Felix Dahn
Die Bataver
Felix Dahn

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XIV.

Bei Einbruch der Nacht ließ Cerialis seinen Lagerpräfekt, den Tribunen Sextilius Felix, kommen und übertrug ihm den Befehl über Heer, Lager und Stadt; er empfahl ihm insbesondere die Moselbrücke. Er selbst müsse die Nacht auswärts verbringen und verbitte sich jede Nachspürung. Der Tribun kannte die Neigungen seines Herrn, verneigte sich schweigend und ging.

Auch damals schon zeigte die schöne Moselstadt ein wunderbar liebliches Bild. Zwar der Schmuck, den heute die grünenden Rebgärten rings über die Hügel und Halden hin verbreiten, fehlte noch: dafür waren aber diese Höhen dicht bewaldet, zumal von Buchen bestanden, die den Sandstein ganz besonders lieben.

Es war eine milde warme Nacht des Frühherbstes: den Himmel überzog zwar leichtes Gewölk, aber der Mond trat doch gar oft aus diesem Schleier hervor, den lauer Südwestwind leise vor sich her schob. Dann sah man unten die Stadt, schweigend an den dunkelen, im Mondlicht glitzernden Strom geschmiegt, die Brücke über den Strom, die zahlreichen in diesem vor Anker liegenden Kriegsschiffe mit ihren dreieckigen lateinischen Segeln und die weißen Zelte der römischen Lager auf beiden Ufern der Mosel.

Aber der einsame Reiter achtete wenig der Schönheit des friedlichen Bildes, der unten ruhenden Landschaft, die offen ausgebreitet vor ihm lag, sobald er den dichten Buchenwald, der sich von der Niederung bis an die halbe Höhe der Berglehne hinauf zog, an dessen oberem Saum hinter sich gelassen hatte: ungeduldig nur geradeaus blickend, hastete er, das edle Roß spornend, den Steilpfad hinan.

Bald hatte er so in scharfem Ritt die Stelle gewonnen, von wo ab nur ein Fußsteig noch den Fels aufwärts führte; er sprang ab, warf dem klugen Tier die Zügel über den Hals und kletterte leise den Felspfad hinauf, behutsam bei jeder Biegung desselben das Mondlicht meidend; denn er wußte wohl: auf der Mauer über dem Thor stand immer eine Wache.

Doch der Zufall oder die Nachlässigkeit der Feinde war ihm, wie so oft in diesem Kriege und im ganzen Leben, günstig: wie er besorgt hinaus spähte, sah er: – heute war der Posten nicht bezogen. »Nicht Zufall: – ihr Werk, ihre List!« frohlockte er, zuversichtlicher hoffend, und sprang nun noch kühner und hurtiger bergan.

Bald war der halbrunde Platz der Verhandlungen vor dem Thor erreicht.

Alles leer, alles still.

Genau hatte er sich die Stelle der Mauer eingeprägt, wo das so bewunderte Nest lag: – es war nur etwa sechs Schuh hoch vom Boden: – er griff in die Mauerlücke; das Nest lag noch da, er fühlte hinein – es war leer; nun tastete er hastig darunter: Strohhalme, dünne Ästlein – aber nein, hier – das war etwas Breiteres. Er zog es hervor: ein Streifen Papyrus; mit heiß pochendem Herzen trat er in den vollen Guß des eben aus dem flutenden Gewölk tauchenden Mondes und versuchte, zu lesen.

Nicht leicht gelang es: aber endlich entzifferte er doch die wenigen Worte: »Wie bei Langres. Ein Erdgang aus der hohlen Weide am Beginn des Fußsteigs führt bis in das Gottesbild hinein. Um Mitternacht komm' ich dir entgegen.«

Mit großen Sprüngen – denn Mitternacht war nah – eilte er den Fußpfad wieder hinab. Bald stand er vor der hohlen Weide; nicht weit davon hielt sein Pferd; er schickte sich an, in die Höhlung zu schlüpfen; Helm, Panzer, Schild hatte er, als zu schwer und zu verräterisch glänzend, ohnehin zu Hause gelassen: jetzt legte er auch den Mantel und die Schwertscheide ab, zog die Klinge und stützte sich mit der Linken auf den halb manneshohen Rand der Weide, sich hinaufzuschwingen und dann hinabzulassen.

Da kam ihm doch ein Zweifel.

Es war wieder ein Wagnis auf Tod und Leben. »Sollte es – diesmal – eine Falle sein? Aber nein! Es war dieselbe Handschrift. Und dann: wer wußte von seinem nächtlichen Besuch in Langres? Nur sie! Und Sabinus! Aber sicher nicht ihr Gemahl! Also vorwärts! Es galt dies glühende Weib! . . .« Und er schwang sich auf den Stamm und tastete hinein.

Da horch! Fernes Getöse von der Stadt herauf, vom Flusse her!

Er hob das Haupt, er schaute hinab in das Thal: – da flammten Feuer auf: eins, zwei, schon waren es vier und sechs! – Aber wo? Auf dem Flusse selbst? – Wasser konnte aber doch nicht brennen! – Nein! Das waren Schiffe! Seine Schiffe! Feuer auf dem linken, nun auch schon auf dem rechten Ufer. Wo? Wo? In seinen beiden Lagern! Und zugleich erscholl nun immer lauter jenes Getöse.

Ohne Zweifel: das war der Lärm einer Schlacht!

Das war die römische Tuba: aber hastig, rasch, rasch hintereinander gellte sie, in flatterndem Ton: – das war das Zeichen zum Rückzug. Und immer lauter, die wie um Hilfe rufende Tuba überdröhnend, immer näher dringend ein anderer Schall: – das – – das waren die Hörner der Germanen!

»Die Barbaren sind da!« schrie er laut vor Wut und Weh, »in meinen Schiffen, in meinen Zelten, und ich – stundenweit davon! – Um eines Weibes willen! O jetzt sterben!«

Im Augenblick war er von dem Baumstumpf herab; gleich darauf saß er im Sattel und jagte den steilen Felshang wie rasend hinunter, daß die Steine links und rechts in die Tiefe flogen. Es war ein halsbrechender Ritt. Aber er rettete ihn. Denn kaum hatte er den oberen Saum des dichten Buchenwaldes erreicht, als ihm aus dem Gebüsch sechs gallische Krieger entgegensprangen.

Den ersten ritt der starke spanische Hengst nieder. Ein zweiter rief: »das schickt dir Gutruat« und warf den wohlgezielten Speer nach ihm: er schlug die Spitze hart vor seiner Brust zur Seite und spaltete mit einem zweiten Hieb des Gegners Helm und Schädel.

Da wichen die vier andern scheu zur Seite und stürzten dabei rechts und links von dem schmalen Reitpfad die Hänge hinab: – der Weg war frei: und Cerialis sauste hügelabwärts wie von den Furien gehetzt.

 


 


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