Emanuel Geibel
Gedichte
Emanuel Geibel

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Für Schleswig-Holstein.

1846.

I.
                Deutschland, die Witib, saß im Trauerkleide
Und ihre Stimme war von Stöhnen heiser,
Da man sie schied von ihrem Herrn und Kaiser,
Dem sie verschworen war mit teurem Eide.

Doch ist ein Tröster kommen ihrem Leide;
Der Geist der Eintracht, welcher nun mit leiser
Gewalt um ihre Stirn die Eichenreiser
Zusammenhält, daß keins vom Kranze scheide.

O Kaisererbe, Geist voll Kraft und Milde,
Die Stunde schlug, der Welt an allen Enden
Zu künden, daß du seist kein Wahngebilde.

Der Däne wagt's, ein deutsch Geschlecht zu schänden;
O deck' es zu mit deinem breiten Schilde,
Und mit dem Schwert umgürte deine Lenden!

 
II.
Deutschland, bist du so tief vom Schlaf gebunden,
Daß diese fremden Zwerge sich getrauen,
Mit frechem Beil in deinen Leib zu hauen,
Als könntest du nicht spüren Streich und Wunden?

Ist deine Ehre so dahingeschwunden
Im Mund der Völker, daß sie keck drauf bauen,
Mit teilnahmloser Ruhe würden schauen
Die Schmach des kranken Gliedes die gesunden?

Erwach und steig empor in Zornes Lohen!
Laß aus der Brust, die nicht umsonst sich brüstet,
Die Riesendonner deiner Stimme drohen!

Da werden, die nach deinem Raub gelüstet,
Entsetzt zerstäuben, wie die Troer flohen
Beim Ruf Achills, noch eh' er sich gerüstet.

 
III.
Es ist ein Ruf ins Niederland gekommen
Vom Gau her, wo der Eider Fluten münden,
Der jede deutsche Seele muß entzünden,
Und wär sie nie bis heut in Zorn erglommen.

Vom Niederlande hat's der Harz vernommen,
Da schrie er auf aus seinen hundert Schlünden,
Dem Fichtelberg die Botschaft zu verkünden;
Der rief den Alpen sie, vor Grimm beklommen.

Die Alpen sandten sie nach Ost und Norden
Mit Rhein und Donau, die im Wogenbrande
Wie Zornesadern schwollen aus den Borden.

Nun wissen's schon die Kinder weit im Lande,
Und alle Stimmen sind ein Schrei geworden,
Ein Schrei nach Sühne für so große Schande.

 
IV.
Das Elsaß, rot im Schmuck der Purpurtraube,
Den Blutrubin in unsres Reichs Geschmeide,
Ausbrach der Frank' ihn mit des Schwertes Schneide,
Daß er in seines Königs Kron' ihn schraube.

Doch da er's tat, lag unser Volk im Staube
Blutrünstig, mit zerrißnem Eingeweide,
Und so ersäuft in tausendfachem Leide,
Daß keiner fragen mochte nach dem Raube.

Und dennoch grollen wir mit unsern Vätern,
Daß sie, wiewohl bis auf den Tod zerspalten,
Verloren, was verloren blieb uns Spätern.

Wie sollten wir nun, die wir stark uns halten,
An unsern Enkeln werden zu Verrätern,
Das tuend, drum wir unsre Ahnen schalten!

 
V.
Der alte Münster spricht im Glockenklange:
Mich hieß die deutsche Kunst in bessern Tagen
Mit meinen Gipfeln in die Sterne ragen,
Doch steh' ich längst betrübt in welschem Zwange.

Jetzt, wo ich schaue nach der Zeiten Gange,
Gewahr' ich, daß aufs neu mit frechem Wagen
Ein Fremdling sich vermißt, ein Glied zu schlagen
Vom deutschen Leib, und lauschen muß ich bange.

Gelingt's ihm: weh, so will im Staub ich trauern,
Die Gluten meiner Rose sollen bleichen,
Mit Seufzern will ich sprengen Turm und Mauern.

Doch glückt's ihm nicht, so soll's mir sein ein Zeichen:
Auch meine Knechtschaft wird nicht ewig dauern,
Einst werd' ich ausgelöst mit Schwertesstreichen.

 
VI.
Nun sei versiegelt jeder kleine Hader,
Verstummt jedwede Klage, die wir sangen,
Da unser aller Feind sich unterfangen,
Aus unsrer Burg zu brechen eine Quader.

Wem deutsches Blut noch füllt die Herzensader,
Nach anderm Recht nicht soll er jetzt verlangen,
Als schwertgerüstet, Zornglut auf den Wangen,
Zu stehn mit seinen Brüdern im Geschwader.

Einmütig gilt's das Banner hoch zu tragen,
Bis auf den Raub der Fremdling hat verzichtet,
Wo nicht, bis daß im Blut er liegt erschlagen.

Wenn dann am Meer das Siegsmal aufgerichtet,
Dann laßt uns gehn, im Eichenforst zu tagen,
Und unser eigner Handel sei geschlichtet.

 
VII.
Vom Holger-Dänen klingt mir's in den Sinnen
Und von Morgand, der Königin der Feien,
Die stete Jugend ihm ließ angedeihen,
Ihn in des Meers Kristallpalast zu minnen.

Er aber floh mit schnellem Schiff von hinnen,
Am Land ein rosig Königskind zu freien;
Da brach der Zauber, und er stand im Reihen,
Sein Goldhaar greis, sein Purpur Bettlerlinnen.

Die alte Sage will dein Bild dir zeigen,
O Dänemark, doch glaubst du keiner Sage,
Da du die deutsche Maid begehrst zu eigen.

Wohlauf denn, Holger, auf zum Brautgelage,
Zum Hochzeitstanz, wo Schwerter sind die Geigen,
Daß deine ganze Blöße kommt zutage!

 
VIII.
O Muttersprache, reichste aller Zungen,
Wie Lenzwind schmeichelnd, stark wie Wetterdröhnen,
In deren dreimal benedeiten Tönen
Zuerst erfrischt das Wort des Herrn erklungen,

Mit eh'rnen Banden hältst du uns umschlungen,
Uns alle, die du zählst zu deinen Söhnen,
Daß keiner sich dem Machtspruch mag gewöhnen,
Der ihm mit anderm Laut ins Ohr gedrungen.

Nun aber wollen dir die Weltgestalter
Entziehn ein ganz Geschlecht nach ihren Launen,
Und dänisch welschen soll's im neuen Alter.

Wohl mag dich, Mutter, fassen drob ein Staunen,
Doch zage nicht! Nein, greif aus deinem Psalter
Ein wehrhaft Lied, schmetternd wie Kriegsposaunen!

 
IX.
Mich will's bedünken fast gleich einem Schwanke,
Daß dieses Inselreich, das kleine schwache,
Aufbäumend wie ein zorn'ger Meeresdrache,
Sich wider uns erhebt zu grimmem Zanke.

Denn eines Streichs nur braucht's, so liegt zum Danke
Für solchen Trotz es da in blut'ger Lache,
Es sei denn, daß vor unsrer starken Rache
Der Slaw' es wolle schirmen oder Franke.

Doch wär' es so, und spie' aus seinen Kreisen
Der Eispol Scharen her wie Sand am Meere,
Und brüllte Frankreich, seinen Ruhm zu speisen:

Auf dann, mein Volk, die Herzen hoch, die Speere!
Dann gält' es erst im Kampf uns zu erweisen,
Im ein'gen Riesenkampf um Deutschlands Ehre.

 
X.
O hätt' ich Drachenzähne statt der Lieder,
Daß, sät' ich sie auf diese dürre Küste,
Draus ein Geschlecht von Kriegern wachsen müßte,
Im Waffentanz zu rühren Eisenglieder.

Sie alle sollten Deutschlands Heerschild wieder
Erhöhn, unnahbar jedem Raubgelüste,
Und nimmer fragen nach des Kampfes Rüste,
Bis Hauch des Siegs umspielt' ihr Helmgefieder.

Nun hab' ich Worte nur, allein wie Saaten
Will ich sie streu'n in deutsche Seelen wacker,
Ob hier und dort mag eine Frucht geraten.

Doch soll draus aufgehn nicht ein Zorngeflacker,
Nein, ruhig ernst ein Mut zu großen Taten.
Du aber, Herr, bereite selbst den Acker!

 
XI.
Es sprach der Herr zu uns in Krieges Lohen:
Seid einig, und wir waren's eine Stunde,
Doch lachten wir des Worts aus seinem Munde,
Da am Gewölk der Glutschein kaum entflohen.

Nun läßt er wieder seine Stimme drohen,
Und mahnt uns festzustehn im guten Bunde.
O hört den Ruf, ihr Niedern in der Runde,
Und beugt euch ihm auf eurem Thron, ihr Hohen!

Denn also spricht er: Habet ihr danieden
Vergessen schon der Trübsal eurer Herzen,
Die auf euch kam, da ihr euch jüngst geschieden?

Seid eins, sonst muß ich euch gleich spröden Erzen
Zerbrechen oder neu zusammenschmieden
Im Feuer meines Zorns und eurer Schmerzen.

 
XII.
Es sitzt die Zeit am großen Webestuhle,
Im Teppich der Geschicht' ein Bild zu weben;
Schon seh' ich hin und her die Fäden streben,
Der Rieseneinschlag rauscht, es dröhnt die Spule.

Noch kannst du wählen, Deutschland, ob zur Buhle
Sie dich dem sternbekrönten Ruhm soll geben,
Ob im Geweb' ein Schmachbild du willst leben,
Ein Hohn den Völkern bis ans fernste Thule.

Sprich aus – doch gilt kein Zaudern jetzt noch Zagen –
Willst hilflos du von deinem Angesichte
Die Kinder stoßen, die dein Schoß getragen?

Sprich, oder willst in grollendem Gerichte
Die sie bedrängen du zu Boden schlagen? –
Tu deinen Spruch! Es harrt die Weltgeschichte.

 


 


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