Gabriel Ferry
Der Waldläufer – Für die reifere Jugend bearbeitet
Gabriel Ferry

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Dreizehntes Kapitel. Verschiedene Feinde und Kämpfe.

Trotz der Schnelligkeit, mit welcher der Kahn dahin glitt, wollte dennoch der Canadier vor Ungeduld schier vergehen und er fragte, wie weit es noch bis zur Gabel des rothen Flusses sei.

»Wenn wir die ganze Nacht fortrudern,« antwortete Brennstrahl, »so können mir morgen Abend um diese Stunde am Ziele sein.«

Rosenholz seufzte und beschäftigte sich im Geiste nochmals mit dem Bericht, den er aus dem Munde des Comanchen vernommen. Da ihm Einiges nicht recht klar geworden war und Fabians Schicksal nach wie vor für ihn ein Gegenstand peinlicher Unruhe blieb, so redete er nach kurzer Pause den jungen Krieger abermals an: »Welcher von Euerer Mannschaft ist bis in das Lager Mischbluts gedrungen?«

Brennstrahl bezeichnete den Krieger, der neben ihm ruderte.

»Oh!« rief der alte Jäger bebend aus, »warum sagtet Ihr mir das nicht schon früher? ... Comanche,« fuhr er zum Ruderer gewandt fort, »Ihr habt den jungen Krieger aus Mittag gesehen, wie sie meinen armen Fabian nennen, Ihr habt vielleicht sogar mit ihm gesprochen? Was that er? War er gefaßt? Wandte er oft den Kopf den Nebelbergen zu, um in den Wolken den Flug des Adlers der Schneeberge und des Spottvogels zu entdecken? Oh, sprecht, Comanche, und spannt die Ohren eines Vaters, der um seinen geliebten Sohn trauert, nicht aus die Folter!«

Der wilde Krieger blieb stumm, da er der spanischen Sprache nicht mächtig war und der Waldläufer wiederum die seinige nicht verstand. Brennstrahl übernahm daher das Amt eines Dolmetschers.

»Der junge Krieger aus Mittag,« begann er nach einem Zwiegespräch mit dem rudernden Comanchen, »glich mit seiner Ruhe und Traurigkeit der Dämmerung in den Bergen, wenn der Nachtvogel zu singen beginnt.« »Hörst Du, Josef?« rief der Canadier mit feuchten Augen.

»Sein Antlitz,« fuhr der Dolmetscher fort, »war bleich, wie der Mondstrahl auf einem See; aber seine Augensterne hatten den Glanz eines Leuchtkäfers in dem dunkeln Grase der Prairie.«

Rosenholz fuhr sich mit der Hand über die Augen, dann fragte er im zitternden Tone: »Und ... weiß der Comanche ... auf welche Stunde man ... die ... Hinrichtung des jungen Kriegers festgesetzt?«

»Auf die Stunde, wo der Schwarzvogel sich an der rothen Gabel mit Mischblut vereinigt haben wird.«

»Ich wünschte,« rief jetzt Josef, »diese Gabel hatte scharfe Zinken und spießte den Schwarzvogel sammt den beiden Wüstenräubern auf!«

»Komm Josef, laß uns jetzt rudern,« sprach der Canadier mit stammenden Augen, »haha, der Adler ist den Geiern auf der Spur.« Und unter dem kräftigen Ruderschlage der beiden Jäger glitt das Canoe noch rascher über die Oberfläche des Wassers dahin, gleichsam als stünde die ungestüme Sehnsucht des väterlich besorgten Waldläufers am Steuerruder.

»Na, alter Bursche,« begann Josef nach einer Weile, indem er Rosenholz freundlich zunickte, »jetzt wird's wohl ein gut Theil ruhiger in Deinem Herzen aussehen. Du weißt, daß unser Kind lebt, daß seine Hinrichtung bis zur Vereinigung des Schwarzvogels mit dem Mestizen verschoben morden ist und daß wir vor dem Apachenhäuptling an der verwünschten rothen Gabel anlangen werden, da er mit seiner ganzen Schaar hinter uns ist.«

Der Canadier wiegte nachdenklich den Kopf hin und her und sagte: »Wer steht uns dafür, daß Mischblut den Ort der Zusammenkunft nicht verändert hat? Dann aber kann es geschehen, daß uns nicht mehr genügend Zeit bleibt, die beiden Wüstenräuber anzugreifen, ehe sie ihre finstern Pläne ausführen, – ist die rothe Gabel von dem Orte, den Ihr den Büffelsee nennt, weit entfernt?« wandte sich der Canadier an Brennstrahl, um seine Zweifel zu zerstreuen.

»Eine halbe Stunde weit.«

»Und was sucht Mischblut am Büffelsee, wo Ihr seine Spur entdeckt habt?«

»Er will die Seeblume pflücken, eine Tochter der Weißen,« antwortete Brennstrahl. »Ihr Vater ist ein mächtiger Häuptling der Bleichgesichter, und zweiunddreißig Jäger begleiten ihn, um die wilden Pferde der Prairie zu fangen.« »Zweiunddreißig Jäger?« wiederholte Rosenholz entzückt. »Ah, jetzt verstehe ich erst den Sinn der Worte, welche uns Pedro Diaz zurief, als er uns zu warnen kam. Jedenfalls werden wir den Tapfern am Büffelsee wieder finden. Hei, das kann einen tüchtigen Kampf geben, – sechzig Apachen und gegen fünfzig Weißgesichter und Comanchen wider sie! Ja, ja, an der rotem Gabel wird viel Blut fließen, – wir werden im Tumulte Fabian retten und mit unsern Flintenkolben den beiden Wüstenräubern die Schädel zerschmettern.«

»Nein,« rief Josef in seinem Hasse aus, »wir werden sie kreuzigen! Das Teufelspaar verdient kein milderes Schicksal.«

Nicht lange darauf glitt das leichte Fahrzeug in einen jener natürlichen Canäle, zu denen die Ufer der großen amerikanischen Ströme nicht selten zusammenrücken. Ein letzter Purpurstrahl der untergehenden Sonne durchdrang noch die grüne Kuppel der Bäume, welche den engen Canal begrenzten, und vermischte sich dann mit dem Schatten, der über der Oberfläche des Wassers schwebte. Ehe das Boot in diesen dunkeln Engpaß einbog, lösten Brennstrahl und sein Stammesbruder die beiden Jäger im Rudern wieder ab und stießen sodann ein Gezwitscher aus, wie es den Schwalben eigen ist, wenn sie dicht über dem Wasser hinfliegen. Das Canoe näherte sich dem einen Ufer und erreichte den überhängenden Stamm einer Esche, von welcher sich eben so gewandt als schnell eine dunkle Gestalt in den Nachen hinabschwang. Schon wollten Rosenholz und Josef, einen Angriff vermuthend, von ihren Gewehren Gebrauch machen, als Brennstrahl lächelnd äußerte:

»Adler und Spottvogel sind hier in Freundesland und längs der Ufer halten Krieger der Comanchen Wacht, damit wir sicher vorwärtsfahren können.«

Der neu Angekommene entpuppte sich jetzt als eine dieser Schildwachen und erstattete dem jungen Häuptling einen kurzen Bericht, während der Kahn seine Fahrt in der anbrechenden Finsterniß fortsetzte. Nach Verlauf einer Stunde glitt ein weiterer Comanche in das Boot. Er flüsterte einige Worte Brennstrahl zu, worauf dieser zu lauschen begann. Ein fernes Gemurmel ward alsbald vernehmbar, die Ruderer stellten, auf ein Zeichen ihres Anführers, ihre Arbeit ein und ließen das Canoe der Strömung des Flusses folgen. Das ferne Gemurmel nahm rasch zu und man hörte das Wasser wie über eine Untiefe hinrauschen. Die schwache Barke begann sich langsam um sich selbst zu drehen, ohne daß die Comanchen einen Versuch machten, sie zu lenken; dann schwamm sie quer fort, das Vorder- und Hintertheil den beiden Flußufern zugewandt, und endlich glitt sie wieder rascher in einer mit der Strömung parallel laufenden Richtung weiter. Die Geschwindigkeit wurde bald so groß, daß der Kahn pfeilschnell über das Wasser flog und die beiden Jäger nebst Gayferos wußten jetzt, daß man sich in einer der Stromschnellen des Flusses befand, welche die Comanchen am besten zu überwinden glaubten, indem sie das Fahrzeug sich selbst überließen. Einen Augenblick brodelte und kochte das Wasser unter der schwachen Barke, die auf seinen Schaummassen sich zu wiegen schien, – plötzlich aber wurde sie durch einen heftigen Stoß erschüttert, daß man glaubte, sie müsse in tausend Trümmer gehen. Die kleine Gesellschaft war indessen glücklich über die gefährliche Stelle hinweggekommen, und Brennstrahl griff wieder zu den Ruderstangen, um die Fahrt fortzusetzen.

Der Canal hörte jetzt auf und das Bett des Flusses kehrte zu seiner ursprünglichen Breite zurück. Brennstrahl gab Befehl zu landen, um das Boot trocknen zu lassen und auszubessern, da es infolge der Stromschnelle einen, wenn auch unbedeutenden Leck erhalten hatte. Es zeigte sich, daß das Ufer, welches man betrat, auf eine fast kahle Ebene mündete, in welcher sich nur einige wenige Gebüsche von Baumwollenstauden erhoben.

Die Comanchen zündeten ein Feuer an, an welchem sie mit den drei Jägern Platz nahmen. Die Ueberreste des Büffelbratens lieferten Allen ein Nachtessen, das vortrefflich mundete. Nachdem so den Forderungen des Magens Genüge geschehen war, machte man sich daran, den Kahn auszubessern.

»Hört Ihr irgend ein verdächtiges Geräusch?« fragte Josef den Anführer, welcher abermals lauschte.

»Brennstrahl hört auf das Geheul der weissagenden Wölfe.« »Ah, mein Junge,« lachte Josef, »Ihr habt ein feines Ohr. Was weissagt Such denn das Geheul des kleinen Prairie-Wolfs, das meines Erachtens nur seinen Hunger anzeigt?«

»Wenn die rochen Männer auf der Jagd sind,« belehrte Brennstrahl den vorwitzigen Josef, »so folgen ihnen die großen Prairiewölfe schweigend, fest überzeugt, daß sie ihren Antheil erhalten werden; die kleineren aber heulen. Ich habe die Stimme des weissagenden Wolfes von dorther gehört,« fügte Brennstrahl hinzu, indem er nach Norden deutete.. »Der Schwarzvogel aber befindet sich in der entgegengesetzten Richtung, und somit muß gegen Mitternacht ein anderer feindlicher Trupp sein, den meine Spione nicht entdeckt haben. Mein Vater kann jetzt hören, wie die Büffel vor ihren Verfolgern fliehen.« Ein dumpfes Geräusch machte sich in der That in der Ferne vernehmbar. Brennstrahl ergriff einen Feuerbrand, mit welchem er eine Strecke weit landaufwärts ging und den Erdboden beleuchtete.

»Meine Vermuthung war richtig,« rief er plötzlich aus, »wir sind hier auf einer Büffelspur. Es ist ein gefährlicher Ort, den wir schnell verlassen müssen, denn wenn wir unter die stampfenden Hufe der Büffel gerathen, so sind wir verloren.«

Der Boden dröhnte und dumpfes Brüllen machte die Nachtluft erzittern. Rasch löschten die Comanchen das Wachtfeuer aus, nur Brennstrahl behielt sein brennendes Holzstück in der Hand. Er schritt voran und die Comanchen trugen, unterstützt von den Jägern, den Kahn ihm nach.

Da die Ausbesserung des Bootes unbedingt nöthig war, so machte Brennstrahl auf einem kleinen Hügel, der sich in der Nähe befand, wieder Halt und ließ dort ein neues Feuer anzünden, worauf die Comanchen sofort das Geschäft des Kalfaterns (d.h. des Ausbesserns oder Verstopfens der Canoe-Beschädigungen) begannen. Kaum waren sie aber bei der Arbeit, als dem Orte gegenüber, den sie soeben verlassen, also auf dem entgegengesetzten Flußufer, eine lange und breite Reihe heranspringender Büffel auftauchte. Ein betäubendes Gebrüll vermischte sich mit dem geräuschvollen Schnauben der wilden Herde, welche an dem Wasser herumschnoberte, über das sie setzen wollte. Wenige Augenblicke später brauste die Fluth hoch auf und der Fluß überschwemmte die Ufer. Die Büffel hatten ihren Uebergang bewerkstelligt, die aufgeregten Wasser des Flusses aber schäumten noch, nachdem das Dröhnen der Hufe schon längst in der Ebene verhallt war.

»Ihr habt doch recht gehabt, Freund,« äußerte Josef zu Brennstrahl, »und ich fürchte, die Büffel waren nur eine Vorhut der vermaledeieten Apachen.«

Der Comanche lächelte bedeutungsvoll.

»Dann werden wir gut thun, unsere Fahrt schleunigst fortzusetzen,« meinte Rosenholz. »Ist denn der Leck des Kahns ausgebessert?«

Brennstrahl bejahte, fügte aber hinzu: »Wir müssen erst noch einige Vorsichtsmaßregeln treffen. Ich halte es für nöthig, hinter diesen Hügeln sechs von einander gleich entfernte Feuer anzuzünden; von dem Orte aus, wo der Schwarzvogel und die Apachen Halt gemacht haben, werden diese die Feuer bemerken, ohne zu unterscheiden, ob Krieger sich in der Nähe gelagert haben; und während sie ihre Zeit damit verlieren, ein Mittel ausfindig zu machen, um unbemerkt heranzukommen, wird es Brennstrahl und seinen Freunden ein Leichtes sein, dem Gegner einen Vorsprung abzugewinnen.« Der Klugheit dieses Rathes vermochten Rosenholz und Josef ihren Beifall nicht zu versagen. Den Anordnungen Brennstrahls wurde rasch Folge geleistet und sodann der ausgebesserte Kahn wieder in den Fluß gelassen, um die Fahrt nach beinahe zweistündiger Unterbrechung von Neuem aufzunehmen.

Die an dem Ufer angezündeten Feuer waren längst in der Ferne verschwunden und die drei Jäger von einem erquickenden Schlafe, dem sie sich überlassen, eben wieder erwacht, als Brennstrahl seinen Stammesbrüdern ein Zeichen gab, daß sie aufhören sollten zu rudern.

»Zum Wetter, was giebt's denn schon wieder?« fragte Josef mit einem verdrießlichen Räuspern.

»Hört Ihr denn nichts?« gab Brennstrahl zurück.

Rosenholz und seine beiden Gefährten lauschten, dann sagte der erstere: »Es ist, als wenn hier in der Nähe ein Riese sein Nachtquartier aufgeschlagen hätte und mächtig schnarchte. Dazwischen hinein höre ich noch ein ganz niederträchtiges, unheimliches Gebrumme.«

Brennstrahl lächelte und versetzte: »Unterhalb der Krümmung, welche hier der Fluß macht, befindet sich eine Insel und in ihrem dichten Gehölz hält sich jedenfalls das Thier auf, dessen wildes Schnauben Euch so räthselhaft erscheint.«

»Je nun, lassen wir der Bestie ihr Vergnügen,« sagte Josef, »und kümmern wir uns nicht weiter um sie. Wozu auch? Würde ja doch ein einziger Schuß aus unsern Büchsen die Apachen uns auf den Hals hetzen.«

»Was braucht's der Feuerwaffen?« widersprach Brennstrahl verächtlich, »die rothen Krieger haben scharfe Tomahawks und die Bleichgesichter spitze Messer.«

Josef wollte trotzig antworten, allein Rosenholz winkte ihm zu, stillzuschweigen, denn er kannte den Character der Indianer zu gut und wußte, daß Brennstrahl es für den größten Schimpf hielt, einem Thiere aus dem Wege zu gehen, namentlich aber einem Exemplar des grauen Bären, denn ein solcher hatte sich auf der kleinen Insel niedergelassen.

»Der Teufel drehe dem Ungeziefer den Hals um!« brummte Josef.

»Willst Du uns Alles verderben?« raunte ihm der Canadier zu. »Weißt Du nicht, daß es bei den Indianern als eine Heldenthat gilt, dieses furchtbarste aller Thiere der Prairie zu erlegen?«

Das Boot landete jetzt an einem der Ufer, ehe jedoch Rosenholz zugab, daß sämmtliche Insassen das Canoe verließen, erstieg er vorsichtig das Ufer, um einen forschenden Blick in die Ebene zu werfen. Hohes Gras bedeckte die Prairie und der Canadier mußte sich, die Büchse in der Hand, einen Weg durch dasselbe bahnen.

»Warum landen wir denn eigentlich hier?« fragte Josef den Anführer der Comanchen verdrießlich, nachdem Rosenholz inmitten des Grases verschwunden war.

»Wir wollen uns überzeugen, ob der graue Bär der einzige Feind ist, dem wir gegenüberstehen,« antwortete Brennstrahl kurz und bestimmt.

Offenbar witterte der Bär die Nähe der Menschen, denn mit dem schneller aus seinen Nasenlöchern hervorkommenden Schnarchen vermischte sich das Knirschen seiner furchtbaren Zähne und das Kratzen seiner Klauen.

In diesem Augenblicke langte Rosenholz am Boote wieder an. »Schnell fort!« flüsterte er, »ein Dutzend Apachen durchstreift auf ihren Pferden die Ebene.«

»Ich wußte es,« antwortete Brennstrahl ruhig, »die weissagenden Wölfe trügen nie. In welcher Richtung durchspringen die apachischen Hunde die Prairie?«

»Sie scheinen von der Seite herzukommen, wo wir die Feuer angezündet haben,« antwortete der Canadier. »Jetzt müssen wir so schnell wie möglich dem grauen Bären auf den Leib rücken, um dann ungehindert unsere Wasserfahrt fortsetzen zu können. Nehmt Alle Eure Aexte und Messer zur Hand, und nun in des Himmels Namen vorwärts!«

Der Kahn wurde von Neuem mitten in den Fluß nach der Insel hingetrieben, von wo das furchtbare Schnauben ertönte. Man durfte kaum hoffen, daß das wilde Thier das Fahrzeug ruhig werde passiren lassen, und das dicke Fell des grauen Bären machte den Ausgang des Kampfes sehr unsicher, zumal sein Geheul, wenn er verwundet ward, die jagdlustigen Apachen herbeilocken konnte; außerdem lief das schwache Boot Gefahr, durch die geringste Berührung des Bären von seinen scharfen Krallen zerrissen zu werden.

Da Rosenholz von dem Ungestüme Brennstrahls eine Herbeiführung des Kampfes fürchtete, selbst wenn derselbe sich vermeiden ließe, so bat er den jungen Krieger, eines der Ruder in die Hand zu nehmen, während er selbst das Fahrzeug nach dem rechten Ufer hintrieb.

Den Tomahawk in der Hand, hielten sich die drei andern Comanchen, im Vordertheil des Canoes stehend, bereit, den angreifenden Bären mit wohlgezielten Schlägen zu treffen. Auf der Rückseite des Bootes hatten sich Josef und Gayferos postirt und mit ihren Messern bewaffnet.

Bald zeigte sich auf der dunkeln Wasserfläche den Augen der Schiffer das Inselchen mit einer ungeheuern schwarzen Masse, welche sich brummend hin- und herbewegte.

»Jesus Maria!« flüsterte Gayferos, heftig erschreckend, da er von der gewaltigen Größe des Feindes keine Ahnung gehabt hatte, und unwillkürlich faltete er seine Hände.

»Euer Messer hilft jetzt mehr als ein Gebet,« rief ihm Josef zu.

Als der Bär das Fahrzeug mit seinen Insassen bemerkte, begann er zu stutzen und ließ ein noch weit gräßlicheres Brummen vernehmen. Seine ungeheuern Tatzen scharrten den Sand auf und eine Lawine von Sand rollte in den Fluß. Dann fing die Bestie an, sich langsam auf den Hinterbeinen zu erheben. Jetzt hatte das Boot den verhängnißvollen Engpaß erreicht und Rosenholz rief:

»Ein paar tüchtige Ruderschläge, Brennstrahl! Das Leben von vielleicht sieben Menschen hängt davon ab!«

Mit einem gewaltigen Rucke stießen beide Männer die Ruder in das Wasser und schnell und sicher glitt die leichte Barke den Canal hinab, nach wenigen Augenblicken in einer Entfernung von nur drei Schritten neben dem Meister Petz vorbeischießend. Der riesenhafte Wächter der kleinen Insel schien noch unentschlossen zu sein, ob er sich auf den Kahn stürzen sollte, und schon hoffte Rosenholz die Gefahr überwunden zu haben, als einer der Comanchen mit einer solchen Schnelligkeit, daß der alte Jäger es nicht zu verhindern vermochte, einen Pfeil auf das Thier abschoß, der sich tief in des Bären Bauch eingrub.

Der Zornesruf, welchen der riesige Canadier ausstieß, war ein schwaches Kinderlallen gegenüber dem Wuthgebrüll des riesigen Bären, der wie ein vom Ufer stürzender Felsen in das Wasser sprang. Ein kühner, kräftiger Ruderschlag von Seiten des Canadiers machte das Canoe noch rascher über das Wasser hinfliegen und so traf der Bär mit seinen beiden Pfoten nur die leere Fluth.

»Hurrah!« schrie Josef und achtete die Schaummassen nicht, welche der Bär emporgewirbelt hatte. »Nur jetzt noch fest vorwärts gesteuert, – und Ihr da, – haltet Eure Tomahawks bereit, wenn Ihr nicht wollt, daß das graue Vieh uns in den Grund bohrt.«

Die drei Comanchen eilten jetzt schnell nach dem Hintertheile des Bootes, und in dem Augenblicke, wo das rasende und vor Wuth schäumende Thier mit seinen Flammenaugen nur noch einen Fuß von der Barke entfernt war, sausten drei Schlachtäxte auf den Schädel des Bären nieder, wie drei Hämmer auf den Ambos. –

»Haut noch einmal!« schrie Josef, »das Thier hat ein zähes Leben.« »Halte lieber Dein Maul,« flüsterte Rosenholz, »willst Du, daß auch noch die paar Apachen uns ...«

Ein Blitz warf plötzlich seinen breiten Flammenstreif über den mit Blut gefärbten Fluß und den verwundeten Bären und das Wuthgeheul des letztern vermischte sich mit einem Knalle, der in den Ohren der im rückwärtigen Theile des Kahnes postirten Comanchen und Jäger erklang, wie die Posaune des jüngsten Gerichts.

»Demonio (zum Teufel)!« rief Josef, als er einen menschlichen Körper am Ufer hinabgleiten und neben dem Bären ins Wasser fallen sah. »Was ist das?« »Das ist ein Apache, der in's Wasser stürzt. Ein heimtückischer Hund, der ersäuft – nichts weiter,« antwortete Brennstrahl, welcher den Schuß auf den am Ufer verborgenen Feind abgefeuert hatte.

Allein dieser Schuß weckte in der Ebene ein vielfältiges Echo und aus allen Richtungen ließ sich das Schlachtgebrüll der Apachen vernehmen. Gefahr drohte jetzt von allen Seiten; drüben jagten die Apachen heran und in der unmittelbaren Nähe des fortwährend dahin gleitenden Bootes befand sich der graue Bär, dessen Wuth mit seiner Verwundung nur noch mehr zugenommen hatte. Ohne zu ermatten, verfolgte er das Boot und jeden Augenblick hob er eine seiner Pfoten in die Höhe, um das schwache Fahrzeug in den Grund zu bohren.

»Nur noch ein wenig scharf zugerudert,« rief Josef, der am Hintertheile des Kahnes niedergekniet war, um sich vor dem aufspritzenden Wassergischt zu sichern. »Nur brav zugerudert und wir sind außer Gefahr.«

Abermals knallte ein Schuß.

»Hast Du gefeuert, Rosenholz?« fragte Josef.

»Ja,« entgegnete der Canadier, »ich wollte meine Waffe probiren, und habe gefunden, daß sie gar nicht schlecht ist. Jetzt schicke aber auch Du dem Bären einen Kugelgruß zu, – ziele nur auf's Maul.«

»Vorwärts, Gayferos,« rief Josef diesem zu, »lassen Sie uns gemeinschaftlich dem Bären Eins aufbrennen.«

Leider verfehlten die entsandten Kugeln ihr Ziel und das riesige Ungeheuer schüttelte nur verächtlich seinen Kopf, aus dem indessen ein blutiger Thau hervorspritzte.

Der Raum zwischen dem Boote und dem verwundeten Bären ward indessen merklich größer und zeigte an, daß die graue Bestie matt und entmuthigt war. Die Ruderer verdoppelten ihre Anstrengung und der Zwischenraum nahm zu.

»Haltet jetzt einen Augenblick an, wenn es möglich ist,« sagte Josef, der inzwischen seine Büchse wieder geladen hatte, »das Schaukeln des Bootes läßt nach und ich kann nun sicherer auf die Bestie zielen.«

»Nicht doch,« rief Rosenholz lebhaft, »spare Deine Kugel lieber für den Apachen, der soeben dem Ufer zu galoppirt.«

In dem hohen Grase der Ebene sprengten schwarze Gestalten heran. Obwohl Josef willens war, der Weisung des Canadiers zu folgen, hielt ihn doch eine neue Gefahr davon ab. Diese Letztere ging abermals von dem verwundeten Bären aus. Er hatte in seiner Verfolgung nur nachgelassen, um von einer andern Seite die Kahn-Insassen anzugreifen. Zu diesem Zwecke suchte er in schiefer Richtung das Ufer zu erreichen.

»Land' in schräger Richtung,« ertönte es von Josefs Lippen, der allen Bewegungen des wüthenden Thieres gefolgt war, »sonst schneidet uns die Bestie den Weg ab und greift uns in der Fronte an!«

Brennstrahl und Rosenholz steuerten sofort in schräger Richtung dem Ufer zu; in dem Augenblicke aber, wo auch der Bär dort ankam, sprang Brennstrahl an's Land, die gespannte Büchse in der Hand.

»Weg vom Ufer!« schrie er befehlend dem Canadier zu. »Der Adler lasse einen furchtlosen Krieger den grauen Bären der Prairie bekämpfen.«

Für jede Gegenrede taub, traf der kühne Comanche seine Vorbereitungen zum Kampfe, der, wenn er fehl schlug, ihn unzweifelhaft das Leben kosten mußte. Trotz alledem setzte sich Brennstrahl, während der noch zwanzig Schritte entfernte Bär in seinem kurzen Trabe herankam, mit einer Ruhe auf den Sand hin, welche selbst die Bewunderung des Canadiers erregte. Das Auge fest auf seinen furchtbaren Gegner gerichtet und mit seiner erhobenen Büchse allen Bewegungen desselben folgend, vermochte nichts den tollkühnen Brennstrahl zu schrecken, weder die blutigen in die Höhe geworfenen Lippen des Bären, zwischen denen eine Reihe furchtbar scharfer Zähne hervorstarrte, noch die unheimlich, wie Feuerkugeln, rollenden Augen. Und erst als die Bestie mit dem Kopfe den Flintenlauf Brennstrahls berührte, krachte der Schuß und der Koloß sank zusammen, während der muthige Jäger schnell zurückwich, um nicht von der niederfallenden Masse erdrückt zu werden.

Es war ein stolzer Blick, den der Comanche auf seinen verendeten Feind warf. Rasch und mit großer Geschicklichkeit schnitt er eine der ungeheuern Tatzen des Bären am ersten Gelenk ab und nahm sodann seinen Platz in dem Canoe wieder ein.

»Brennstrahl ist tapfer wie ein Häuptling,« sagte Rosenholz, ihn mit einem herzlichen Händedruck willkommen heißend, »und der Adler und der Spottvogel sind stolz auf ihren jungen Freund.« Die Augen des Comanchen erglänzten von einem freudigen Stolze, den das Lob des Canadiers in seinem Herzen weckte. Gleichzeitig entfuhr ihm aber auch ein Ausruf der Ueberraschung, denn sein scharfes Auge hatte bemerkt, daß die in der Ebene galoppirenden Apachen mit der Absicht umgingen, den Insassen des Bootes den Weg abzuschneiden, wie es kurz vorher von dem grauen Bären versucht worden war.

Der Ort, welchem die Apachen zustrebten, um das Canoe zu erwarten, war von zahlreichen Weiden- und Eschengebüschen umsäumt und es ihnen daher ein Leichtes, die Schiffer anzugreifen, während sie selbst keinerlei Gefahr für ihre Sicherheit zu befürchten hatten.

»Wir müssen Alles aufbieten, diese Stelle des Flußufers vor den apachischen Hunden zu erreichen,« äußerte Rosenholz. Bei diesen Worten gaben er und Brennstrahl die Ruder an die Comanchen ab und ergriffen dafür die Gewehre.

Während die Apachen einen großen Halbkreis zu beschreiben hatten, brauchte das Canoe nur eine gerade Linie zu durchlaufen.

»So wahr ich lebe,« flüsterte Rosenholz, »es ist dieselbe Schaar, die uns auf der Insel Rio Gila in Schach gehalten. Seht nur den herrenlosen Schecken dort unten an, dessen Farbe man trotz der Finsterniß unterscheiden kann. Kommt er Euch nicht bekannt vor?«

»Ach,« ächzte Gayferos, »ich habe furchtbare Gründe, mich seiner zu erinnern, denn der Apache, der mir zuerst seinen Lasso über den Kopf warf und mich vom Pferde herunterriß, ritt einen Schecken, der jenem da drüben gleicht, wie ein Haar dem andern.«

»Und seht dort jenen Reiter mit der Büffelmähne,« hub Josef an, »sollte man nicht darauf schwören, daß es jener Indianer sei, den wir am Flußufer als Schildwache aufgestellt sahen, als unsere Insel langsam den Strom hinabschwamm? Ja, ja, es sind die nämlichen Spitzbuben, die uns am Rio Gila belagerten. Na, wir wollen schon mit ihnen fertig werden.«

»Die Comanchen sollen jetzt die Ruder ein wenig sanfter handhaben,« äußerte Rosenholz zu Brennstrahl, da der Kahn den Gebüschen sich schnell näherte und man hoffen durfte, einige der auf der Ebene heranjagenden Apachen von ihrem Pferde herunter zu schießen.

Der Canadier und Josef gaben Feuer und als zwei der Gegner in den Sand stürzten, brummte Josef wohlgefällig: »Das Paar wird Niemandes Spur mehr verfolgen.«

Brennstrahl schoß jetzt gleichfalls sein Gewehr ab und tödtete einen dritten Apachen.

»Das ist alles recht schön und gut,« äußerte Rosenholz zu Brennstrahl, »trotzalledem können wir aber die Uebrigen nicht hindern, sich vor uns in den Gebüschen festzusetzen.«

Er hatte recht, denn schon nach wenigen Augenblicken entwickelte sich von den Gebüschen des Ufers aus ein heftiges Flintenfeuer gegen die Insassen des Kahnes; glücklicherweise hatte nur einer der rudernden Comanchen eine leichte Fleischwunde am Arm erhalten, während eine andere Kugel durch die Seite des Fahrzeugs in's Wasser sank. Der Canadier ergriff jetzt abermals das Ruder und steuerte der Stelle zu, wo ein kleiner Bach in den Fluß mündete. Ein dichter Schilfgürtel bot dort einen willkommenen Schutz dar.

»Was sollen wir jetzt thun?« äußerte Josef. »Sollen wir den Versuch wagen, die verwünschten Apachen aus den Gebüschen zu vertreiben und den Durchpaß zu erzwingen?«

»Nein, nein,« antwortete der Canadier lebhaft, »damit würden wir nur Zeit verlieren, und diese ist mir jetzt über Alles kostbar.«

»Dann bleibt uns nur übrig, das Canoe im Stiche zu lassen,« sagte Josef achselzuckend, »oder aber wir müssen uns entschließen, das Fahrzeug weit über den von den Apachen besetzten Ort hinaus zu tragen.«

Die Barke erreichte, jetzt das Ufer der breiten Bucht, und die Insassen stiegen eben an's Land, als plötzlich die Gebüsche, hinter denen sich die Apachen verborgen hatten, durch die auflodernden Flammen eines Feuers grell erleuchtet wurden.

»Das ist ein Feuersignal, welches die Apachen einem andern, noch entfernten Trupp geben,« äußerte Brennstrahl auf eine fragende Miene von Seiten der beiden Jäger.

Der aufgegangene Feuerschein vergrößerte sich derart, daß er sogar bis über den Fluß drang und den riesenhaften Schattenriß der beiden Waldläufer deutlich sehen ließ.

»Huhu!« brüllte es von drüben her. »Der Adler der Schneeberge! Und der Spottvogel!«

»Warum nennt sich der große Jäger mit dem weißen Gesichte einen Adler?« fügte eine spöttische Stimme hinzu. »Hat er doch von den Nebelbergen und dem Ufer des Rio Gila bis zu jenem des rothen Flusses seine Spur nicht verbergen können?«

»Antworte ihm nicht, Josef,« sagte der Canadier rasch, als er den redelustigen Gefährten den Mund öffnen sah, »ein Zungenkampf ist gut, wenn man Zeit zu verlieren hat, wie es der Fall war, als wir uns auf der kleinen Insel befanden; jetzt aber gilt's Handeln. Brennstrahl, wißt Ihr keine Kriegslist, um aus dieser Klemme zu kommen?«

»Was bedarf's hier einer List?« erwiederte der Comanche. »Können wir etwas Besseres und Einfacheres thun, als das Canoe auf unsern Schultern zwei Büchsenschüsse weit von dieser kleinen Bucht fortzutragen, um es dann wieder flott zu machen?«

Die drei Krieger Brennstrahls luden das leichte Fahrzeug auf ihre Schultern, als einer von ihnen einen Schreckensruf ausstieß. Er deutete seitwärts und Alle wandten den erstaunten Blick nach dieser Richtung. Obgleich der Mond, der erst in den letzten Stunden der Nacht aufging, noch nicht die Prairie erleuchtete, so verbreiteten doch die Sterne und der leichte Schein der Milchstraße so viel Helle, daß man einen andern, etwa zwanzig Mann starken Indianertrupp zu unterscheiden vermochte, der sich aus der Seite, wo die Jäger gelandet waren, gegen das Ufer bewegte. Da nur drei der Apachen zu Pferde waren, so kamen sie verhältnißmäßig nur langsam vorwärts.

Von unsern Freunden war Rosenholz der erste, welcher nach dieser unheimlichen Entdeckung das Wort wieder ergriff, indem er sagte: »Nur keine Maulaffen feil gehalten, sondern rastlos vorwärts! Brennstrahl und Gayferos werden den Trägern des Canoes unterstützend zur Hand gehen und meine und Josefs Büchse sollen den Zug decken.«

Die Worte des Canadiers fanden sofort Gehör und nachdem er sich auf die rechte und Josef auf die linke Flanke begeben, bewegte sich der Zug rasch vorwärts.

Von der neu anlangenden Apachenschaar wurde die Flucht unserer Freunde nicht bemerkt, wohl aber von jenen Indianern, die am jenseitigen Ufer im Hinterhalt lagen; sie stießen ein Alarmgeheul aus, infolge dessen Kahn sammt Träger nun auch von der zweiten Abtheilung bemerkt wurden.

»Ich will keinem der Hunde rathen, sich uns zu nähern,« sagte Rosenholz. »Ehe einer dieser Reiter sein Pferd so weit zur Ruh bringen kann, daß er ordentlich zu zielen im Stande ist, werde ich...« Er brach seine Rede ab und blieb wie angewurzelt stehen.

»Ich weiß schon, was Du sagen willst,« brummte Josef, unablässig neben den mit dem Kahne beladenen Indianern dahinschreitend. »Ehe dies geschieht, wirst Du stehen geblieben sein ... wirst gezielt haben und ...« Diese Rede ward gleichfalls unterbrochen, und zwar durch einen Büchsenschuß des Canadiers. »Und,« begann Josef gleich darauf wieder, »ein Indianer wird vom Pferd purzeln, wie ein Sack ... Ganz richtig, und so ist's auch!« fügte er hinzu, indem er den Blick der Ebene zuwandte. Die Apachen jagten zwar dem Canadier zwei Kugeln nach, aber ohne Erfolg, und der alte Jäger langte wohlbehalten wieder bei seinen Gefährten an.

Die Krümmungen des Ufers hatten bisher die kleine Schaar vor dem Feuer der hinter den Büschen liegenden Indianer so ziemlich geschützt, nun aber gelangten die Flüchtlinge an eine Stelle, wo das Flußufer flach und eben war. Sofort eröffnete der Feind ein heftiges Gewehrfeuer und einer der Comanchen stürzte schwer verwundet zu Boden. Während seine beiden Kameraden ihm zu Hilfe eilten, ritzte eine zweite Kugel Josefs Haut und riß ihm noch ein Stück seines Aermels weg. Wahrscheinlich würde das Feuer der Apachen noch größern Schaden angerichtet haben, wenn diese sich nicht begnügt halten, von ihrem sichern Versteck aus auf gut Glück zu schießen, so gewaltigen Respect hatten sie vor der Geschicklichkeit der beiden Waldläufer.

Die Flüchtlinge kamen jetzt nur langsam vorwärts, da das Canoe von Brennstrahl und Gayferos allein getragen wurde und die beiden Comanchen mit ihrem sterbenden Kameraden nur mühsam folgen konnten. Die Folge war, daß jener Apachentrupp, welcher sich auf dem nämlichen Ufer befand, immer mehr Feld gewann und den Rückzug unserer Freunde zu hindern suchte. Rosenholz und Josef gingen, dicht an einander gedrückt, rücklings mit gemessenen Schritten weiter, und obwohl sie durch die von den Gegnern entsendeten Pfeile sehr aufgeregt waren, behielten sie dennoch die volle Sicherheit ihrer Hand und putzten mit ihren Büchsen zwei der Apachen weg.

Glücklicherweise brauchten weder sie noch ihre Gefährten sich um das Feuer vom andern Ufer aus mehr zu bekümmern, da das Bett des Flusses sich wieder bedeutend erweitert hatte und infolge dessen keine der feindlichen Kugeln mehr treffen konnte. Schon hatte Brennstrahl mit seinem Gefolge die Stelle erreicht, wo man den Kahn wieder flott zu machen beabsichtigte, als Rosenholz bemerkte, daß die Apachen am jenseitigen Ufer durch die Gebüsche brachen und ihre Pferde mitten in den Fluß hineintrieben, um die beiden Jäger von ihren Gefährten und dem Kahne zu trennen. Brennstrahl war gleichfalls wachsam gewesen; er gab Feuer und tödtete eines der Pferde der Apachen, das sich mitten im Strome hoch aufbäumte und dann zusammenbrach.

»Wartet, Ihr Hunde!« donnerte Josef, während er mit gebücktem Körper und angeschlagenem Gewehre wie eine Schlange an das Ufer glitt, »ich will Euch das Bad segnen.« Und das Krachen seiner Büchse bewies, daß er Wort gehalten hatte. Das Triumphgeschrei des kühnen Jägers verwandelte sich jedoch in einen Fluch und gleich darauf fiel er im Grase nieder. Ein Schmerzensschrei entrang sich der Brust des Canadiers , als er den treuen Gefährten verschwinden sah, und in seiner heftigen Gemüthserschütterung bemerkte er nicht, daß in nur geringer Entfernung von der Stelle, wo Josef zusammengebrochen war, ein apachischer Reiter das Ufer erklomm und bereits den Tomahawk schwang, um den Adler der Schneeberge zu vernichten. Da aber drang noch rechtzeitig aus dem hohen Grase ein Feuerstrahl empor, und, wie von unsichtbarer Macht getroffen, stürzte der Apache in's Wasser.

»Glückliche Reise!« rief eine spöttische Stimme, und aus dem Grase tauchte Josefs Kopf empor. Der Canadier jubelte, der Spottvogel aber rief ihm eifrig zu: »Schnell hierher, Rosenholz, in dieses Loch, in das mich die Vorsehung hat fallen lassen. Es ist ein uneinnehmbarer Posten und keiner dieser Schurken wird demselben mit ganzen Gliedern nahe kommen.«

Mit zwei gewaltigen Sprüngen eilte der Canadier zu Josef und verschwand in einem jener Gräben, die durch das Gras verdeckt sind und in den Prairien häufig angetroffen werden. Mit einander zugekehrten Rücken erwarteten Beide den Feind. Der erstere beobachtete die Ebene, der zweite das Flußufer. Josef hatte seine Büchse wieder geladen und die funkelnden Augen der zwei kühnen Jäger folgten gespannt den Bewegungen ihrer Feinde.

Durch die erlittenen Verluste entmuthigt, suchten die Apachen ihr schützendes Versteck wieder zu erreichen, während die Abtheilung auf der Ebene sich zerstreute, um die beiden Weißgesichter zu suchen, welche so plötzlich verschwunden waren.

»Unser Canoe ist wieder flott,« flüsterte Josef, »und wartet nur noch auf uns. Es ist jetzt die höchste Zeit, darum also vorwärts!«

»Langsam, alter Junge,« erwiederte der besonnenere Rosenholz. »Jemehr wir heute von diesen Apachen tödten, desto weniger werden wir später zu bekämpfen haben. Sobald die Spitzbuben ihren Rückzug durch den Fluß bewerkstelligt haben, drehe Dich nach meiner Seite hin, wir werden bald Arbeit bekommen.«

Die nach den beiden Jägern suchenden Apachen näherten sich jetzt dem Graben, und die beiden darin verborgenen Freunde sahen, wie einige der Indianer die Gebüsche durchsuchten und die Berittenen das Gras mit ihren Lanzen durchstöberten.

»Putzen mir zuerst die Reiter herab, indem wir zugleich Feuer geben,« flüsterte der Canadier. »Bist Du schußfertig?« »Ja,« nickte Josef. »Nimm Du die rechte Seite, ich probir's mit der linken.«

Paff! ... und zwei Reiter stürzten schwer verwundet zu Boden. Die beiden Jäger aber mußten sich schnell niederducken, denn ein Kugelregen bedeckte sie mit Erde und Pfeile schlugen pfeifend neben ihnen ein.

»Jetzt aber wollen wir uns schnell aus dem Staube machen,« rief Josef einige Augenblicke später, und mit Blitzesschnelle schwangen er und Rosenholz sich aus der Grube und eilten auf das Canoe zu. Die Feinde waren ob dieser unerhörten Kühnheit zuerst ziemlich verblüfft, bald aber sprangen sie, ihre Messer und Tomahawk's schwingend, den Entfliehenden nach. Während dieses Rückzugs unterhielten Gayferos, Brennstrahl und seine beiden Krieger ein heftiges Gewehrfeuer, um die am jenseitigen Ufer versteckten Feinde zu beunruhigen. Außerdem stießen sie ein wildes Geheul aus, und dieses, in Verbindung mit dem knatternden Gewehrfeuer, beunruhigte die Apachen auf der Ebene nicht weniger, denn sie vermutheten einen ihnen überlegenen Feind. Sie hielten daher in ihrer Verfolgung inne und dieses Zaudern kam Rosenholz und Josef vortrefflich zu statten. Durch das Feuer Brennstrahls und seiner Genossen geschützt, gelang es ihnen, das Canoe mit heiler Haut zu erreichen. Allerdings nahmen die Apachen, als sie die geringe Anzahl der im Boot postirten Flüchtlinge sahen, ihre Verfolgung eiligst wieder auf, indessen war es schon zu spät, da die Barke bereits inmitten des Flusses fortschwamm.

»Aber Josef,« rief Rosenholz, als er mit dem treuen Freunde abermals hinten in dem rasch vorwärts gleitenden Fahrzeuge saß, »welche Angst hast Du mir eingejagt, als Du fielst, ich hielt Dich ja schon für todt.«

»Ach was!« rief Josef lachend, »Unkraut verdirbt nicht. Auch bin ich nur durch mein rasches Niederfallen dem Tode entgangen.«

»Mag dem sein, wie ihm wolle,« gab der Canadier zurück, »ich danke dem lieben Gott dafür, daß er mich mit diesem neuen Unglück verschont hat.« Und dabei drückte er dem Gefährten herzinnig die Hand.

Das Boot folgte geräuschlos der Strömung des Flusses und nach der überstandenen Gefahr gab sich ein Jeder gern der poetischen Stimmung hin, welche die nächtlichen Töne der Einöde hervorzurufen im Stande sind; bald drang das Gewieher des Elenthiers durch die herrschende Stille, bald wieder vermischte sich das starke Brüllen der Büffel mit dem melancholischen Gesang der Nachtvögel, und von Zeit zu Zeit stieß der Schwan sein lautes Geschrei aus, während die Wellen des Flusses unausgesetzt murmelten und einander zu erzählen schienen, was sie auf ihrer langen Reise gesehen und gehört. So lange das Canoe zwischen den jetzt durchaus kahlen und sandigen Ufern dahinschwamm und das Auge ungehindert über die Ebene zu beiden Seiten schweifen konnte, durften sich die Schiffer dem Gefühle völliger Sicherheit hingeben; als aber die Ufer bewaldet wurden und das Laubwerk der Bäume erbitterte Feinde verbergen konnte, bemächtigte sich der kleinen Schaar eine neue Unruhe und mit argwöhnischem Blicke durchspähte der Canadier die Waldgründe, welche der Fluß jetzt durchschnitt.

Endlich ging der Mond auf, doch vermochte sein Licht, das die Gipfel der Berge versilberte, nicht das Waldesdunkel zu durchdringen und die Finsterniß zu verscheuchen, welche über der Wasserfläche des Flusses schwebte. Es war eine gefährliche Fahrt, welche unsere Freunde mit ihren Gefährten zu bestehen hatten, nicht nur wegen der Feinde, welche hinter den Waldbäumen der Ufer verborgen sein konnten, sondern auch wegen der mannigfachen Hemmnisse, die sich dem Boote in den Weg stellten. Gar oft verwickelten sich die Ruderstangen in die Aeste eines in's Wasser gefallenen Baumstammes, oder die Barke ward von einer der weithin verzweigten Wurzeln festgehalten. Kurzum, es galt nach allen Seiten ein wachsames Auge zu haben.

Während die beiden Jäger den Schatten der Ufer rastlos durchspähten, schüttelte Josef den Kopf mit einer gewissen Unruhe und sagte:

»Wenn die schurkischen Apachen ihr Räuberhandwerk verstehen, so könnten sie sich hier, wo der verwünschte Fluß durch schwimmende Baumstämme gehemmt ist, leicht Genugthuung verschaffen. Haben wir doch, seit wir in dieses Labyrinth gerathen, kaum eine Stunde zurückgelegt, so daß wir uns jetzt von dem Orte, wo das Scharmützel stattfand, nur eine Meile entfernt befinden. Ich glaube mich nicht zu täuschen, wenn ich behaupte, daß jeder dieser spitzbübischen Apachenreiter einen Fußgänger hinten hat aufsitzen lassen, und dann können sie uns schon seit einer Stunde in einiger Entfernung von hier aufpassen.«

»Jedenfalls sind diese finstern Ufer zu einem Hinterhalt sehr geeignet,« antwortete Rosenholz, »und es will mich bedünken, daß wir wenigstens unsere Fahrstraße auf dem Flusse beleuchten müssen, um rascher vorwärts zu kommen. Ich will den Comanchen um seine Meinung fragen.«

Das Resultat der kurzen Berathung bestand darin, daß die Ruderer vorsichtig den Kahn an's Land führten. Dort gruben die Comanchen ein Stück Rasen aus, mit welchem das Vordertheil des Fahrzeugs ausgepolstert wurde. Zuletzt bedeckten sie diesen natürlichen Herd mit Zweigen von rothem Cedernholz und zündeten sie an. Ein heller Schein, ähnlich den einer brennenden Pechpfanne, verbreitete sich soweit um das Canoe her, daß es den Ruderern jetzt ein Leichtes war, das Fahrzeug zu lenken. Nichts störte das düstere Schweigen der Nacht, nur vom Boden der Barke drang jetzt das schmerzliche Stöhnen des verwundeten Comanchen, dessen Seele gegen die letzten irdischen Banden kämpfte, welche sie an die Erde fesselten. In leisem, verschleierten Tone stimmte er seinen Todesgesang an, wozu das Geräusch der Ruder den Tact schlug, und diese trauernde Weise erweckte in dem Herzen des Canadiers schwermüthige Anklänge, und thränenden Auges fragte er sich, ob wol sein geliebtes Kind in seinen letzten Augenblicken auch einen so treuen Freund zur Seite haben werde, wie es Brennstrahl dem sterbenden Comanchen war, welcher ohne eine Klage in den Armen des jungen Häuptlings verschied. Wenige Minuten später landete die Barke abermals an einem Ufer; die beiden Ruderer füllten die wollene Decke des Todten mit schweren Steinen und stießen sodann wieder ab. Der Leichnam wurde auf den beschwerten Mantel gelegt und dieser zugebunden, um gleich darauf in die Tiefe versenkt zu werden, wo die irdischen Ueberreste des verstorbenen Kriegers vor einer Entweihung durch Menschenhand sicher waren. Und während der Körper in die leuchtende Wasserfläche hinabsank, die sich sofort hinter ihm schloß, sagte Brennstrahl:

»Der große Geist hat die Seele eines tapfern Kriegers zu sich genommen, möge er auch uns dereinst freundlich empfangen. – Jetzt aber wieder vorwärts!«

Schnell griffen die beiden Comanchen zu ihren Rudern und die Furche, welche das rasch dahingleitende Canoe zurück ließ, verwischte den Kreis, welcher über dem nassen Grabe des versenkten Kriegers sich gebildet hatte; der Wasserspiegel kehrte zu seiner ursprünglichen Ruhe wieder zurück und es war, als ob nichts geschehen wäre.


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