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Neue literarische Pläne.
1839.
Es war jetzt Zeit für ihn geworden, sich ernstlich mit einem Nachfolger »Pickwick's« und »Nickleby's« zu beschäftigen, obgleich er nicht so lange gewartet hatte, sich die Sache zu überlegen. Der Erfolg »Nickleby's« hatte selbst die durch »Pickwick« erregten Erwartungen so weit übertroffen, daß seine Verleger ohne eine entsprechende Anerkennung dieser Thatsache kaum darauf rechnen konnten, daß er fernere Beziehungen zu ihnen unterhalten werde. Wir hatten dies oft besprochen und waren vollkommen darüber einverstanden. Aber abgesehen von der Frage, ob er überhaupt neue Verträge mit ihnen eingehen solle, war er zu der Ueberzeugung gekommen, daß es nicht gerathen sein möge, dies in der alten Weise zu thun, weil er meinte, das Publikum würde der fortwährenden Wiederholung der zwanzig Monatshefte überdrüssig werden. Es gab noch einen andern und ausreichenderen Grund für die Veränderung, der ihn natürlich stark beeinflußte, nämlich die Hoffnung, daß die Entdeckung einer neuen Weise sowol als einer neuen Art fortlaufender Publikation ihn in den Stand setzen möge, sich eine Zeitlang von dem Schreiben eines langen Romans und der damit verbundenen Anstrengung der Phantasie zu befreien, oder doch die Länge der von ihm selbst geschriebenen Romane zu unterbrechen und abzukürzen und vielleicht schließlich den ganzen Vortheil einer fortlaufenden Veröffentlichung zu genießen, ohne daß er nothwendigerweise jede dafür geschriebene Zeile selbst beitrug. Diese Rücksichten waren noch sorgfältiger erörtert worden und seit mehreren Monaten hatte ein solcher Plan in seinem Geist Gestalt gewonnen.
Während er in Petersham war (Juli 1839) schrieb er mir Folgendes: »Ich habe über diese Sache nachgedacht; ja ich habe es zum großen Schaden für den Fortschritt »Nickleby's« und zu meiner eignen Last und Plage gethan. Meiner Ansicht nach würde es uns sehr helfen, wenn Chapman und Hall Dich zum Vertrauten dessen machten, was sie beim Abschluß von »Nickleby« zu thun gedenken, ohne daß ich etwas damit zu thun habe. Du weißt, daß ich ihnen wohl will und daß, wenn sie sich nobel benehmen, oder vielleicht noch nobler als sie beabsichtigten, sie dies in ihrem Interesse finden und mich willfährig finden werden; Du weißt auch, daß mir von verantwortlichen Leuten bestimmte Anerbietungen gemacht sind, Alles was ich schreibe, für gewisse Procente des Ertrags zu verlegen und das ganze Risiko zu übernehmen, daß ich aber Chapman und Hall ungern verlassen will und Dir erklärt habe, daß ich es unter keiner Bedingung thun will, wenn sie sich anständig gegen mich benehmen, obgleich ich in einem gewissen Sinne ganz sicher dadurch gewinnen würde. Wenn Du nun unter diesen Umständen ihnen unsern neuen Plan in seinem ganzen Glanze vorlegen und, indem Du sie daran erinnerst, daß ich nach der Veröffentlichung »Barnaby's« von allen Verbindlichkeiten frei bin, ihnen sagen wolltest, daß, falls sie unsre Verbindung zu einer sichern und dauernden zu machen wünschen, jetzt die Zeit für sie ist, wacker hervorzutreten mit Vorschlägen, welche dies Resultat bewerkstelligen können, so bin ich ganz gewiß, daß, wenn Du dies thust, wie nur Du es thun kannst, das Resultat für mich und die Meinigen von der höchsten Bedeutung sein und daß auf diese Weise sehr viel geschehen kann, Deinen Freund für den sehr geringen Gewinnst, den er bis jetzt gehabt und die sehr große Arbeit, die er verrichtet hat, zu entschädigen. Ich werde Dich, hoffe ich, Dienstag Abend sehen und wenn sie Dir am Mittwoch Abend ihre Aufwartung machen, werde ich bis Mittwoch Abend in der Stadt bleiben.«
Sie kamen; und der ganze Ton der Zusammenkunft war so günstig, daß ich ihn bat, das, was wir von Zeit zu Zeit in Hinsicht auf den neuen Plan besprochen hatten, niederzuschreiben. Hieraus entstand der nachfolgende höchst interessante Brief, der ebenfalls in demselben Monat von Petersham an mich gerichtet wurde. Ich erinnerte mich erst, als ich ihn vor Kurzem wieder las, daß der Gedanke an einen möglichen Besuch in Amerika ihn so früh beschäftigt hatte.
»Ich bin bereit, am 31. März 1840 ein neues, ganz aus Originalarbeiten bestehendes Werk anzufangen, von dem jede Woche ein Heft zu dem Preise von drei Pence erscheinen und eine gewisse Anzahl von Heften einen in regelmäßigen Zwischenräumen zu veröffentlichenden Band bilden soll. Die beste allgemeine Vorstellung von dem Plane des Werkes kann vielleicht durch die Hinweisung auf den Spectator, den Tatler und Goldsmith's Bee gegeben werden; doch würde es sowohl in den Gegenständen, die es behandelt, als in der Art ihrer Behandlung viel volksthümlicher gehalten werden.
»Ich würde vorschlagen, anzufangen wie der Spectator, mit einer heitern Fiction über den Ursprung des Werkes, eine kleine Gesellschaft oder einen Kreis von Personen vorzuführen und deren persönliche Geschichte und Erlebnisse in dem ganzen Werke zu entwickeln, fortwährend neue Charaktere vorzuführen, Pickwick und Sam Weller, von denen der Letztere mit großem Effekt gelegentliche Mittheilungen machen könnte, von neuem vorzuführen; unterhaltende Essays über die Schwächen des Tages zu schreiben, wie dieselben eben zum Vorschein kommen, alle laufenden Ereignisse auszubeuten und der Form der Mittheilungen Mannigfaltigkeit zu verleihen, indem man sie als Skizzen, Essays, Erzählungen, Abenteuer, Briefe von erdichteten Correspondenten und so fort vorführt, so daß der Inhalt so viel Abwechselung darbietet als möglich.
»Dieser allgemeinen Schilderung des Inhalts will ich hinzufügen, daß ich mich bemühen würde, unter besondern Ueberschriften gewisse Charakterzüge hervortreten zu lassen, die sich als ebenso viele Adern des Interesses und der Unterhaltung durch das ganze Werk hindurchziehen würden. So könnten die Kapitel über Kammern, an die ich lange gedacht und von denen ich oft gesprochen habe, eine Stelle darin finden und eine Anzahl von Artikeln liegt mir im Kopfe mit Geschichten und Beschreibungen von London, wie es vor vielen Jahren war, wie es jetzt ist und wie es nach dem Verlaufe vieler Jahre sein wird; ich würde denselben z. B. den Titel geben: »Erholungen Gog's und Magog's«, sie in Abschnitte eintheilen, wie Tausend und eine Nacht, und annehmen, daß Gog und Magog sich die ganze Nacht mit solchen Erzählungen in der Guildhall unterhalten und jeden Morgen bei Tagesanbruch abbrechen. Ein beinahe unerschöpfliches Gebiet des Humors, des Spottes und des Interesses würde durch die Ausführung dieses Gedankens eröffnet werden.
»Ich würde auch eine Reihe satirischer Artikel anfangen und von Zeit zu Zeit fortsetzen, die angeblich aus Chroniken wilder Völker übersetzt sein und die Justizverwaltung in einem Lande, das nie existirt hat, beschreiben und über die Handlungen seiner weisen Männer berichten sollen. Der Zweck dieser Artikel (die, wenn ich sie mit Etwas vergleichen darf, ein Mittelding sein würden zwischen »Gulliver's Reisen« und dem »Weltbürger«) würde darin bestehen, die Magistrate in Stadt und Land ganz besonders in Obacht zu nehmen und diese Würdigen nie in Ruhe zu lassen.
»Wie viel von jedem Hefte von mir selbst geschrieben werden müßte, würde durch besonderes Uebereinkommen festgestellt werden. In Bezug hierauf würde ich mich natürlich für streng verpflichtet halten. Niemand außer mir selbst würde je diese Ideen ausführen, aber ich muß selbstverständlicherweise Beistand haben und es darf nicht an einem Inhalt andrer Art fehlen. Derselbe könnte im allgemeinen im Voraus festgestellt werden, doch würde ich mir ausbedingen, daß dieser Beistand einzig und allein von mir gewählt und daß der Inhalt eines jeden Heftes ebenso sehr unter meiner Controle und ebenso wenig fremder Einmischung unterworfen ist, als der eines Heftes von »Pickwick« oder »Nickleby«.
»Um diesem Unternehmen Neuheit und Interesse zu verleihen, würde ich mich bereit erklären, zu irgend einer festgesetzten Zeit (etwa im Sommer oder Herbst des Jahres, nachdem eine genügende Menge Material im Voraus zusammengestellt wäre, oder auch früher, sollte dies passend erscheinen) entweder nach Irland oder nach Amerika zu gehen und von dort eine Anzahl Artikel zu schreiben über die Orte und die Leute die ich sehe, mit Hineinziehung lokaler Erzählungen, Traditionen und Legenden, nach der Weise von Washington Irving's »Alhambra«. Ich würde wünschen, daß die Wiederveröffentlichung dieser Artikel in einer besondern Form, mit Hinzufügung andrer, zur Vervollständigung des Gegenstandes (falls wir dies für rathsam halten), einen Theil der für das Werk zu treffenden Verabredung ausmachte und ich möchte dieselbe Bedingung für die Wiederveröffentlichung der Gog- und Magog-Serie, sowie für alle andern von mir unternommenen Serien festgestellt wissen.
»Dies ist ein sehr grober und unvollständiger Umriß des Planes, den ich im Auge habe. Ich bin bereit, die Sache zu besprechen, weitere Erklärungen zu geben, Vorschläge in Erwägung zu ziehen, oder sofort auf die Einzelnheiten des Gegenstandes überzugehen. Ich sage nichts von der Neuheit einer solchen Veröffentlichung heutzutage, oder von ihren Aussichten auf Erfolg. Ich halte sie natürlich für sehr groß, außerordentlich, fast über jede Berechnung hinaus groß, oder ich würde mich nicht durch einen so umfassenden Plan zu binden suchen.
»Die Hauptbedingungen, unter welchen ich mich auf dies Unternehmen einlassen würde, würden sein: daß ich Eigenthümer des Werkes und Theilhaber an dem Ertrage werde; daß, wenn ich mich verpflichte, einen gewissen Theil jedes Heftes zu schreiben, mir für diese Mitarbeit an jedem Hefte eine bestimmte Summe zugesichert wird; daß diejenigen, welche mir helfen und den Rest jedes Heftes beitragen, sofort nach dem Erscheinen desselben in Gemäßheit mit einem zu berechnenden und zu vereinbarenden Satze bezahlt werden, wenn sie meine Anweisung auf die Summe, zu der sie berechtigt sind, präsentiren; oder, falls die Verleger dies vorziehen, daß sie sich bereit erklären, mir eine bestimmte Summe für jedes ganze Heft zu bezahlen und es mir überlassen, für den Theil, den ich nicht schreibe, diejenigen Anordnungen zu treffen, die mir am besten scheinen. Ich würde natürlich die Bedingung stellen, daß ich für diese Zahlungen, oder für irgend welche andern mit dem Werke verknüpften Auslagen in keiner Weise als verantwortlich angesehen würde und daß kein Theil derselben als eine mir von dem Ertrage zugefallene Summe betrachtet würde. Ich brauche nicht hinzuzufügen, daß, wenn ich meine Reisen unternehme, eine Vereinbarung in Bezug auf die Reisekosten getroffen werden müßte.
»Ich möchte nun, daß unsre Freunde, die Verleger, diese Dinge in Erwägung ziehen und wenn sie die Sache reiflich erwogen haben, mir die Ansichten und Vorschläge mittheilen, zu denen sie geneigt sind.«
Das Resultat ihrer Erwägung war im ganzen befriedigend. Eine Zuschlagssumme von 1500 Pfund St. sollte am Schlusse von »Nickleby« gezahlt, das neue Werk sollte unternommen werden und Cattermole sollte dasselbe in Gemeinschaft mit Browne illustriren. Auch wurde an dem Plan des Werkes nicht viel verändert ehe die Ausführung begann, obgleich wir alle der Meinung waren, daß wenigstens in den ersten Heften Dickens der alleinige Mitarbeiter sein müsse und daß, so große Anziehungskraft es auch sonst besitzen, oder so groß der Erfolg der von ihm vorgeschlagenen abgesonderten Artikel auch sein möge, eine Unterstützung derselben mittelst einer von ihm verfaßten und in angemessenen, wenn nicht regelmäßigen Zwischenräumen fortgesetzten Geschichte, doch absolut nothwendig sein würde. Ohne eine solche planmäßig angelegte Geschichte fing jedoch das Werk an, obgleich sein späterer Verlauf durch Umstände bestimmt wurde, die mächtiger waren als irgend eine vorhergefaßte Absicht. Der Contract, der im Hinblick auf eine bloße Sammlung einzelner Artikel oder Essays aufgesetzt war, und in dem eine längere Geschichte gar nicht erwähnt wurde, wurde zu Ende März unterzeichnet, und die Bedingungen waren der Art, daß ihm dadurch seine einzige angemessene und rechtmäßige Stellung in Bezug auf alle solche Contracte angewiesen wurde, nämlich die, daß er in jedem Falle nothwendigerweise gewann und im Falle des Erfolges mehr gewann als alle andern an dem Unternehmen Betheiligten. Das ganze Risiko sollte von den Verlegern übernommen werden und als Theil der von denselben zu tragenden Kosten eines jeden Wochenheftes sollte er fünfzig Pfd. St. empfangen. Was auch der Erfolg oder das Mißlingen sein mochte, diese fünfzig Pfd. St. sollten immer bezahlt werden. Die Hefte sollten dann besonders berechnet werden und die eine Hälfte des Reinertrages an ihn, die andere an die Verleger fallen; jedes Heft sollte streng für sich selbst verantwortlich sein und der Verlust daran (falls ein solcher da sei) nicht bei der allgemeinen Rechnung in Anschlag kommen. Das Werk sollte auf alle Fälle zwölf Monate lang fortgesetzt werden; dann sollte es den Verlegern freistehen, es abzuschließen; wenn sie es aber vorzögen, weiter damit fortzufahren, sollte er seinerseits fünf Jahre an das Unternehmen gebunden sein und sowol das schließliche Verlagsrecht als der Ertrag gleich getheilt werden.
Sechs Wochen vor der Unterzeichnung dieses Contracts, während der Titel noch unentschieden war, empfing ich den nachstehenden Brief von ihm. »Ich will mit Dir diniren. Ich beabsichtigte, den Abend in strengem Nachdenken zuzubringen (wie ich gestern gethan hatte), aber es ist vielleicht besser, wenn ich ausgehe, damit ›bloß Arbeit und kein Spiel nicht etwa einen dummen Jungen aus mir macht‹. All work and no play make Jack a dull Boy ist eine sprüchwörtlich gewordene, oft angeführte englische Erziehungsmaxime. – D. Uebers. Ich habe auch eine lange Liste von Titeln, aber ich bin in Bezug auf den schließlichen Titel entschieden – oder doch beinahe entschieden. Mein Plan ist, daß der alte Feiler in dem sonderbaren Hause das Buch mit einem Bericht über sich selbst eröffnet und unter andern Eigenthümlichkeiten seine Zuneigung zu einer alten sonderbaren Uhr in einem seltsamen Gehäuse erwähnt, zeigt, wie er, wenn sie an den langen Abenden allein zusammengesessen haben, sich an die Stimme derselben gewöhnt und sie endlich als die Stimme eines Freundes betrachtet hat, wie ihr Schlagen in der Nacht ihm wie eine Versicherung erschienen, daß noch ein Wächter an seiner Thüre sei und wie sogar ihr Gesicht in seinen staubigen Zügen eine Art Willkommen für ihn gehabt und seinen finstern Ausdruck verloren habe, wenn er sie eine Weile aus seiner Kaminecke betrachtet. Dann will ich erzählen, wie er sonderbare Manuscripte in der alten, tiefen, dunkeln, schweigenden Kammer bewahrt hat, wo die Gewichte liegen und sie dort herausgenommen hat, um sie zu lesen (wobei er eine Vorstellung von seiner Wanduhr mit seinem Genuß in Zusammenhang bringt) und wie, als der Club sich bildete, derselbe wegen seiner Pünktlichkeit und seiner Neigung für seinen stummen Diener, sich nach ihr benannte. Und so werde ich das Buch entweder » Des alten Humphrey Wanduhr« oder » Master Humphrey's Wanduhr« nennen. Ein Holzschnitt von dem alten Humphrey und seiner Uhr und eine Erklärung des Warum und Weshalb soll den Anfang machen. Alle von Humphrey selbst beigetragenen Artikel werden dann »Von meiner Wanduhr« datirt werden und ich habe verschiedene Gedanken darüber, wie die andern eingeführt werden sollen. Ich dachte gestern den ganzen Tag und die ganze Nacht, bis ich zu Bette ging, über dies Alles nach. Ich bin überzeugt, daß ich aus dieser Einleitung etwas Gutes machen kann und bin daher aufs lebendigste davon bewegt.«
Einige Tage später schrieb er: »Ich neige mehr zu » Master Humphrey's Wanduhr« als » Des alten Humphrey« – falls nämlich keine Gefahr vorhanden ist, daß die nachdenklichen Leute den Master mit einem Jungen verwechseln.« Master bedeutet zugleich »Meister« und, dem Vor- oder Familiennamen vorausgehend, »Junge« oder »junger Herr«. – D. Uebers. Wieder zwei Tage später: »Ich habe gestern den ganzen Tag nachgedacht und habe heute Master Humphrey angefangen.« Dann eine Woche später: »Ich habe das erste Heft beendet, aber in dem dafür bestimmten Umfang nicht mehr thun können, als die Ankunft der Riesen herbeiführen, die grade auf der Bühne sind.«
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