet, die das Innere der Prinzessin erschütterten, war eines so langen Widerstandes überdrüssig und überzeugt, daß je mehr Drang der Liebe er gegen sie äußerte, mit desto mehr Strenge sie sich waffnen würde; daher beschloß er, sich weniger verliebt gegen sie zu stellen und zu harren, bis die Notwendigkeit ihr einen Entschluß eingäbe, der seiner Angelegenheit zuträglich wäre. Nicht ohne viele Mühe gewann er so viel über sich, daß er sich gleichgültig stellen konnte. Durch die neuen Reize, die er an der Prinzessin beim Abenteuer im Boskett entdeckt hatte, waren seine Begierden vermehrt worden, allein je feuriger sie waren, desto mehr glaubte er sie verhehlen zu müssen, um sie befriedigen zu können. Er kannte das weibliche Herz und war versichert, daß, wenn er Neadarnens Eitelkeit kränkte, er sie vermögen würde, weitere Schritte zu tun, als sie willens war. Diesem Grundsatz gemäß, affektierte er, wie er sie nach dem Palast zurückführte, in seinen Entschuldigungen eine Kälte, die der Liebhaber, der sich rechtfertigt, nicht zu haben pflegt; und indem er Neadarnen ewige Ehrerbietung zuschwur, legte er in seine Beteurungen eine Art Ironie, die die Prinzessin auf den Gedanken brachte; der Genius müsse wohl Ursachen gefunden haben, derentwegen er zurückhaltender wäre. Diese Vorstellung erbitterte sie. Sie antwortete dem Genius sehr kalt und verdoppelte diese Kälte, als sie sah, daß er sich darüber nicht beschwerte; und er, ohne sich's merken zu lassen, daß er ihr Betragen wahrgenommen, verließ sie, nachdem er sie wieder in ihr Appartement gebracht hatte, und seine Miene war, wie er von ihr ging, so unbefangen, daß sie sich nunmehr ihrem ganzen Zorne überließ. Schonkiljens ganzer Hofstaat der bei ihr war, konnte sie nicht einen Augenblick zerstreuen. Wiewohl sie gegen den Genius wegen seines Mangels an Ehrerbietung äußerst aufgebracht gewesen war, so hatte sie dennoch nicht einen Augenblick gezweifelt, daß er dadurch noch verliebter geworden wäre; sie erinnerte sich seines feurigen Betragens vor dem Abenteuer mit der Spinne, und wenn sie's mit der beleidigenden Kälte verglich, womit er sie nachher gemißhandelt hatte, stiegen ihr die kränkendsten Dinge in den Sinn. Himmel! sagte sie bei sich selbst, so sehr verachtet zu werden! So lebhafte Begierden nach einer Begebenheit verschwinden zu sehen, die sie noch stärker hätten anfachen sollen! Was kann wohl die Ursache so plötzlicher Gleichgültigkeit sein? Doch, genau erwogen, was liegt an dem Widerwillen, den ich ihm einflöße? Bin ich nicht glücklich genug, ihm nicht mehr zu gefallen? Unstreitig ist dies das einzige Mittel, meinen Gemahl nicht zu beleidigen. Ach Zwickelbart, Zwickelbart, wie irrtet Ihr Euch, als Ihr glaubtet, daß dieser Genius so gefährlich für mich sein würde, und von wie wenigem Nutzen wird mir hier Euer Arkan sein!
In diesen Gedanken war sie noch tief versenkt, als Schonkilje wieder zurückkam. Er hatte seinerseits neue Betrachtungen angestellt und gefunden, daß er die Prinzessin nicht zu lange demütigen müßte, und daß sie Abscheu für ihn fassen möchte, wenn er sie länger in der Meinung ließe, daß seine Liebe zu ihr erkaltet sei. War er gleich ihrer Gegenliebe nicht versichert, so wußte er doch wenigstens zuverlässig, daß man ihn nicht haßte. Eine so günstige Stimmung mußte er zu erhalten suchen, und er war in Neadarnens Herz noch nicht so gut angeschrieben, daß er jenes Spiegelgefecht ohne Gefahr länger hätte fortsetzen können. Nur begünstigten Liebhabern kommt es zu, sich zu Zeiten verächtlich gegen ihre Geliebten zu stellen; und überdies begann er an seiner Eroberung nicht mehr zu zweifeln: er konnte wenigstens so viel unternehmen, wie er wollte; er wußte wohl, daß nach dem, was zwischen ihnen Beiden vorgefallen war, Neadarne nicht mehr so viel Widerstand tun würde; daß die Freiheiten, die er sich bei ihr genommen, ihm den Weg zu größeren bahnen wurden; und endlich, daß ein Frauenzimmer, das man einmal in eine schwierige Lage gebracht hat, nicht mehr berechtigt ist, sich zu erzürnen, wenn man sie von neuem darein versetzt. Schonkilje ging sonach mit einem feurigen Wesen auf sie zu. Sie war es nicht gewärtig, ihn so leidenschaftlich zu finden, und ungeachtet der Tugend, an die sie noch immer gebannt war, tat es ihr nicht leid, sich in ihren Vermutungen geirrt zu haben. Ich entschuldige mich nicht, Prinzessin, sagte er zu ihr, daß ich Euch verlassen habe, weil Ihr mir darüber keine Vorwürfe macht. Ich glaubte, versetzte sie, daß Ihr Eure Gründe hattet, das zu tun. Ach Madame, entgegnete er, Ihr rechtfertigt mich zu leicht. – Soll ich Euch etwa schuldig finden, wenn Ihr's nicht seid? Das wäre unbillig! – Ja, ich wünschte es, versetzte er. Unbilligkeit von der Art würde mir Eure Fühlbarkeit beweisen und je strafbarer Ihr mich finden würdet, desto zufriedener würdet Ihr mich machen. – Ich glaubte nicht, entgegnete sie, daß ich es nötig hätte, Verbrechen von Euch aufzusuchen, wenn es, um Euch zufrieden zu stellen, bloß des Schmälens bedarf, so habe ich nur Gedächtnis nötig, um Euch einen recht langen Text zu lesen.
Ach! weil Ihr darauf anspielt, antwortete Schonkilje, so müßte ich mich sehr irren, wenn ich mich nicht darüber mehr als nötig entschuldigt hätte. Nicht etwa, daß ich mich nicht vergangen, aber es war unmöglich, sich nicht zu vergehen, und meines Erachtens würde ich weit strafbarer gegen Euch geworden sein, wenn ich es weniger gewesen wäre. Was hätte ich nicht bei mehrerer Ehrerbietigkeit verloren, Madame! Ah! Wieviele Reize! Wie viele Annehmlichkeiten! Nein, nichts im ganzen Weltall kommt Euch gleich! – Endet Eure Lobsprüche, sagte sie mit Erröten, laßt mich vergessen, vergeßt selbst, was ich Euch nicht verzeihen kann, so lange wir Beide uns dessen erinnern werden.
So dauert denn Eure Strenge wirklich noch immer fort? hub Schonkilje an. Wenn ich mich keines angenehmeren Schicksals schmeicheln kann, o! so macht Ihr mich höchst unglücklich! Wenn ich stets der Gegenstand Eures Hasses bleiben soll, wie viel besser würde es dann für mich gewesen sein, all die Reize nicht kennen gelernt zu haben, wovon Ihr zu reden mir verbietet. Nie, Madame, werde ich das Andenken daran verlieren. Stets mit einem Augenblick beschäftigt, der für mich so süß gewesen sein würde, wenn Ihr gewollt hättet, werde ich, wenn ich mich der Freuden erinnere, womit er mich überschüttete, mich unaufhörlich über die beklagen, um die Eure Grausamkeit mich gebracht hat. – Lächelnd versetzte die Prinzessin; stellt Euch nur das, was Ihr genossen habt und was Euch am Genuß gefehlt hat, nicht zu groß vor, und Ihr werdet nichts zu begehren mehr übrig haben.
Das tue ich nicht, Prinzessin, antwortete Schonkilje lebhaft, meine Einbildungskraft bleibt noch sehr weit hinter der Seligkeit zurück, die Ihr mir bereiten könntet! Um der Götter willen, gewährt mir dieses Glück! Das gerade nicht; sagte sie. – Nun, so erlaubt mir, fuhr er fort, ohne Eure Einwilligung dazuzugelangen. Das würde noch schlimmer sein, versetzte sie; wenn das geschähe, würdet Ihr mir keine Erkenntlichkeit schuldig sein und ich wünschte wenigstens ... Doch weshalb will ich mich beunruhigen? Es ist besser, Ihr habt gegen mich keine Verbindlichkeiten; um so weniger werdet Ihr undankbar sein.
Ich, undankbar! rief er; ach Prinzessin, wenn Ihr wüßtet, wie sehr Eure Gütigkeiten meine Liebe verdoppeln würden, so würdet Ihr nicht einen Augenblick anstehen, mich damit zu überhäufen. – Ich habe bereits gesagt, daß ich einen anderen als Euch liebe, antwortete sie mit liebreichem Ton und Wesen. Was soll ich Euch also geben? – Alles was das Schicksal von Euch gegeben wissen will, damit ich nicht die Schande habe, jenem für ein Glück zu danken, wofür ich nur Euch allein verbunden sein möchte. – Nun ... wir wollen sehen, entgegnete sie voller Verlegenheit über diese Unterredung, doch sprecht mit mir von nichts mehr, ich will und darf nichts vorhersehen.
Mit Endigung dieser Worte nahm Neadarne eine Laute, die sie im Salon erblickte und beschloß, sich damit zu beschäftigen, indem sie viel gewonnen zu haben glaubte, wenn sie Schonkilje verhindern könnte, mehr mit ihr zu sprechen. Schonkilje seinerseits schickte sich an, ihr zuzuhören, zufrieden, sie wegen ihrer Reize beruhigt zu haben, wie auch darüber, daß er sie vom Boskettabenteuer hatte unterhalten können, ohne sie dadurch aufgebracht zu haben; was er für nichts Kleines hielt. Sonach fing Neadarne an, die Laute zu spielen und das so lieblich, zugleich mit so vieler Anmut dazu singend, daß Schonkilje, ganz außer sich selbst, alle Mühe hatte, seinem Ungestüm Einhalt zu tun; und daß Scholuchern, von der Prinzessin bezaubert, gestand, seine Leier und sein Zymbal wären unter der Laute, wenn dies Instrument mit so viel Präzision, Empfindung und so brillant gespielt würde.
Das Soupe unterbrach diesen Zeitvertreib, um einen von einer anderen Art darzubieten. Neadarne, die hier die gebietende Frau war, verlangte, daß Scholuchern mit zur Tafel gezogen würde. Der Genius, um seiner Göttin zu gefallen, willigte darein. Scholuchern, der viel Geist, wiewohl von sonderbarem Zuschnitt hatte, amüsierte sehr. Neadarne, die anfing dieser Art Geist Geschmack abzugewinnen und die sich über die gegenwärtige Situation zu betäuben suchte, antwortete sehr gut auf gleiche Manier, und da Schonkilje eben den Ton annahm, trieben sie die Verfeinerung im Ausdruck und die Sonderbarkeit in den Ideen so weit, daß die Tafel kaum halb geendet war, als keiner mehr den anderen verstand. So viel Lust die Prinzessin hatte, das Soupe zu verlängern, wurde es dennoch geendet; und nach einer Partie Quinze, die Schonkilje ihr zu bewilligen die Artigkeit hatte, führte er sie in ihr Appartement, mit der Versicherung: er würde schnell zurückkommen. Er ließ sie unter den Händen ihrer Kammerweiber, denen er befahl, hurtig zu sein und Neadarne bald in den Stand zu setzen, seine Flammen zu erwidern.