Gabriel Ferry
Der Waldläufer – Für die reifere Jugend bearbeitet
Gabriel Ferry

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Vierzehntes Kapitel. Unverhoffte Begegnungen.

Auch jene magischen Kreise verschwanden, welche in den Herzen der Ueberlebenden die Gemüthswellen gezogen hatten, und die Sorge um ihre eigene Sicherheit gewann wieder die Oberhand. Nach einigen Minuten hub der Canadier an:

»Gebt mir einen der brennenden Zweige herüber, Brennstrahl; ich muß nachsehen, ob meine Augen mich nicht täuschen. Es kommt mir nämlich so vor, als schwämmen mehr Bäume hinter uns her, als wir passirt haben.« Rosenholz beleuchtete mit dem Feuerbrande die Oberfläche des Wassers hinter dem Canoe und seine sorgenvolle Miene bestätigte den Verdacht, der in ihm aufgestiegen war.

»Ah, das ist doch sonderbar,« meinte Gayferos, als er jetzt bemerkte, daß in einiger Entfernung hinter dem Fahrzeuge die Wasserfläche buchstäblich von schwimmenden Bäumen und Aesten strotzte, deren schwärzliche Stämme die Flamme beleuchtete.

»Das ist gar nicht sonderbar,« widersprach Rosenholz. »Ab er es ist ja doch unmöglich, daß wir durch diesen schwimmenden Wald von Stämmen, Aesten und Zweigen unser gebrechliches Fahrzeug bugsiren konnten, ohne daß es zerrissen worden wäre!« stellte Gayferos vor. »Ihr habt vollkommen recht, mein Bursche,« nickte Rosenholz, »dieser schwimmende Wald entstand auch erst in unserm Rücken, und zwar haben ihn die Hände der verfluchten Apachen in's Leben gerufen.«

»Natürlich,« rief Josef ingrimmig, »die Schurken haben alle abgestorbenen Bäume, die sie längs des Ufers gefunden, in den Strom geworfen. Sie wollen uns in der Fronte angreifen und uns den Rückzug abschneiden, das ist ganz klar. Das Beste wird sein, daß wir unsere Schifffahrt einstellen, um den Angriff zu vermeiden, und lieber einen weiten Umweg durch die Wälder machen.« Die Miene des Canadiers zeigte, daß er mit diesem Vorschlage einverstanden sei, und auch Brennstrahl gab dem Spottvogel recht.

Der lederne Nachen ward somit an das Land gezogen und in dem Dickicht der Bäume sorgfältig versteckt. Nachdem ein Jedes sich mit Munition und Lebensmitteln versorgt hatte, machten sich Alle geräuschlos auf den Weg. Brennstrahl, welcher diesen Theil der Wälder schon zum Oeftern durchstreift hatte, schritt als Führer mit seinen Kriegern voran, während die drei Jäger ihm auf dem Fuße folgten.

Der matte Schein des Mondes beleuchtete hinlänglich den Wald, um den Wanderern, soweit es die Vorsicht gestattete, ein rasches Vorwärtskommen zu ermöglichen; indessen mußten sie doch zu verschiedenen Malen Halt machen und in die Tiefen des Waldes spähen und lauschen, da nur zu leicht in dem geheimnißvollen Schatten feindliche Apachen verborgen sein konnten. Außerdem mußte die kleine Schaar sich Umwege machen, da das Dickicht der lang herabwallenden Cedernflechten und die Ranken üppig wuchernder Lianen ein undurchdringliches Hinderniß bildeten.

Nach Verlauf einer Stunde zeigten einige frischere Windstöße den Wanderern an, daß sie sich dem Flusse wieder näherten, und bald vernahmen sie auch das Rauschen der durch die verengten Ufer angeschwollenen Fluthen. Ohne Zweifel hatten die Apachen diesen Engpaß für ihren beabsichtigten Ueberfall auserkoren, und es war somit jetzt doppelte Vorsicht nöthig. Auf Brennstrahls Geheiß mußten die drei Jäger und die beiden Comanchen eine gerade Linie bilden, und in diesem Gänsemarsch ging's langsam vorwärts. Häufig ließ der junge Häuptling Halt machen, um auf dem Grase nach Spuren zu suchen. Bei einer dieser Gelegenheiten winkte er Rosenholz und Josef zu sich heran, zeigte auf einige dürre Blätter, die im Mondschein glänzten, und sagte:

»Krieger meines Stammes sind hier gewesen und vielleicht nicht fern von hier. Dieser Fuß hat seine Spur dem Boden aufgedrückt, als der Nachtthau den letztern bereits erweicht hatte.«

»Woher wollt Ihr aber wissen, daß es die Spur eines Eurer Krieger ist?« fragte Rosenholz.

»Der Adler braucht sich nur zu bücken,« antwortete Brennstrahl lächelnd, »und er wird sehen, daß an dieser Fußspur die große Zehe fehlt, – das beste Erkennungszeichen unseres Stammes.«

»So wahr ich lebe,« sagte Rosenholz, als er sich wieder in die Höhe richtete, »unser rother Freund hat recht.« Bald nachher bestätigten auch noch andere Fußspuren die Vermuthung des jungen Häuptlings.

»Ich werde jetzt einen kleinen Lugaus halten,« begann Brennstrahl von Neuem, »und meine beiden Krieger sollen mich begleiten. Ihr dagegen mögt zurückbleiben und uns hier erwarten.«

Während die drei Jäger dieser Aufforderung Folge leisteten, ward es allmälig heller um sie und sie hörten aus weiter Ferne das unheimliche Gekrächz eines Uhus, welcher der entschwindenden Nacht sein schauerliches Lebewohl nachrief. Da andere Eulen aus noch weiterer Ferne antworteten, so gerieth Rosenholz auf die Vermuthung, daß diese Vogelstimmen Signale sein könnten, welche sich die den Wald besetzt haltenden Indianer gäben. Der Knall eines Büchsenschusses, der, gleich dem Uhugeschrei, aus weiter Ferne kam, war nur zu geeignet, den Verdacht zu erhöhen.

»So viel steht fest,« äußerte Rosenholz, »der Feind ist in der Nähe, mag nun die Büchse von einem Comanchen oder Apachen abgefeuert worden sein. Ich kann nicht länger hier müssig stehen und meine, daß dies auch bei Euch der Fall ist. Laßt uns daher vorwärts schreiten.«

Das geschah, und kaum waren die drei Jäger einige Minuten marschirt, als sie nach und nach zwölf andere Schüsse zählten, welche bewiesen, daß an den Ufern des Flusses ein mörderischer Kampf entbrannt sein mußte. Nach der Anordnung des erfahreneren Canadiers gingen sie jetzt in seitlicher Richtung auseinander, so daß sie eine einhundertfünfzig Schritt lange Linie bildeten, deren zwei Endpunkte von Rosenholz und Josef, der mittlere dagegen von Gayferos gehalten wurde. Auf diese Weise konnten sie Brennstrahl mit seinen beiden Kriegern nicht verfehlen, falls diese auf den ursprünglichen Sammelplatz zurückkehrten. Gleichmäßigen Schrittes rückten sie in der Richtung vor, von woher das noch immer andauernde Gewehrfeuer kam, indem sie zeitweilig den Schrei des Schakals nachahmten, um sich nicht allzu weit von einander zu entfernen. Rosenholz gelangte bei diesem Marsche zuerst an das Flußufer. Vorsichtig näherte er sich dem Dickicht und warf einen Blick nach der nur wenige Schritte entfernten Wasserfläche, auf deren Wellen die in das Flußbett geworfenen Baumstämme noch immer trieben. Ein neuer Schuß, dessen Blitz das Wasser wiederspiegelte, brachte Rosenholz auf die Vermuthung, daß der Kampf auf dem Flusse selbst oder hart an seinen Ufern stattfinden müsse. Dicht vor ihm ließ sich jetzt ein Kriegsgeheul vernehmen, in welchem er die Stimme Brennstrahls zu erkennen glaubte. Sofort stieß der Canadier den Schakalsschrei aus, um Josef und Gayferos herbeizurufen und mit ihnen vereint dem jungen Häuptling zu Hilfe zu eilen. Kaum hatte jedoch Rosenholz das Signal zum dritten Male wiederholt, als hinterrücks zwei kräftige Fäuste den alten Jäger an der Gurgel packten und schwarze Gestalten neben ihm auftauchten, deren Messer vor seinen Augen hin- und herfunkelten. Der kühne Waldläufer schreckte zwar, ob dieses unverhofften Ueberfalles, einen Augenblick heftig zusammen, dann aber sprang er mit einem ungeheuern Satze rückwärts, so daß er den Indianer mit sich fortriß, dessen beide Hände ihn zu erdrosseln suchten. Im Nu packte er mit der rechten Hand gleichfalls die Gurgel seines Feindes, um ihn gleich darauf zu Boden zu werfen. Nachdem er sich überzeugt, daß der unwiderstehliche Druck seiner eisernen Finger dem heimtückischen Apachen den Garaus gemacht hatte, rief er donnernd, daß es wiederhallte: »Zu Hilfe! ... Josef!« Sodann schmetterte der schwere Kolben seines Gewehres einen zweiten Feind nieder. In dem nämlichen Augenblicke aber tauchte auch schon Josef aus dem Dickicht hervor, die Büchse vor sich hinhaltend. »Schnell, bring Dein Gewehr in Anschlag und gieb mit mir Feuer!« schrie der Canadier und zielte auf einen der Apachen, welche bestürzt flohen. Die beiden Schüsse krachten, allein ohne einen der Flüchtlinge zu treffen, welche im Dickicht verschwanden. Die beiden Jäger stürzten ihnen nach und bemerkten drei schwarze Körper, welche rasch in's Wasser tauchten und unter den schwimmenden Stämmen verschwanden.

»Es müßte mit dem Teufel zugehen, wenn die sich da herausarbeiteten,« brummte Josef, um sich gewissermaßen zu trösten.

»Vorwärts!« schrie Rosenholz, da jetzt endlich auch Gayferos zu ihnen stieß. »Dort unten braucht man uns! ... Hört Ihr den Schlachtruf Brennstrahls?«

»Ja,« antwortete Josef und ließ im Verein mit Rosenholz das Kriegsgeschrei ertönen, worauf alle drei dem Flusse zueilten. Dort bot sich ihnen ein neues Schauspiel dar. Der Fluß bildete hier, wie bereits gesagt worden ist, einen Engpaß von kaum sechs Fuß Breite, während die beiden Ufer sich vierzig Fuß hoch über dem Wasserspiegel erhoben.

Zwei Indianer standen sich, in der trotzigen Stellung erbitterter Kämpfer, auf den beiden steilen Ufern gegenüber und ihre Bewegungen ließen die Absicht erkennen, den schmalen Raum zu überspringen, der den einen von dem andern trennte. Schon setzte Brennstrahl an, als der Canadier ihm ein »Halt!« entgegenrief. »Laßt mich nur machen,« fügte er hinzu, seine Büchse ladend, welchem Beispiele Josef folgte.

Brennstrahl zögerte und diese Unentschlossenheit benutzte der andere Indianer und mit dem Rufe: »Die Antilope kann weiter springen!« setzte er über den feuchten Abgrund und umklammerte Brennstrahls Leib, Rosenholz und Josef schlugen zu verschiedenen Malen ihre Büchsen an, da aber die beiden Kämpfer im wilden Handgemenge sich auf dem Boden wälzten, so war es eine Unmöglichkeit, auf den Apachen zu zielen, ohne vielleicht den Comanchen zu treffen. Mithin blieb kein anderer Ausweg, als selbst an dem Kampfe teilzunehmen und Brennstrahl von seinem erbitterten Feinde zu befreien. Da aber riß die Antilope mit einem gewaltigen Ruck den jungen Comanchen bis zum Uferrand und im nächsten Augenblick schon stürzten beide Kämpfer in den Fluß hinab. Noch grollte das Wasser an der Stelle, wo die beiden Feinde verschwunden waren, und noch malte sich ein stummes Entsetzen in den Mienen der drei Jäger, als plötzlich von mehreren Punkten des Ufers aus ein halbes Dutzend schwarzer Körper in das Wasser platschten.

Rosenholz und Josef wußten sich keines Raths. Sie durften nicht wagen, von ihren Feuerwaffen irgend einen Gebrauch zu machen, da bei dem noch herrschenden Zwielichte nicht zu erkennen war, ob jene dunkeln Gestalten zu den Apachen oder Comanchen gehörten, und ob sie der Antilope oder Brennstrahl zu Hilfe eilten. Das Erstaunen der Jäger erreichte aber erst jetzt seinen Höhepunkt, als noch eine weitere Person auf den Schauplatz trat. Soweit es sich in der Morgendämmerung unterscheiden ließ, gehörte der Ankömmling zu den Weißgesichtern; er schien aus einem Versteck hervorzukommen, näherte sich dem Ufer schnell und rief, indem er mit einem Degen auf die beiden Ringer im Flusse hinwies, in gutem Spanisch aus: »Muth, Kinder! Seht, da taucht er wieder aus dem Wasser empor!«

»Der Teufel soll mich holen,« rief Josef hastig, »wenn das nicht Pedro Diaz ist.«

»Wer ruft mich?« antwortete der Mejikaner, ohne indessen einen Blick von den beiden, im Flusse ringenden Indianern zu verwenden.

Rosenholz wollte seinen Namen nennen, ward aber, wie Josef, gänzlich von der Scene in Anspruch genommen, die sich jetzt vor ihren Blicken abspielte.

Drei von den Schwimmern, welche sich kurz zuvor in den Fluß gestürzt hatten, näherten sich den beiden erbitterten Ringern und durchbohrten mit ihren Messern den Körper des einen. Der Ermordete gab jetzt seine Beute frei und sank unter, Brennstrahl dagegen wurde regungslos an das Ufer gezogen. Obgleich er keine bedeutende Wunde erhalten hatte, war er von dem gewaltigen Kampfe doch so bedeutend ermattet, daß er, ein schwaches Zittern abgerechnet, keinerlei Lebenszeichen von sich gab. Es währte eine geraume Zeit, ehe seine Brust wieder vernehmbar zu athmen begann, so fürchterlich war er von seinem Gegner gewürgt worden. Obgleich die drei Jäger schon längst an des ehrlichen Mejikaners Seite standen, rief Pedro Diaz ihnen dennoch erst dann ein herzliches Willkommen zu, nachdem er sich über den Zustand des jungen Comanchen beruhigt hatte.

»So seid Ihr also doch noch den Banditen entkommen, Señor Rosenholz und Don Josef? ... Und Ihr auch, Gayferos? . . Nun, das ist ein glücklicher Tag. Allein ich sehe ja bei Euch nicht ...« Und Diaz schien mit dem Auge Jemanden zu suchen, den er bei diesem Zusammentreffen ungern vermißte.

»Die Hand Gottes hat die Zuchtruthe über uns geschwungen,« sagte traurig der alte Waldläufer, »und den Vater von seinem Sohne getrennt.«

»So ist Don Fabian todt?« rief Diaz mit schmerzlicher Bewegung.

»Er ist gefangen,« seufzte Rosenholz kummervoll.

»Nun ja,« ergriff Josef hastig das Wort, »allein wir sind, Gott sei Dank, Don Fabian de Mediana auf der Spur, und da wir gleichzeitig während unserer Verfolgung die Reihen der apachischen Spitzbuben gelichtet haben, so werden wir ihn sicherlich ihren Klauen entreißen.«

Die tröstenden Worte Josefs waren auch jetzt wieder für das wunde Herz des alten Jägers ein heilender Balsam, und er hob das gebeugte Haupt von Neuem empor. »Wie steht es nun aber um unsern Freund hier?« fragte er, auf den am Boden liegenden Brennstrahl deutend.

»Er hat eine lange, aber nicht besonders tiefe Fleischwunde auf der Brust,« entgegnete Diaz, »und obwohl wir wegen seiner unbesorgt sein können, ist er augenblicklich doch noch zu schwach, um wieder auf den Beinen stehen zu können. Wir müssen daher hier eine kurze Rast machen.«

Brennstrahl hatte von seinen Kriegern dreie eingebüßt, indessen waren die Comanchen und Weißen noch immerhin zwölf Mann stark und bildeten eine kriegstüchtige, entschlossene Truppe, mit welcher Rosenholz sich das gefahrvollste Unternehmen auszuführen getraute.

Nachdem Alle eine Stunde geruht hatten, begann der Morgen sich in seiner ganzen Schöne auszubreiten, indem die aufgehende Sonne tausende blitzender Pfeile in das Grau der Dämmerung entsandte, so daß bald Wald und Fluß im goldenen Lichte schwammen. Zur Freude Aller fühlte sich jetzt Brennstrahl wieder kräftig, und man beschloß daher, in corpore den Fluß wieder hinauf zu gehen, das Canoe aus seinem Versteck zu holen und mit diesem die Reise fortzusetzen. Die Barke war freilich für zwölf Personen etwas klein, dennoch bot sie in Ermangelung von Pferden die bequemste Art dar, rasch vorwärts zu kommen. Bald hatte man die Stelle erreicht, wo das Canoe noch unberührt lag. Sogleich wurde es wieder flott gemacht, um am Engpasse noch einmal aus dem Wasser gezogen zu werden, da der schwimmende Wald dort jeden Durchgang unmöglich machte. Jetzt erst konnte man die Größe der Gefahr beurtheilen, welcher die kleine Reisegesellschaft nur mit Hilfe des Scharfblicks von Seiten des alten Jägers entgangen war. Durch den im Rücken des Bootes schwimmenden Wald verhindert, die Flucht zu ergreifen, wären sämmtliche Insassen den Kugeln und den Pfeilen der an beiden Ufern versteckten Apachen ausgesetzt gewesen und würden zweifellos bis auf den letzten Mann getödtet worden sein.

»Jetzt,« meinte Josef, »jetzt muß uns aber Freund Brennstrahl erzählen, wie es ihm gelang, sich mit seinen Kriegern zu vereinigen und die Apachen zu täuschen.«

Der junge Häuptling willfahrte dem Wunsche Josefs, aber erst, nachdem man zu Lande den Engpaß umgangen und in dem Canoe wieder Platz genommen hatte, welches nunmehr unter kräftigen Ruderschlägen der Gabel des rothen Flußes zutrieb, wo Fabian den beiden Wüstenräubern entrissen werden sollte. Der Bericht Brennstrahls lautete in gedrängter Kürze folgendermaßen: Nachdem der Comanche außer den Spuren seiner Stammesgenossen auch noch jene der Apachen entdeckte hatte, ließ er das Uhugeschrei ertönen, um seine Krieger von seiner Nähe zu benachrichtigen. Nach wenigen Minuten schon stießen dieselben zu ihm und theilten ihm mit, daß sie auf der Verfolgung der Apachen begriffen seien. Brennstrahls kleiner Trupp bestand nunmehr aus acht Kriegern, welche er jetzt in drei Abtheilungen theilte und mit Verhaltungsmaßregeln versah. Zwei Comanchen schlichen sich an's Flußufer, wateten in das Wasser und ließen sich auf den schwimmenden Baumstämmen in den Engpaß treiben. Brennstrahl setzte mit zwei andern Kriegern über den Fluß und legte sich auf dem linken Ufer in den Hinterhalt. Die vier übrigen Comanchen dagegen stellten sich am gegenüberliegenden Ufer in ähnlicher Weise auf. Brennstrahl wartete, bis er glaubte, daß die erste Abtheilung den Engpaß erreicht haben könnte; dann erstieg er mit seinen beiden Gefährten das steile Ufer, während die Apachen ihm gegenüber ohne Argwohn auf die Ankunft des Canoe lauerten. Im rechten Augenblicke feuerte die dritte Abtheilung der Comanchen und gleichzeitig auch Brennstrahl mit seinen beiden Kriegern. Diese plötzlichen Schüsse, von denen jeder einen Feind niederstreckte, sowie das Geschrei der von zwei Seiten angreifenden Comanchen verbreiteten unter den Apachen Furcht und Schrecken und alle stürzten sich in den Fluß. Dort wurden sie aber von der ersten Abtheilung, welche auf den schwimmenden Baumstämmen festen Fuß gefaßt hatte, gleichfalls mit einem Feuer begrüßt und dadurch der Schrecken der Apachen noch gesteigert. Nur die stolze Antilope hatte das Feld nicht geräumt und mit ihren vor Wuth funkelnden Augen bemerkt, daß am jenseitigen Ufer nur ein einziger Indianer mit geschwungenem Tomahawk erschien, sonst aber sich nirgends ein Feind zeigte. Dieser Indianer war Brennstrahl gewesen, dessen beide Krieger sich auf die Verfolgung der fliehenden Apachen begeben hatten. Der weitere Verlauf ist uns bekannt, und nachdem Brennstrahl seinen Bericht beendet hatte, drückte ihm Rosenholz herzlich die Hand und wünschte ihm zu seinem Siege Glück.

Nunmehr mußte Pedro Diaz seine Abenteuer erzählen, sowie die Art und Weise, wie er zu den Comanchen gestoßen war.

»Nachdem ich Euch vor der nahenden Gefahr gewarnt hatte, der Ihr auf der Felspyramide ausgesetzt waret,« berichtete er, »bemühete ich mich, die Richtung der rothen Gabel aufzufinden. Nur zu bald aber empfand ich die Qualen eines erschrecklichen Hungers, den ich vergebens zu bemeistern bemüht war.«

»Hol's der Henker,« unterbrach Josef, »da ist's Euch genau so ergangen, wie uns. Seid Ihr am Ende auch auf einen wilden Büffel gerathen?«

»Allerdings,« fuhr Diaz fort, »ich erblickte in einiger Entfernung so ein Thier und war schon froh, daß mir ein so prächtiger Braten entgegengeführt wurde, als sich der Büffel in einen Bären verwandelte.«

Meister Petz ging nun mit ungemeiner Behendigkeit auf mich los. Ich lief auf mein Pferd zu und sandte ihm eine Kugel entgegen; allein sie prallte an seinem dicken Felle ab und reizte das Thier zu noch größerer Wuth. Ich schwang mich auf mein Pferd und gab ihm die Sporen. Meister Petz aber kam in seinem schwerfälligen und doch schnellen Trabe hinter mir her. Stunden vergingen und am Abendhimmel leuchteten schon die Sterne, und noch immer ließ der Bär nicht ab, mich zu verfolgen. Mein armes Pferd, über und über mit Schaum und Schweiß bedeckt, erlahmte mehr und mehr und brach schließlich unter mir zusammen.«

»Nun – und das Vieh von einem Bären?« unterbrach Josef abermals, da die ruhige Sprachweise Pedro Diaz' mit seiner gewohnten nicht gleichen Schritt hielt.

»Ich raffte mich schnell vom Boden auf und erklomm einen Ahornbaum, der in der Nähe stand. Mit dem Degen in der Hand, erwartete ich, auf einem großen Aste sitzend, den Angriff des Ungeheuers. Glücklicherweise stellte es sich jedoch heraus, daß dieses Exemplar ein grauer Bär war, welcher die Geschicklichkeit seiner Stammverwandten im Klettern nicht besaß.«

»Nun ...und was geschah weiter?« drängte Josef.

»Nachdem er eine Zeit lang unter meinen Füßen herumgeschnuppert, zerrte er mein armes gefallenes Pferd an den Fuß des Ahornbaums, um es dort mit Gemüthsruhe zu verzehren. Dies verhinderte ihn aber nicht, mir von Zeit zu Zeit einen drohenden Blick heraufzusenden.

Ich verbrachte auf dem Baume eine entsetzliche Nacht, bis ich endlich vor Hunger und Ermüdung einschlief. Als der Tag graute, wachte ich auf und ... Pferd sammt Bär waren verschwunden. Der Hunger folterte mich auf das Gräßlichste und meine aufgeregte Einbildungskraft ließ mich hinter jedem Gebüsche einen Bären sehen, als ich endlich den Baum verließ und von dannen eilte. Ich will alle meine Qualen, die ich während des Tages durchlebt, übergehen, bis zu dem Augenblicke, wo ich bei Sonnenuntergang endlich in der Ferne eine Rauchsäule entdeckte. Selbst auf die Gefahr hin, daß dieselbe ein indianisches Lagerfeuer verberge, schritt ich derselben zu. Es war, wie ich befürchtet hatte; sechs Indianer saßen um ein Feuer herum, ohne daß indessen die geringste Spur eines Mahles sichtbar war. Schon wollte ich mich wieder aus dem Staube machen, allein das Falkenauge der Wilden hatte mich bereits entdeckt und ich mußte in ihren Kreis treten. Ich sah jetzt, daß ich es mit Comanchen zu thun hatte, welche mich friedlich aufnahmen und sich im schlechten Spanisch erkundigten, wohin ich gehe. Als ich den Büffelsee nannte, gaben die Krieger mir zu verstehen, daß dies auch ihr Reiseziel sei, um sich dort mit ihrem jungen Anführer Brennstrahl zu vereinigen.«

»Meine rothen Freunde reichten mir die Friedenspfeife dar, doch merkten sie gar bald, daß mir der Tabak nicht sonderlich mundete. Welch' glückseliges Gefühl überkam mich jedoch, als sie eine Grube aufdeckten und einen fetten Büffelrücken zum Vorschein brachten, den sie darin gebraten hatten. Es war ein Göttermahl, dem mir uns jetzt gemeinschaftlich hingaben, und Ihr habt keinen Begriff ...«

»Doch, doch!« rief Josef, »war es ja doch auch ein Büffelrücken, der Rosenholz, Gayferos und mich vom Hungertode befreite!«

»Mithin haben unsere Abenteuer eine gewisse Aehnlichkeit,« bemerkte Diaz und schloß seinen Bericht damit, daß er erzählte, wie er sich mit den Comanchen alsbald auf den Weg gemacht hatte und an dem Engpasse angelangt sei. Brennstrahl gab jetzt den beiden Jägern durch ein Zeichen zu verstehen, daß sie im Rudern innehalten sollten, und deutete auf eine Rauchsäule hin, welche sich am Flußufer inmitten eines dichten Gehölzes erhob.

»Es ist zwar nur ein Feuer,« sagte Rosenholz, indem er das Canoe in dem Strome des Flusses sich drehen ließ, »trotz alledem erheischt es die Vorsicht, daß wir einige Späher ausschicken, um zu erfahren, wer an diesem Feuer lagert.«

Zwei Comanchen schwammen sofort an's Ufer hinüber, während sich in dem Canoe Alles schußfertig machte.

Kurze Zeit, bevor die Mannschaft an das Ufer stieg, fühlte sich eine der beiden Personen, welche vor dem Feuer lagerten, durch das Geräusch der Ruderstangen etwas beunruhigt; wenigstens hörte man eine Stimme rufen:

»Uilson!«

»Sir!« antwortete eine zweite Stimme nicht weit von der ersten.

»Ihr seid nachlässig in Eurer Pflicht. Was ist das, was so plätschert?«

»Ein Boot, nichts weiter. Ich sehe es schon seit lange.«

»Oh, dann ist gut. Gefahr geht Euch an, mich nicht. Very well.«

Unsere Freunde waren inzwischen gelandet und blickten sich ziemlich erstaunt ob der eigenthümlichen Unterhaltung an, die zu ihren Ohren gedrungen war. Ihre Verwunderung nahm zu, als sie jetzt neben dem Lagerfeuer den Engländer erblickten, welcher einen alten knorrigen Baumstamm abzeichnete. Seitwärts vom Feuer befand sich Mr. Wilson. An einem Aste des Baums, welchen Sir John abkonterfeite, hing das Vordertheil eines Rehbocks, während die Keule des Thiers an einem rohgearbeiteten Bratspieße über dem Feuer schmorte. Im Hintergrunde weideten drei Pferde, und unweit von ihnen war ein prächtiger Schimmel, an dessen glänzenden Haaren Blut klebte, an einen Baum gebunden.

»Sir,« rief jetzt Wilson erfreut aus, als er den heranschreitenden Brennstrahl erkannte, »hier ,ist ein tapferer Krieger, dessen Hand die Ihrige schon einmal gedrückt hat.«

»So ... ist gut,« antwortete Sir John und fuhr, ohne auch nur ein wenig den Kopf aufzurichten, zu zeichnen fort. »Goddam, immer Freund und nicht Feind. Warum besorgt Ihr nicht auch einmal Feind? Ich langweile mich schon sehr. Ah,« fügte er hinzu, als er jetzt aufstand und den Comanchen erblickte. »Ist mein rothes, tapferes Gentleman; freut mich, schönes Rothhaut wieder zu sehen.«

Brennstrahl schüttelte Sir John die Hand, während Rosenholz und Josef sowie die beiden Mejikaner die zwei sonderbaren Reisenden mit Staunen betrachteten.

Endlich warf Rosenholz die Frage auf, ob Seine Lordschaft schon längere Zeit die Ufer des rothen Flusses durchwandere.

»Oh, yes,« versetzte Sir John, »seit sechs bis sieben Tagen haben ich verfolgt das schöne Schimmel dort, das die Vaqueros nennen das weiße Renner der Prairien. Wir mußten ihm geben ein klein wenig Schrot aus unsern Büchsen an den Hals, sonst hätten wir es bekommen nicht. Die Wunde aber ist nicht gefährlich, und ich werden in London große Ehren einlegen mit diese Schimmel und mir freundlich erinnern an diese Ufern, wo man so sicher reist, wie an der Themse.«

»Oho,« rief Josef ziemlich spöttisch und wollte schon weiter sprechen, jedoch unterbrach ihn Rosenholz und fragte:

»Sind Ew. Lordschaft nicht zwei Banditen begegnet, die ein Gefolge von etwa zehn Indianern hatten und einen jungen weißen Gefangenen mit sich führten?«

»Uo?« rief Sir John, »uas sagt das Mann da? Banditen? Uilson, haben uir gesehen Banditen?«

»Ew. Herrlichkeit nicht,« antwortete Wilson, »denn Sie schliefen, als gestern um vier Uhr ein Fahrzeug den Fluß herabkam, dessen Mannschaft uns zwei, der von mir getroffenen Sicherheitsmaßregeln wegen, nicht bemerken konnte.«

Der Canadier lauschte gespannt weiter den Worten Wilsons.

»In dem Boote befand sich ein Mestize und noch ein anderer, weißhäuptiger, dabei aber nichts weniger als ehrwürdig aussehender Bandit.«

»Rothhand und Mischblut!« rief der aufs Höchste erregte Rosenholz aus. »Und gestern haben Sie dieselben gesehen?«

»Bei einbrechender Nacht.«

»Befanden sie sich allein im Boote?« fragte Josef rasch, da er den tief bewegten Rosenholz erbleichen sah.

»Oh nein,« entgegnete Wilson, »es waren etwa zehn Indianer bei ihm.«

»Haben Sie nicht auch einen jungen, weißen Mann bemerkt?« rief der Canadier, indem er das stürmische Klopfen seines Herzens zu unterdrücken suchte.

»Kann sein,« versetzte Wilson achselzuckend, »es kam mir allerdings so vor, als ob Jemand im Boote ausgestreckt läge, indessen konnte ich es bei der Dämmerung nicht mehr genau unterscheiden.«

»Was bedarf's noch irgend einer Frage?« polterte Josef. »Brechen wir lieber auf, und ich sage Euch, in wenig Stunden werden wir die beiden Teufel eingeholt haben. Caramba! sie uns so nahe zu wissen! Herr Lord,« fuhr er zu Sir John fort, »wenn Sie Lust haben, die Gefahren der Wildniß ein wenig zu verkosten, so begleiten Sie uns.«

»Ja, Herr, kommen Sie mit uns,« rief Rosenholz mit zitternder Stimme, »wenn Sie für eine heilige Sache kämpfen und einem Vater zu Hilfe kommen wollen, der Alles daran setzt, seinen einzigen, lieben Sohn einem furchtbaren Tode zu entreißen! Kommen Sie mit uns, Herr, und Gott wird Ihnen dereinst lohnen, was Sie für einen armen Vater und sein Kind gethan haben.«

»Das geht nicht,« rief jetzt Wilson, »das läuft wider unsern Vertrag, laut welchem ich nur verpflichtet bin, Ew. Herrlichkeit vor den Gefahren der Reise zu bewahren, als da sind: feindliche Indianer, Panther, Jaguars, Bären, Schlangen, Durst, Hunger, Wald- und Savanenbrände u.s.w. u.s.w., aber nicht vor solchen Gefahren, in die Sie sich absichtlich begeben. Sie müssen mich daher in einem solchen Falle meiner Verbindlichkeiten entheben.«

»Ich enthebe Sie,« erwiederte Sir John, den der Schmerz des alten Waldläufers gerührt hatte. »Man soll nicht sagen, daß ich ein armes Vater in seiner Noth verlasse.«

»Na,« antwortete Wilson, »ich habe auch nichts dagegen, denn unser Faulenzerleben ist mir in der That langweilig.«

Thränenden Auges stürzte Rosenholz auf den gutmüthigen Lord zu, riß seine beiden Hände an sich und drückte sie in seiner Dankbarkeit so heftig, daß Sir John von einem Bein auf das andere hüpfte und einmal über das andere ausrief:

»Au!... Gutes, dankbares Vater!... Lassen Sie los!... Goddam!... Au!«

Die Pferde wurden hurtig gesattelt und beladen und sodann ging es rasch den Fluß abwärts, Sir John mit Wilson und einigen Comanchen am Ufer entlang und der Rest der Truppe in dem Boote von Büffelfellen.


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