Gabriel Ferry
Der Waldläufer – Für die reifere Jugend bearbeitet
Gabriel Ferry

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Fünftes Kapitel. Eine Inselblockade.

Ein gewaltiges Geheul, das von beiden Ufern des Flusses herübertönte, machte die drei Freunde erbeben.

»So,« rief Josef, wüthend die Fäuste ballend, »nun ist es vorbei mit der Flucht, die Hunde von Indianern haben Verstärkung bekommen und jetzt beide Flußufer besetzt!« Der Canadier nickte traurig mit dem Kopfe und versank abermals in düstere Träumerei.

»Haha,« lachte Josef grimmig, »das wird ein Triumph für die rothen Teufel sein, wenn sie drei ehrliche Weißgesichter in die Hände bekommen.«

»Mäßige Dein wildes Wesen, Josef,« begann jetzt der Canadier, »denken wir lieber daran, wie wir es anzufangen haben, um als Christen zu sterben.« Dann zog er Fabian an seine Brust und fuhr in innigem Tone weiter fort: »Sohn meines Herzens! Der Mensch soll keine Luftschlösser bauen, denn sie fallen stets in ein Nichts zusammen. Diesen Luftschlössern gleichen auch meine stolzen Träume, in denen ich Dich bald als einen vornehmen, hohen Herrn, bald als einen berühmten Jäger der Savane sah, denn ich schwankte und wußte nicht recht, ob ich Dir zur Wiedererlangung Deiner Ehren und Titel, denen ich noch alle Schätze des Goldthales beizufügen Willens war, hilfreiche Hand leisten oder Dein Herz für die Herrlichkeiten der Wüste, die weit über Reichthum und Ehren gehen, empfänglich machen soll. Und nun stehen wir plötzlich am Rande des Abgrundes und es bleibt uns nichts, als die Hoffnung, im Tode vereinigt zu sein. Ich vertausche gern dieses Leben mit jenem ewigen, in welchem es keine Trennung mehr giebt, dennoch stimmt mich der Gedanke traurig, daß Du, noch so jung, mein Schicksal theilen sollst.«

»Oh, mein Vater,« rief Fabian und liebkoste den rauhen Jägersmann, »wer auf der Welt würde mich noch lieben, wenn Sie nicht da wären, – ist da der Tod für mich nicht auch ein süßer Friedensengel?«

Rosenholz wollte antworten, allein der Schall entfernten Gewehrfeuers unterbrach ihn. Es war die Stunde, zu welcher die Indianer das Lager Don Estevans angriffen. Das andauernde Geknatter zeugte deutlich von dem erbitterten Kampfe, dessen Ausgang uns bekannt. Mitten in den fernen Donner hinein mischte sich jetzt vom nahen Ufer eine starke Stimme, in welcher Rosenholz und Josef sofort jene des Schwarzvogels erkannten.

»Mögen die Weißgesichter ihre Ohren öffnen,« schrie der in der Dunkelheit unsichtbare Indianer.

»Was willst Du, Pechvogel?« antwortete Josef erbost. »Sollen wir uns etwa selbst scalpiren und Dir unsere Kopfhäute persönlich ehrerbietigst zu Füssen legen?«

»Das Lager der Männer aus Mittag ist angegriffen worden und nicht ein Einziger der weißen Krieger entkommt,« rief der Apache mit unterdrückter Wuth. »Die Schaar des Schwarzvogels hat sich daher verzehnfacht und hält den Fluß und die Insel umschlossen und keins der Weißgesichter wird entwischen, selbst nicht der Adler der Schneeberge und der Spottvogel, der alle Stimmen nachzuahmen versteht.«

Der Leser wird errathen, daß diese beiden letzteren Namen Rosenholz und Josef bezeichnen sollten.

»Die Krieger aus Mitternacht,« hohnlachte Josef, durch den Vergleich nicht milder gestimmt, »sind mit Pulver und Blei ausgerüstet und ihre Büchsen fehlen nie. Auf jede Kugel kommt genau ein Indianer. Greift uns also immerhin an!«

»Die Apachen sind Füchse,« gab der Schwarzvogel zurück, »und werden warten, bis der Hunger ihnen die Feinde entgegentreibt.«

»Dann wünsche ich Euch angenehmen Zeitvertreib,« antwortete der unermüdliche Josef, »denn die Krieger aus Mitternacht sind auf lange Zeit versehen, auch giebt es Fische im Fluß und Wasser in Fülle, den Durst zu löschen.«

Der Schwarzvogel schwieg und war hinter den Stamm des Weidenbaumes zurückgetreten, welcher ihm als Zufluchtsort diente. Das ferne Krachen des Flintenfeuers hatte aufgehört, der Mond war untergegangen und der Alles umhüllende Nebel noch dichter geworden.

»Wir müssen die wenigen Stunden, die uns noch bis zum Sonnenaufgang bleiben, zur Flucht benützen,« unterbrach der Canadier die nächtliche Stille. »Wenn es uns gelingt, in die Mitte der Insel ein Loch zu graben, so können wir in's Wasser tauchen, ohne von den verwünschten Rothhäuten bemerkt zu werden.«

»Was würde dann aber aus dem armen Verwundeten?« fragte Fabian, auf Gayferos deutend.

»Da liegt der Hase im Pfeffer,« entgegnete Rosenholz und seine Stirn umwölkte sich von Neuem, »es wäre schlecht von uns, den Unglücklichen zu verlassen, nachdem wir ihn den Krallen der Apachen entrissen.«

»Was aber sollen wir dann thun?« polterte Josef.

»Laßt uns nachdenken,« antwortete der Canadier und begann zu grübeln. Allein so sehr sich auch die drei Freunde den Kopf zerbrachen, fanden sie dennoch keinen Ausweg und gelangten zu dem Schlusse, daß nur durch ein Wunder ihre Rettung bewirkt werden könne.

An beiden Ufern flammten jetzt Wachtfeuer auf, deren röthliches Licht, ungeachtet der Nebeldecke, die dunkle Fluth des Wassers beleuchtete, und neben jedem Feuer hob sich die düstere Figur einer apachischen Schildwache ab. Keine menschliche Stimme störte die tiefe Stille der Nacht und nur der sich immer mehr verdichtende Nebel trieb nach wie vor sein fantastisches Spiel. Bald waren die Insel sowie die Flußufer vollständig von ihm eingehüllt; die letztern schienen in unbestimmte Fernen zurückzuweichen und die Feuer schmolzen zu röthlichen Punkten zusammen.

Von der Notwendigkeit überzeugt, die Wachsamkeit zu verdoppeln, beorderte der Apachenhäuptling zwei bewährte Krieger, um die Schildwachen zur äußersten Aufmerksamkeit zu ermahnen. Der Schwarzvogel befand sich auf dem linken Ufer und die Nachtluft, welche die Schmerzen seiner Wunde vermehrte, steigerte den Groll seines Herzens nur noch mehr. Da traf ein mit Blut bedeckter Bote ein und brachte die Meldung von der Niederlage der apachischen Schaar, welche das Lager Don Estevans gestürmt hatte, und dem Tode der Pantherkatze. Ungeachtet des brennenden Schmerzes seiner Wunde und der seinem Stamme eigenen Selbstbeherrschung, wäre der Schwarzvogel bei dieser Hiobsbotschaft beinahe aufgesprungen.

»Wir haben einen Anführer nöthig,« fuhr der Bote alsbald weiter fort, »um die Niederlage wieder gut zu machen. Der Schwarzvogel war bisher nur das Haupt eines Stammes, jetzt aber soll er das Haupt eines ganzen Volkes sein.«

In dem schwarzen Auge des Angeredeten glänzte ein befriedigter Stolz, bewies ja doch die Niederlage seiner Stammesbrüder, wie recht er damals gehabt, als die verschiedenen Häuptlinge in dem kleinen Gehölz Rath gepflogen hatten und er überstimmt worden war. »Wäre der Schwarzvogel früher gehört worden,« begann er endlich, »so würden sich die apachischen Brüder des Sieges haben freuen können; jetzt aber ist es zu spät, denn was vermag ein verwundeter Häuptling, der sich kaum im Sattel seines Pferdes wird halten können?« Nachdem er dem Boten die Vorfälle der letzten Stunden erzählt, schloß er in ziemlich heroischem Tone: »Und wenn man dem Schwarzvogel jetzt auch den Oberbefehl über zehn Völker antrüge, so würde er ihn doch ausschlagen, um hier die Stunde abzupassen, wo das Blut der verhaßten Jäger auf der Insel vor seinen Augen fließen wird.«

Der Bote hatte in andächtigem Ernst auf die Worte des Häuptlings gelauscht, dann sagte er: »Nun wohl, wenn der Schwarzvogel mir verspricht, mich zu meinen Brüdern zu begleiten, sobald er an den Weißgesichtern auf der Insel Rache genommen hat, so will ich ihm die drei Jäger zur Stelle schaffen.«

»Du hast mein Wort,« antwortete der Häuptling und der Bote verschwand alsbald im Nebel, der immer heftiger hin und her zu wogen begann.

Währenddem hielten unsere drei Freunde auf der Insel traurig und mißmuthig ihre ängstliche Wacht, selbst Josef hatte seinen Humor Verloren und sich, die Büchse über die Kniee gelegt, abseits niedergelassen, um dort ungestört seinen düsteren Gedanken Audienz zu ertheilen. Der verwundete Gayferos warf sich in seinem Schlafe unruhig auf seinem Lager hin und her und ein leises Stöhnen verrieth den brennenden Schmerz, den der Schlummergott nicht vollständig zu bannen vermochte. Da drang plötzlich ein röthlicher Schein durch das Nebelmeer, rasch und mächtig nahm er an Umfang und Helle zu, so daß der grüne Saum der Insel alsbald in märchenhafter Pracht erglänzte, als ob er von bengalischen Flammen erleuchtet sei.

»Himmel und Hölle!« schrie Josef, »es ist ein Brander! Die Schurken beabsichtigen, die Insel in Brand zu stecken. Wenn die Flamme das dürre Blätter- und Strauchwerk erfaßt, sind wir verloren!«

Die erfinderische Schlauheit jenes apachischen Boten, dessen Bekanntschaft wir vorhin gemacht, war in der That bewunderungswürdig. Auf seinen Befehl hatten nämlich die Indianer die Aeste eines Harzstammes abhauen müssen, dieselben sodann auf einen noch mit seinem Laube versehenen Baumstamm gelegt und das harzige Holz angezündet, um schließlich diese Art von Brandmaschine stromabwärts treiben zu lassen. Schon berührte die Feuermasse den Saum der Insel und schon umhüllte ein glühend heißer Dunst die drei Jäger, als man in diesem gefährlichen Augenblicke den Canadier blitzschnell in das Wasser tauchen und in demselben verschwinden sah. Ein gellendes Geheul auf beiden Seiten des Flusses ertönte und zeigte an, daß die Apachen die Absicht des riesigen Canadiers ahnten, – Josef und Fabian dagegen starrten sprachlos auf den schwimmenden Feuerherd, der jetzt zu wanken begann. Mit einem Male sprühte ein Funkenregen auf, das Wasser zischte, und die Feuermasse versank in den brodelnden Fluthen. Tiefe Finsterniß folgte auf den grellen Schein und von Neuem spannte der Nebel seinen düsteren Baldachin auf, unbekümmert um das Wuthgeheul der Indianer, deren Kriegslist mißglückt war. Ein paar Secunden später langte Rosenholz, triefend von Nässe, bei den Freunden wieder an und die kleine Insel erzitterte und krachte in ihren Fugen, als der Riese sich wieder auf dieselbe schwang. Mit einem wahren Jubel im Herzen drückten Fabian und Josef dem treuen Rosenholz die Hand, dessen heldenmüthige Entschlossenheit sie vor dem sicheren Untergang bewahrt hatte.

»Je nun,« meinte der alte Jäger, »dies Mal sind wir allerdings glücklich gewesen, wird's aber auch in Zukunft so sein?«

Dieses Bedenken dämpfte die freudige Erregung und ein düsteres Schweigen folgte. Plötzlich sprang Josef in die Höhe und rief leise: »Rosenholz, Fabian, wir sind gerettet!«

»Gerettet?« wiederholten der Canadier und Fabian zugleich.

»Wie ich Euch sage,« fuhr Josef fort. »Hast Du nicht bemerkt, Rosenholz, wie vor einigen Stunden, als wir zu unserer Verschanzung einige Stämme ausrissen, das ganze Inselchen erzitterte? Und wie hast Du es abermals erzittern gemacht, da Du Dich aus dem Wasser wieder heraufschwangst! Diese Wahrnehmung läßt schließen, daß das gesammte Wurzelwerk nur lose in den Boden eingefügt ist; somit kann es, wenn wir alle Drei unsere Kräfte aufbieten, gar nicht schwer halten, die kleine Insel vom Grunde loszureißen und sie flott zu machen.«

»Den Gedanken gab Dir ein Gott ein!« rief Rosenholz jauchzend, »der Nebel ist dick, die Nacht sehr dunkel und bei Tagesanbruch können wir schon weit weg von hier sein. Jedoch haben wir nicht viel Zeit vor uns und der kühle Wind verkündet bereits den nahenden Morgen, – darum schnell an's Werk! dieses aber muß ich allein vollführen! denn das Losreißen der Insel muß mit der größten Vorsicht geschehen, unsere ungleichen Kraftanstrengungen aber würden sie wahrscheinlich gänzlich zertrümmern und das wäre das höchste Unglück, was uns treffen könnte. Es ist sehr leicht möglich, daß sich meine Vermuthung bestätigt und das Eiland durch eine einzige große Wurzel oder einen dicken Ast festgehalten wird, der sich in den schlammigen Grund eingehakt hat. Das Wasser muß diese Wurzel oder diesen Ast aber mit der Zeit in Fäulniß gebracht haben, und dies will ich jetzt untersuchen.«

Das Gekrächz einer Eule unterbrach das Gespräch. Der unheimliche Ruf schallte vom Ufer herüber und da er sich gerade in dem Augenblicke hören ließ, wo Hoffnung die Brust der drei Jäger schwellen machte, so erweckte er in der abergläubischen Seele Josefs ein schlimmes Echo.

»Das bedeutet Unglück,« sagte er in niedergeschlagenem Tone.

»Dummheit,« polterte Rosenholz, »von einem Manne, der, wie Du, schon zehn Jahre in diesen Einöden lebt, sollte man doch erwarten, daß er die Kunststücke der Indianer kennt. Es ist eine apachische Schildwache, welche die anderen Posten zur Wachsamkeit mahnt. Na, da hörst Du's!«

In der That wiederholte sich jetzt derselbe Ruf auf dem entgegengesetzten Ufer und pflanzte sich längs desselben in langgezogenen Tönen fort. Josef ärgerte sich über sein abergläubisches Wesen und rief ingrimmig: »Wahrlich, ich verspüre große Lust, den rothen Spitzbuben zuzurufen, daß sie wie Tiger rufen sollen, die sie ja in der That sind!«

»Beileibe nicht,« warnte der Canadier, »denn Du würdest dadurch ihnen genau die Stelle bezeichnen, wo wir uns befinden. Infolge der Finsterniß wissen es die Rothhäute nicht genau, was für uns ein großer Vortheil ist. Und nun wollen wir sehen, woran wir sind.« Geräuschlos und vorsichtig ließ sich der Riese in die Fluth hinab, welche brausend über ihn dahinschoß.

In ängstlicher Spannung lauschten Josef und Fabian auf das Getöse, das aus dem Wasser heraufquoll, und bald zitterte die kleine Insel wie ein Fahrzeug inmitten der hohen See. Es war offenbar, daß der Canadier seine Vermuthung bestätigt gefunden hatte und jetzt die letzte, gewaltigste Anstrengung mache. Schon wurde es Fabian bange um's Herz, schon fürchtete er, daß der Mann, den er wie einen Vater liebte, unter dem Wasserstrudel mit dem Tode ringe, als ein dumpfes Krachen unter ihren Füßen den zurückgebliebenen Freunden verkündete, daß das Riesenwerk gelungen sei.

In demselben Augenblicke tauchte Rosenholz wieder aus der Fluth auf. Triefend von Schlamm und Wasser schwang er sich mit einem gewaltigen Satze auf den Rand der Insel, die sich jetzt langsam um sich selbst zu drehen begann.

»Sie schwimmt!« jauchzte Fabian, während er den alten treuen Jäger umhalste. »Sie geht stromabwärts!«

»Gott sei gelobt,« keuchte Rosenholz mit wogender Brust, »wie ich vermuthet, hing das Eiland an einer Wurzel, die aber fast so dick wie ein Baumstamm war und gar tief in dem Schlamme des Flusses steckte. Es war freilich ein saueres Stück Arbeit, ehe es mir gelang, sie zu durchbrechen, allein wir sind jetzt flott und können, wenn sich unser Inselfloß hübsch in der Mitte der Strömung hält, bei Tagesanbruch in Sicherheit sein. Ja, ja, der alte, treue Gott da droben hilft seinen Menschenkindern immer, solange sie nicht aufhören, ihm zu vertrauen –«

»Und wenn sie nicht die Hände müssig in den Schooß legen,« setzte Josef hinzu, »wie es fromme Faulpelze zu thun pflegen.«

»Darum heißt es auch in der Bibel: bete und arbeite,« ergänzte der Canadier. Und die drei Männer falteten die Hände zum innigen Dankgebet, und als sie es verrichtet, folgten sie mit großer Spannung den Bewegungen der langsam dahinschwimmenden Insel. Nur noch zwei Stunden währte die Nacht, dann begann der Sonnenball von Neuem seinen Kreislauf. Die Kälte nahm stetig zu und verdickte infolge dessen die Nebelwand nur noch mehr, so daß die Wachtfeuer an beiden Flußufern an Sterne erinnerten, die bei der Morgendämmerung am Firmamente erbleichen. Somit war kaum anzunehmen, daß die Indianer durch die Nebel hindurch die schwimmende Masse der Insel bemerken würden, vorausgesetzt, daß sie in der Mitte der Strömung blieb. Dieser letzte Punkt flößte indessen unseren Freunden schwere Besorgniß ein, denn da das kleine Eiland sich beständig um sich selbst drehte, so konnte es leicht von der geraden Linie abweichen und an irgend einer hervorspringenden Spitze des Ufers festfahren.

»Möge der allgütige Gott jedwede Gefahr abwenden,« sagte Rosenholz mit einem tiefen Athemzuge, »denn die Ufer zu unserer Rechten und Linken strotzen von Indianern.«

»Lassen wir den Muth nicht sinken,« erwiederte Josef. »Solange die Bäume an den Ufern für unsere Augen unsichtbar sind, dürfen wir annehmen, daß unser Floß inmitten der Strömung bleibt. Hahaha, welch' teuflisches Geheul werden die Rothhäute anstimmen, wenn sie bei Tagesanbruch bemerken, daß die Vögel sammt ihrem Neste ausgeflogen sind. – – – Aber, was ist das?« unterbrach sich der Sprecher. »Das Feuer dort an dem Ufer vergrößert sich.«

»So wahr ich lebe,« flüsterte Rosenholz, »wir treiben ab, da tauchen schon die Reste der Weidenbäume auf. Ach Gott, so sollen wir also doch zu Grunde geh'n! Wäre nur Fabian nicht bei uns, sondern in Sicherheit – dann –«. Er vollendete nicht, denn die Thatsache, daß das Inselfloß immer näher dem Ufer zutrieb, schnürte ihm die Kehle zu. Schon vermochten sie die vom Lagerfeuer beleuchtete Gestalt eines Apachen zu erkennen, der in seinem vollen Kriegsschmucke, auf seine Lanze gestützt, dastand.

»Der Hund hegt Verdacht,« flüsterte der Canadier, und die Jäger sahen ihn bis dicht an den Uferrand hervortreten und den Körper stark vorbeugen, wobei die lange, sein Gesicht fast verhüllende Bisammähne ihm ein schreckliches Aussehen verlieh. Plötzlich brachte er die rechte Hand an den Mund und stieß den bekannten Eulenschrei aus. Der schauerliche Ton fand am jenseitigen Ufer seinen Wiederhall und mit zurückgehaltenem Athem lauschten die Flüchtlinge dem gefährlichen Echo. Endlich verlor es sich in der Ferne und es wurde ringsum wieder still, auch die apachische Wache kehrte zu ihrem Feuer zurück und die drei Freunde athmeten erleichtert auf.

»Könnten wir nur mit Hilfe eines Astes ein wenig rudern,« sagte Rosenholz, »dann wäre es ein Leichtes, unserm Flosse eine andere Richtung zu geben, allein es geht nicht, denn das Geräusch würde an uns zum Verräther werden.«

»Und trotzdem wird uns kaum etwas Anderes übrig bleiben,« entgegnete Josef, »während er rasch einige starke Aeste losriß und, von den Freunden gefolgt, sich an den Rand der Insel verfügte, worauf Alle angestrengt zu rudern begannen. Und siehe da, nach wenigen Minuten entfernte sich das Floß vom Ufer, und der Nebelvorhang, der sich rechts und links gleichmäßig verdichtete, bewies den Flüchtlingen, daß ihr Fahrzeug eine günstigere Richtung einschlug.

Furcht und Hoffnung wechselten in den Herzen der drei Männer, bis endlich nach Stunden rastlosen Ruderns die Feuer der indianischen Bivouacs sich in der Entfernung und in dem Nebel verloren. Die Freunde waren jetzt so ziemlich der Gefahr entronnen, trotz alledem durften sie noch immer nicht die Hände in den Schooß legen, vielmehr stellte Rosenholz sich jetzt hinten an das Floß und begann mit seinem unvollkommenen Ruderwerkzeuge das Wasser kräftig zu peitschen. Dadurch gelang es, die schwimmende Insel in tieferem Fahrwasser zu halten. Sie folgte der Strömung jetzt rascher und hatte alsbald eine ansehnliche Wegstrecke zurückgelegt.

»Ich denke, daß wir uns jetzt als gerettet betrachten können,« meinte Josef, allein der Canadier schüttelte den Kopf und entgegnete: »Noch nicht völlig, mein alter Bursch. Der Tag wird jetzt bald anbrechen und wir müssen an einem der beiden Ufer landen, denn wir werden zu Fuß noch einmal so weit kommen, als auf dem Flosse. Dies ist aber durchaus nothwendig, wollen wir die Apachen nicht in einigen Stunden wieder auf dem Hals haben.«

»Hast recht,« meinte Josef, »es fragt sich jetzt nur, ob unser Verwundeter sich so weit erholt hat, um an unserer Wanderung teilnehmen zu können – und dann,« wandte er sich an Fabian, »wie weit mögen wir noch vom Goldthale entfernt sein?«

»Täuschte mich gestern Abend, als ich die Sonne hinter den Nebelbergen untergehen sah, mein Auge nicht,« antwortete Fabian, »so kann es sich nur noch um einige wenige Stunden handeln, um zu unserm Ziele zu gelangen.«

»Um so besser,« sagte Rosenholz, »die Nebelberge werden jedenfalls mehr als einen Schlupfwinkel bieten, der es drei unerschrockenen Jägern möglich macht, einer ganzen Bande von Rothhäuten trotzen zu können.«

Inzwischen hatte Josef den festschlafenden Gayferos aufgeweckt und lachte über seine erstaunte Miene, als er beim Frühlichte um sich blickte und keinen einzigen der von ihm gefürchteten Indianer sah. Er glaubte offenbar zu träumen, denn er rief verzagt: »Was ist das? Wo sind die Indianer?«

»Fern von uns,« gab Josef zurück, »und mir so ziemlich in Sicherheit!«

»Die heilige Jungfrau sei gelobt!«

»Und der treue Herrgott dazu,« brummte der Canadier, der jetzt gleichfalls an das Lager des Scalpirten herangetreten war. »Wie steht's mit Euch, werdet Ihr im Stande sein, die Reise zu Fuß fortzusetzen?«

Obgleich noch sehr angegriffen, erklärte sich Gayferos doch dazu bereit, um nur schnell aus dem Bereich der Indianer zu kommen.

»Gut denn,« erwiederte Rosenholz und gab, von Josef unterstützt, dem Flosse eine schiefe Richtung nach dem linken Ufer zu, auf welches eine Viertelstunde später die Insel mit einer solchen Heftigkeit stieß, daß in dem Boden sofort ein großer Riß entstand. Josef und Fabian sprangen zuerst an's Land, dann folgte Rosenholz mit Gayferos nach, den er wie ein Kind auf seine breiten Arme genommen hatte. Indem er ihn auf das Gras am Ufer legte, sagte er: »Jetzt ruht Euch noch ein paar Augenblicke aus, bis wir das Inselfloß in Stücke gerissen und dem Strome übergeben haben, denn die Indianer dürfen durchaus keine Spur von uns finden.«

Die drei Freunde gingen sofort an's Werk und da die Insel durch das Abreißen der Wurzel, sowie durch den eben erlittenen gewaltigen Stoß bereits gelockert war, so hielt ihre gänzliche Auflösung nicht besonders schwer, und bald war von dem Eiland, zu dessen Herstellung Mutter Natur so viele Jahre gebraucht, kein Atom mehr zu sehen.

Nach einer kurzen Verständigung lud der Canadier den verwundeten Gayferos auf seine Schultern und watete in Begleitung seiner beiden Freunde in den Fluß, dort in unmittelbarer Nähe des Ufers stromabwärts gehend. Es war dies eine List, um die Indianer bei einer etwaigen Verfolgung irre zu leiten. Denn die Spuren an jener Stelle des Ufers, wo das Inselfloß gelandet hatte, führten scheinbar der Ebene zu und es stand zu erwarten, daß die Apachen dieser Fährte folgen würden.

Die Wanderung im Flusse war außerordentlich mühevoll und schon begann der Canadier unter seiner Last zu seufzen und zu ächzen, als sie endlich jene Stelle erreichten, wo die Flußarme auseinander liefen und das Delta bildeten, in welchem nach Fabians Beschreibung das Goldthal liegen mußte.

Eben umzog sich der Osten mit purpurfarbenen Tinten, – der Nebel floh, gleich einem von Furien gejagten Geisterchor, über die Ebene dahin, da stiegen endlich die drei Freunde wieder an's Land. Vorsichtig ließ der Canadier den scalpirten Gayferos in's Gras hinabgleiten, dann begann er seine mächtigen Glieder zu recken und zu dehnen.

»Dort sind die Nebelberge,« sagte er endlich und deutete nach Norden zu. »Finster liegen sie vor uns, fest entschlossen, den dichten Dunstschleier nicht abzustreifen, welcher ihre goldenen Geheimnisse dem spähenden Blicke des Wanderers entzieht. Wen erinnerten diese drohenden, finsteren Bergesmassen nicht an die Nacht und ihre hundertfältigen Gefahren, denen wir nun entronnen sind? Gott hat uns geholfen und er wird uns auch aus jener Bergesnacht, die dort zu uns herübergähnt, dem erwärmenden Licht wieder zuführen, – darum Lob und Preis seiner Huld und Vatergüte.«

Und andächtig nahm der fromme alte Jägersmann die Pelzkappe von seinem grauen Haupte und faltete die Hände zu einem stillen Dankgebet; die Gefährten folgten seinem Beispiel und eine heilige Stille herrschte ringsum in der Einöde.

Zweites Buch.


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