Felix Dahn
Der Vater und die Söhne
Felix Dahn

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XVIII.

Zum erstenmal seit sie sich von der Krankheit und dem Lager erhoben, wandelten in dem großen Marmorsaal des Palastes zu Toledo Leovigild und Rekared, sich gegenseitig stützend: – doch meist der Sohn den völlig erschöpften Greis. – Da trat vor sie, vom Staube des Eilritts über und über bedeckt, Graf Wandalar. Er berichtete alles, der Wahrheit getreu, auch seine eigne rasche Tat gegen Basileus: – Alles, bis auf den Augenblick, da er den Königsohn an der Seite des Byzantiners gefangen nahm. »Nun, Herr König, richte. Was soll mir geschehen? Was deinem Sohn?«

Der Alte sank langsam nach rückwärts an Rekareds Brust. Aber sofort, mit einem letzten Aufwand von Kraft, raffte er sich auf, löste eine goldne Kette von der Brust und hing sie dem Grafen um den Hals. »Dem Treuesten der Getreuen! Die Tat war recht. Er aber, der mich und das Reich zweimal verraten hat: – er muß sterben. Pfeilschnell jage zurück: Garding soll ihm vor allem Volk das falsche Haupt abschlagen lassen,« – »Vater! Mein Bruder! Ich flehe dich an!« »Herr König! Dein Sohn!« – »Wollen auch die Treuesten nicht mehr Treue halten? Gehorche!« Es war sein letztes Königsgebot.

Während Wandalar aus dem Saal eilte, sank er bewußtlos um: er blieb es tagelang. Als er sich und die Sprache wiedergefunden, war sein erstes Wort: »Das Urteil . . . ist es vollstreckt? Wo ist Wandalar?« – »Zurück. Es ist vollstreckt,« antwortete Rekared ernst. – »Das Reich, das Heil der Goten hat's erheischt. Mein Sohn, mein Rekared – stets – alles, alles für Volk und Reich.« Und er drückte ihm die Hand und starb.

*

Von dem Sarge hinweg, der in der Krypta der Basilika der Arianer zu Toledo beigesetzt ward, schritt König Rekared in das Schreibgemach, wohin er Isidor beschieden hatte.

»Metropolitan von Sevilla . . .« sprach er diesen an. – »Herr König, mein Bruder lebt.« – »Ich setz' ihn ab. Ich allein. Ohne Papst und ohne Konzil, den Hochverräter, kraft des Rechts des Königtums und seiner Pflicht, den Staat zu retten.« – »Das ist wider die Canones. Ich kann nicht . . .« – »Dann folgt ihm ein andrer! Setze sofort ein Schreiben auf an alle Bischöfe und Äbte deiner Kirche, an alle Herzoge, Grafen und Großen des Reichs, Römer wie Goten. Lade sie zu einem Konzil und Reichstag nach Toledo auf den ersten des nächsten Monats. Schreibe wörtlich: dort wird der König mit seinen Getreuen beraten, ob er aus himmlischen und aus irdischen Gründen, vergiß dies ja nicht! – ich mag nicht heucheln! – das katholische Bekenntnis annehmen soll.« – »Herr König! Das ist . . .« – »Verwunderlich, nicht wahr? Fast am Sarg des großen Ketzerkönigs! Aber sein letztes Wort war: alles für Volk und Reich.« – »Und – und deine Gründe? Hat die Frau Königin . . .?« – Rekared lächelte schmerzlich: »Auch du! Dacht' ich's doch. So werden viele wähnen. Wäre Baddo doch heidnisch! Wär' mir lieber! Nein, eines Weibes Andringen bezwänge mich nicht. Und nie hat sie solch Wort gewagt.« – »Also du bist überzeugt . . .?«

Sehr ernst erwiderte der junge König: »Ja. Ich darf ja sagen: denn ich fühle, daß Eure Lehre mehr folgerichtig ist, glaubt man – wie ich – an den Erlöser. Ein Halbgott ist – eine Halbheit. Aber das allein würde mich nicht bestimmen. ›Irdische‹ Gründe füge bei, hörst du? Sueven, Franken, Byzantiner aus Feinden zu Glaubensgenossen machen, und zumal im Reiche selbst Goten und Römer versöhnen, das ist wohl ein Gewinn, um den der König ein Jota hingeben mag als Preis: ›Homoiousios‹ oder ›Homoousios‹ – was kommt drauf an für einen König, der einer ist? Und ich – ich will und werde einer sein!«

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