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Die Lehre, wonach das Verhältnis, in dem die Waren ausgetauscht werden, sich nach der zu ihrer Erzeugung nötigen Arbeit, dem sogenannten Wert, richtet, kann offenbar auf das Papiergeld nicht angewendet werden. Das Papiergeld erzielt zwar einen Preis, hat aber keinen »Wert«, da es keine Arbeit gekostet hat. Das Papiergeld ist keine »Arbeitsgallerte«, hat keinen »Wertstoff«, weder »inneren« noch äußeren Wert; es kann nicht als »Wertspeicher«, als »Wertkonserve«, als »Werttransportmittel« dienen; es ist nie »minderwertig«, nie »vollwertig«. Der Preis des Papiergeldes kann nicht um seinen »Wert als Gleichgewichtspunkt pendeln«. (Ausdrücke aus der Wertlehre). Hier wäre die Frage erlaubt, warum der Preis um den »Wert« pendeln muß, warum die Kräfte, die stark genug sind, um den Preis vom Werte zu trennen, nicht auch stark genug sein könnten, um eine dauernde Trennung von Preis und Wert zu bewirken.
Es muß also seinen eigenen Weg gehen; es ist durchaus den Kräften unterworfen, die den Preis bestimmen; es dient nur einem Herrn.
Die Kräfte, die den Preis bestimmen, faßt man zusammen in die Worte: Nachfrage und Angebot. Wollen wir also die oben gestellte Frage erschöpfend beantworten, so müssen wir uns volle Klarheit über den Inhalt dieser beiden Worte verschaffen.
Fragt man heute: Was ist Nachfrage nach Geld, wer hält Nachfrage nach Geld, wo herrscht Nachfrage nach Geld, so erhält man die widerspruchsvollsten Antworten. In der Regel wohl wird es heißen: Nachfrage nach Geld herrscht an den Banken, wo Unternehmer und Kaufleute Wechsel verkaufen. Wächst die Nachfrage nach Geld, so steigt der Zinsfuß, und mit dem Zinsfuß kann man also die Größe der Nachfrage nach Geld messen. Auch der Staat, der mit Fehlbetrag abschließt und Anleihen aufnimmt, hält Nachfrage nach Geld; wie auch die Bettler Nachfrage nach Geld halten.
Dies alles ist aber keine Nachfrage, die mit dem Begriff eines Tauschmittels übereinstimmt. Und das Geld ist doch vor allem Tauschmittel. Als Tauschmittel sollen und wollen wir das Geld betrachten und behandeln. Stellen wir nun in unserer Frage an die Stelle des Wortes »Geld« den Ausdruck »Tauschmittel«, so tritt der Unsinn sofort zu Tage, den obige Antworten bergen.
Der Kaufmann, der von der Bank Geld verlangt, tauscht nichts ein; er gibt nichts als sein Versprechen, das Geld zurückzuerstatten. Er borgt, aber er tauscht nicht. Er gibt Geld für Geld. Es findet kein Handel, kein Tausch statt; von Preisen ist hier keine Rede. Man spricht vom Zins. Auch der Staat hält mit seiner Anleihe keine Nachfrage nach Tauschmitteln, denn auch er bietet nichts in Tausch an. Er wechselt gegenwärtiges gegen künftiges Geld.
Es handelt sich also hier nicht um eine »Nachfrage« nach Tauschmitteln, nicht um eine mit dem Zwecke des Geldes übereinstimmende Nachfrage nach Geld. Um Nachfrage nach Geld, nach Tauschmitteln zu halten, muß etwas vom Geld Verschiedenes in Tausch angeboten werden. Das ist im Worte schon ausgedrückt.
Wo herrscht nun Nachfrage nach Geld?
Antwort: dort, wo man Tauschmittel braucht, wo die Arbeitsteilung Ware auf den Markt wirft, die zu ihrem gegenseitigen Austausch auf das Tauschmittel, auf Geld angewiesen ist.
Und wer hält Nachfrage nach Geld? Wer anders als der Bauer, der Ware auf den Markt bringt, als der Kaufmann, der am Ladentisch seine Waren feilhält, als der Arbeiter, der sich zu irgendeiner Arbeit anbietet und für sein Arbeitserzeugnis Geld verlangt. Wo das Warenangebot groß ist – dort herrscht große Nachfrage nach Tauschmitteln; wo das Warenangebot wächst, dort wächst die Nachfrage nach Geld, nach Tauschmitteln. Nimmt man die Waren fort, so verschwindet auch die Nachfrage nach Geld. Dort, wo Urwirtschaft und Tauschhandel betrieben werden, gibt es auch keine Nachfrage nach Geld.
Es ist also klar: wir unterscheiden scharf zwischen dem Kaufmann, der am Ladentisch dem Bauer Kattun anbietet, und demselben Kaufmann, der eine Stunde später bei seiner Bank vorspricht, um dort einen Wechsel zu verkaufen. Mit dem Kattun in der Hand hielt der Kaufmann »Nachfrage« nach dem Tauschmittel, nach Geld. Mit dem Wechsel in der Hand hält dagegen der Kaufmann bei seiner Bank keine Nachfrage nach Geld, denn der Wechsel ist keine Ware. Hier ist vom Zinsfuß die Rede. Hier herrscht gemeiner Geldbedarf, keine Nachfrage.
Bedarf an Geld hat der Bettler, der Staat, der umwucherte Bauer, auch der Kaufmann, der Unternehmer, der einen Wechsel zu Gelde machen will; Nachfrage nach Geld dagegen hält nur der, der Ware feilhält. Bedarf an Geld ist eine vieldeutige, Nachfrage nach Geld eine eindeutige Sache. Bedarf an Geld geht von einer Person, Nachfrage nach Geld von einer Sache, von der Ware aus. Der Bettler will ein Almosen, der Kaufmann will sein Geschäft vergrößern, der Spekulant will seinen Mitbewerbern das Geld der Banken entziehen, um allein auf dem Markte als Käufer auftreten zu können, der Bauer ist in die Falle gegangen, die der Wucherei ihm stellte. Sie haben alle schrecklichen Bedarf an Geld, ohne Nachfrage nach Geld halten zu können, denn diese kommt nicht von den Sorgen der Menschen, sondern von dem Vorrat und Angebot von Waren. In diesem Sinne ist es darum auch falsch, wenn man sagt: Bedarf und Angebot bestimmen die Preise. Es herrscht zwischen dem mit dem Zinsfuß gemessenen Geldbedarf und der mit den Preisen gemessenen Geldnachfrage der denkbar größte Wesensunterschied. Beide Dinge haben durchaus nichts Gemeinsames.
Wer beim Worte »Nachfrage nach Geld« nicht sofort an Ware denkt, wer beim Worte »große Nachfrage nach Geld« nicht sofort einen Berg von Waren, einen Markt, einen Güterzug, ein überladenes Schiff vor Augen hat, vielleicht auch an Zuvielerzeugung und darausfolgende Arbeiterentlassungen denkt, der versteht den Sinn des Wortes »Nachfrage nach Tauschmitteln, nach Geld« nicht, der hat noch nicht erfaßt, daß die Arbeitsteilung Ware erzeugt, die zu ihrem Austausch auf das Geld ebenso angewiesen ist, wie die Steinkohle auf die Güterwagen.
Und wer jemand von steigender Nachfrage nach Geld sprechen hört, weil der Zinsfuß gestiegen ist, der weiß, daß dieser keine bestimmten Ausdrücke für seine Begriffe hat. Wenn aber jemand einem volkswirtschaftlich Geschulten in die Hände fällt, der Geldbedarf und Geldnachfrage verwechselt, so hat er die Pflicht, ihn darauf aufmerksam zu machen, daß man wissenschaftliche Fragen nicht in Kauderwelsch behandeln soll.
Also die Nachfrage nach Geld scheiden wir vollständig von allen menschlichen Bedürfnissen, Unternehmungen, Handlungen, Marktverhältnissen usw., wir entziehen sie dem Wertnebel, der sie bisher umhüllte, und setzen sie thronend auf den Berg von Waren, womit die Arbeitsteilung den Markt ununterbrochen beschickt – weithin für alle sichtbar, greifbar und meßbar.
Wir scheiden diese Nachfrage nach Geld von dem Bedarf an Geld. Wir bilden einen anderen Berg, aber nicht aus Waren, sondern aus Wechseln, Pfandbriefen, Anleihescheinen, Schuldverschreibungen, Staatspapieren, Versicherungsurkunden usw. und setzen darauf ebenso weithin sichtbar: Bedarf an Geld. Auf den ersten Berg schreiben wir »Preise«, und auf den letzteren »Zinsfuß«, und wer dann noch im Flusse dieser Untersuchung an Geldbedarf denkt, wenn ich von Nachfrage spreche, der soll dieses urgesunde Buch zuklappen. Es ist nicht für ihn geschrieben.
Nachfrage und Angebot bestimmen den Preis, d. h. das Verhältnis, in dem Geld und Waren ausgetauscht werden; und was Nachfrage nach Geld ist, wissen wir jetzt. Sie ist Stoff, der fortwährend fließende, aus der Arbeitsteilung quellende Warenstrom.
Und das Angebot von Geld? Auch diesem Begriff müssen wir Inhalt und Gestalt geben und ihn aus dem Dunstkreis ziehen, in den auch er gehüllt ist.
Der Bauer, der Kartoffeln erntet, der Schneider, der einen Rock nähte, sie müssen das Erzeugnis ihrer Arbeit gegen Geld anbieten, aber was machen sie mit dem Geld? Was haben die 100 000 Bauern und Handwerker mit dem Taler gemacht, der seit 100 Jahren von Hand zu Hand gegangen ist? Jeder von ihnen bot den Taler an – gegen Ware, die, einmal in ihrem Besitz, zum Gebrauchsgut wurde und vom Markte verschwand. Der Taler aber blieb auf dem Markte, er kehrte immer wieder zurück – 1 Jahr, 10 Jahre, 100 Jahre und, mit anderer Prägung, vielleicht auch 1000-2000-3000 Jahre. Er war eben allen, durch deren Hände er ging, nur als Ware dienlich, von den 100 K;000 Mann war keiner da, der den Taler anders gebrauchen konnte. Die Nutzlosigkeit des Talers zwang alle, ihn wieder loszuschlagen, zu verkaufen, d. h., ihn in Tausch gegen Waren anzubieten.
Wer viel Geld hatte, mußte auch viel Geld anbieten, wer wenig Geld hatte, mußte auch das Wenige anbieten. Und dieses Angebot von Geld nannte man und nennt man noch heute ganz richtig die Nachfrage nach Waren. Wo viel Ware liegt, ist die Nachfrage nach Geld groß; ebenso muß man sagen können: wo viel Geld ist, muß notwendigerweise die Nachfrage nach Waren größer sein als dort, wo nur wenig Geld ist. (Die Einschränkungen hierzu werde ich früh genug machen.)
Gibt es etwa noch eine andere Nachfrage nach Waren als die, die durch das Angebot von Geld vertreten wird?
Auch hier müssen wir, wie bei der Nachfrage nach Geld, unterscheiden zwischen Nachfrage und Bedarf an Waren. Bedarf an Waren haben viele »Bedürftige«, Nachfrage nach Waren hält nur der, der Geld für die Waren anbietet. Den Bedarf an Waren drückt man mit Bitten, Betteln und Bittschriften aus, die Nachfrage nach Waren durch Aufschlagen der harten Taler auf den Ladentisch. Vor dem Bedarf an ihren Waren, für deren Ankauf aber das Geld fehlt, verkriechen sich die Kaufleute; die Nachfrage nach ihren Waren aber lockt sie herbei. Kurz, Nachfrage nach Waren besteht im Angebot von Geld; wer kein Geld hat, hält keine Nachfrage, und wer es hat, muß damit Nachfrage nach Waren halten. (Wann er das tun muß, werden wir später sehen.)
Die Nachfrage nach Waren, schlechtweg Nachfrage genannt, ist also immer und ausschließlich durch das Geld vertreten. Ein Berg von Geld bedeutet eine große Nachfrage nach Waren. Freilich nicht jederzeit, wie der Kriegsschatz von 180 Millionen in Spandau schlagend bewies, denn in 40 Jahren hatte dieser Geldberg nicht für eine Mark Waren gekauft. Auf diese Ausnahmen werden wir noch zurückkommen. Die Entdeckung einer neuen Goldmine bedeutet eine wachsende Nachfrage nach Waren, und wenn der Staat in den Papierwährungsländern neue Notenpressen in Betrieb setzt, so weiß es schon jeder, daß die Nachfrage und die Preise steigen werden. Gäbe man jedem das Recht, Banknoten, Schatzscheine und goldene Münzen in der Mitte durchzuschneiden und jede Hälfte für ein Ganzes auszugeben, so würden die Nachfrage und auch die Preise sich sogleich verdoppeln.
Soweit ist alles richtig. Aber sind wir dann schon berechtigt, das Angebot von Geld, wie wir das mit dem Angebot von Waren tun, so auf sich selbst zu stellen und zu sagen: Wer den Geldbestand mißt, der mißt auch die Nachfrage nach Ware? Mit anderen Worten: Können wir das Angebot von Geld derart mit dem Geldbestand für eins erklären, daß wir dieses Angebot, also die Nachfrage nach Waren, von dem Seelenzustand der Geldbesitzer völlig scheiden können? Unterliegt das Angebot des Geldes nicht, wenigstens zum Teil, den Launen des Marktes, der unternehmungslustigen Gewinnsucht; mit einem Wort, ist das Angebot von Geld nur reiner Geldstoff – liegt keinerlei Handlung darin?
Die Wichtigkeit, die diese Frage für die Lösung unserer Aufgabe hat, liegt auf der Hand.
Wir sagen: die Arbeitsteilung liefert einen fortwährend fließenden Strom von Waren: »das Angebot«. Der Geldbestand liefert das Geldangebot, also »die Nachfrage«. Wäre dieses Geldangebot nun auch so ununterbrochen, wie der Geldbestand eine feste Größe ist, so wäre der Preis, das Tauschverhältnis zwischen Geld und Waren, unabhängig von jeder menschlichen Handlung. Geld wäre die verkörperte, scharfgeschnittene Gestalt der Nachfrage, wie die Ware das verkörperte, wägbare, berechenbare Angebot ist. Man brauchte dann nur zu wissen, in welchem Verhältnis Geld- und Waren vorrat stehen, um auch zu wissen, ob die Preise steigen oder fallen werden. Bei dem im folgenden IV. Teil d. B. beschriebenen Freigeld, da ist es so. Da können wir sagen: das Freigeld verkörpert die Nachfrage; es scheidet aus der Nachfrage alle Wünsche des Geldbesitzers in bezug auf Zeit und Größe der Nachfrage aus. Das Freigeld diktiert seinem Besitzer die Kaufaufträge in die Feder und macht diese Kaufaufträge zur gebieterischen Notwendigkeit. Darum kann man auch beim Freigeld die Größe der Nachfrage unmittelbar mit der Menge Freigeld, das der Staat im Umlauf erhält, messen, wie man das Angebot von Kartoffeln und von Morgenzeitungen mit der Größe der Ernte und der Auftage der Zeitung messen kann.
Solches ist aber beim heutigen Geld nicht der Fall, wie wir sehen werden, und darum können wir auch die Frage, die wir gestellt haben, vorerst nicht beantworten. Wir müssen weitere Untersuchungen vornehmen, um sagen zu können, wie der Preis des gemeinen Papiergeldes zustande kommt.