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XXI.

Das hätten sie früher haben können und leichter, meinte Frau Elisabeth, und gedachte der Zeit, wo sie zum ersten mal mit ihren Gedanken Bruder Helwig und Eva umsponnen. Glücklich jedoch, daß es sich nun doch so gefügt und taktvoll genug, der Vergangenheit, die so viel Trübes gebracht, nicht zu gedenken, behielt sie diese Meinung für sich.

Einmal aber verplauderte sie sich dennoch. Es war, als die Rodenheims dem jungen Paar bei der ersten Wiederkehr ihres Hochzeitstages zu gratulieren kamen.

»Wahrhaftig, ihr lieben großen Kinder, wenn man euch sieht« – bricht Frau Elisabeth fröhlich aus, wie sie das glückstrahlende Paar bewillkommt, – da glaubt mans gewiß, daß die Ehen im Himmel geschlossen werden. Wie denkst du darüber, Bruderherz? Du bist ja gewohnt, so viel schwierige Probleme zu lösen.«

Kanstedt lächelt – dann aber bemerkt er, wie ein Schatten Evas blühendes Gesicht umfloren will, eine Erinnerung an die Erfahrungen, welche sie auf dem Gebiete dieser Probleme gemacht hat. –

»Der Himmel, Schwester Elisabeth,« erwidert er launig, denn leicht und lind möchte er der Geliebten über jene Stimmung hinweg helfen – »ist ein Terrain, so unerforscht, daß selbst der Große Generalstab nicht darauf zu Hause ist – also Ignorabimus! Daß aber die Ehe das schönste Stück Himmel auf die Erde zaubert, und so also mindestens zum Himmel führt, sofern sie in dem Geiste geschlossen wird, der ein- für allemal der Urgrund geworden, auf dem sich diese Form des Lebens aufzubauen hat als ein Bund der Liebe, die jedes Leid, jeden Kampf überwindet, jedes Glück verklärt; unwandelbar und unerschütterlich, wie der Himmel über der Erde, so über allen Wechselfällen des Schicksals mit friedvoller Seligkeit steht: das getraue ich mich – unter Wahrung aller Geheimnisse des Großen Generalstabes – zu verbürgen.«

Unmerklich hat er bei den letzten Worten Eva umschlungen, unmerklich, doch fest an sich herangezogen: »Hab ich recht, Liebling?« fragt er nun und sieht ihr in die Augen, die eben zu ihm aufleuchten, so hell, als habe auch nie ein Schatten ihren Glanz getrübt. Helwig Kanstedt versteht in diesen Augen zu lesen und darf zufrieden sein mit dem, was daraus spricht.

Warm, mit einem Lächeln, das nicht minder vergnügt ist, ob es auch nicht mehr seinen letzten Backenzahn zeigt, was sich der Rittmeister von Rodenheim gänzlich abgewöhnt hat, giebt dieser seine Meinung über die Generalstabsrede des Schwagers, der ihm mal wieder – wie regelmäßig – aus dem Herzen gesprochen hat, zu erkennen.

Thilo ist wirklich glücklich geworden mit seiner Frau; ebenso hat diese ihren Thilo herzlich lieb; ob sie das auch selten anders als mit einem kleinen Zupfen an seinem Ohr gezeigt, welches, je nachdem, einen freundlichen Beifall – oder eine sanft mahnende Warnung bedeuten kann. Diesmal bedeutet es wohl beides.

Ernst und schweigsam schauen Helwig und Eva eine Weile vor sich hin.

Dort auf dem Tisch aber stehen schon die Gläser gefüllt zum fröhlichen Willkomm und Glückwunsch.

Hundert Jahr wie heute
Immer in Glück und Freude!

sagt Susu, die von dem einstigen kleinen »Racker« nur noch eine annehmbare Fixigkeit der Zunge behalten hat, ihr Sprüchlein her und hat damit der Stunde zu ihrem Recht verholfen.

Wohl wehren die Frauen einem Wunsch über menschliches Maß hinaus – die Männer aber jubeln »Bravo!« und meinen, ihnen wäre es nicht zu viel.

In fröhlicher Hoffnung und festem Vertrauen auf die Zukunft werden mit hellem Klingen die Gläser geleert.

Die Zukunft gehört diesen mir herzlich befreundeten Menschen hier, wie allen denen die für das Glück einen Anker geworfen auf einem Grund, den kein Sturm von außen erschüttern kann.

 

Ende.

Druck von C. G. Röder in Leipzig.

 


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