Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Schon wieder still sich seines Wissens freute
Der selige Spiegel. Ich genoß das meine,
Indem ich süßes mir ins bittere streute.
Da sprach, die mich zu Gott geführt, die Reine:
»An andres denke! Denk: wie nahe steh ich
Dem, der das Unrecht tilgt, wie hart es scheine.«
Bei meines Trostes liebem Klange dreh ich
Sofort mich um. Doch
wie so schön ich schaute
Die heiligen Augen
jetzt, das übergeh ich.
Nicht daß ich meinem Wort allein mißtraute,
Nein, weil soweiten Rückweg einzuschlagen,
Meinem Gedächtnis ohne Führung graute.
Soviel kann ich hiervon nur wiedersagen:
Als ich
sie einzig anzuschauen bedachte,
Konnt ich mit keinem andern Wunsch mich tragen.
Indes die Ewige Lust – die gradwegs lachte
Auf Beatricens Antlitz, glanzumsponnen –
Im Widerschein mich überselig machte,
Bezwang sie mich mit ihres Lächelns Sonnen
Und sprach: »Schau hin und höre! Denn dir spendet
Nicht nur mein
Auge Paradieseswonnen.«
Wie oft ein äußeres Zeichen sichtbar sendet
Der Wunsch, der ganz der Seele bringt Genügen,
Daß er im Antlitz als ein Abglanz endet,
So sah ich in den heiligen Flammenzügen,
Umwendend mich zum hellern Glutgeblitze,
Den Wunsch, noch einige Worte anzufügen.
Da sprachs: »In dieses Baumes fünftem Sitze,
Der stets voll Frucht, dem Blätter nie entstoben,
Der Nahrung saugt aus seines Wipfels Spitze,
Sind selige Geister, die, eh sie enthoben
Zum Himmel, ruhmvoll schon bei Lebenszeiten,
Daß jede Muse fände Stoff zum Loben.
Drum schau, wo sich des Kreuzes Arme breiten:
Ausleuchten wird, wen ich dir werde nennen,
Als sähst du einen Blitz durch Wolken gleiten.« –
Ich sah ein Leuchten übers Kreuz hinrennen,
Sobald er ließ den Ruf »Josua« ergehen:
Nicht ließ vorm Wort sich mir die Tat erkennen.
Und konnte den hohen Makkabäer sehen
Als kreisend Licht; und Wonne trieb im Schoße
Der Glut als Peitsche dieses Kreisels Drehen.
So Roland dann erschien und Karl der Große.
Ich folgte ihrem Flug mit Spähermienen
Gleichwie das Auge folgt des Falken Stoße.
Wilhelm und Rinoard am Kreuz erschienen.
Auch Herzog Gottfried schwang sich im Gepränge,
Und Robert Guiskard blitzte hinter ihnen.
Vereint dann mit der andern Lichtgedränge
Wies mir die Seele, deren Wort geendet,
Auch sie sei Künstlerin himmlischer Gesänge.
Ich hatte neu zur Rechten mich gewendet,
Ob Beatrice mir vielleicht ein Zeichen,
Vielleicht ein Wort zu meiner Weisung spendet,
Und sah am Augenglanz der Schönheitsreichen,
Daß nichts an klarem wonnigem Entzücken,
Von einst bis hier zuletzt, ihr zu vergleichen.
Und wie, jemehr uns gute Taten glücken,
wir mehr uns freuen, weil es uns gelungen,
Im Tugendwege täglich vorzurücken,
So sah ich, während ich mich umgeschwungen,
Daß größerer Himmelsbogen mich umfangen,
An meines Wunderbilds Verschönerungen.
Und wie in kurzem zarter Jungfrau Wangen
Sich wieder weißlich färben, wenn der Frommen
Der Schamesröte Merkmal ist vergangen,
So war sie meinen Augen vorgekommen
Im Silberlicht des milderen Planeten,
Des sechsten, der mich nunmehr aufgenommen.
Als sich der Liebe Funken wirbelnd drehten
Im Jovisfackelbrand, konnt ich gewahren,
Daß sie sich ordneten zu Alphabeten.
Und wie vom Ufer Vögel aufwärtsfahren,
Gleichsam zur Weide Mahlzeitwunsch sich bringend,
Sich bald zu Gruppen, bald auch anders scharen,
So sangen heilige Wesen hier, sich schwingend
In ihrer Lichter Glanz, und sich beim Fliegen
Zu einem
D und
I und
L, verschlingend.
Erst ließen sie zu ihrem Sang sich wiegen.
Und dann, geformt zu einem jener Zeichen,
Hielten sie etwas an, indem sie schwiegen.
O Göttin Pegasea, die erbleichen
Den Ruhm nicht läßt den Geistern, und mit ihnen
Den Städten Dauer giebt und Königreichen,
Laß deine Klarheit mir zur Leuchte dienen!
Und daß ich mag die Formen richtig malen,
Gieb Kraft dem knappen Versmaß der Terzinen.
Ich sah nun fünfmalsieben an Vokalen
Und Konsonanten, die sich niederließen;
Und merkte Art und Ort der Initialen.
DILIGITE JUSTITIAM: also hießen
Das erste Zeit- und Hauptwort für das Ganze.
QUI JUDICATIS TERRAM sah ichs schließen.
Beim fünften Wort verharrten sie im Glanze
Des
M. Und Jupiter schien mir gediehen
Zum Silberschild mit goldener Schrift im Kranze.
Und andre Lichter sah ich niederziehen
Aufs Haupt des
M, dort rastend Dem zu weihen
Ein Lied, dem so Anziehungskraft verliehen.
Und dann, wie zahllos stieben Funkenreihen,
Wenn man zwei glühende Scheite schlägt zusammen,
Draus Toren pflegen sich zu prophezeien,
So stiegen dort empor wohl tausend Flammen
Und flogen mehr und minderhoch in Schnelle,
Wie es die Sonne fügt, der sie entstammen.
Und wie nun jede stand an ihrer Stelle,
Sah ich als Adlerhaupt und -hals gestaltet
Die Flammen auf des Hintergrundes Helle.
Ihn leitet nichts, der droben malt und waltet,
Nein, leitet selbst. Und Ihm nur ist entsprossen
Die Bildkraft, die den Nestern Form entfaltet.
Die andre selige Schar, zum
M ergossen,
Beglückt, sich dort in Lilienform zu einen,
Hat dann das Bild vollendet und beschlossen.
O süßer Stern! mit wieviel Edelsteinen
Zeigst du: vom Himmel, den verschönt dein Schimmer,
Kann uns Gerechtigkeit allein erscheinen.
So bitt ich denn den Geist, der dir noch immer
Kraft und Bewegung leiht, sich umzuschauen,
Welch Rauch dein Licht umdüstert täglich schlimmer,
Daß wiederum sein Zorn schafft denen Grauen,
Die Kaufs und Verkaufs pflegen in dem Tempel,
Den Wunder einst und Martern halfen bauen.
O Himmelskriegsschar! die wie Gottes Stempel
Vorm Blick mir steht, bitte für die verkehrte
Menschheit, die irreführt ein bös Exempel.
Einst war Kriegsführung üblich mit dem Schwerte,
Die heut durch Brotentziehung wird getrieben,
Das keinem noch ein frommer Vater wehrte.
Doch du, der um zu streichen nur geschrieben,
Merk: für den Weinberg, dran du dich vergangen,
Starb Paul und Petrus, die
doch leben blieben.
Du sagst mit Recht: »Nach dem zielt mein Verlangen,
Der einsamleben wollte, täglich frischer,
Dem sie durch Tanz das Martertum erzwangen,
Daß ich nicht Paulum kenne noch den Fischer.«