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Zehntes Kapitel.

Während und nach Nickleby.
1838 und 1839.

Der Name seines alten Gefährten in der Galerie der Berichterstatter mag mich von den Tagen, zu welchen der Schluß Nickleby's mich geführt hatte, zu denen zurückführen, in welchen er begann. »Dieser Schnee wird dem kalten Wetter ein Ende machen,« schrieb er in dem schon angeführten Geburtstagsbriefe von 1838, »und dann auf nach Twickenham!« Hier wurde eine Villa gemiethet, fast der ganze Sommer verbracht, und Beard war da ein oft und gern gesehener Besucher. Auch mit Talfourd und Thackeray und Jerrold verlebten wir dort schöne Tage und selten fehlte es an dem Zauber von Maclise's Gesellschaft. Nichts übte einen größeren Reiz auf Dickens aus, als der großartige Genuß des Müßiggangs, die bequeme Hingabe an den Luxus der Trägheit worüber wir beide bei Maclise so lachten, während wir doch wußten, daß unter seinem leichten gleichgültigen Wesen, das bei den ärgerlichsten Vorkommnissen und Veranlassungen immer am belustigendsten war, ein ebenso eifriger Künstlergeist, eine ebenso unermüdliche Energie und eine fast ebenso durchdringende Beobachtung als bei Dickens selbst thätig war. Einen größern Genuß als die Gesellschaft Maclise's um diese Zeit konnte man sich in der That schwer vorstellen. Dickens sah kaum mehr als er und doch schien er Nichts zu sehen und das geringe Verdienst, welches er selbst dieser seltenen Fähigkeit beimaß, ein eigenthümliches Wesen, das sogar seinem Scharfsinn einen Anstrich von irischer Einfalt verlieh, seine unzweifelhafte Neigung für die Literatur und eine vielseitige Kenntniß derselben, die sich nicht immer mit einer so tiefen Liebe und einer so unermüdeten Ausübung einer besondern Kunst vereinigt findet – Alles wirkte zusammen, ihn weit über das Gewöhnliche hinaus anziehend zu machen. Sein künstlerisches Genie und seine schöne Erscheinung, deren er selbst sich nie im allergeringsten bewußt schien, vollendeten den Zauber. Edwin Landseer, der allgemeine Liebling, und der treffliche Stanfield kamen einige Monate später, als Dickens seine Wohnung in Devonshire Terrace bezogen hatte; aber ein andrer Malerfreund war George Cattermole, der damals mehr als genug Witz und Phantasie besaß, um gewöhnliche Künstler und Humoristen dutzendweise damit zu versorgen und nur etwas mehr Ballast und Stätigkeit bedurfte, um Alles zu haben, was gute Kameradschaft anziehend macht. Ein andrer damals auch besonders willkommener Freund war der Novellist Ainsworth, mit dem wir während der drei folgenden Jahre unaufhörlich in einem geselligen Verkehr standen, welcher in seinem Hause angefangen hatte; mit dem wir, während zweier dieser Jahre, Freunde der Kunst und Literatur in seiner Vaterstadt Manchester besuchten, unter denen Dickens seine Gebrüder Cheeryble fand und dessen Sympathieen in Geschmack und Streben, dessen Bekanntschaft mit der Literatur, dessen offener edeler Haltung und herzlicher Gastfreiheit wir manche Freuden der späteren Jahre verdankten. Frederick Dickens, der bald nachher, auf Dickens' Verwendung, von dem während und vor diesen Manchester-Tagen ihm bekannten Lord Stanley of Alderley, eine Anstellung in dem Schatzamte erhielt, wohnte damals wieder bei seinem Vater, brachte aber einen großen Theil seiner Zeit in seines Bruders Hause zu. Ein andres wohlbekanntes Gesicht war dasjenige Thomas Mitton's, der Dickens gekannt hatte, als er selbst Advokatenschreiber in Lincoln's-Inn war und der die Verwandten eines Freundes und Compagnons Namens Smithson bei ihm einführte, des aus Yorkshire stammenden Herrn, der in dem Vorwort zu Nickleby erwähnt wird und sehr befreundet in Dickens' Hause wurde. Diese, sein Vater und seine Mutter und deren zwei jüngere Söhne, nebst den Mitgliedern der Familie, seiner Frau und seine verheiratheten Schwestern und deren Männer, Mr. und Mrs. Burnett und Mr. und Mrs. Austin, sind Gestalten, die in meiner Erinnerung mit den Tagen von Doughty Street und den Landhäusern von Twickenham und Petersham während der Sommer von 1838 und 1839 in hervorragender Weise verknüpft sind.

Während des ersten dieser Jahre waren die körperlichen Uebungen natürlich von ruhigerer Art, Wir hatten in Twickenham eine Luft-Ballon-Gesellschaft für die Kinder, zu deren Präsidenten ich, wie es scheint, erwählt wurde, unter der Bedingung, daß ich sämmtliche Luftballons anschaffte, eine Bedingung, die ich so ungenügend erfüllt zu haben scheine, daß der nachstehende Beschluß gegen mich gefaßt wurde. »Snodgering Blee« und »Popem Jee« waren Dickens' kleiner Sohn und dessen Schwester, für die er, ebenso wie für ihre Nachfolger, solche überraschenden Beinamen erfand. »Gammon Lodge, Sonnabend Abend, 23. Juni 1838. Geehrter Herr. Erhaltenem Auftrage zufolge benachrichtige ich Sie, daß bei einer zahlreich besuchten Versammlung der Aeronautischen Unsinns-Gesellschaft für die Beförderung der Wissenschaft und die Consumtion geistiger Getränke, bei der Thomas Beard Esquire, Mrs. Charles Dickens, Charles Dickens Esquire, Snodgering Blee, Popem Jee und andere hervorragende Persönlichkeiten zugegen waren und ihre Zustimmung zu erkennen gaben, das Tadelsvotum, von dem ich eine Abschrift beilege, einstimmig gegen Sie erlassen wurde, wegen gröblicher Nachlässigkeit in der Erfüllung Ihrer Pflichten und unverantwortlicher Nichtachtung der besten Interessen der Gesellschaft. Ich bin, geehrter Herr, Ihr gehorsamster Diener, Charles Dickens, Ehrensekretair. An John Forster Esquire.« als in Petersham, wo ein großer Garten viele athletische Wettkämpfe zuließ, von deren schwierigeren Formen ich mich gewöhnlich bescheiden zurückzog, wo aber Dickens sich meistens auch gegen so ausgezeichnete Athleten wie Maclise und Beard behauptete. Stangenspringen, Kugelwerfen und nach der Scheibe werfen gehörten zu den am eifrigsten betriebenen Spielen und in ausdauernder Energie dabei ließ Dickens ohne Frage alle Mitspielenden weit hinter sich zurück. Auch die leichteren Erholungen des Rackett- und Bagatellspiels wurden mit unnachgiebiger Thätigkeit betrieben und bei Belustigungen wie die Wettrennen von Petersham, die in jenen Tagen einigermaßen berühmt waren, und die er, so lange sie dauerten, täglich besuchte, arbeitete er selbst viel härter als die wettrennenden Pferde.

Alles, woran seine Briefe aus diesen Jahren mich sonst noch erinnern und was jetzt noch von Interesse sein könnte, läßt sich in einem Dutzend Sätzen erzählen. Er schrieb für den Regisseur des Coventgarden-Theaters eine Posse, über welche die Schauspieler sich nicht verständigen konnten und die er nachher in eine Erzählung mit dem Titel Der Lampenwärter verwandelte. Er trug seinen Namen in der Innung der Studenten des Middle-Temple ein, obgleich er erst viele Jahre später dort zu Mittag aß. Diese Bemerkung bezieht sich auf die oft zu humoristischen Anspielungen benutzte Thatsache, daß es eine unumstößliche Bedingung der Aufnahme der juristischen Studenten in den Advokatenstand ist, eine gewisse Anzahl von Tagen in dem großen Saal der Innung gespeist zu haben. – D. Uebers. Wir machten zusammen die Runde durch fast sämmtliche Londoner Gefängnisse und wurden, als wir in Begleitung Macready's und Hablot Browne's in Newgate an den wieder vorgeforderten Gefangenen vorbeikamen, durch den plötzlichen tragischen Ausruf überrascht: »Mein Gott, da ist Wainewright!« In dem schäbig-gentilen Geschöpf, mit sandgelbem verworrenen Haar und schmutzigem Schnurrbart, das sich bei unserem Eintritt schnell mit trotzigem Staunen umgewandt hatte und zugleich gemein und wild und ganz der feigen Mordthaten, die er verübt hatte, fähig aussah, hatte Macready zu seinem Entsetzen einen Mann erkannt, mit dem er in früheren Jahren befreundet gewesen und an dessen Tische er gespeist hatte. Zwischen der Vollendung von »Oliver Twist« und dessen Veröffentlichung machte Dickens eine kleine Reise nach Nord-Wales; ich schloß mich ihm in Liverpool an und wir machten die Rückreise zusammen. Bald nach seiner Ankunft in London trat er in angenehme Beziehungen zu Lockhart, John Gibson Lockhart, Schwiegersohn Sir Walter Scott's und damaliger Redakteur der Quarterly Review. – D. Uebers. den er etwas später bei Cruickshank zu Tische traf und dies war das Vorspiel zu einer Besprechung ›Oliver Twist's‹ in der Quarterly Review. Ford hatte dieselbe auf Lockhart's Bitte geschrieben, aber nicht mit dem Geist, den dieser dabei entwickelt haben würde, obgleich die frühern weniger günstigen Bemerkungen der Review dadurch gutgemacht wurden. Dickens hatte jedoch hierauf nicht gewartet, um öffentlich seine lebhafte Sympathie mit einigen Stellen in Lockhart's vortrefflichem Life of Scott auszudrücken, welche ihn dem Zorne der Ballantine's Sir Walter Scott's Verleger und Geschäftstheilhaber, deren Fallissement ihm eine ungeheure Schuldenlast aufbürdete. – D. Uebers. ausgesetzt hatten. Er that dies in dem Examiner, wo er, wie ich finde, auch ein Buch Thomas Hood's besprach: »ein ziemlich dürftiges Buch; aber ich habe das nicht gesagt, weil er es auch ist und krank außerdem.« Im Laufe des Jahres ging er nach Devonshire, um dort für seinen Vater, der schon lange seinen Pflichten als Berichterstatter entsagt hatte und London verlassen wollte, eine neue Heimath zu wählen und er fand dieselbe in einem Landhause in Alphington bei Exeter, wo er den älteren Dickens nebst seiner Mutter und seinem jüngsten Bruder einrichtete. Dasselbe Jahr brachte Macready's Direktion des Coventgarden-Theaters zum Schluß und bei dem Festmahl, das dem abtretenden Direktor unter dem Vorsitz des Herzogs von Cambridge gegeben wurde, sprach Dickens mit jenem wunderbaren Instinkt, der ihn ebensowohl lehrte, was er nicht sagen, als was er sagen mußte und seine bei Festmahlen gehaltenen Reden einzig in ihrer Art machte. Auch dürfen wir nicht vergessen, die jetzt fleißig von ihm besuchte Shakespeare-Gesellschaft zu erwähnen, der Procter, Talfourd, Macready, Thackeray, Henry Davison, Blanchard, Charles Knight, John Bell, Douglas Jerrold, Maclise, Stanfield, George Cattermole, der gute Tom Landseer, Frank Stone und andere alte Freunde angehörten, und wo aus vielem Frohsinn und vielen Streitigkeiten Eine dieser Streitigkeiten wird von Charles Knight in seiner Selbstbiographie erwähnt und ich finde in Dickens' Briefen die Erwähnung einer andern, bei der, wie es scheint, sein freundlicher Rath mich davon abhielt, eine Thorheit zu begehen. »Es ist wol nicht nöthig, Dich der Aufrichtigkeit zu versichern, die mich drängt, Dir die Sache vorzustellen. Unsere innige Freundschaft erspart mir glücklicherweise diese Nothwendigkeit. Doch ich will dies sagen, daß, wie ich eine tiefe Neigung für Dich empfinde, die keine Bande des Blutes oder anderer Verwandtschaft je erwecken könnten, und wie ich hoffe, bis ans Ende meines Lebens Dein vertrauter und auserwählter Freund zu bleiben, ich überzeugt bin, daß ich Dir jetzt rathe, was Du in gleichem Falle mir rathen würdest, und ich hoffe und baue darauf, daß Du Dich durch eine Ansicht bestimmen lassen wirst, die nicht falsch sein kann, wenn sie durch Gefühle, wie ich sie zu Dir hege, und so viele warme und dankbare Rücksichten beeinflußt wird.« eine Menge Festreden von Dickens und uns Allen hervorgingen. Die letzten Monate dieses Jahres 1839 waren von besonderem Interesse für ihn. Zu Ende Oktober wurde ihm eine andre Tochter geboren, die den Namen unseres lieben gemeinschaftlichen Freundes Macready trägt, den er bei ihr zu Gevatter bat; und vor dem Schluß des Jahres war er aus Doughty Street nach Devonshire Terrace gezogen, in ein schönes Haus mit einem großen Garten, der von New-Road durch einen nach Regents-Park zu, bei York-Gate, gelegenen hohen Steinwall getrennt war. Diese Dinge und seine Versuche zu »Barnaby Rudge« nach dem Abschluß von »Nickleby« bilden den Hauptinhalt seiner Briefe zwischen Oktober und Dezember.

»Gott sei Dank, Alles geht vortrefflich. Ich habe den ganzen Tag an » Barnaby« gearbeitet und außerdem ein schönes (und nicht zu theures) Haus in Kent-Terrace gesehen, wo Macready einmal wohnte, aber größer als seines.« Dann, nachdem es mit diesem Hause Nichts geworden: » Barnaby hat so sehr durch die Häuserjagd gelitten, daß ich heute keine Worte wechseln kann.« Dann in Bezug auf seinen Eintritt in den Middle-Temple: »Ich schicke das Formular zurück. Ich nehme an, daß es der rechte Temple ist. Anspielung auf die Trennung des Temple, eines der Hauptsitze der Londoner Advokaten-Innungen, in den Middle- und Inner-Tempel. – D. Uebers. Barnaby rückt fort, nicht mit der Geschwindigkeit eines Rennpferdes, aber doch (wie mir scheint) so schnell als sich bei diesen unentschiedenen Umständen erwarten läßt.« Oder »Alles wohl. Barnaby hat seine zehnte Seite erreicht. Ich bin gerade faul geworden und habe mich zuerst zu » Christabel«, dann zu Wallenstein begeben »Christabel«, das bekannte Gedicht von S. T. Coleridge, der auch Schiller's Wallenstein ins Englische übertrug. – D. Uebers.« Endlich wurde eine Wahl getroffen. »Ein großes Haus von großen Versprechungen (und einem großen Angeld), unläugbarer Lage und unmäßiger Pracht steht in Aussicht. Mitton verhandelt wegen desselben und ich befinde mich in einer ekstatischen Unruhe. Kate will wissen, ob Du ihr einige Bücher schicken kannst; sei daher so gut, irgend welchen literarischen Schund, den Du gerade zur Hand hast, hierher zu befördern.« Diesen Notizen will ich nur noch einige Auszüge aus Briefen hinzufügen, die er mir von Exeter schrieb, als er das neue Haus seiner Eltern in Ordnung brachte. Dieselben sind sehr humoristisch und die Lebhaftigkeit, mit der Alles, was er einmal gesehen, in seinem Geist und Gedächtniß photographirt wurde, tritt in angenehmer Weise darin hervor.

»Ich miethete heute morgen (schreibt er am 5. März 1839 aus dem New-London-Inn) ein kleines Haus für sie und es wird mir eine große Enttäuschung sein, wenn es ihnen nicht gefällt. Grade eine halbe Stunde von der Stadt, auf dem Wege nach Plymouth, stehen zwei weiße Landhäuser, eins davon ist ihres und das andere das der Hausbesitzerin. Ich vergesse die genaue Zahl der Stuben, aber im untern Stock ist ein vortreffliches Wohnzimmer nebst zwei andern Stuben; über dem Wohnzimmer ist ein wirklich schönes kleines Zimmer, das ich zu einem Gesellschaftszimmer für sie einrichte, und dann ist ein prächtiger Garten da. Das ganze Haus ist neu angestrichen und tapezirt und macht einen frischen freundlichen Eindruck, rein ist es über alle Beschreibung und die Umgegend ist, glaube ich, die schönste in dieser schönsten der englischen Grafschaften. Die Hausbesitzerin, eine aus Devonshire gebürtige Wittwe, mit der ich die Ehre hatte ein Gabelfrühstück einzunehmen, muß ich besonders erwähnen. Sie ist eine fette, gebrechliche, glänzend frisch aussehende Landdame, über die sechzige hinaus, erholt sich grade von einem ›Nervenleiden‹ – ich hatte gedacht, die Nerven verließen nie die Pflastersteine, doch ich finde, daß sie mit den besten von uns die Landluft versuchen. Für den Fall, daß meine Mutter einmal krank würde, glaube ich wirklich, daß die Nähe dieser guten Dame, die ein Bild von Respektabilität und guter Laune ist, von der größten Annehmlichkeit für sie sein wird. Ihre Möbeln und häuslichen Einrichtungen sind ein famoses Bild, doch das spare ich mir auf bis zu unserm Wiedersehen, wo ich mir ein herzliches Lachen darüber verspreche. Sie steht in der höchsten Achtung bei den Banquiers und dem Geistlichen (welcher Letztere selbst einmal in meinem Hause wohnte) und ist ein herzensgutes würdiges vortreffliches Probestück dieser Art von Leben, oder ich habe kein Auge für das Wirkliche und kein Geschick es zu entdecken.

»Der Bruder dieser guten Dame bewohnt mit seiner Frau das dann zunächst liegende Haus und der Bruder besorgt die Geschäfte der guten Dame, da ihre Nerven nicht erlauben, daß sie dies selbst thut, obgleich sie in ihrem geschwächten Zustande noch immer schärfer bleibt als die feinste Lanzette. Weil nun der Bruder die ganze Nacht gehustet hatte, bis er sich in einen solchen Schweiß gehustet, daß man, nach der Behauptung von Augenzeugen, ›sein Haar hätte ausringen können‹, wurde seine Frau geholt, um mit mir zu unterhandeln, und wenn Du mich hättest sehen können, wie ich mit den beiden alten Frauen in der Küche saß und mich bemühte, ihnen begreiflich zu machen, daß ich keine bösen Absichten oder geheime Pläne habe und daß ich den ganzen Weg von London hierher gekommen sei, um ein Landhaus zu nehmen und zufällig diese Straße hinunter gewandert sei und grade dies Haus gesehen habe, Du würdest es nie vergessen haben. Wie dann das Dienstmädchen zwischen uns und dem kranken Manne hin- und herlief, und wie, nachdem der kranke Mann einen von mir aufgesetzten Contract unterzeichnet, den die alte Dame sofort in einen abgenutzten Theekasten verschloß, es neue Mühe und neue Botschaften kostete, um ihn zu bewegen, daß er einen zweiten Contract (ein Duplikat) unterzeichnete, damit wir beide eine Abschrift hätten, war eins der köstlichsten Stücke ächter Komik, das mir je vorgekommen ist. Wie wir, nachdem das Geschäft erledigt war, gesprächig wurden, wie ich scherzhaft war und zugleich tugendhaft und häuslich, wie ich in Bier Gesundheiten trank und auf Befragen erwiederte, ich sei ein verheiratheter Mann und Vater zweier gesegneten Kinder, wie die Damen sich darüber wunderten, wie eine der Damen, die in London gewesen war, sich erkundigte, wo ich wohnte und als ich es ihr sagte, sich darauf besann, daß Doughty Street und das Findelhaus in Old Kent Road seien, wogegen ich keine Einwände erhob, Alles dies und noch viel mehr muß uns heiter stimmen wenn ich zurückkomme, wie es mich jetzt heiter stimmt, nun ich daran denke. Auch von meinem spätern Besuch bei dem Tapezierer, den die Hausherrin mir empfohlen, von der Abwesenheit der Frau des Tapezierers und der Schüchternheit des Tapezierers, der sich fürchtete, in ihrer Abwesenheit zu handeln; von meinem Sitzen hinter einem hohen Pult in einem dunkeln kleinen Laden, wo ich die erforderlichen Gegenstände überlas und die Preise daneben setzte, während der Tapezierer die Sachen herbeibrachte und ausrief; von den vielen tugendhaften Liebenswürdigkeiten, die ich der Tochter des Tapezierers bezeigte, um die Firma günstig zu stimmen und die Rechnung zu ermäßigen; auch von allen diesen Dingen sage ich nichts, aus demselben Grunde wie dem eben erwähnten. Die Entdeckung des Hauses betrachte ich in allem Ernst als einen Segen (nicht in profanem Sinne gesprochen) für unsre Bemühungen in dieser Sache. Bei dem Banquier hatte ich von Nichts gehört und ging, von einem seltsamen Impuls getrieben, gleich nach dem Frühstück gradesweges dorthin. Ich bin überzeugt, daß sie dort glücklich sein können, denn wäre ich älter und hätte meine Lebensarbeit ihr Ende erreicht, so bin ich gewiß, daß ich mit Gottes Segen viele Jahre dort glücklich sein könnte.

»Das Theater ist hier offen und Charles Kean soll heute Abend zum letztenmale spielen. Wäre es das ›reguläre‹ Drama gewesen, so würde ich hingegangen sein, aber ich fürchtete, Sir Giles Overreach Ein bekannter Charakter aus Massinger's A new way to pay old debts, dessen Wesen durch seinen Namen angedeutet wird. In der Liste der dramatis personae wird er als »ein grausamer Wucherer« bezeichnet. – D. Uebers. möchte mich über den Haufen werfen und so blieb ich fort. Mein Logis ist vortrefflich und der Oberkellner solch ein Kellner! Knowles, (nicht Sheridan Knowles, sondern Knowles aus Geetham-Hill-Road Der Kellermeister Mr. Gilbert Winter's, eines der liebenswürdigen Freunde in Manchester, dessen Gastfreundschaft wir mit Ainsworth genossen hatten und dessen scharfsinniges, eigenthümliches Altes-Weltwesen mir auf angenehme Weise wieder in die Erinnerung kommt, indem ich seinen einst wohl bekannten und weitgeehrten Namen niederschreibe.) ist ein Esel im Vergleich zu ihm. Dies klingt kühn, aber die Wahrheit ist seltsamer als die Dichtung. Nicht die am wenigsten komische Begebenheit, die sich zugetragen hat, war, beiläufig gesagt, der Besuch des Tapezierers (mit einigen ferneren Berechnungen) seit ich diesen Brief anfing. Ich glaube, sie hielten mich hier in dem Neu-London-Hotel für das wunderbare Wesen, das ich in der That bin; sie waren erstaunlich dienstfertig und erwarteten ohne Zweifel, daß der umwohnende Adel und Landadel mir Besuche abstatten würden. Mein erster und einziger Besucher kam heute Abend: ein rothbackiger Mann in abgetragenem schwarzen Anzuge, ganz von Auszügen eines Federbetts bedeckt, mit einem außerordentlich und ganz wunderbar schmutzigen Gesicht, einem dicken Stock und in seiner persönlichen Erscheinung vollkommen ein liebenswürdiger Gerichtsdiener in rüstigem Greisenalter. Ich habe den richtigen Kellner seitdem nicht gesehen und fürchte fast, daß ich mich von diesem Schlage nicht erholen werde. Er wurde (von dem Kellner) angemeldet als ›eine Person‹. Ich erwarte jeden Augenblick meine Rechnung. . . .

»Der Kellner lacht draußen mit einem andern Kellner – das ist die letzte Nachricht über meinen Zustand.«

 

*

 


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