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Die Strahlen der eben aufgegangenen Sonne glitzerten auf den Helmen, den Speerspitzen, den Schilden und Brünnen der Hundertschaften und Tausendschaften, die sich, Reiter und Fußvolk, dem ergangenen Heerbann gemäß, auf dem alten »Forum des Theodosius« wohlgeordnet geschart hatten: lustig flatterten im Morgenwind die langen blauen »Gunfanon«. Freudig lauter Zuruf begrüßte den König, wie er mit Rekared und seinen obersten Führern vollgerüstet aus dem Mitteltor auf die breite Oberstufe der Marmortreppe trat. Er winkte mit der Rechten: sofort verstummte der Lärm.
»Dank euch, meine Goten. So muß denn nochmal das Schwert – ich hatte es in der Halle für immer, – dacht' ich, – aufgehängt, ihr kennt es! – aus der Scheide fahren gegen die alten Feinde. Ihr kennt auch sie: besonders von hinten.« Eine schallende Lache war die Antwort auf den derben Lagerwitz. »Aber diesmal steck' ich die gute Klinge nicht ein, bevor sie gründlicher Ruhe geschaffen hat als je zuvor. Und da nun Untreue immer wieder ihr Haupt erhebt, will ich mir gegen solche Untreue einen lebend'gen Schild der Treue schmieden. – In dieser schlummerlosen Nacht kam mir der Gedanke: zwei Hundertschaften auserlesner Krieger will ich um mich scharen, nicht meine Brust, meinen Leib zu schützen – das tu' ich selbst! – Nein: als mein fleisch-gewordner Wille allüberall meine Befehle zu vollstrecken, den Ungehorsam niederzuschlagen mit scharfer Gewalt, als ob meine Hand zweihundert Schwerte schwänge. Melden kann sich jeder Wehrmann: ich lese sie aus: nicht nach Adel der Geburt, – edel ist, wer edel tut – nach Würdigkeit. Zu eurem Führer aber bestell' ich Graf Wandalar von Valencia, den tapfern Mann, den Bezwinger Keltiberiens: ihm sollt ihr in allen Stücken blind gehorchen wie mir selbst. Erwartet keinen Lohn, keine Gunstgeschenke: die Ehre ist euer Lohn: ›die Schar der Treuen‹ sollt ihr heißen – und sein. Wollt ihr das, meine Goten?«
»Heil! Heil König Leovigild! Das wollen wir!« riefen die Scharen und erhoben die Waffen.
»Gut! Ich wähle aus, bevor wir aufbrechen. Und nun vernehmt sogleich mein erst Gebot, Getreue. – Was ich voraus gewußt, sobald die erste Kunde von dem Aufstand der Basken, von der Empörung der Römer eintraf – spätere Boten haben es bestätigt – überall, in den baskischen Bergen wie auf den Ebenen um Sevilla, sind es die Priester, die höchsten wie die untersten, die den Brand geschürt, die Flammen geweckt haben: der Bischof von Astigi, Helm auf dem Haupt, Schwert in der Faust, hat am Altar gepredigt, ich sei ein Dämon der Hölle, wer mir gehorche, gehorche dem Satan und sei dem verfallen auf ewig: feierlich hat er die mit Grauen auf den Knieen vor ihm Lauschenden mit geweihtem Wasser übersprengt, sie Christus und Sankt Eulalien geweiht und alle Katholischen vom Eid der Treue gegen mich entbunden.« Ein Murren zuerst des Grolls, bald ein Schrei des Zorns lief durch die Reihen. »Überall, in Ossetum, in Auca, in Pampilona, haben die Geistlichen – gegen ihre Canones! – selbst die Waffen ergriffen: sie führen die Haufen an, die über die vereinzelten Gehöfte der Goten im Flachland wie in den Bergen herfallen, die Häuser verbrennen, die Bewohner erschlagen: – auch Weiber und Kinder . . .« – »Rache! Rache!« scholl es in der Runde. – »Nicht Rache: Strafe! Aber gegen wen? Nicht gegen die betörten Basken, die armen Berghirten, die von Kindheit auf gewohnt sind, alles blind zu glauben, was der Priester sagt, nicht die verführten Bauern an dem Bätis, nein: – die Verführer gilt's zu treffen. Zersprengt die Haufen, die Gefangnen entwaffnet und laßt sie laufen – doch jeden Priester, den ihr trefft in Waffen – sei's Diakon, Bischof, Metropolitan! – Getreue, hängt ihn an den nächsten Baum. Sie sollen's lernen, was des Königs ist. Ich laß ihnen Himmel und Hölle, sie sollen mir nur dies Land, dies Volk und mein Haus lassen.« Brausender Zuruf antwortete ihm. »Wir aus Toledo brechen sofort auf: mein Sohn gegen die Sueven, gen Nordwesten, ich gegen Sevilla und die Byzantiner gen Süden: die Aufgebote der andern Landschaften, – von allen Seiten ziehen sie uns nach – von morgen, übermorgen an. Es eilt . . .«
Da drängte sich durch die waffenblitzenden Reihen der Hundertschaft gerade gegenüber der Hochtreppe ein ärmlich gekleideter alter Mann und stieg mühsam die Stufen hinan, auf einen langen Stab sich stützend; er mahnte einen zweiten, der gar scheu und schüchtern umherblickte, zu folgen: »Komm nur, Sacharja, Freund Gottes! Komm getrost und fürchte dich nicht. Der Herr König – Gott segne seinen Samen! – sieht wohl grimmig wie der Löwe auf Karmels Höhn, doch sein Herz hat lieb die Gerechtigkeit.« Ermutigt folgte der andre. – »Was willst du, Jude?« rief der König unwillig. »Ich kenne dich, Jojada ist dein Name, bist ein redlicher Jud': – das gibt's auch! Hast einen Handel bei Gades an der See. Aber du siehst doch, jetzt hab ich keine Zeit für Tausch und Kauf.« – »Herr König, hast du auch nicht Zeit fürs Recht? Wofür hat dich der Herr gesetzt auf den Thron? Ist der Thron nicht der Stuhl des Richters?« – »Ja, Mensch,« grollte der König. »Aber ich muß jetzt auf den Gaul, nicht auf den Thron. Mach's kurz. Was willst du?« – »Gerechtigkeit.« – »Die wird dir. Was ist's?« – »Was es ist? Weh geschrien über das, was ist. Die Christen, beides, deine blonden Langmächtigen und die schwarzen, die Römischen, haben gemacht große Gewalt in Gades der Stadt und haben verbrannt unser Bethaus und geraubt die Silberleuchter und – . . .« – »Genug! Wenn sich 's erwahrt, stellen sie beide, Goten und Römer, das Bethaus her auf ihre Kosten und die Räuber sterben.« – »Hast du gehört, Sacharja, du Gerechter Gottes? Was hab' ich gesagt von unserem Herrn, dem König? Solchen Herrn habt Ihr nicht im Reich der bitterbösen Merowingen – er ist nämlich aus Paris, ist der Sacharja: – da ist ein Gewaltherr, heißt Chilperich.« – »Gott sei's geklagt! Was hat er für Bosheiten am Leibe gegen das auserwählte Volk!« – »Na, ich hätte mir ein andres auserwählt! – Aber ich kenne Fredigundens Gemahl, Alter. – Noch was, Jojada?«
Der warf einen verschmitzten Blick auf seinen Genossen, der sollte sagen: »Jetzt merk' erst recht auf.« – »Ja doch, Herr König, großmächtiger. Ich habe eine Tochter: – Rebekka ist sie geheißen und ist so schön wie der Granatbaum und die rote Blüte des Granatbaums und die weiße Lilie von . . .« – »Saron. Ich glaub' es schon. Was ist mit ihr?« – »Ist da dein großer Herzog über Malaccitana . . .« – Der König nickte. »Stavila, einer meiner besten Helden und mein Freund.« – »Weih geschrien über ihn! Er hat nachts überfallen mein Haus, davon geschleppt Rebeckchen und hat ihr Gewalt getan.« – Leovigild erbleichte. »Jud', das ist nicht wahr!« – »Hörst du?« flüsterte der aus Paris. »Ich sagte es doch.« – »Ist es aber wahr,« fuhr der Herrscher fort, »bei Gottes Zorn, fällt sein Haupt.«
Da warf sich Jojada vor ihm auf die Knie und küßte den Saum seines Mantels. »Dank dir und Heil, Herr König, du Turm der Gerechtigkeit! Hörst du, siehst du nun, Zweifler? Er ist, wie ich gerühmt, nicht wie euer Chilperich. – Verzeih, gewaltiger Kriegesheld. Rebeckchen ist unversehrt daheim,« – Der Greis fuhr zornig auf, »Was wagtest du, Elender?« – »Verzeih', wir haben gewettet. Der Gastfreund wollte nicht glauben, daß du auch dem armen Juden wider deine Schwertgewaltigen zu seinem Rechte verhilfst. Wir haben gewettet um tausend Solidi . . .« – »Schau, schau, die armen Juden!« – »Herr König, die Wette ist nicht dein Schade. Zum Waffenkrieg gehört Geld, – grausam viel Geld! Ich hass' ihn wie ich ihn fürchte! Aber ich schenke dir die zehnmal hundert schönen Goldstücke.« – »Welche Frechheit!« – »Gelt, es ist dir zu wenig? Nun, da nimm diesen Schlüssel zu meiner großen Truhe. Da findest du mehr. Und alles ist dein was Jojada hat.«
Aber Leovigild wehrte mit der Hand unwillig ab: »Packe dich, Jude, und danke Gott, daß du ungeahndet den König belogen hast.« – Er wandte sich nun zu seinem Sohne. »Ich weiß, es bedarf des Spornes nicht, dich vorwärts in den Kampf zu treiben.« – »Ich werde meine Pflicht tun, Vater.« – »Ja, wie immer. Aber damit du sie gar freudig tuest: – höre noch eins. Weißt du, warum ich dich gerade gegen die Sueven schicke? Weil . . . nun: ich erwarte, daß du diesmal die Räuber nicht bloß – wie bisher – über die Grenze nach Hause treibst . . .« – »Wir sollten diesem bösen Nachbarreich der Störenfriede ein Ende machen für immer, ihr Land dem unsern einverleiben . . .« – »Das sollst du, mein Sohn. Diesen Ruhm hab' ich dir zugedacht. Du dringst den Weichenden nach bis in ihre Hauptstadt Astorga. Dort durchsuche genau den Palast des Königs.« – »Wegen der Schätze?« – »Ja! Zumal um einer Perle willen. Die bringst du nach Toledo. Die heißt – Baddo.« – »Vater!« jubelte Rekared. »Wie . . .?« – »Frage jetzt nicht. Säume nicht. Dort unten scharrt ungeduldig dein Hengst. Eile! Bald wirst du alles erfahren.«