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Die Sünderin

Ich habe den Umgang mit Tom Hallett aufgegeben, obwohl er mir in vergangenen Jahren ein guter Freund gewesen ist, und auch Sir Robert Whittle werde ich nicht wieder auffordern, mein Haus zu betreten; und meinen jungen Schwager Lucas Rose habe ich nochmals mit Tränen in den Augen gebeten, er möge von seinem leichtsinnigen Wandel lassen, denn er trägt französische Seiden und Schnallenschuhe und einen vergoldeten Zierdegen, und man sieht ihn mit Weibern und Mägden, und oft ist große Küsserei an den Gartengittern und anderes Ärgernis. Darum habe ich ihn der Worte Petri 2, _1 gemahnt, wo geschrieben steht, daß »ihr teilhaft werdet der göttlichen Natur, so ihr fliehet die vergängliche Lust der Welt«; habe ihm auch gesagt, der Sieg der guten Sache und all das Blut, das für sie vergossen, sei umsonst, wenn die Saat in den Herzen verdorrte. Dies alles habe ich ihm ernst und eindringlich zu bedenken gegeben, und alles vergeblich: er lachte nur dazu und nannte mich seinen »lieben Prediger«, aber er versprach nichts. Und soll ich dem Bruder meines Weibes mein Haus verbieten müssen?

Und so muß ich sehen, daß mein Wort allenthalben Gutes wirkt, und nur bei denen nicht, die mir nahestehen; und ach, am wenigsten bei der, die mir die nächste sein sollte.

Wie oft habe ich sie gebeten, von dem sinnlosen Putz zu lassen, den Bändern und Spitzen, mit denen sie ihre Kleider behängt, und immer wieder muß ich solchen Firlefanz sehen! Und ihr Haar, das Gott schön geschaffen hat, und daß sie schlicht ums Haupt gewunden tragen sollte, bringt sie in modisch künstliche Formen; und wie sehr ich sie beschworen, die französischen Bücher nicht zu lesen, die nur zu eitlem Zeitvertreib geschrieben sind, läßt sie es dennoch nicht. Und mit dem Kinde spielt sie närrische Spiele und küßt es ohne Ende, was nicht Sinn hat, und kennt keine Strenge für seine Unart.

Ich habe sie gefragt, wenn sie es nicht schon um Gottes und ihrer selbst willen täte, ob sie mir ein so geringes Opfer nicht bringen könnte, sie, die weiß, daß ich mein Blut für sie geben würde; und sie antwortet, daß sie mein Blut nicht begehre, nur ein bißchen Freude und Lachen; sie sagt, sie könne nicht glauben, daß ihre Eltern und Großeltern, die gut und rechtschaffen gewesen und ein fröhliches Leben gelebt, darum verdammt seien, sie könne nicht glauben, daß Gott den Menschen Lust und Freudigkeit gegeben und dann dennoch verboten hätte. Und so will das Weib, das die heiligen Bücher kaum kennt, mich darüber belehren, was Gottes Wille ist!

Es ist aber nicht nur das: ich sehe es wohl, daß, wenn Männer ihr bewundernde Blicke zuwerfen, oder wenn dort, wo wir Personen unseres Standes treffen, die Herren ihr schöne Worte sagen, sie dies gerne hört, und ihr Gesicht vor Freude sich rötet. Und da ich sie darum tadelte, gestand sie es unumwunden, ja sie sagte, daß ihr das Leben verdrießlich sein würde, – trotz meiner großen Liebe! – wenn sie niemand mehr schön finden sollte.

O Eva, o Sünde, die nicht endet, o Wurm, der niemals stirbt!

Und da ich mit Recht zürne, geht sie mit Tränen in den Augen durch das Haus, verschüchtert wie ein Vogel, dem man das Bauer verhängt.

Gestern geschah es, daß wir unter den Leuten auf der Wiese saßen, die Mylord Beauffrey erwarteten, um ihn zu begrüßen, der uns ein gutgesinnter Freund und auch ein wenig unser Verwandter ist. Vor uns standen mehrere eitel geputzte Herren in Federhüten, die ich flüchtig kannte und genauer nicht kennen will, und unter ihnen Mr. Thomas Beauffrey. Sie hatten sich, da es heiß war und Mylords Ankunft sich verzögerte, Wein bringen lassen und tranken auf der Wiese. Mr. Thomas füllte sein Glas, hob es hoch und sagte: »Auf das Wohl meiner schönen und tugendreichen Base, Mrs. Lucy Wycombe!« Ich bedachte, wer er sei, und da mir nicht entgangen war, daß sie mit einem lieblichen Neigen des Kopfes seinen leeren und verführerischen Worten gedankt hatte, so lüftete ich den Hut und sagte: »Mr. Thomas, mein Verwandter, ich danke Euch für Eure höfliche Absicht, aber die Tugend bedarf keines Lobes und die Schönheit ist des Lobes nicht wert.« Da lachten die Männer und Mr. Thomas erwiderte: »Doch! beide verdienen das Lob und bedürfen seiner.« über das Gesicht meines Weibes aber flog ein Lächeln: sie pflichtete dem Fremden bei und nicht ihrem Gatten!

Mr. Thomas lehnte sich auf das Holzgeländer, das zwischen uns und den jungen Leuten war, und begann mit mir über die Kriegsaussichten und die neuen Steuern zu reden; aber ich merkte wohl, daß es ihm nicht darum zu tun war, und in der Tat entschuldigte er sich alsbald bei Mrs. Lucy wegen seiner Rede, die eine schöne Frau nicht ansprechen könnte, und flocht noch mehr der Schmeichelworte ein, was mir so mißfiel, daß ich zuletzt kurz grüßte und mich mit meinem Weibe von der Stelle entfernte.

... Solches hatte ich geschrieben, als Mylord Beauffrey, unser Freund und Verwandter, uns zu einem Feste einlud, da er seine Nachbarn bei seiner Heimkehr bewirten wollte. Es wäre nicht schicklich gewesen, fernzubleiben, obwohl mein Herz wahrhaftig nicht nach solchen Dingen steht, sondern sie eher meidet und fürchtet. Denn all dies zieht mich von dem wahren Lichte ab, das ich Tag und Nacht über mir schaue und dem ich inbrünstig nachringe, wie Gott weiß.

Ich durfte auch nichts dawider sagen, daß mein Weib ihr grauseidenes Kleid anlegte: dennoch führte es zu bitteren Worten, da ich nicht leiden mag, daß was in Liebe und ohne Sünde mein ist, von den unzüchtigen Blicken anderer Männer betastet werde, aber Mrs. Lucy erklärte, kein Tuch um ihre Schultern legen zu wollen, weil keine andere Frau ein solches trüge und sie sich nicht zum Spott der Leute zu machen gedächte. Lucas, der gerade zugegen war, gab seiner Schwester recht, und lachend, wie er pflegt, sagte der Tor zu mir: »er könne mich verstehen, aber ich irrte mich wohl über meine eigenen Gefühle«, und er warf mir Neid vor, »da ich an dem, was so schön sei und mir allein gehöre, den andern nicht einmal die geringe Lust des Schauens gönnen wollte«, sagte, »daß des Weibes Schönheit geschaffen sei, die Welt mit Freude zu füllen«, bis ich, um so heidnische und zuchtlose Reden nicht weiter zu hören und um nicht gegen einen nahen Verwandten heftig werden zu müssen, aus dem Zimmer ging.

So daß, als wir im Wagen saßen, beide schwiegen und mein Weib zuletzt leise sagte, sie wäre am liebsten gar nicht gegangen, da doch nichts mehr mit Freuden geschehen könnte; ich antwortete nicht darauf, da ich wußte, daß dem nicht so war und daß sie nichts heißer begehrte, als zum Feste zu gehen, und nur wollte, daß ich gutheißen sollte, was ich doch nicht gutheißen darf.

Mylord und Mylady Beauffrey erwiesen uns viel Höflichkeit und bestanden darauf, daß wir an ihrem Tische saßen, denn es waren mehrere Tische im Saal aufgestellt. Als das Mahl geendet war, setzten viele sich an die Spieltische und andere zum Gespräch zusammen, und die jungen Leute traten zum Tanz an. Ich sah, obgleich ich eben von meinem Weibe entfernt im Gespräch mit Mylady stand, die mich über die Erziehung ihres kleinen Sohnes zu Rate zog, wie Mr. Thomas Beauffrey sie zum Tanz aufforderte. Ich sah es und konnte nicht dazwischen treten, und sie, die wohl wußte, wie wenig erwünscht dies mir sein konnte, warf nur einen raschen Blick nach mir herüber, dann aber legte sie, entschlossen wie einer, der das Tau löst und in Gottes Namen ins Verderben fährt, ihre Hand in die seine und tanzte mit ihm. Denn Mr. Thomas, der für alle leichtfertigen Künste eine Gabe hat und keine für das, was dem Menschen ernst sein soll, gilt für einen trefflichen Tänzer. Und immer wieder sah ich sie mit ihm umherwirbeln, ein Höllenreigen für mich, und als sie zum elften Male vorüberkam, mit geschlossenen Augen, das Haupt zurückgelehnt, da schloß ich gleichsam in mir ein Buch ab und warf es hin.

Dann führte Mr. Thomas, den Hut gesenkt, daß die Feder daran die Erde berührte, während er sich mit einem seidenen Tüchlein die blonden Locken trocknete, mein Weib, Mrs. Lucy Wycombe, zu einer Ruhebank, die weit von dem Platze entfernt war, an dem ich saß; dort verblieben sie nebeneinander und redeten. Und so blieb auch ich an meinem Platze, ohne mich zu rühren; ich sah, wie sie ihr Tüchlein in ihren Händen drehte und preßte und es um ihr Handgelenk wand und wie sie plötzlich aufstand und durch den Saal auf mich zukam, und ich sah auch, wie Mr. Thomas ihr lächelnd nachschaute, und da ich ihn fest ansah, begegnete er meinen Blicken, stand, die Schultern zuckend und die Lippen spitzend, auf und trat lächelnd an einen der Tische.

Als sie vor mir stand, vermochte ich nicht anders als den Abscheu, den ich fühlte, in meinem Angesichte zu zeigen; da warf sie mir einen trotzigen und widerspenstigen Blick zu, zuckte die Schultern, genau wie Mr. Thomas getan, und ging davon.

Ich wollte ihr folgen, aber ich tat es nicht: da sie ihren Weg abseits von meinem ging, mochte sie ...! Ich sah sie Wein trinken, mehrmals und schnell, einer der Herren schenkte ihr ein.

Das junge gedankenlose Volk wollte nun ein seltsames Spiel spielen: ihrer vier ließen sich auf ein Knie nieder und sangen folgendes Lied:

»Voicy un corps mort,
Royde comme un baston,
Froid comme un marbre,
Leger comme un esprit,
Levons-le au nom de Jésus Christ!«

Und zwar sang die erste flüsternd die erste Zeile ihrer Nachbarin ins Ohr, diese die zweite der nächsten und so weiter, bis die fünfte zur ersten zurückkam; in ihrer Mitte aber lag Lucas Rose, meines Weibes Bruder, der bei allen leichtfertigen Dingen ist, auf dem Boden, und sie schoben jede einen Finger unter ihn und hoben ihn mit diesem einen Finger bis hoch über ihre Häupter empor, daß es ein Wunder und ein Greuel zu schauen war.

Ich wendete mich ab, da es mir ein vermessenes und schauerliches Spiel schien; indessen die andern lachten und staunten, und einige riefen, nun müsse eine Frau die Tote spielen. Dann hörte ich es stille werden und hörte wie im Traume mein Weib sagen: »Die Tote will ich sein«, und da ich mich wieder umwendete, lag sie auch schon in ihrem grauseidenen Kleid auf dem Teppich, steif, mit geschlossenen Augen, und vier junge Männer, darunter Thomas Beauffrey, legten ihre unreinen Hände unter sie und hoben sie hoch empor, so daß sie steif in der Luft schwebte und ihr Haar sich löste und herabhing und die Kämme und der Schmuck daraus zur Erde fielen.

Als sie wieder auf den Füßen stand, nahm ich sie bei der Hand, ohne ein Wort zu sprechen, und sie folgte mir schweigend. Ohne mich bei Mylord Beauffrey zu beurlauben, hieß ich einen Knecht unsern Wagen und unsere Leute rufen, und wir fuhren durch die Nacht nach Hause, ohne daß eines sprach, und gingen auch so zu Bette; nur daß sie mir zuletzt leise Gute Nacht bot; ich aber sah sie nur an und antwortete nicht. Da breitete sie die Arme aus und schlug sie an ihren Leib, wie jemand, der nichts mehr zu tun weiß, und als wir beide im Bette lagen, und ich das Licht ausgetan hatte, hörte ich sie lange und heftig weinen.

... Zwei Tage später, wir hatten noch nicht mit einander gesprochen, tönt Hufschlag von der Gasse; mein Weib eilt mit dem Kinde ans Fenster, um ihm den Reiter zu zeigen, und da ich unwillkürlich einen Blick nach ihm werfe, sehe ich, daß es Mr. Thomas ist, der vorüberreitet, und mit gezogenem Hute heraufgrüßt, Eitelkeit im Antlitz und ungesprochene süße Worte auf den Lippen.

Wie oft klirrten in den nächsten Tagen die Eisen auf dem Pflaster vor unserem Hause, und wenn sie auch nicht jedesmal ans Fenster lief, dem Gruße zu danken, so stand sie dafür einmal an der Türe und verschmähte es nicht, mit dem Laffen auf der Schwelle ihres Hauses ein Gespräch zu führen, Mrs. Wycombe, meine Hausfrau! Und jedesmal kam sie zurück mit einem Gesicht zwischen Lachen und Weinen, wenn sie mein finstres Antlitz sah. Lucy, dachte ich, Lucy Wycombe, du weißt nicht, was du tust! Denn Gott verzeihe mir, auch in meiner Kammer klirrte das Eisen, als ich mein Schwert heraussuchte, das ich in Irland geführt, da wir den schändlichen König Jacob aus dem Lande trieben, und seine Schneide prüfte, Gott verzeihe mir! Denn was sollte ich tun? Ich konnte ihn nicht niederstechen, weil er durch unsere Straßen ritt und zu unsern Fenstern grüßte, da er doch unser Sippe ist, und konnte ihn auch nicht bitten: »Mr. Thomas, mein Vetter, seid so gut, reitet nicht mehr an meinem Hause vorbei, denn Ihr störet den Frieden darinnen!« Ich biß meine Zähne zusammen und rang auf den Knien zu Gott um Geduld und Demut.

... So sind manche Tage vergangen, und wir haben immer nur geredet, was nötig ist, und kein Wort in Liebe. Denn ihr Trotz ist groß. Lucas Rose aber, mein Schwager, kommt lachend ins Haus und schwatzt mit ihr, und dann sehe ich ihn mit Mr. Thomas gehen oder vor dem Weinhause sitzen, der ihn zu seinem Kumpan erwählt hat, und ich weiß auch warum, wenn der Tor es nicht weiß.

Sie selbst ist blaß und lacht nicht, außer mit dem Kinde, und geht wie in großen Kämpfen, spricht aber nicht.

... Der Tag kam, an dem wir vor vier Jahren getraut worden sind, und der auch der Tag ist, an dem sie geboren wurde; und ich wartete, daß sie zu mir kommen würde; nach dem Morgengebet sah ich sie die Hände ringen und oft nach mir blicken, aber sie kam nicht; und so ging ich hinweg. Und ich dachte all des Glücks dieser Jahre und wie ich sie geliebt hatte.

Das Herz war mir so schwer gewesen, daß ich nicht hätte reden können, wenn ich gewollt hätte. In diesem Augenblick begann ich mich zum erstenmal für töricht zu halten, daß ich an ein Weib geglaubt hatte, da ich die Eitelkeit und die Schwäche des Geschlechts bedachte. Und noch ein Gedanke kam mir zum erstenmal: daß sie ja gleichen Blutes wie ihr Bruder Lucas war, dessen Sinnlichkeit und unzüchtiges Leben ich kannte!

Eine Weile später pochte es an der Haustüre; als ich aus dem Fenster blickte, sah ich einen Jungen forthüpfen, der bunte Bänder trug. Ich trat in die Wohnstube und eben trat auch die Magd ein: »Rosen für Mistreß Wycombe!« sagte sie. Erst tat sie ganz erstaunt, dann aber nahm sie den Strauß und sagte, »Blumen sind immer gut und schön und unschuldig« und stellte sie in einem großen hellen Glase in die Mitte des Tisches. Dann mit einem Blick nach mir: »Ja, wer wie ein Scharfrichter im Hause umhergeht an seinem Hochzeitstag, der mag auch Blumen nicht.« Ich bezwang mich und schwieg. Plötzlich aber faßte mich ein Zorn und ich wollte die Blumen aus dem Fenster werfen, als ich sah, daß zwischen den Rosen ein Briefchen lag, das sie nicht bemerkt hatte. Da erkannte ich, daß Gott mir ein Zeichen geben wollte, durch das ich sie erproben konnte, und schritt aus der Stube, als hätte ich nichts gesehen.

Eine volle Stunde saß ich vor meiner Uhr und hörte das Pendel gehen und zählte jede Minute, – kein Mann auf der Folter hat eine schlimmere Stunde durchlebt, – während ich drinnen mein Weib umhergehen und dies und jenes verrichten hörte, bis es stille ward. Als die Uhr schlug und ich eintrat, war die Stube leer und die Stelle in den Blumen auch.

Gerade kam die Magd und trug das Essen auf; mein Weib trat herein und setzte sich an den Speisetisch, während ich, die Hand auf meinem Stuhle, stehen blieb. Sie hatte die Suppe bereits in ihren Teller geschöpft, als sie sah, daß ich immer noch aufrecht stand, und sie fragte, ob ich mich nicht setzen würde. Ich gab Antwort:

»Ich sitze nur mit ehrbaren Frauen zu Tisch.«

Da wurde sie weiß im Gesicht und sagt«: »So bin ich in deinen Augen keine ehrbare Frau?«

»Eine ehrbare Frau tut nicht wie du!«

»So bin ich, so ist deines Kindes Mutter keine ehrbare Frau!« sagte sie.

Ich sagte: »Eine ehrbare Frau empfängt nicht Blumen und Briefe von fremden Männern.«

Da sah sie mich betroffen an und sagte: »John ...«

Ich wartete, aber es war, als besänne sie sich, und sie rief heftig: »Ein Mann, der mich verdächtigt, ist meiner Treue nicht wert, und wer verdächtigt, der verdient, daß ihn treffe, was er erwartet!« und eilte hinaus.

Ich aber, da ich solche Worte gehört, nahm mein Kind und ging mit ihm aus dem Hause, und wir aßen beide bei meinem Schwager Breames, der Pfarrer in Tirleby ist und ein frommer Mann, und ich ließ das Kind bei ihm. Erst Abends kehrte ich nach Hause zurück, und die Magd kam mir entgegen und sagte, die Frau wäre den ganzen Tag klagend und händeringend umhergegangen und hätte nach dem Kinde gefragt. Ich hatte aber niemanden wissen lassen, wohin ich ginge.

Als ich in die Stube trat, lag sie mit ausgebreiteten Armen auf der Erde und sah nicht auf. Ich fragte: »Hast du endlich Buße getan, Lucy, mein Weib, und ist dein Trotz gebrochen? Bete, dies wird dir wohl tun!«

Da sprang sie auf und rief: »Bete du, denn ich habe nichts zu büßen.«

Da ich sah, daß sie in ihrer Selbstgerechtigkeit verharrte, so sagte ich nur: »Ich weiß nicht, wie weit du auf dem Weg der Sünde gegangen bist ...«

Sie unterbrach mich: »Ja, ja, ich vergaß, ich bin ja keine ehrbare Frau, und auch das Kind hast du heute von mir fortgetragen ...«

»Ja,« sagte ich, »ich will es John Breames in Tirleby lassen; ich habe mit ihm gesprochen ...«

»Das wirst du nicht tun!« rief sie.

»Ich habe es schon getan,« erwiderte ich, »bete zum Herrn, Lucy ...!«

Sie aber stand starr da, und ihre Wangen waren grau von den Spuren der Tränen. Dreimal sagte sie nur: »Mein Kind, mein Kind, mein Kind!« und warf sich über das Bett und lag ganz steif, so wie damals, als sie die Tote spielte im Saal.

Nach einer Weile sagte sie wieder: »So bin ich keine ehrbare Frau mehr und keine Mutter!«

Ich war an den Tisch getreten und hatte das heilige Buch geöffnet, denn auch mir war weh und bitter zumut. Da hörte ich ein Geräusch hinter mir und sah, wie sie sich halb aufgerichtet hatte und mit beiden Armen aufs Bett sich stützend, mich seltsam und wild ansah und sagte: »Du sollst deinen Willen haben, John Wycombe ... ich werde büßen ... o ja, ich muß büßen! Aber dir verzeihe Gott, daß du mich dazu getrieben! ... ich werden büßen, John Wycombe!«

Und damit sprang sie auf und stürzte davon. Ich aber blieb sitzen und dachte: Nun kann vielleicht alles gut werden.

Dennoch war eine große Angst und Betrübnis in mir, und ich saß bis tief in die Nacht und las in der Schrift.

 

In jener Nacht war sie nicht wiedergekommen.

Ich saß einen Tag und suchte Erleuchtung im Gebet. Dann dachte ich, sie müsse nach Tirleby zu dem Kinde gegangen sein, und ließ mein Pferd satteln und ritt hinüber, aber sie war nicht dort gewesen.

Als noch ein Tag verging und zwei, ohne daß sie wiedergekehrt wäre, da wurde mir Angst. Am dritten Tag klirrte es wieder unten auf der Gasse; aber ich sah nur mehr seinen Rücken, und mir kam eine schreckliche Ahnung. Ich vergaß des Betens, und wieder klirrte das Eisen auch in meinem Haus; denn ich nahm mein Schwert von der Wand herab und schliff es.

Dann saß ich auf und ritt die Straße hinab, bis ich seiner ansichtig wurde; und als ich mein Pferd neben dem seinen hatte, und sah, wie er stutzte, da sprang ich rasch aus dem Sattel und faßte sein Pferd am Zügel; und er sprang ebenso rasch zur Erde und hatte die Hand am Degengriff.

Wir standen vor einander, und ich sagte: »Wo hast du mein Weib?«

Da sah er mich verwundert an und schüttelte den Kopf und antwortete: »Ich weiß nicht, wo Euer Weib ist, Mr. Wycombe!« Darauf zog ich den Degen blank und sagte: »Thomas Beauffrey, du lügst, und nun ficht mit mir, bis du tot liegst!«

Er hatte schon gezogen und wollte sich en garde stellen, als er die Klinge wieder sinken ließ.

»Mann,« rief er, »Mann, du bist außer dir und zitterst. Ich will nicht mit dir fechten!«

Ich aber sagte: »Ficht, Thomas Beauffrey! Es steht geschrieben: wer die Ehe bricht mit eines andern Weib, soll des Todes sterben!«

Er hielt die Degenspitze noch immer zur Erde und sagte: »Ich schwöre dir, daß ich dein Weib seit zehn Tagen nicht gesprochen und kaum gesehen habe!«

In diesem Augenblick hörten wir Schritte: Lucas Rose war bei uns. Er hatte schon von ferne gegrüßt und war dann eiligst herangekommen, gerade als ich rief: »Du hast ihr einen Brief geschrieben, Mr. Beauffrey ...!«

»Das war ein Scherz!«

Lucas aber, der bleich geworden war, als er unsere Anstalten sah, sagte sehr ernst: »Den Brief hat sie vor meinen Augen zerrissen.«

Da stand ich beschämt vor den Zweien wie ein Tor, und dann wieder zornig, wegen ihres unziemlichen Scherzes. Dann aber dachte ich an mein Weib, und Angst befiel mich, so daß ich mich hinsetzen mußte. Und ich muß sagen, sie waren beide nicht unlieblich mit mir, und faßten mich an der Hand, und da ich ihnen erzählte, daß Mrs. Wycombe seit drei Tagen verschwunden sei, da erschraken sie, und wir saßen alle drei auf und ritten denselben Abend überallhin, wo wir denken konnten, daß sie wäre, und fragten nach ihr und hörten doch nichts.

Wir suchten die ganze Nacht und fanden endlich eine Spur, die nach Lynnesdale wies.

In Lynnesdale aber, wo wir um zehn Uhr vormittags einritten, war ein großer Auflauf auf dem Markt und Lärm, und als wir fragten, hörten wir, daß eine Ehebrecherin auf Befehl des Sheriffs öffentlich ausgepeitscht würde.

»O Gott,« dachte ich, »das sollte sie hören, die so mit Feuer gespielt hat!«

Wir mußten wohl oder übel vorbei. Da stieß Lucas neben mir einen wüsten Schrei aus und Mr. Thomas einen zweiten, und ich riß mein Pferd so heftig zurück, daß es sich hoch aufbäumte.

Das Weib, das halbnackt und blutig, stöhnend am Pfahl stand ... das waren meines Weibes Schultern, das war meines Weibes Leib!

Sie hielten mich, da ich herabsank; und da wir drei mit gezogenen Schwertern hindringen wollten, hielten uns die Leute des Sheriffs zurück; und ich schrie und schrie, und es half doch nichts mehr.

Sie haben sie mir gebracht, entstellt und geschändet. Und als sie auf der Bank vor dem Richthause lag und sie Wasser an ihre Lippen setzten, da sah ich sie nur schaudernd an, und schaudernd standen Lucas und Mr. Beauffrey neben mir.

»So bist du dennoch schuldig gewesen?« Anderes konnte ich nicht sagen.

»Du hast es ja selbst gesagt,« stöhnte sie, »du hast mich schuldig gesprochen, John Wycombe: ich wollte die Strafe der Sünde empfangen, deren du mich geziehen.«

Sie selbst war zum Sheriff gegangen und hatte sich angeklagt! Sie hat es mir antun wollen, daß ich mehr leiden sollte als sie, wenn sie vor allem Volk ihren Leib entblößten und sie geißelten!

Sie hat es getan, und mich gestraft durch sich, weil ich blind war und blödsinnig wie ein Tier!

O barmherziger Gott! Wehe mir! wehe mir!

*


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