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Rosenholz und Fabian waren eifrig beschäftigt, die am Abend angefangenen Verschanzungen zu vervollständigen. Josef dagegen steckte verdrossen die Hände in die Taschen, pfiff einen martialischen Marsch und machte seinem innern Groll endlich durch die Worte Luft:
»Na, hab' ich nicht recht gehabt, als ich warnte, die Nacht hier zuzubringen? Nun sitzen wir schön in der Patsche.«
»Ei, was!« entgegnete Fabian mit männlicher Entschlossenheit, »ist das Leben in der Savane nicht eine ununterbrochene Reihe von Kämpfen? Jedenfalls kann es uns gleichgültig sein, ob wir uns hier oder anderswo herumschlagen.«
»So würde ich sprechen, wenn Josef und ich allein wären,« meinte Rosenholz traurig, »jetzt aber bangt mir Deinetwegen, mein Herzenskind. Ich hatte bereits einen ganz schönen Plan für die Zukunft entworfen, und nun müssen uns die verwünschten Apachen an der Ausführung hindern. Der Teufel soll sie stückweise holen!«
»Und darf ich den Plan meines väterlichen Freundes nicht wissen?« fragte Fabian, indem er sich zärtlich an die Schultern des alten Jägers schmiegte.
Der Canadier seufzte und begann von Neuem: »Ohne gerade auf das Leben in der Savane zu verzichten, wollte ich doch dieses einsame Umherschweifen aufgeben, das jede Gefahr verdoppelt und verdreifacht. Mit einem Wort, ich beabsichtigte, mit Euch bei den Trappern (amerikanischer Name für Biberfänger und Pelzjäger, abgeleitet von dem englischen Trap, Falle, also eigentlich Fallensteller) im Oregon-Gebiete Dienste zu nehmen. Man ist dort gleichfalls von den Städten weit entfernt, hat aber doch immer wenigstens hundert Kameraden bei sich und kaum ernstliche Gefahren zu befürchten, sobald man nur unter einem tüchtigen und wachsamen Führer dient, wie es deren in den westlichen Staaten so viele giebt.«
Josef hatte seinen Marsch zu Ende gepfiffen und sagte: »Ich fürchte, daß dieser Ort hier zur Vertheidigung sich nicht recht eignen wird, zum wenigsten kann man uns von der Seite aus, wo der Wasserfall herabstürzt, leicht in Schach halten und auf uns schießen, wie nach einer Scheibe.«
»Du hast leider recht,« entgegnete Rosenholz und krauste sich nachdenklich hinter dem Ohr. »Wie aber läßt sich dem Mißstande abhelfen?«
»Vielleicht kann meine schwere wollene Decke uns nutzbringend sein,« erwiderte Josef, »und wenn Don Fabian die seinige herzugeben gleichfalls willens ist, so kann uns keine Kugel hinter dieser wollenen Verschanzung treffen.«
»Das ist ein vortrefflicher Gedanke,« riefen Fabian und Rosenholz zugleich. Und augenblicklich wurden die beiden oberen Enden der beiden Decken in Manneshöhe an den Stamm der beiden Tannen festgeknüpft, welche die Plattform beherrschten.
»So,« sagte Josef befriedigt und rieb sich schmunzelnd die Hände, »von dieser Seite haben wir jetzt gleichfalls nichts zu befürchten und wir können nun den Feind getrost erwarten.«
»Wer weiß,« meinte der Canadier, »ob sie uns überhaupt anzugreifen willens sind. Vielleicht hat Cuchillo nur deshalb ein Bündniß geschlossen, um gefahrlos den Schatz heben zu können.«
»Möglich,« erwiderte Josef lakonisch, »indessen dürsten die Indianer mehr nach Blut, als nach Gold.«
Josef lugte vorsichtig durch die Oeffnungen der Steinspalten nach der Ebene hinab, auf welche soeben das erste fahle Licht der Morgendämmerung fiel. »Auf der Ebene rührt sich nichts,« berichtete er endlich. »Die Wölfe dagegen heulen noch immer, wie Ihr mit Euren Ohren vernehmen könnt, um die blutige Stelle da unten, ohne daß sie sich ihr zu nahm wagten.«
»Dann wette ich,« versetzte Rosenholz, »daß zwei oder drei Indianer hinter den Steinen der Ebene, versteckt sind.«
Josef lugte noch einmal vorsichtig hinaus und sagte: »Meiner Seel', Du hast recht, ich sehe die rothen Teufel auf dem Bauche liegen. Gnade Gott diesem Schlingel von Cuchillo, der uns die Apachen auf den Hals gehetzt hat, seine Stunde hat geschlagen, sobald es zwischen uns und den Rothhäuten zu Feindseligkeiten kommt.« »Es wird nicht dazu kommen,« murmelte Rosenholz, »sicherlich wollen sie nur den Schatz und nicht unser Leben.«
»Ei sieh',« höhnte Josef, »Deine auf langjährige Erfahrung gestützte Ansicht über die Indianer hat sich ja urplötzlich geändert!«
»Laß den Spott,« gab der Canadier zurück und flüsterte sodann dem Gefährten in's Ohr: »Du weißt recht gut, daß ich um meines lieben Kindes Sicherheit besorgt bin und nur deshalb so närrisches Zeug schwatze, an das ich selbst nicht glaube. Caramba!« fügte er mit wilder Entschlossenheit hinzu, »die rothen Teufel sollen sich vor mir in Acht nehmen, wie vor dem Löwen, wenn man ihm sein Junges rauben will.«
Es trat jetzt eine lange Pause des Schweigens ein, welche wir benutzen wollen, um über die Pläne Cuchillos und der beiden Wüstenräuber in's Reine zu kommen.
Cuchillos Versprechen, den Mestizen in das Goldthal zu führen und ihm die Reichthümer zu überliefern, war anfänglich ein durchaus ehrliches gewesen und die Freude des Gambusino über seine erfolgte Rettung von dem gräßlichen Martertode so unbegrenzt, daß er in diesem Augenblicke seine Seligkeit hingegeben hätte, nur um sich dankbar zu erweisen. Nach und nach verflog indessen der Freudenrausch und die seinem Herzen innewohnende Habsucht gab ihm einen anderen Entschluß ein; er gedachte den Mestizen zu täuschen, indem er ihm den wahren Ort, wo die Goldkiesel aufgespeichert lagen, verheimlichte und dafür den Gipfel der Felspyramide als Schatzkammer ausgab. Er versicherte dem Mestizen, daß die drei Jäger, welche dort oben hausten, Haufen von Gold in dem Grabe des indianischen Häuptlings verborgen hielten, und Mischblut, von dem unmäßigsten Golddurst erfüllt, schenkte den Worten Cuchillos vollkommen Glauben. Trotz alledem fühlte der schurkische Gambusino recht wohl, daß er sich durch diese Täuschung großen Gefahren aussetze, und sein ganzes Dichten und Trachten lief jetzt darauf hinaus, welche List er anzuwenden habe, um das Goldthal mit seinen Schätzen den habgierigen Blicken Mischbluts zu entziehen. Er sann noch darüber nach, als Rothhand, der Vater des Mestizen, zu der Abtheilung stieß. Die Bande hatte für eine kurze Zeit Halt gemacht, um sich in einem kleinen Gehölze von Steineichen auszuruhen, und der Zufall wollte, daß sich Diaz gleichfalls dort befand, glücklicherweise aber gedeckt von einem kleinen Gebüsch. Er war zu diesem Aufenthalte gezwungen morden, da sein Pferd in dem Gefecht mit den Apachen eine Fleischwunde erhalten hatte, und obgleich dieselbe nicht sehr bedeutend war, so hielt er es dennoch für seine Pflicht, dem Thiere einen Augenblick der Ruhe zu gönnen. Rothhand und Mischblut hatten sich bis an das Gebüsch zurückgezogen, und so kam es, daß Diaz jedes Wort ihres Gespräches vernahm. Aus dem Gehörten errieth er, daß der Mestize im Sinne habe, die Tochter des Hacendero Pena, welche zur Zeit mit ihrem Vater am Büffelsee verweilte, zu entführen, um ein beträchtliches Lösegeld einzuheimsen. Diese Heldenthat wollte Mischblut jedoch erst dann ausführen, nachdem er die drei Jäger im Goldthale bezwungen hatte.
Die Folge war, daß Diaz hastig sein Pferd bestieg und vorsichtig die Richtung nach dem Goldthale einschlug, um den Canadier mit seinen beiden Freunden zu warnen; dann war er willens, zum Büffelsee hinabzureiten und Don Augustin die Gefahr, welche Rosarita drohete, zu verkünden.
Nach kurzer Rast setzten die beiden Wüstenräuber mit Cuchillo und den Apachen ihren Weg nach den Nebelbergen weiter fort und langten nach einem fast dreistündigen Ritte an ihrem Ziele an. Cuchillo hütete sich wohl, seine kleine Schaar dem Goldthale zuzuführen, vielmehr hielt er sich auf der anderen Seite des Bergstroms, um hier einen günstigen Augenblick abzuwarten, wo er entwischen konnte.
Während alle einen schmalen Felspfad emporklimmten, äußerte Cuchillo zu dem Mestizen:
»Von der Höhe dieser Berge herab beherrschen wir den Felskegel, auf dem die Jäger das Gold vergraben haben, das ich Ihnen, Senor, als Lösegeld versprach.«
»Nur hütet Euch,« rief der alte Rothhand mit drohender Miene, »uns hinter das Licht zu führen, denn, beim Teufel! Ihr würdet keinen Fetzen Haut auf dem Leibe behalten.«
»Ihr Argwohn thut mir weh,« gab Cuchillo mit einem leichten Schauder zurück, »urtheilen Sie doch selbst, ob die Leute da drüben auf dem Felskegel von einer anderen Seite her, als dieser hier, anzugreifen sind.«
»Ihr habt recht,« pflichtete Mischblut bei, »wenn der Tag anbricht und die Nebel verscheucht, so werden wir, gleich dem Adler, über unserer Beute schweben.«
Einer der Apachen, welcher noch in der Ebene zurückgeblieben war und sorgfältig den Spuren nachforschte, welche sich hier und dort im Sande zeigten, stieß plötzlich einen Schrei aus und rief zwei seiner Gefährten heran.
»Was ist das für eine Spur?« fragte er, mit blitzenden Augen auf den Boden deutend.
»Die des Adlers der Schneeberge,« antworteten die beiden Apachen wie aus einem Munde. »Und diese hier?«
»Die des Spottvogels und des jungen Kriegers aus Mittag.«
Rosenholz und seine beiden Gefährten waren erkannt und mit großer Befriedigung eilte der Apache Mischblut nach und sagte zu ihm: »El Mestizo sehnt sich nach den glänzenden Steinen und der rothe Mann wird sie ihm erobern helfen, obgleich er den blitzenden Gott der Bleichgesichter verachtet. El Mestizo wird dagegen auch für seine rothen Brüder kämpfen, denn das Blut unserer Krieger, die am Gila fielen, schreit um Rache. Ihre Mörder aber Hausen da oben auf dem Felskegel und wir müssen ihre Scalpe haben. Nur unter dieser Bedingung werden sich die Apachen schlagen.«
»Sonst nichts?« antwortete Mischblut mit einem verächtlichen Lächeln. »Nun, wohlan, dieser kindliche Wunsch soll den apachischen Kriegern gewährt sein.«
Nach einer kurzen Berathschlagung trennten sich die Indianer; die eine Abtheilung setzte über den Fluß und zerstreute sich hinter der Ebene, um die Jäger zu überfallen, falls diese ihr Heil in der Flucht suchen sollten; die übrige Anzahl der Apachen klomm mit Rothhand und Mischblut unter Cuchillos Führung den steilen Fels empor und erreichte nach kurzer Zeit die vorspringenden Klippen.
»Wir befinden uns jetzt der Pyramide gegenüber,« äußerte Cuchillo. Allein so sehr die beiden Wüstenräuber und die Apachen sich auch anstrengten, den Zufluchtsort der drei Jäger zu entdecken, so vermochten ihre Augen doch nicht den dichten Nebelvorhang zu durchdringen, welcher sich vor den Gipfel der Pyramide gelegt.
»Der Nebel, der diese Berge einhüllt, zerstreut sich nie, selbst nicht am Tage,« sagte Rothhand in englischer Sprache zu seinem Sohne, »und da diese Hunde von Indianern nun einmal die Scalpe der drei weißen Männer haben wollen, so müssen wir zum Angriffspunkt uns einen andern Ort aussuchen.«
Mischblut sann einige Augenblicke nach, dann sagte er: »Ich werde mich einmal auf die Suche begeben, habe unterdeß ein wachsames Auge auf diesen Schlingel.« Damit deutete er auf Cuchillo. Rothhand nickte stumm und der Sohn klomm weiter bergan, mitten in die Felsen hinein.
Dieses kurze Gespräch war, wie wir bereits gesagt, in englischer Sprache geführt worden, welche die Muttersprache Rothhands war, der aus Illinois stammte, wegen schwerer Verbrechen aber hatte flüchtig werden müssen und der Savane die zweifelhafte Ehre erwies, zu seiner Zufluchtsstätte zu dienen. Cuchillo, welcher, gleich den Apachen, das Gespräch zwischen Vater und Sohn nicht verstanden hatte, blickte dem enteilenden Mestizen verwundert nach. Der alte Rothhand bemerkte dies, ließ seine schwere Hand auf des Gambusino Schulter fallen und sagte in schlechtem Spanisch:
»Mischblut wird sicherlich einen günstigeren Ort als diesen hier finden, um uns das Gold zu verschaffen, das Ihr da entdeckt habt. Inzwischen wollen mir nicht müßig sein, und hier ein Feuer anzünden, dann werden die drei Füchse, denen mir nachstellen, glauben, hier oben lagere eine zweite Abtheilung, die sie bewacht.« Ohne den Mexikaner, dem er nicht traute, aus dem Gesicht zu verlieren, entfernte sich Rothhand und ertheilte Befehl, an einer günstig gelegenen Stelle ein Feuer anzuzünden. Bald loderten die Flammen auf und leuchteten, gleich einem rosenfarbenen Stern, durch den Nebel hindurch.
»Ah,« rief in demselben Augenblicke drüben auf dem Felskegel eine Stimme, an deren Rauhheit wir den Canadier erkennen, »die Spitzbuben wollen ihre Anwesenheit nicht länger mehr verbergen; zum wenigsten deuten sie es uns durch das Feuer an.«
»Ich habe schon lange nicht mehr an ihrer Anwesenheit gezweifelt,« meinte Josef in verächtlichem Tone, »indessen kümmern mich die Schlingel, die uns dort gegenüber hocken, nicht so viel, zumal unsere wollene Verschanzung gegen ihre Pfeile und Kugeln hinreichenden Schutz bietet. Dagegen sind die da unten in der Ebene beharrliche Spitzbuben, die sich nur ganz allmälig nähern.« Bei diesen Worten richtete Josef seinen Büchsenlauf auf einen der großen Steine, die in der Ebene zerstreut herumlagen, und zeigte Rosenholz zwei schwarze, regungslose Körper, die an indianische Götzenbilder erinnerten.
»'s ist doch sonderbar,« meinte Rosenholz, »daß die Rothhäute so gern mit uns Versteckens spielen.«
»Soll ich ihnen einmal ein freundliches Guckguck zurufen,« bemerkte Josef, »um ihnen zu zeigen, daß mir sie entdeckt haben?«
»Schweige lieber still,« antwortete Rosenholz, »denn Du hast eine böse Zunge, ganz besonders einem Indianer gegenüber.«
»Du thust mir Unrecht,« sagte Josef mit einem schalkhaften Blick, und mit einer außerordentlich sanften, aber sehr vernehmbaren Stimme rief er in die Ebene hinab: »Vor einer Stunde sah das Auge eines weißen Kriegers nur das Aas eines todten Pferdes in der Ebene, jetzt sieht er deren drei; das sind zwei zu viel.«
Diese versöhnlichen Worte unseres humoristischen Freundes brachten auf die beiden apachischen Krieger die Wirkung hervor, als wäre soeben ein Pfeil in ihren Leib gedrungen; sie sprangen plötzlich auf die Beine, richteten sich kerzengerade empor, stießen ein wildes Geheul aus und verschwanden blitzschnell hinter der Felsenkette. »Hahaha, mit Weihwasser besprengte Teufel!« lachte Josef, wahrend er sich den Leib hielt. Und Rosenholz stimmte ein, denn der Anblick der von ihm verabscheuten Feinde brachte sein Blut in Wallung und verlieh ihm den Muth wieder, den nur seine liebevolle Sorge um Fabian zurückzudrängen vermochte.
»Hurrah!« schrie der entzückte Josef, mit seinen beiden Armen den Canadier umfassend, »endlich finde ich meinen alten Waldläufer wieder; so ist's recht, zeigen wir den verwünschten Rothhäuten, wer wir sind. Wir haben freilich weder Pauken noch Trompeten, daher laßt uns, wie ehedem, unser Kriegsgeschrei ausstoßen, und ich hoffe, Don Fabian, daß Ihre Stimme den unsrigen secundiren wird.«
Der Jüngling nickte zustimmend und dann stießen diese drei kühnen Männer, jeder die Hand in die seines Freundes gelegt, ihren Kriegsruf aus, der, von den Echo's der Berge kraftvoll weiter getragen, den Apachen verkündete, daß da oben auf dem Felskegel drei tapfere, ritterliche Herzen furchtlos und kühn dem nahen Kampfe entgegen schlügen. Ein wildes Geheul von Seiten der Apachen bildete die Antwort, und bald hüllte sich die Einöde wiederum in ihr düsteres Schweigen.
Der Tag brach an und allmählig zerstreuten sich nun auch die Nebel, welche im Thale und um die Felsengipfel lagerten.
Unsere drei Freunde mußten jetzt jeden Augenblick auf einen Angriff gefaßt sein und trafen daher ihre letzten Vorbereitungen.
»Siegen oder Sterben, heißt es jetzt,« rief Josef, während er auf die Pfanne seiner Büchse trockenes Pulver schüttete, »Du weißt so gut, wie ich, Rosenholz, daß es gefährlicher ist, mit diesem Gesindel zu unterhandeln, als einen offenen Kampf auszufechten. Ich möchte darauf meine Hand in's Feuer legen, daß uns die Hunde, wennschon sie uns einen freien Abzug gestatteten, nachsetzen, in der Ebene umringen, ermorden und scalpiren würden.«
»Ich bin ganz Deiner Meinung, Josef, und es macht mir auch Spaß, eine Rothhaut nach der andern mit meiner guten Kentucky-Büchse wegzuputzen, denn – Gott vergib mir die Sünde – das Gewürm ist in meinen Augen nichts anderes, als Ungeziefer, das man vertilgen muß.«
»Wenn es nur um unseren Mundvorrath nicht gar so schlecht stünde,« seufzte Josef und schloß die Augen, um sich im Geiste eine vollbesetzte Tafel vorzustellen, auf welcher alle seine Lieblingsspeisen vertreten waren, »ich wollte dann herzlich gern volle vier Wochen hier campiren und den Apachen eine lange Nase drehen, allein Hunger thut weh und richtet jegliche Ausdauer zu Grunde.«
»Ei nun, wenn die Lebensmittel uns ausgehen, so machen wir einen Ausfall,« meinte der Canadier, »ehe es aber dahin kommt, werden wir die Reihen der Indianer so gelichtet haben, daß es mit dem Teufel zugehen müßte, wenn es uns nicht gelänge, durchzubrechen.«
»Aber Gayferos,« rief Fabian, »was wird aus ihm werden?«
»Wir stehen Alle in der Hand Gottes,« entgegnete Rosenholz, »und die Noth zwingt uns, zuvörderst nur an uns zu denken. Ich fürchte, daß es einen Kampf auf Leben und Tod geben wird, namentlich wenn sich unter den Indianern ein Freund des Schwarzvogels befindet. An dem Ufer des Rio Gila haben die Apachen viel Blut lassen müssen und werden nicht ruhen, als bis es von ihnen gerächt worden ist. Wir dürfen daher keine Vorsichtsmaßregel vernachlässigen.«
»Wollen gleich Alles besorgen,« brummte Josef und legte sein gefülltes Pulverhorn hinter den aufgehängten Decken auf die Erde nieder, damit ja keine Kugel dieses kostbare Vertheidigungsmittel beschädigen könne. Rosenholz und Fabian thaten das nämliche und fügten noch die Ledertasche mit Kugeln und den geringen Vorrath von Nahrungsmitteln hinzu. Zu guter letzt bedeckten sie alle Gegenstände mit Steinen, um sie noch mehr vor den feindlichen Kugeln zu schützen.
Nachdem dies geschehen, legten sich Rosenholz und Fabian hinter die aufgerichteten breiten Steine, mit der Büchse in der Hand unausgesetzt die gegenüberliegenden Felsen beobachtend; Josef dagegen hatte hinter den Stämmen der beiden Tannen Posto gefaßt.
Die Gegner gingen indessen noch immer nicht zum Angriff über und unsere Freunde bemerkten nur eine beständige Bewegung der Gebüsche, welche die ihnen gegenüberliegende Felsgruppe umsäumten. Dies deutete darauf hin, daß die Angreifer gleichfalls bemüht waren, ihren Standpunkt zu befestigen, ehe sie die Feindseligkeiten eröffneten.
Der Leser wird errathen haben, daß Mischblut es gewesen war, welcher den gegenüberliegenden Felsen als den vorteilhaftesten Posten erkannt hatte, obgleich er weniger hoch als die Pyramide war. Da aber das Goldthal am Fuße dieses Felsens lag, war Cuchillo mit Zittern und Jagen dem Mestizen dahin gefolgt. Wie groß war indessen sein Erstaunen, als er durch eine unbekannte Hand die blitzenden Goldkiesel den habgierigen Blicken Mischbluts entrückt sah! Ein neuer listiger Plan tauchte in ihm auf; er wollte nämlich, sobald die Nacht angebrochen, einen Theil der im Goldthale verborgenen Reichthümer heraufholen und es dem Mestizen als das versprochene Lösegeld einhändigen, ohne ihm das Vorhandensein der fast unerschöpflichen Quelle zu verrathen.
Während dieser Gedanke in dem Gambusino aufstieg, sahen Rothhand und Mischblut mit verächtlicher Ungeduld den langsamen Vorbereitungen zu, welche die Apachen für den bevorstehenden Kampf trafen; und als sich die rothen Krieger endlich hinreichend hinter aufgeworfenen Reisbündeln und dichtem Gebüsch verschanzt hatten, stieß Mischblut mit einem Fluche den Büchsenkolben auf den Boden und fragte mürrisch:
»Was soll nun geschehen?«
»Der Schwarzvogel will die weißen Krieger vom Gilaflusse lebendig in seine Hände bekommen,« antwortete einer der Apachen, welcher unter dem Namen »die Gemse« eine gewisse Berühmtheit genoß. »Der Wunsch eines Häuptlings ist Gesetz für seine Krieger.« »Nun wohl,« entgegnete der Mestize zähneknirschend, »Rothhand und Mischblut werden den Apachen die drei Weißgesichter lebendig überliefern, dann aber wird der Mexikaner sein Versprechen halten und uns an die Stelle führen, wo das Gold verscharrt ist, sonst, –« fügte er mit einem bösen Seitenblicke auf Cuchillo hinzu, »soll seine Lederhaut in Tausende von Streifen geschnitten werden. Ihr wollt also,« wandte er sich wiederum an die Apachen, »dem Schwarzvogel die drei Weißen lebendig überliefern? Ist denn die Gemse entschlossen, ihr Leben und das der rothen Brüder zu opfern, um sich der drei Jäger zu bemächtigen?«
»Die Gemse ist bereit, ihr Dorf nicht wieder zu sehen, sobald nur drei ihrer Brüder übrig bleiben, um die gefangenen Bleichgesichter nach der Hütte des Schwarzvogels zu führen.«
»Gut,« sagte der Mestize, und indem er einen neuen Zornesblick auf Cuchillo warf, fragte er diesen: »Und welche Rolle willst Du, Schelm, spielen, um Dein Versprechen zu halten?«
Cuchillo war um eine Antwort sehr verlegen, suchte sich aber so viel wie möglich zu fassen, zumal er wußte, daß sein Leben für die beiden Wüstenräuber wenigstens solange von Werth sei, bis er ihnen das Lösegeld bezahlt habe. Er entgegnete daher nach kurzer Pause:
»Señor sollten berücksichtigen, daß ich, der ich nur allein weiß, wo der Schatz ruht, mein Leben nicht leichtsinnig auf's Spiel setzen darf.«
»Dann bleibe hinter diesem Felsen,« versetzte Mischblut; drehte ihm verächtlich den Rücken und knüpfte mit seinem Vater ein neues Gespräch an, das sich darum drehte, wie es anzufangen sei, um die Jäger auf der Felspyramide möglichst bald zur Uebergabe zu zwingen. »Ich bin fest überzeugt, daß sie sich ergeben werden, wenn wir ihnen das Leben versprechen,« meinte der Mestize.
Rothhand stieß ein höhnisches Lachen aus und sagte: »Wahrlich, wir werden den Gesellen unser Wort auch halten, da wir sie ja den Indianern lebendig ausliefern müssen.«
Nach diesen Worten erstiegen Vater und Sohn die Hälfte der Anhöhe und streckten, ohne sich selbst zu zeigen, die Hand über die Gebüsche empor.
»Hollah ... aufgepaßt!« rief Josef, der, wie wir wissen, hinter den beiden Tannen knieete, »ich sehe da zwei Hände über das Gebüsch hinausragen, wahrscheinlich sollen jetzt die Unterhandlungen beginnen. Aber – was ist denn das? Die Hände halten ja nicht die Friedenspfeife ... Und das Kleid, welches die Arme bedeckt, gleicht nicht dem der Apachen... mit wem haben wir es denn zu thun?«
Eine rauhe Stimme unterbrach jetzt Josef und fragte herüber:
»Welcher von Euch ist derjenige, den die Indianer den Adler der Schneeberge nennen?«
»Alle Donner und Teufel,« rief Rosenholz überrascht, »die Spitzbuben sprechen ja englisch.«
Da die Antwort ausblieb, so fuhr die Stimme in französischer Sprache fort: »Vielleicht versteht der Adler der Schneeberge nur die Laute, welche in Canada erklingen?«
»Das ist schlimmer, als ich dachte,« flüsterte Rosenholz Josef zu, »mir haben es da mit einem Abtrünnigen zu thun, der seine christliche Abkunft verleugnet und mit den heidnischen Wilden gemeinsame Sache macht.«
»Möge die Hölle diesen Spitzbuben verschlingen,« polterte Josef, »denn diese Art von Gesindel ist der Auswurf der Menschheit.«
»Was will man von dem Adler?« gab jetzt Rosenholz in französischer Sprache zurück, indem er sich des Namens jetzt erinnerte, mit welchem ihn der Schwarzvogel beehrte.
»Er zeige sich, oder höre, wenn er zu große Furcht hat.«
»Und wer steht mir dafür, daß hinter dieser Aufforderung nicht eine Schurkerei steckt?«
»Wir werden uns zuerst zeigen,« antwortete die Stimme und aus dem Gesträuch des gegenüberliegenden Felsens tauchten zwei Gestalten auf, bei deren Anblick der Canadier verstummte. Er hatte in ihnen zwei Männer erkannt, deren blutiger, furchtbarer Ruf nicht allein bis zu seinem Ohr gedrungen, sondern mit denen er bereits einmal zusammengetroffen war, und zwar in einer für den Canadier sehr verhängnißvollen Weise.« »Rothhand und Mischblut!« raunte der erbebende graue Jäger dem langjährigen Gefährten zu.
»Zeig' Dich nicht,« rief Josef, »die Hunde haben ja doch nur irgend eine Schurkerei im Sinne.«
»Ich werde mich aber zeigen,« entgegnete Rosenholz fest. »Sollen diese doppelzüngigen Teufel mir nachsagen können, daß ich vor ihnen Furcht gehabt? Richte Du nur Dein Augenmerk auf die Gebüsche da drüben und beobachte jede Bewegung der Schurken.«
Und gerade und fest, wie der Stamm einer Eiche, erhob sich der Canadier in seiner ganzen riesigen Gestalt über das Stein-Bollwerk.
»Was will man von dem Adler der Schneeberge?« begann Rosenholz und sein klarer, ruhiger Blick zeigte, daß die Furcht seinem Wesen fremd sei.
»Haha,« entgegnete der Räuber aus Illinois mit einem häßlichen Lächeln, »trügt mich mein Gedächtniß nicht, so haben wir uns schon einmal gesehen.«
»Ganz recht,« erwiderte Rosenholz, »und zwar im Osten, 'nicht weit von der texanischen Grenze, wo die Wüstenräuber Mischblut und Rothhand einen reisenden Handelsmann überfielen.«
»Richtig,« höhnte Rothhand, »und erinnere ich mich recht, so hätte der canadische Waldläufer sein Haupthaar nicht behalten, wenn ...«
»Wenn nicht ein tüchtiger Schlag mit dem Flintenkolben, dessen sich Euer Schädel und vortreffliches Gedächtniß sicherlich noch erinnern wird, den Canadier aus Euren Krallen befreit hätte,« vollendete Josef, sich jetzt ebenfalls über die Brustwehr erhebend.
»Ah,« riefen die beiden Gesellen überrascht aus, »Ihr seid auch da?«
»Wie Ihr seht,« antwortete Josef kaltblütig, obgleich seine Augen Funken sprühten.
»Meine indianischen Brüder haben recht gethan, Euch mit dem Namen des Spottvogels zu beehren.«
Josef, in dessen Brust es kochte, warf einen wüthenden Blick auf den Mestizen und hatte schon eine beißende Antwort bereit, als Rosenholz ihm zuvorkam und hinüber rief:
»Ich glaubte, Worte des Friedens zu hören, nicht aber alberne Heucheleien. Was wollt Ihr? Sagt's kurz!«
»Nun, kurz und gut,« erwiderte der Mestize, »Ihr tretet auf einem reichen Schatze herum, seid aber nur drei Mann, während wir dagegen zum mindesten sechsmal so stark sind. Den Schatz müssen mir haben, das ist's, was mir wollen.« In dem Antlitz des alten Jägers begann es zu wetterleuchten, und das glühende Verlangen, die Unverschämtheit der beiden Banditen zu züchtigen, trat in seinen Blicken klar zu Tage.
»Und unter welcher Bedingung wollt Ihr den Schatz haben?« fragte er endlich, nur mit unsäglicher Mühe seinen Zorn niederdämpfend.
»Unter der Bedingung, daß Ihr Drei Euch sofort aus dem Staube macht.«
»Mit Waffen und Gepäck?«
»Mit Gepäck, aber ohne Waffen,« antwortete der Mestize.
»Soll ich dem miserablen Kerl nicht Eines auf den Pelz brennen?« murmelte Josef, welcher den schurkischen Hinterhalt Mischbluts errieth.
»Wollen erst sehen, wie weit die Gemeinheit dieses Burschen geht,« gab Rosenholz zurück, dann wandte er sich wieder an den Mestizen und fragte: »Sind die Schätze, die wir Euch überlassen würden, nicht genug? Wozu sollen Euch unsere drei Büchsen nützen?«
»Dazu, daß Ihr nicht mehr im Stande seid, uns zu schaden.«
»Das nenne ich keine Antwort,« meinte Rosenholz achselzuckend. »Sprecht frei und offen, wie es einem furchtlosen Krieger geziemt.«
Mischblut zögerte mit der Antwort, denn obgleich er gewiß war, seinen Zweck zu erreichen, wünschte er doch Zeit zu ersparen, um auch seinen zweiten Streich am Büffelsee ausführen zu können. Außerdem gab er sich thörichter Weise der Hoffnung hin, daß die drei Jäger das unsichere Loos der Gefangenschaft dem sicheren Tode vorziehen würden, und so gab er denn endlich zur Antwort: »Nun denn, es lebt ein gewisser Schwarzvogel, dessen Krieger mich begleiten. Er will Euch durchaus in seiner Gewalt haben und, meiner Treue, ich habe Euch ihm versprochen.«
»Ah, ich dachte es mir,« sagte Rosenholz mit einem grimmigen Lächeln. »Und was wird der gute, liebe Schwarzvogel mit uns beginnen?«
»Kann mir mein Bruder sagen,« wandte sich Mischblut an die Gemse, »was der Schwarzvogel mit dem Adler der Schneeberge, dem Spottvogel und dem jungen Krieger aus Mittag beginnen wird? ... Mein rother Bruder antworte aber leise,« setzte er flüsternd hinzu.
»Dreierlei,« gab der Apache in gedämpftem Tone zurück, »zuerst werden sie die Hunde seiner Hütte sein, dann wird er ihre Scalpe am Feuer trocknen und endlich ihre Herzen seinen Kriegern zu essen geben, denn es sind drei tapfere Männer, deren Muth und Unerschrockenheit das Herz, desjenigen beseelen wird, welcher von dem ihrigen gekostet hat.«
»Gut,« sagte der Mestize mit einer Neigung des Kopfes, ich werde die Worte meines rothen Bruders unseren drei Feinden getreulich wiederholen,« und während er sich wieder zu Rosenholz wandte, suchte er seinen wilden, schadenfrohen Zügen durch ein verunglücktes Lächeln einen sanfteren Ausdruck zu geben. »Der große indianische Häuptling,« begann er in englischer Sprache, »verspricht seinen Gefangenen die Freundschaft, die ihm drei tapfere Männer eingeflößt haben. Er verspricht ihnen das beste Wild seiner Jagden, die schönsten Maiskolben und Fluren ...«
»Und das ewige Leben, Amen!« platzte Josef heraus, in dessen Kopfe der Dampf des Zornes einen Ausgang suchte. »Himmel und Hölle, Rosenholz, es ist eine Schande, diesen Schurken von Mischling länger anzuhören. Merkst Du denn gar nicht, daß er sich über Deine Rechtschaffenheit lustig macht?«
»Was spricht der Spottvogel?« rief der alte Rothhand herüber.
»Er sagt,« antwortete Josef in höchster Wuth, »daß er nicht hinter Eurer Güte zurückstehen will und Euch dreierlei verspricht, nämlich dem alten Spitzbuben einen zweiten Kolbenschlag auf seinen Schädel, der diesmal aber besser sitzen soll als der erste; dem jungen Spitzbuben einen Messerstich in die Brust und dessen Lügenzunge den Raben!«
»Ha!« schrie der Mestize mit gefletschten Zähnen und schlug, trotz des Versprechens, die drei Jäger lebendig auszuliefern, das Gewehr an, so daß es wahrscheinlich um Rosenholz oder Josef geschehen gewesen wäre, hätte nicht Fabian noch rechtzeitig die Gefahr erkannt und sein Gewehr abgefeuert.
Leider hatte die Kugel nur die Schulter des Mestizen gestreift, dennoch wankte er und würde unfehlbar in die Tiefe gestürzt sein, wenn nicht Rothhand ihn aufgefangen und hinter die schützenden Felsen getragen hätte.
Auf das in höchster Erbitterung geführte Gespräch folgte jetzt die tiefste Stille, nur der Wasserfall brauste in die gähnende Tiefe hinab und der Wind sang in dem Laubdache der Bäume und Sträucher sein melancholisches Lied.