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Sechstes Kapitel

Vermählungstag. Neadarnens Nachttisch

Endlich war jener Tag erschienen, der zu so vieler Freude ausgezeichnet war. Die leuchtendste Morgenröte kündigte ihn an; ein reiner und heiterer Himmel schien den Scheschianern zu erkennen zu geben, daß auch ihre Gottheiten Teil an dem Vergnügen ihres Prinzen nähmen. Der heilige Affe, der erhabene Beschützer des Landes, hatte auf seinem Fußgestell dreimal einen Purzelbaum gemacht, freilich mit dem linken Fuße; allein weit entfernt auf dieses Vorzeichen zu achten, so übel es an und für sich war, glaubte man, es sei aus Unachtsamkeit geschehen, daß der große Affe, der immer besondere Huld für den Prinzen gehabt, seinen Purzelbaum verkehrt gemacht habe.

Was die abergläubischen von den Priestern auf diese Gedanken gebracht hatte, war nicht ohne Grund. Kein Wölkchen umdämmerte die Sonne; man hatte seit acht Tagen nicht donnern hören, so reich an Ungewittern sonst diese Jahreszeit war. Der Monat, in dem dies ersehnte Bündnis geschlossen wurde, war einer der glücklichsten des Jahres; der König befand sich von seinen Flüssen völlig hergestellt; welches einer alten Prophezeiung zufolge nur dann geschehen sollte, wenn sein Sohn eine glückliche Vermählung träfe. Schon berauschten die großen Leiern das Volk durch ihre Harmonie. Die mit Blumen und grünen Zweigen geschmückten Straßen, die prächtig gekleideten Bewohner, die Miliz unter Waffen, begannen den Zuschauern hohe Begriffe von den Lustbarkeiten dieses Tages einzuflößen. Der Tempel hallte von den Gelübden wieder, welche die Priester für ihre Regenten emporsandten. Kurz alles war in Bereitschaft, als Tanzai, hingerissen von Liebe und Freude, zur Prinzessin eilte, um sie aufzuwecken. Sie erwartete ihn im Bette. Wie sie ihn ins Zimmer treten sah, überflog schamhafte Röte ihr Gesicht. Sie wollte ihm ein Kompliment sagen, aber die Liebe erstickte ihre Stimme auf den Lippen, und sie konnte nichts weiter hervorbringen, als: Ach mein Prinz! mein teuerster Prinz! – Tanzai, eben so außer Fassung wie sie, vermochte nichts zu antworten. Die Etikette bei den Königen der Scheschianei brachte es unter anderem mit sich, daß sie allein am Tage ihrer Vermählung ihre künftige Gemahlin ankleideten; zugleich aber war ihnen im Namen des großen Affen verboten worden, sich den Begierden zu überlassen, die bei dieser Gelegenheit die Entdeckung verschiedener Reize anfachen konnte. Die Prinzessin, die man von den Gebräuchen des Landes unterrichtet hatte, sah ihre Kammerweiber ohne Erstaunen ihr Zimmer verlassen. Kaum war Tanzai mit Neadarne allein, als er, ihrer Sittsamkeit ungeachtet, die bequeme Gelegenheit nutzte, die ihm die Etikette verschaffte. Nicht ohne Schwierigkeit erhielt er die Erlaubnis, die Schöne, abgöttisch Verehrte, aus dem Bette heben zu dürfen. Sie bestritt lange und als wohlerzogenes Frauenzimmer dies Zumuten des Prinzen. So viele Vorsicht sie auch brauchte, ihrem Geliebten die Reize zu entziehen, die sie am Abend ihm Preis geben sollte, konnte sie doch nicht verhindern, daß er sie nicht in jener Unordnung erblicken sollte, in die derjenige notwendig geraten muß, der sich in seinem Bette herumwirft. Was für ein Schauspiel für Tanzai! Die Befehle des großen Affen würden übel vollzogen worden sein, wenn die religiöse Neadarne seinem glühenden Ungestüm nicht Einhalt getan hätte. Leute, die geliebt haben, versichern, daß es für einen Verliebten weit größere Qual ist, Schönheiten zu erblicken, deren Genuß nicht verstattet ist, als diese Schönheiten gar nicht zu sehen.

Wenn sich das so verhält, mußte sich der Prinz in der peinigendsten Lage befinden. Neadarne, die sich erinnerte, was ihr Strumpfband beinahe veranlaßt hatte, wich so viel wie immer möglich der Etikette aus, und kaum hatte sie wahrgenommen, daß Tanzais Augen etwas anderes suchten, als die ihrigen, als sie schnell das bedeckte, was sie, aus zu großer Eile, alles zu verhüllen, unbedeckt gelassen hatte. Man täte ihr Unrecht, wenn man glauben wollte, daß dies ein Kunstgriff gewesen sei; zu damaligen Zeiten verstand man vielleicht weniger als jetzt die Kunst, Begierden zu erwecken, die man nicht zu befriedigen denkt. Selbst die Frauenzimmer mögen sich damals ihrer nur aus Not bedient haben und bei den Liebhabern der Zeit mag vielleicht ein Kunstgriff nicht nötig gewesen sein, der bei den heutigen öfters fehlschlägt. Es ist bewiesen, daß Neadarne vom Prinzen feurig genug geliebt wurde, als daß sie dieser List gegen ihn bedurft hätte. Er stieß einen Schrei aus, als er sah, wie die grausame Sittsamkeit der Prinzessin ihm mit einem Male so viele Freuden entriß. Ach Barbarin! rief er. – Ach Prinz! antwortete sie. Der Affe! – O, wenn Ihr mich liebtet, versetzte er, würdet Ihr ihn nicht vergessen haben? – Eben weil ich Euch liebe, entgegnete sie, schweben mir seine Drohungen beständig vor Augen. – Tanzai drang jetzt seufzend in sie, sich nach dem Bade zu begeben; allein sie stritten abermals wegen der Art, wie sie sich daselbst befinden sollte. Der Starrsinn des Prinzen sah sich genötigt, Neadarnens Tugend nachzugeben. Inzwischen kam es jetzt auf ein Badekleid an. Er hatte lange Zeit hindurch behauptet, daß es unnötig sei und als er von dessen Notwendigkeit überzeugt worden war, wollte er es selbst ihr anlegen. Die Prinzessin willigte darein, überzeugt, daß dies ohne Verletzung des Anstandes geschehen könnte und in der Tat mag dabei nichts zu befürchten sein, wenn man nur keinem Liebhaber diese Verrichtung aufträgt.

Neadarne glaubte durch diese Willfährigkeit von allen weiteren Zumutungen frei zu sein; allein wie der Prinz das Kleid brachte, erhob sich ein neuer Streit. Er wollte ... Was wollte er nicht alles! Lauter Dinge, welche die Verschämtheit der Prinzessin beunruhigen mußten, und in die sie nicht gewilligt haben würde, wenn sie Zeit zum Disputieren gehabt hätte. Sonach konnte er den Anblick fast aller Reize der Prinzessin genießen; da er sich aber weder völlig mäßigen, noch seinen Begierden ganz und gar überlassen konnte, so begnügte er sich, sie mit jenen Liebkosungen zu überhäufen, die die Liebe nie mit größerer Heftigkeit vornimmt, als wenn man ihr nicht verstattet, weiter zu gehen. Hierauf setzte er sie ins Bad, ging aber dabei sehr langsam zu Werke und konnte nicht satt werden, sie zu bewundern und zu halten.

Kaum war sie im Bade, als er darüber murrte, daß das Wasser, das sie umfloß – so klar es auch war – nicht hell genug sei. Alle die Vorschläge, die er ihr tat, alle die Ausschweifungen, worin er verfiel, hier aufzuzählen, ist unmöglich. Um mit einem Wort die Sache zusammenzufassen: nie ist wohl ein Bad auf eine minder ruhige Art gebraucht worden. Sie verließ es endlich, zwar sehr schlecht gebadet, aber tief überzeugt, daß sie sehr geliebt würde. Nach vieler Mühe gelang es dem Prinzen, sie in den Stand zu setzen, den Palast zu verlassen. Sie war nie unordentlicher angekleidet gewesen, als an diesem Tage; allein die Liebe hatte ihre Hand dabei gehabt und man weiß hinlänglich, daß, wenn sie sich an einem Nachttisch befindet, die Ordnung ihre Sache nicht eben ist, oder daß sie andernfalls nicht sehr heftig ist, wenn sie dabei sehr geschickt zu Werke geht.


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