Emanuel Geibel
Gedichte
Emanuel Geibel

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Lied.

        Ich habe wohl in jungen Tagen
Mich stark in mir geglaubt und fest,
Und keck der Sorgen mich entschlagen,
Sah ich den Vogel baun sein Nest.
Doch kommt die Zeit, wo auch den Sänger
Die Sehnsucht fasset bang und bänger,
Und wo das müde Herz nicht länger
Sich um sein Recht betrügen läßt.

Nun blüht um mich das Land der Reben,
Und Burgen winken überm Rhein;
Mich trägt der Kahn mit leisem Schweben
Das Tal entlang im Abendschein.
Der Festtag ruft mit hellen Geigen
Die Winzer von den Felsensteigen,
Der Becher schäumt, es klingt der Reigen;
Was kümmert's mich? – Ich bin allein.

O dürft' ich nicht mehr suchend schweifen
Von Ort zu Ort, ein fremder Gast!
Dürft' ich mein stilles Teil ergreifen,
Mein Teil der Lust, mein Teil der Last!
Schlüg' endlich mir ein Herz entgegen,
Die heißen Schläfe dran zu legen!
Denn nur von innen kommt der Segen,
Und nur die Liebe bringet Rast.

 


 


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