Felix Dahn
Die Bataver
Felix Dahn

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XXII.

Der Sieger hatte nach Zerstreuung des gallischen Heeres und Besetzung des Dammes den Feldzug für beendet angesehen.

Aber Civilis schien unermüdbar und im Planen des Widerstandes unerschöpflich. Durch sofortigen Abzug nach Nordwest hatte er sich für eine Weile jeder Fühlung des Römers entzogen und die Zwischenzeit, in welcher dieser ihn wieder aufzusuchen trachtete, hatte jener im fernen Norden – weit bis hinter das klevische Spyk war er zurückgewichen – eifrig dazu verwertet, den Wasserbau: – Kanal und Deich – des Drusus durchstechen zu lassen: das heißt, den von jenem am klevischen Spyk zur Ableitung der Waal erbauten Deich und Graben.

Nun ergoß sich all' diese Wassermenge westwärts nach der gallischen Seite hin, während zwischen der batavischen Insel und dem rechtsrheinischen Germanien nur ein schmales Rinnsal übrig blieb, so daß sowohl der Zuzug germanischer Helfer auf die Insel erleichtert war als der Rückzug der Bataver, falls dieser notwendig werden sollte, in das Innere Germaniens. Diese Maßregeln des Feindes machten starken Eindruck auf Cerialis.

»Wie?« sagte er sich. »Nach dem Doppelschlag bei Xanten noch kein Ende des Widerstandes? Die Frist von vier Monaten läuft demnächst aus. Wohl ein wenig zu lange lag ich in dem sonnigen Trier auf der Jagd nach jenem üppigen Weibe! Ich muß ein Ende machen: – in ein paar Wochen muß ich vor dem Imperator stehen – sonst – beim Jupiter! – macht der Ernst aus jenem lächerlichen Vertrag. Er ist der Mann dazu. Der Karger beharrt auf seinem Schein. Also ein rasches Ende: – wie vorbedungen – um jeden Preis.«

Er erfuhr von allen Seiten, des Civilis beste Stütze sei abermals die Jungfrau im Bruktrerlande, die durch ihre Mahnungen und Weissagungen immer wieder die überrheinischen Germanen antreibe, trotz der Siege der Römer der Sache des Civilis treu zu bleiben, ihm in hellen Haufen zuzuströmen und seine stark gelichteten Scharen zu ergänzen. Er beschloß, Weleda und Civilis durch Verhandlung unschädlich zu machen.

Zwar die an die Wala geschickten Gesandten bekamen diese gar nicht zu Gesicht: die an der Lippe aufgestellten Bruktrer erklärten, sie sei nicht gewillt, Vorschläge von Rom anzuhören. Darauf schickte Cerialis seinen Gesandten an Civilis weitere Boten nach, die ihn aufforderten, falls er bereit sei, zu verhandeln, auch Weleda zur Vernunft, zu versöhnlicher Zwiesprache herbeizubringen. Dabei bot er nichts Geringeres als volle Freiheit der Bataver und Kannenefaten in ihren bisherigen Sitzen, ohne irgend welche Verpflichtung gegen Rom, und Verzicht auf jede Bestrafung der Friesen und der anderen überrheinischen Germanen. Das war – nach dem Scheitern der gallischen Erhebung, nach den wiederholten Niederlagen auch der Bataver – ein so günstig Anerbieten, daß Civilis es unmöglich ausschlagen durfte; er mußte darauf eingehen, wenn er nicht die Rache für seine Besiegung, wenn er nur das Wohl seines schwer leidenden Volkes im Auge hatte. Für die Freiheit der Seinen von Rom hatte er das Schwert gezogen: diese ward ja angeboten. Die Römer jetzt aus Gallien zu vertreiben, – das war, nach dem Geschehenen, unmöglich geworden. Alles, was von dem gallischen Großreich noch übrig geblieben, das waren hundertzwanzig Vornehme aus Langres und Trier, die Verzeihung von dem römischen Sieger nicht zu hoffen wagen durften und sich daher auch nach der Schlacht bei Xanten nicht von den Batavern getrennt hatten: als heimatlose, brotlose, hoffnungslose Flüchtlinge gingen sie über den Rhein zu den Bruktrern.

So sandte denn Civilis Welo – Brinnobrand schloß sich an – zu Weleda, mit der Bitte, sie möge ihren Starrsinn überwinden und – ihm zu Liebe! sich zu der Fahrt hierher und zur Verhandlung mit Cerialis bequemen.

Brinnobrand kam zuerst – allein – zurück. »Sie wollte nicht, Wodan. Gar nicht wollte sie. Als Einer aber sagte: »Er fordert's! Ihm zu Liebe!« – den Namen brauchte man nicht zu nennen! – da seufzte sie: »Er? So muß ich: – zu meinem Verderben.«

»Sie blieb mir treu, den das eigene Volk verläßt,« sprach Civilis bewegt. »Warum nur? – Sie, die Fremde!«

Da trat Brinnobrand dicht an ihn heran, sah ihm tief in das Auge und sprach. »Wahrlich, er ist nicht blind? O weiser Wodan, wieviel durchschaust du, was andern verborgen! Du siehst so vieler Menschen Glück und Unglück und dein eigenes höchstes Glück, das hast du nicht gesehen. Armer Wodan! Arme Weleda!«

»Armer Brinnobrand! Heute redet er wieder ganz wirr,« sprach Civilis kopfschüttelnd zu Uffo, den er – ohne Erfolg – in die Heimat entsendet hatte, neue Scharen heranzuziehen, und der soeben zurückgekehrt war. »Und also ist es wahr? Die Bataver, mein eigener Gau, und die meisten Nachbargaue: – sie sind wirklich von mir abgefallen?«

»Es ist nicht anders! Seitdem der Römer eine gar arge List gebraucht hat, sind sie irr an dir geworden.«

»Welche List?«

»Du weißt, vom Meere her fuhren ihre Schiffe tief ins Land, alle Rheinarme aufwärts. So kamen sie bis in deinen Gau. Alle Höfe dort wurden verbrannt, verwüstet, – nur deiner ward sorgfältig verschont. »Na sieht man's,« schalten die Armen, als sie, nach Abfahrt der Feinde, aus dem Versteck ihrer Sümpfe sich wieder hervorwagten und nun vor den verkohlten Thüren, den eingestürzten Firstbalken ihrer Hütten standen, vor den ausgeleerten Ställen, vor der niedergerittenen, niedergesäbelten Ernte, und drüben bei dir alles unversehrt und wohlbehalten sahen, – »da sieht man's. Heimlich hat er seinen Frieden gemacht mit den Legionen. Uns hat er dafür daran gegeben! Er, der reiche Edeling, behält seinen Reichtum: unsere arme Hufe und Habe liegt zerstört und verbrannt. Zurückgekehrt ist er zu seiner alten Liebe: zu Rom.«

Da stöhnte Civilis: »Diese Schuld – nie werd' ich sie los – sie wird mich noch erdrücken.«

»Uns wagt er's noch nicht ins Gesicht zu sagen, uns, die er in den Krieg und in das Verderben gehetzt, seine Gesippen zu rächen.«

»Und du hast sie nicht widerlegt, die dummen Schwätzer?« schalt Brinno: – Civilis hatte dem tief Beschämten nach seiner Genesung nur das eine Wort gefügt: »Ohne Gehorsam kein Sieg, merk' es dir, Brinno!«

Uffo zuckte die breiten Schultern: »Sobald ich anhub zu reden, schrieen sie wüst durcheinander: »Du schweige nur! Auch du willst nur die eigene Unbill rächen, und die Tochter, die du selbst getötet.« Und so – dieselben Männer waren's: ich kenne sie gar gut, die dich laut jauchzend am Sunnwendfest auf den Schild gehoben! – so schrieen sie, sie seien so klug wie du: auch sie suchten – ohne dich, wie du ohne sie gethan – ihren Frieden mit Rom! Abgesetzt haben sie dich als Herzog und als Richter in offenem Ding mit starkem Stimmenmehr und zu deinem Nachfolger als Richter im Gau haben sie gekoren: –«

»Claudius Labeo!«

»Jawohl! Und Cerialis soll versprochen haben, Rom werde aus Labeos Geschlecht wieder Könige dulden bei den Batavern.«

»Könige von des Imperators Gnaden! Statthalter Roms!« sprach Civilis schmerzlich.

»Und die meisten Gaue folgten diesem Beispiel und unterwarfen sich.«

Der graubärtige Ulemer aber seufzte: »Steht die Sache so, dann, mein armer Freund, kann ich auch für meine Friesen nicht mehr stehen! Die Angriffe der Trieren auf unsere Küste haben wir glücklich abgewehrt: liegt aber nun euer Land den Legionen offen zum Durchzug, fassen sie uns zugleich von der See und vom Binnenlande her: – dann werden unsere Gauleute verzagen.«

»Du hörst all' das, Brinno!« sprach Civilis, tonlos. »Willst du nun noch immer nichts von Verhandlungen wissen, während der Römer volle Freiheit bietet?«

»Ich! Oh, ich Unseliger, – ich darf dir nicht mehr widersprechen. Aber gieb acht, so klug du bist, – sie überlisten dich doch! Sei's bei Abschluß, sei's bei Erfüllung des Vertrages. O wäre Weleda schon zur Stelle!«

»Bald wird sie hier sein. Und ich werde nichts ohne ihren Rat, nichts wider ihren Willen beschließen.«

 


 


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