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1. Wie sich uns das Dasein des Geldes offenbart

Wenn die Inschriften der Münzen bezwecken, uns über das Wesen des Geldes zu unterrichten, so hat man sich diese Arbeit leicht gemacht. Diese Inschriften lauten »10 Mark« oder »10 Francs«, »10 Rubel«, und wer aus diesen Worten das Wesen des Geldes nicht zu erkennen vermag, dem werden die Randbemerkungen der Münzen: »Mit Gott« oder (bei den Franzosen) »Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit« usw. wenig Aufklärung bringen.

Vergleicht man die Inschrift der heutigen deutschen Münzen mit derjenigen der alten preußischen Taler, so fällt auf, daß die Angabe des Gewichtes an Feinmetall, die die Taler trugen, weggelassen worden ist. Warum? Mit der Streichung dieser Gewichtsangabe hat man doch etwas bezwecken müssen, und dies muß man um so sicherer annehmen, als die Gewichtsangabe in vielen Fällen von wirklichem Nutzen sein kann. Die Gewichtsangabe macht aus jeder Münze ein geeichtes Wagestück, womit jeder die Gewichte der Krämer nachprüfen kann. Außerdem läßt sich durch die Gewichtsangabe der genaue Inhalt eines Geldbeutels durch ein einfaches Wägen feststellen, so wie auch umgekehrt das Gewicht jeder Geldsumme von jedermann sofort berechnet werden kann.

Es ist allerdings wahr, daß die Angabe des Gewichts in der Fassung, wie sie der preußische Taler trug, zu vielen Fragen Anlaß geben konnte, die auf Grund der heute noch vorherrschenden Anschauungen über das Wesen des Geldes nicht beantwortet werden können, und daß durch Streichung der Gewichtsangaben in den neuen Münzen man die Gefahr umgangen hat, sich in Widersprüche zu verwickeln.

Wenn »XXX ein Pfund Fein«, Inschrift der alten preußischen Taler, die bedeutet: 30 Taler enthalten 1 Pfund Feinsilber., dann ist auch ein Pfund Fein gleich XXX, und der Begriff »Taler« wird durch solche Inschrift zu einer einfachen, für das Silber vorbehaltenen Gewichtseinheit, wie man ja noch heute in England für gewisse Waren besondere Gewichtseinheiten hat. (Diamanten z.B. wägt man nach Karat. In Neuchâtel enthält ein »Maß« Apfel oder Kartoffeln 20 l, ein »Maß« Korn aber nur 16 l.)

Wenn aber ein Pfund Fein gleich 30 Taler ist, wenn eine Münze gleich ist einem bestimmten Gewicht Silber (laut Inschrift und Theorie der Taler), wie kann man dann das Silber entmünzen, wie kann man den 30. Teil eines Pfundes Feinsilber überhaupt vom Taler trennen? Wie kann man aus einem Begriffe zwei machen, Taler und Silber? Vor dem Jahre 1872 waren »XXX ein Pfund Fein«, und nach dieser Zeit nicht mehr. Wenn das letztere möglich ist (und es ist Tatsache), dann ist das erstere nie wahr gewesen, und die Inschrift des Talers spiegelte uns etwas als einen Begriff vor, was von jeher zwei Begriffe waren – der Taler und der Stoff, aus dem er gemacht war. Der Taler wog den 30. Teil von einem Pfund Feinsilber, das war alles. Man verbrauchte bei der Herstellung der Taler ein Pfund Silber für je 30 Taler, wie man bei der Herstellung eines Hufeisens ein Pfund Eisen verbraucht. Der Taler war nicht eine bestimmte Menge Silber, ebensowenig wie ein Haus mit einem Haufen Ziegelsteinen wesenseins ist, oder wie man ein Paar Schuhe als einen Meter Leder betrachten kann. Der Taler war ein vom Silber völlig verschiedenes Erzeugnis der königlichen Münze. Und er war das – trotz seiner Inschrift – sowohl vor wie nach der Entmünzung des Silbers.

Die Inschrift des Talers machte aus ihm und seinem Stoff einen Begriff, die Entmünzung des Silbers zeigte uns, daß im Taler zwei Begriffe enthalten waren. Die Aufhebung des freien Prägerechtes für das Silber machte den Taler durchsichtig, so daß wir durch das Silber seinen Kern erblickten. Bis dahin glaubten wir, der Taler wäre nur Silber, jetzt sahen wir zum ersten Male in ihm das Geld. Wir leugneten dem Taler den Besitz einer Seele ab, bis er sie im Tode vor aller Augen aushauchte. Bis zur Aufhebung des freien Prägerechtes hatten die Reichsangehörigen nur Silber gesehen, jetzt offenbarte sich ihnen zum ersten Male in der Vereinigung des Silbers mit dem Gesetz das Dasein eines eigentümlichen Fabrikates – des Geldes.

Vor der Aufhebung des freien Prägerechtes für das Silber fand die Erklärung, die die Vertreter der Metallwährung (Gold- sowohl wie Doppelwährung) vom Geld gaben, keinen Widerspruch – die Entmünzung des Silbers zeigte, daß, wenn auch Münzen aus Metallbarren geprägt werden, Metallbarren darum doch noch keine Münzen sind.

Chevalier, La Monnaie«, S. 39: »Die Münzen sind Metallbarren, deren Gewicht und Feingehalt durch den Stempel gewährleistet wird.«

Otto Arendt: »Unsere Reichsmark ist nichts als die Bezeichnung für 1/1395 Pfund Gold.«

Man übersah, daß die freie Silberprägung, die ja der Wirkung nach die Münzen zu Metallbarren und diese zu Münzen macht, ein Gesetz, ein staatliches, von der Willkür der Volksvertreter abhängiges Gesetz zur Unterlage hat. Man übersah, daß der Taler ein Fabrikat, ein Erzeugnis der Gesetzgebung ist, und daß das Silber nur der Stoff, nichts als der willkürlich gewählte Rohstoff des Talers war. Das Gesetz schuf den Taler, das Gesetz zerstörte ihn. Und was hier vom Taler gesagt wird, gilt natürlich auch für seinen Nachfolger: die Mark d.R.-W. Das freie Goldprägerecht, das auch heute Münze und Gold der Wirkung nach zu einem Wesen macht, ist das Erzeugnis unserer Gesetzgeber. Wie es entstanden ist, so kann es wieder vergehen, kann alle Tage umgestoßen werden, falls es sich nachträglich herausstellen sollte, daß so vieles, was man seinerzeit ungeprüft bei der Goldwährung voraussetzte, keine Prüfung verträgt.

Wenn aber dieser Fall eintreten sollte – die Aufhebung des freien Prägerechtes – (die Erklärung der Reichsbanknote zum gesetzlichen Zahlungsmittel ist der erste Schritt auf diesem Wege), welche Beziehungen hat dann noch das Gold zu unserem Gelde? Doch nur mehr die eine, daß es, so wie Kupfer, Silber, Nickel und Papier, als Rohstoff bei der Herstellung des Geldes Verwendung findet – d..  h. dieselbe Beziehung, die zwischen Stein und Haus, Leder und Schuhen, Pflug und Eisen besteht. Jeder Schimmer einer Wesensgleichheit des Geldes und seines Stoffes würde vergehen und der Unterschied zwischen Gold und Mark d.R.-W. ebenso handgreiflich werden, wie der Unterschied zwischen Taler und Silber, Hut und Stroh. Die Goldwährungstheorie ist heute ganz verwildert, und es wäre wohl schwer, sie noch in Worte zu kleiden. Bei Einführung der Goldwährung galt noch die Narrentheorie in ihrem krassesten Ausdruck, »Währung ist, was selber währt«, sagte Bamberger, »und kraft seiner Metalleigenschaften drängt sich das Gold uns als Geld auf.«
Wie paßt zu dieser Behauptung die Tatsache, daß wenige Jahre später in Deutschland sich ein »Verein zum Schutze der deutschen Goldwährung« bildete? Währte denn das Gold nicht mehr kraft seiner Metalleigenschaften, und wie kam man dazu, von einer »deutschen« Goldwährung zu sprechen? Ist die Mark d.R.-W., wie die Theorie behauptet, weiter nichts als eine gewisse Menge Gold, so ist die Mark nicht mehr deutsch als französisch, russisch, japanisch. Oder liefert der Bergbau, der Schmelztiegel etwa deutsches Gold, und wodurch unterscheidet sich dieses chemisch von anderem Gold?
Der Name obigen Vereins enthält ebensoviele Widersprüche wie Worte, und ebenso verhält es sich mit den Flugschriften, die er verbreitet.
Es sei hier zur Kennzeichnung der Art, wie man in Deutschland noch vor 10 Jahren über das Geld schrieb, bemerkt, daß die Aufforderung zum Eintritt in genannten Verein von Leuten unterzeichnet war, die beruflich gar keine Erfahrung in diesen Dingen sammeln konnten. Alte Knaben, wie Mommsen und Virchow, gaben ihren Namen her, sicherlich mit demselben Gleichmut, wie man etwa seinen Namen für die Gründung eines Ziegenbockhaltevereins hergibt. Es handelte sich für die beiden sicherlich nur um eine Kleinigkeit, eine Streitsache, die jeder ohne weiteres Erforschen entscheiden kann.

Wir haben demnach scharf zu unterscheiden zwischen Geld und seinem Stoff, zwischen der Mark d.R.-W. und dem Gold. Beide – Geld und sein Rohstoff – können niemals für eins erklärt werden, denn zwischen beiden liegt das Gesetz, das heute beide vereint, morgen beide trennen kann.

Dieser Unterschied zwischen Geld und seinem Stoff hat von jeher bestanden. Verborgen bestand er zur Zeit des freien Prägerechtes für das Silber, verborgen besteht er auch in der Goldwährung. Aber für jeden sichtbar machte den Unterschied die Aufhebung, die gesetzliche, willkürliche Aufhebung des freien Prägerechts für das Silber. Ebenso erkennbar muß er auch heute für jeden sein, der aus der Geschichte des Silbers ersieht, daß die Vorrechte des Geldes an keinem Metall haften, sondern durch Gesetz von einem Gegenstand auf den anderen übertragen werden können.

Und was denken unsere Gesetzgeber jetzt, wenn von der Reichswährung die Rede ist, wenn sie eine Mark d.R.-W. in die Hand nehmen und sie betrachten?

Sind sie sich bewußt, daß die Mark d.R.-W. noch immer einer gesetzlichen Begriffserklärung harrt; daß keine schulmäßige Erklärung vom Wesen des Geldes zur deutschen Währung paßt, daß das Erklären der deutschen Banknote zum gesetzlichen Zahlungsmittel der Goldwährungstheorie den letzten Stützpunkt entzieht, und daß die Inschrift unserer Banknoten Unsinn geworden ist?

»Die Reichsbank zahlt dem Inhaber bei Sicht ohne Legitimation 100 Mark d.R.-W.«, so sagt die Inschrift, und die Theorie der Banknote sagt, daß die Banknoten nur dieses Zahlungsversprechens wegen umlaufen und möglich sind. Nun hat man einen dicken Strich durch die obige Inschrift der Banknoten gezogen, indem man die Note zum gesetzlichen Zahlungsmittel erklärte, – und trotzdem laufen die Banknoten um wie vorher. Wie ist das möglich? Wie ist es möglich, daß der deutsche Bauer, der schon seine Kuh gegen 1000 Mark Silber verkaufte, die in den Schmelztiegel geworfen nur 400 Mark Silber liefern würden, jetzt noch sein bestes Pferd gegen eine Banknote hergibt, die er stofflich und der wissenschaftlichen Auslegung nach als wertlos betrachten muß?

So bringe man doch die Inschrift der Banknoten in Übereinstimmung mit den Tatsachen; schreibe man auf das Papier, wie man es bei den silbernen und goldenen Münzen getan, einfach 10-20-100 Mark und streiche alles andere und namentlich das Wort »zahlen«. Dieses Wort gebraucht man bei Schuldscheinen, Wechseln, Mahnbriefen, und die Banknote ist ja doch kein Schuldschein. Schuldscheine, namentlich staatliche, tragen dem Inhaber Zins ein; bei der Banknote aber erhält der Aussteller, also der Staat den Zins. Bei einer Notenausgabe von 10 Milliarden bezieht das Reich im Jahre 500 Millionen Zinseinnahme. (Heute sind es fast 100 Milliarden und 5 Milliarden Zins.) Statt zu schreiben: »Die Reichsbank zahlt dem Inhaber« usw., schreibe man einfach: »Dies sind 100 Mark.« Es ist Unsinn, durch die Inschrift die Banknote zu einem Darlehnsschein stempeln zu wollen. Schuldpapiere ohne Zins sind heute undenkbar. Von Schuldpapieren aber, die dem Inhaber (Gläubiger) Zins kosten und dem Aussteller (Schuldner) Zins eintragen und dabei gleichwertig mit wirklichen Zinspapieren umlaufen, spricht auf dem Erdenrund nur die Inschrift der Banknote. Die deutschen Reichsanleihen, die dem Inhaber regelmäßig alle Jahre 3%, abwerfen, stehen heute (1911) 84,45; die deutsche Banknote, die dem Inhaber 4-5-6 – ja 8½ jährlich kostet, steht auf 100 (pari), Die Reichsbank kauft mit ihren Noten die Wechsel des Handels und macht dabei keinen Unterschied zwischen Gold und Banknoten. Für beides erhält sie den gleichen Zins. Dabei bezeichnet sie das Gold als ihr Kapital und die Noten als ihre Schulden! und beide Papiere wirft das Gesetz, wirft die Theorie in denselben Topf, theoretisch wie gesetzlich gelten beide Papiere für Schuldscheine, Schuldscheine desselben Ausstellers!

Weg also mit Gesetzen und scheinwissenschaftlichen Erklärungen, die zu solchen Widersprüchen führen!

Der Zellstoff der Banknoten ist, wie Kupfer, Nickel, Silber und Gold, Rohstoff für die Herstellung des Geldes; alle diese verschiedenen Geldarten sind den Geldvorrechten gegenüber gleichberechtigt – sie sind gegenseitig auswechselbar. Sie stehen alle unter der gleichen wirksamen Oberaufsicht des Staates. Man kann nicht Papiergeld mit Metallgeld desselben Staates laufen oder zahlen, man kann nur beides gegeneinander wechseln. Folgerichtig ist darum auch jedes Zahlungsversprechen in der Inschrift der Banknoten zu streichen. » Dies sind: Zehn, Hundert, Tausend Mark d. R.-W.«; so soll die Inschrift lauten.

Nicht wegen, sondern trotz des Zahlungsversprechens in der Inschrift läuft die Banknote gleichwertig mit dem Metallgeld um. Sowie der Gleichstand (das Pari) durchbrochen wird, wandert nach dem Gresham-Gesetz das Gold über die Grenze. Das Papier bleibt dann allein zurück.

Woher kommen die Kräfte, die bei der Banknote den Aussteller zum zinsbeziehenden Gläubiger, den Inhaber zum zinszahlenden Schuldner machen? Das Vorrecht, Geld zu sein, gibt der Banknote diese Kräfte, hat das Wunder bewirkt. Wir müssen uns also das Wesen dieses Vorrechtes näher betrachten.


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