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Teuflische Pläne

Van der Griend saß beim Frühstück in seiner Wohnung. Es war elf Uhr und für seine Verhältnisse noch früh am Tage, denn für gewöhnlich stand er erst gegen zwölf Uhr und noch später auf. Sein Morgenrock hing nachlässig um seinen Leib, während er dicht beim warmen Ofen, in einem Schaukelstuhl liegend, langsam ein rohes Ei ausschlürfte.

Einen Augenblick blieb er in Gedanken, mit seinem Eierlöffelchen spielend, sitzen. Dann fuhr er in die Höhe, eilte zu seinem Schreibtisch und entnahm einem Fach eine eiserne Kassette, die einen geheimen Verschluß hatte. Van der Griend öffnete sie und holte daraus einen mit fünf Siegeln versehenen Briefumschlag hervor. Ehe er den Brief öffnete, drehte er den Schlüssel im Schloß der Zimmertür um. Dann ließ er sich wieder in den Schaukelstuhl fallen, schlug die Beine übereinander und vertiefte sich in den Brief. Der Umschlag trug den Poststempel Antwerpen, während der Brief selbst aus Brüssel datiert war. Er war in französischer Sprache geschrieben und lautete übersetzt folgendermaßen:

Brüssel, Januar 18..

Mein Herr!

Gestern traf Ihre Sendung mit dem 11.43 Uhr-Zug ein und sende ich Ihnen anbei die ausgemachten fünfhundert Gulden.

Was den Fall Zeelandia betrifft, kann ich Ihnen mitteilen, daß ich die Marke prüfen werde. Bin ich zufrieden, so werde ich ohne Zweifel das Geschäft machen. Geben Sie acht, die Gegenpartei ist gegenwärtig sehr rührig.

Auf Wiedersehen Montag, den 14. dieses Monats. Abfahrt von Paris 12.40 Uhr. Ankunft Amsterdam Zentralbahnhof 9.32 Uhr.

Andrée.

Nachschrift: Moritz wird diesen Brief in Antwerpen aufgeben.

Van der Griend verwahrte den Brief wieder sorgfältig in der eisernen Kassette und drückte dann auf die elektrische Klingel.

Das Mädchen erschien.

»Decken Sie ab, Hanna, und sagen Sie Ihrer Herrin, daß ich heute zu Hause essen werde.«

Kaum war er wieder allein, so steckte er sich eine Zigarre an und holte aus einer seiner Taschen eine Photographie hervor. Es war das Bild von Myntje Kollart. Eine Weile betrachtete er es aufmerksam; aber als er Schritte auf der Treppe hörte, ließ er es schnell verschwinden.

Das Mädchen kam, um Herrn Nielsen zu melden, und gleich darauf stand Friedrich am Ofen und wärmte sich die Hände. »Guten Morgen! Es ist grimmig kalt!« rief er. »Du hast es gut, kannst der Ruhe pflegen, solang du willst. Uebrigens bin ich erstaunt, daß du schon auf bist. Ich habe schon zwei Stunden in der Kälte herumbummeln müssen.«

»Setz dich«, entgegnete van der Griend. »So geht es, wenn man noch unter mütterlicher Zucht steht«, fügte er spöttisch lächelnd hinzu.

»Ich wollte, ich hätte mich noch etwas mehr darunter gestellt«, antwortete Friedrich bitter, »dann wäre ich vor vielem bewahrt geblieben.«

Das Lächeln erstarb auf van der Griends Gesicht, und seine falschen Augen funkelten zornig, als er fragte: »Was soll das heißen?«

»Ich sage nur, wie es ist. Aber jammern wir nicht über Dinge, die einmal nicht mehr zu ändern sind. Ich habe an Jenny Davids geschrieben.«

»Und hat sie geantwortet?«

»Ja, ich bekam diesen Morgen einen Brief von ihr. Sie will tun, was ich ihr gesagt habe.«

»Recht! Das gefällt mir. Man sieht, daß man auch aus der Liebe etwas fürs Geschäft herausschlagen kann.«

»Für die Schurkerei, meinst du?«

Van der Griend fuhr wie von der Tarantel gestochen in die Höhe, und in seinen Augen spielten Bosheit und Erstaunen. »Was meinst du?« schrie er. »Bist du verrückt geworden?«

»Nein, aber ich erkläre dir rundweg, daß das Stück, das wir jetzt aufführen, absolut nicht nach meinem Sinn ist. Du weißt, daß ich kein Spielverderber bin und ohne Skrupel mit Jenny Davids Liebe gespielt habe, aber sie nun, ohne daß sie es weiß, zu gebrauchen, um ihre Freundin ins Verderben zu stürzen – ich kann mir nicht helfen –, das geht zu weit.«

Van der Griend brach in schallendes Gelächter aus. »Ich glaube wahrhaftig, daß du von den Frommem angesteckt worden bist, die sich die Füße vor eurer Tür wundgelaufen haben. Das Nächste ist, daß du mit in die Kirche läufst und betest. Aber verstehe, das geschieht nicht, ehe wir miteinander im Klaren sind. Bedenke das wohl. Fritzchen.«

»Spare dir deine versteckten Drohungen«, antwortete Nielsen. »Ich bin mir voll bewußt, daß ich abhängig von dir bin. Ich muß mich mit dem Gedanken trösten, daß ich auch eines deiner Schlachtopfer bin.«

»Habe ich dich etwa gezwungen, Spielschulden zu machen?«

»Nein, aber du hast meine Neigung zum Spielen und Trinken ausgenützt, und nun du mich in deiner Macht hast, muß ich nach deiner Pfeife tanzen. Meinst du, ich fühle etwa nicht, wie ich an dich gekettet bin?«

»Ich möchte dir auch nicht raten, zu revoltieren. Potztausend, wir werden doch nicht streiten. Hier, nimm diese Havanna und reich mir den alten Kognak dort!«

»Ja«, antwortete Nielsen, »laß uns eins trinken, vielleicht verschwinden dann die trüben Gedanken.«

Und wirklich, es dauerte nicht lang, so waren die trüben Gedanken alle aus Nielsens Gehirn verscheucht. Mit teuflischem Behagen ließ sich van der Griend von Friedrich erzählen, wie er Jenny Davids dazu bewogen hatte, Myntje Kollart mit der Bezahlung ihrer Rechnung zu drängen. Da sie aus guter Quelle gehört habe, Myntje mache große Ausgaben, habe sie keine Lust mehr, zu warten. Im Laufe der Woche werde sie ihr einen Postauftrag zustellen und im Falle der Nichteinlösung ihn an die alten Booyens gehen lasten.

Als Nielsen etwa nach einer Stunde, durch den Kognak in fröhlichste Stimmung versetzt, van der Griend verließ, murmelte dieser vor sich hin: »Ja, so wird es gehen; sie muß durch ihre Gläubiger dazu gebracht werden, bei mir Geld zu entlehnen. Dann bekomme ich sie dahin, wo ich sie hin haben will.«


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