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11. Das Gesetzmäßige im Umlauf des heutigen Geldes.

Wenn man Nachfrage und Angebot als obersten, als einzigen Preisrichter einsetzt, wenn man den Gegenstand der Wertlehre als ein Hirngespinst erkannt und eingesehen hat, daß die Erzeugung um den Preis als Schwerpunkt pendelt und nicht umgekehrt, so wird der Preis und alles, was auf ihn einwirkt, zum Brennpunkt unseres Sinnens, und Dinge, die wir bis dahin als Nebensache befrachteten, gewinnen mit einem Schlage ganz außerordentliche Bedeutung.

Und als einen solchen, bisher gänzlich unbeachteten Umstand erwähne ich die Tatsache, daß man, dank der Beschaffenheit des herkömmlichen Geldes, die Nachfrage (also das Angebot des Geldes) von einem Tage, von einer Woche, ja sogar von einem Jahre zum andern verschieben kann, ohne unmittelbare Verluste zu erleiden – während das Angebot (das Angebot der Waren) durchweg nicht um einen Tag zurückgehalten werden kann, ohne daß dem Besitzer Unkosten aller Art erwachsen.

Die im Juliusturm aufgespeicherte Nachfrage von 180 Millionen z. B. war in über 40 Jahren nicht einmal betätigt wurden, und die Unkosten, die dem Staat dieser sogenannte Kriegsschatz verursacht hat, kamen allein von außen, nicht vom Innern des Turmes. Menge und Güte des Goldes waren durchaus unverändert geblieben. Nicht ein Pfennig war durch Stoffverlust verloren gegangen. Der Soldat, der dort Wache hielt, fahndete nicht nach Motten und Schimmel, sondern nach Einbrechern. Er wußte, daß, solange die Tür nicht erbrochen war, dem Schatz durchaus nichts geschehen konnte.

Dagegen kostet der in Bern aufgehäufte wirkliche Kriegsschatz, der sogenannte Bundes-Weizen, der Schweiz jährlich neben den Kosten der Aufspeicherung, Bewachung, Wartung, noch 10 % Stoffverlust. (Ohne den Zins, auf den man auch beim Spandauer Schatz verzichtet hatte.)

Die Gegenstände, die das Angebot vertreten, verderben; sie verlieren an Gewicht und Güte, fallen gegenüber den frischen Erzeugnissen ständig im Preise.

Bruch, Rost, Fäulnis, Nässe, Hitze, Kälte, Wind, Blitz, Staub, Mäuse, Motten, Fliegen, Spinnen, Feuer, Hagel, Erdbeben, Krankheiten, Unglücksfälle, Überschwemmungen und Diebe nagen nachdrücklich und ohne auszusetzen an der Güte und Menge der Waren, und nicht viele unter ihnen gibt es, die nicht bereits nach wenigen Tagen oder Monaten deutliche Spuren dieser Angriffe zeigen. Und gerade die wichtigsten und unentbehrlichsten unter den Waren, die Lebensmittel und Kleider, widerstehen ihren Feinden am schlechtesten.

Wie alles Irdische, so ist die Ware in steter Umwandlung begriffen. Wie der Rost sich im Feuer in reines Eisen zurückverwandelt, so verwandelt sich das reine Eisen im langsamen Feuer der Luft wieder in Rost. Der schöne Pelz fliegt in Gestalt von tausend Motten zum Fenster hinaus, das Holzwert des Hauses wird von den Würmern in Staub verwandelt, und selbst das Glas, das dem Zahn der Zeit besser als andere Waren widersteht, sucht die Umgestaltung wenigstens als Scherbe mitzumachen.

So hat jede Ware ihren besonderen Feind; für Pelzwaren sind es die Motten, für Glaswaren der Bruch, für Eisenwaren der Rost, für die Tiere Krankheiten aller Art, und zu diesen Einzelfeinden gesellen sich noch gemeinsame Feinde, die für alle Waren gelten – Wasser, Feuer, Diebe usw. und der Sauerstoff der Luft, der langsam aber sicher alles verbrennt.

Wer die Waren gegen alle diese Verluste versichern wollte, wieviel Versicherungsgeld müßte er wohl bezahlen? Wieviel bezahlt der Ladenbesitzer allein an Miete für den Platz, wo seine Waren lagern?

Aber die Ware verdirbt nicht nur, sondern sie veraltet auch. Wer würde heute noch einen Vorderlader, ein Spinnrad kaufen? Wer würde für solche Gegenstände auch nur die Rohstoffkosten bezahlen? Die Warenerzeugung wirft ständig neue, bessere Muster auf den Markt, und kaum hatte der Zeppelin seine Lenkbarkeit gezeigt, so wurde er schon überflügelt, figürlich sowohl wie tatsächlich.

Wie kann sich nun der Warenbesitzer gegen solche Verluste schützen? Nur dadurch, daß er seine Ware so schnell wie möglich verkauft. Und um sie zu verkaufen, muß er sie anbieten. Die Waren, sein Eigentum, zwingen ihn geradezu zum Angebot. Widersteht er diesem Zwange, so wird er bestraft, und die Strafe vollstreckt sein Eigentum, die Ware.

Dabei ist zu bedenken, daß unausgesetzt neue Waren auf den Markt kommen, daß die Kuh regelmäßig alle Tage gemolken werden muß, daß der Besitzlose durch den unmittelbaren Hunger gezwungen ist, täglich zu arbeiten. Das Angebot muß also größer, dringender werden in demselben Maße, wie etwa der Verkauf, der Absatz stockt. Der Regel nach ist darum auch der Zeitpunkt, wo die Ware die Fabrik verläßt, der günstigste für den Verkauf, und je länger der Verkauf hinausgeschoben wird, um so ungünstiger werden die Marktverhältnisse.

Warum läuft und schreit der Zeitungsverkäufer? Weil seine Ware wenige Stunden nach der Geburt schon wertlos wäre. Der Milchhändler hat eine helltönende Glocke an seinem Wagen angebracht, er darf den Tag, will sagen die Stunde und Minute nicht für den Verkauf verpassen. Die Gemüsefrau steht von allen Bürgern zuerst auf, sie weckt den Haushahn regelmäßig aus seinem Schlaf. Der Metzger darf die Zeit auch nicht verschlafen, er kann nicht wegen der Pfingstfeier den Laden schließen – denn alsbald würde sein ganzer Fleischvorrat in Fäulnis geraten. Der Bäcker gar kann seine Ware zum regelrechten Preis nur absetzen, solange die Brötchen noch warm sind. Er hat es jahraus jahrein ebenso eilig wie die braven Züricher, die den heißen Hirsebrei nach Straßburg bringen. Und der Bauer, der mit der Pflugschar die Kartoffeln aus der Erde geworfen und sie nun den Nachtfrösten ausgesetzt hat? Er sammelt sie eilig und bringt sie mit gleicher Eile auf den Markt – um das schöne Wetter auszunutzen und um das mehrfache, mühsame Auf- und Abladen seiner billigen und schweren Ware möglichst zu verhüten.

Und das Heer von Arbeitern, die 10 000 Arbeiterbataillone? Haben es diese nicht ebenso eilig wie der Zeitungsmann, die Gemüsefrau, der Bauer? Wenn sie nicht arbeiten, geht mit jedem Pendelschlag der Uhr ein Teil ihrer Habe, ihrer Arbeitskraft, verloren.

So sehen wir, wie die Natur der Ware, ihre Vergänglichkeit, die große Mehrheit des Volkes aus dem Schlafe rüttelt, sie zur Eile anspornt und sie zwingt, regelmäßig zu einer bestimmten Stunde auf dem Markte zu erscheinen. Die Eigentümer erhalten von der Ware den Befehl, sie zu Markte zu führen, unter Androhung von Strafe, die die Ware auch selbst vollstreckt. Das Angebot der Ware geht also von der Ware aus, nicht vom Eigentümer; einen Willen laßt die Ware ihrem Eigentümer nur in seltenen Ausnahmen und dann nur in beschränktem Maße. So könnte der Bauer z. B. das Korn nach erfolgtem Drusch in seiner Scheune aufspeichern, um eine bessere Verkaufsgelegenheit abzuwarten. Die Natur des Kornes läßt dem Eigentümer mehr Mühe zum Überlegen als die Natur des Salats, der Eier, der Milch, des Fleisches, der Arbeitskraft. Aber lange darf der Bauer auch nicht überlegen, denn das Korn verliert an Gewicht und Güte, wird von Mäusen und Gewürm angegriffen und muß vor Feuer und anderen Gefahren geschützt werden. Übergibt der Bauer den Weizen einem Lagerhaus, so kostet ihn die Sache in 6 Monaten einen bedeutenden Teil des Weizens, ganz abgesehen vom Zins.

Auf alle Fälle muß aber der Weizen vor der nächsten Ernte verkauft werden, und diese Zeitspanne ist jetzt durch die regelmäßigen Zufuhren von der südlichen Halbkugel auf 6 Monate herabgesetzt.

Frl. Zelie, vom Théatre Lyrique Paris (1860) erhält für ein Konzert auf der Insel Makea im Stillen Ozean als Eintrittsgeld für 860 verkaufte Billets: 3 Schweine, 23 Welschhühner, 44 Hühner, 500 Kokosnüsse, 1200 Ananas, 120 Matz Bananen, 120 Kürbisse, 1500 Orangen. Sie schätzt nach Pariser Marktpreisen die Einnahme auf 4000 Franken, Sie fragt: wie soll ich das Zeug zu Geld machen? Soll ich es verzehren? Man sagt, daß ein Spekulant von der benachbarten Insel Manyca mir Kaufangebote in klingender Münze machen wird. Inzwischen gebe ich meinen Schweinen, um sie am Leben zu erhalten, die Kürbisse zu fressen, und die Puten und Hühner verzehren die Bananen und Orangen, so daß ich, um den animalischen Teil meines Kapitals zu erhalten, den vegetabilischen opfern muß. Wirth: Das Geld. S. 7.

Man kann also sagen, ohne auf Widerspruch zu stoßen, daß das Angebot durchweg einem mächtigen, täglich wachsenden, alle Hindernisse überwindenden, im Stoff liegenden Zwang unterliegt, einem Zwang, der den angebotenen Dingen von Natur aus anhaftet. Das Angebot kann nicht hinausgeschoben werden. Unabhängig vom Willen der Warenbesitzer muß das Angebot täglich auf dem Markte erscheinen. Ob es regnet, schneit oder ob die Sonne brennt, ob politische Gerüchte die Börse beunruhigen, das Angebot ist immer gleich dem Vorrat an Waren. Und selbst dann noch ist das Angebot gleich dem Warenbestand, wenn der Preis der Waren unbefriedigend ist. Ob der Preis dem Erzeuger Gewinn oder Verlust bringt – einerlei, die Waren werden angeboten, müssen angeboten werden, und zwar in der Regel sofort.

Darum können wir das Angebot von Waren, d. i. die Nachfrage nach Geld, mit der Ware selbst als wesenseins ansehen, sie von menschlichen Handlungen unabhängig erklären. Das Angebot ist eine Sache, ein Gegenstand, ist Stoff, keine Handlung. Das Angebot ist immer gleich dem Warenbestand.

Die Nachfrage ist dagegen, wie schon gesagt, von solchem Zwange befreit. Aus Gold hergestellt, einem Edelmetall, das, wie schon diese Bezeichnung andeutet, eine Ausnahmestellung unter den irdischen Stoffen einnimmt und sozusagen als Fremdkörper dieser Erde betrachtet werden kann, widersteht es siegreich allen Zerstörungskräften der Natur.

Das Gold rostet nicht und fault nicht, es bricht nicht und stirbt nicht. Frost, Hitze, Sonne, Regen, Feuer – nichts kann ihm schaden. Das Geld, das wir aus Gold machen, schützt seinen Besitzer vor jedem Stoffverlust. Auch die Güte ändert sich nicht. Vergraben wir einen goldenen Schatz, meinetwegen in einem Morast, ohne irgendwelche Hülle, so wird dieser Schatz noch nach 1000 Jahren ganz unversehrt sein.

Dabei ist auch die Neuförderung des Goldes, im Verhältnis zu der seit Urzeiten aufgespeicherten Goldmasse, unerheblich, sie wird in 3 oder 6 Monaten, ja in einem Jahre, kaum 1 ‰ des Goldbestandes betragen.

Auch vom Modenwechsel wird das Goldgeld nicht berührt, denn der einzige Modenwechsel, der hier in 4000 Jahren stattfand, war der Übergang von der Doppelwährung zur einfachen Goldwährung.

Das einzige, was das Gold vielleicht zu fürchten hat, wäre die Erfindung eines brauchbaren Papiergeldes, aber selbst gegen solche Möglichkeit ist der Goldbesitzer dadurch geschützt, daß solches Papiergeld nur durch den Willen des Volkes zustande kommen kann – ein schwerfälliger Feind, der ihm Zeit zur Flucht läßt.

So ist der Besitzer des Goldes vor jedem Stoffverlust durch die eigentümlichen Eigenschaften dieses Fremdkörpers geschützt. Die Zeit geht am Gold spurlos vorüber, der Zahn der Zeit kann ihm nichts anhaben.

Der Besitzer des Goldes wird nicht von seinem Eigentum zum Verkauf gedrängt. Er kann warten; freilich verliert er den Zins, solange er wartet. Aber kommt der Zins vielleicht nicht gerade daher, daß der Besitzer des Goldes warten kann? Auf alle Fälle verliert der Besitzer der Ware, der auf den Verkauf warten muß, auch den Zins. Er verliert den Zins und hat den Stoffverlust, dazu noch die Unkosten der Lagerung und Wartung, während der Besitzer des Goldes nur die Gelegenheit zu einem Gewinn verpaßt.

Der Besitzer des Goldes kann also die Nachfrage nach Waren hinausschieben; er kann seinen Willen geltend machen. Freilich wird er früh oder spät das Gold anbieten, denn an sich ist es ihm nutzlos, aber den Zeitpunkt, wo das geschieht, kann er auswählen.

Das Angebot ist mit den vorhandenen Warenmassen immer genau zu messen, es deckt sich mit diesen Waren. – Die Ware befiehlt, duldet keinen Widerspruch; der Wille des Warenbesitzers ist so machtlos, daß wir ihn füglich unberücksichtigt lassen können. Bei der Nachfrage dagegen kommt der Wille des Geldbesitzers zur Geltung; das Gold ist gefügiger Diener seines Herrn. Der Besitzer des Geldes führt die Nachfrage an der Leine wie einen Hund; und der Hund beißt, wenn er gehetzt wird. Und auf wen könnte die Nachfrage wohl gehetzt werden? Oder, um die Marxsche Bildersprache zu gebrauchen: die Nachfrage betritt den Markt, frei und stolz einherschreitend, wie jemand, der, an den Sieg gewöhnt, ihn für selbstverständlich hält; das Angebot, in gedrückter, bescheidener Haltung, wie jemand, der nichts zu erwarten hat – als die Gerberei. Dort Zwang, hier Freiheit, und die Vereinigung beider – des Zwanges auf der einen, der Freiheit auf der anderen Seite – bestimmt den Preis.

Und woher dieses verschiedene Verhalten? Weil der eine unverwüstliches Gold zu verkaufen hat, der andere vergängliche Dinge aller Art. Weil der eine warten kann und der andere nicht. Weil der eine den Tauschvermittler besitzt und er den Tausch, dank der körperlichen Eigenschaften des Tauschvermittlers, ohne persönlichen Schaden zu erleiden, verschieben kann, während dem anderen aus solcher Unterbrechung ein unmittelbarer Schaden erwachsen würde, der um so schwerer wird, je länger die Unterbrechung anhält. Weil dieses Verhältnis den Warenbesitzer in Abhängigkeit vom Geldbesitzer bringt oder, um es in der kurzen und klaren Weise von Proudhon auszudrücken: Weil das Gold nicht Schlüssel, sondern Riegel des Marktes (des Warenaustausches) ist.

Wenn nun die Nachfrage die Freiheit, die sie genießt, sich zunutze macht und vom Markte fernbleibt?

Dann wirkt der Zwang, dem das Angebot unterliegt, dahin, daß das Angebot die Nachfrage aufsucht, ihr entgegeneilt, sie heranzulocken sucht durch Anbieten irgend eines Vorteiles.

Das Angebot braucht die Nachfrage und zwar sofortige Nachfrage, und der Nachfrage ist diese Notlage oder Zwangslage des Angebots bekannt.

Folglich wird die Nachfrage der Regel nach eine Sonderleistung zu fordern imstande sein für das Vorrecht, vom Markte fernbleiben zu können.

Und warum sollte der Besitzer des Geldes nicht diese Sonderleistung einfordern? Ist nicht unsere ganze Wirtschaft, die Preisbestimmung durch Nachfrage und Angebot, auf der Ausbeutung der Verlegenheiten des Nächsten begründet, – wie wir das mit der Ausführlichkeit, die die Sache verdient, gezeigt haben?

Nehmen wir an, Müller und Schmied, durch Raum und Zeit getrennt, wollen ihre Erzeugnisse, Mehl und Nägel, austauschen und brauchen zu dem Zwecke das Geld, das Meyer verfügbar hat. Meyer kann den Tausch, wenn er will, mit seinem Gelde sofort vermitteln, er kann den Tausch aber auch verzögern, verschleppen, unterbinden, einfach verbieten, denn sein Geld läßt ihm ja Freiheit, den Zeitpunkt für die Vermittlung des Tausches auszuwählen. Ist es da nicht selbstverständlich, daß Meyer sich diese Macht bezahlen läßt und daß Müller und Schmied in einen Abzug an ihrer Forderung für Mehl und Nägel einwilligen müssen? Was bleibt ihnen anderes zu tun übrig? Verweigern sie dem Geld die Abgabe, so zieht sich das Geld einfach vom Markte zurück, und Müller und Schmied müssen unverrichteter Sache ihre Habe mit schweren Unkosten wieder nachhause bringen. Müller und Schmied werden dann gleichzeitig als Verbraucher wie als Erzeuger in Not sein. Als Erzeuger, weil ihre Sache verdirbt, als Verbraucher, weil sie die Dinge entbehren, für deren Eintausch sie ihre Ware zu Markte brachten.

Wenn Meyer statt Gold irgend eine andere Ware als Tauschmittel besäße, etwa Tee, Pulver, Salz, Vieh oder Freigeld, so würden die Eigenschaften dieser Tauschmittel ihm die Freiheit einer Verschleppung der Nachfrage und damit auch die Macht nehmen, eine Abgabe von den anderen Waren zu erheben.

Wir können also sagen: unser heutiges Geld vermittelt der Regel nach (also kaufmännisch) den Austausch der Waren nur unter Erhebung einer Abgabe. Ist der Markt die Straße, auf der die Waren ausgetauscht werden, so ist das Geld der Schlagbaum, der nur nach Zahlung des Wegegeldes gehoben wird. Das Wegegeld, der Profit, die Abgabe, der Zins, oder wie man es nennen mag, ist die allgemeine Voraussetzung des Warenaustausches. Ohne diese Abgabe kein Tausch.

Und man verstehe mich hier recht. Ich spreche nicht vom Handelsgewinn, von der Bezahlung, die der Kaufmann für seine Arbeit verlangt und verlangen kann. Das, wovon ich hier spreche, ist der Sondergewinn, den der Geldbesitzer von den Warenerzeugern darum verlangen kann, weil er den Austausch ihrer Waren durch Zurückhalten des Geldes zu verhindern vermag. Das hat mit dem Handelsgewinn nichts gemein; es ist eine gesonderte Leistung, die das Geld für sich einzieht, eine Abgabe, die das Geld erheben kann, weil es frei ist vom stofflichen Angebotszwang, dem die Waren allgemein unterworfen sind. Zwang, dinglicher, der Ware anhaftender Zwang beim Angebot; Freiheit, Wille, Unabhängigkeit von der Stunde, von der Zeit bei der Nachfrage – das Ergebnis muß notwendig eine Abgabe sein. Die Ware muß dem Gelde diese Freiheit bezahlen, es geht nicht anders. Ohne diesen Tribut wird kein Geld angeboten; ohne dem Geld die Tauschvermittlung zu bezahlen, erreicht keine Ware den Bestimmungsort. Kann aus irgendeinem Grunde das Geld seine gewohnte Steuer nicht erheben, so bleiben die Waren liegen, sie verderben, verfaulen, vergehen (Krise).

Und ist schon das Erheben einer Abgabe selbstverständliche Voraussetzung der Nachfrage, so ist der Fall erst recht ausgeschlossen, daß sich die Nachfrage auf dem Markte einstellt, wenn ihr dort unmittelbar Verluste winken. Das Angebot stellt sich ein ohne jede Rücksicht auf Gewinn und Verlust; die Nachfrage zieht sich bei schlechten Aussichten in ihre Festung (das ist die Unverwüstlichkeit) zurück und wartet dort mit Seelenruhe, bis die Verhältnisse für einen Ausfall günstiger werden.

Nachfrage, regelrechtes kaufmännisches Angebot des Geldes gegen Waren, gibt es also nur, solange die Marktverhältnisse:

  1. genügende Sicherheit gegen Verluste und
  2. dem Geld eine Abgabe bieten.

Der genannte Tribut läßt sich jedoch nur durch den Verkauf der Waren erheben, und dazu ist die Erfüllung einer Bedingung erforderlich: in der Zeit, die zwischen Kauf und Verlauf der Ware liegt, darf der Preis der betreffenden Ware nicht sinken. Der Verkaufspreis muß über dem Einkaufspreis stehen, denn in dem Unterschied beider Preise steckt der Tribut. In geschäftlichen Glanzzeiten (Hochkonjunkturen), wo der Durchschnitt der Warenpreise aufwärts strebt, wird sich die Erwartung der Kaufleute auch aller Regel nach erfüllen. Der genannte Preisunterschied oder Profit deckt dann die Unkosten des Kaufmanns und die Abgabe, die das Geld fordert. Bei einer rückwärts gerichteten Konjunktur (Preisfall) ist die Erhebung der Abgabe jedoch zweifelhaft, oft sogar unmöglich. Der Zweifel genügt aber schon, um den Kaufmann zu veranlassen, vom Kauf der Waren abzustehen. Welcher Kaufmann, Wucherspieler, Unternehmer wird sich zum Bankhaus oder zur Sparkasse begeben, dort einen Wechsel verkaufen, sich zur Zahlung von Zins verpflichten, wenn er befürchtet, daß das, was er mit dem geborgten Geld zu kaufen gedenkt, im Preise sinkt, so daß er vielleicht nicht einmal die Auslagen wiederzuerhalten hoffen kann?

Vom Standpunkt der Bedingungen, von denen das Geld seine Vermittlerdienste abhängig macht, ist der Handel bei niedergehenden Preisen rechnerisch unmöglich! Man beachte aber hier, daß nur der Geldbesitzer von solcher rechnerischen Unmöglichkeit spricht. Beim Warenbesitzer sind auch die schwersten rechnerischen Verluste kein Hindernis für das Angebot, da gibt es keine rechnerischen Unmöglichkeiten. Die Ware ist unter allen Umständen zum Tausch bereit, einerlei ob Gewinn oder Verlust dabei winkt. Das Geld aber streikt, sobald die gewohnte Abgabe unsicher ist, und das trifft ein, wenn aus irgendeinem Grunde das Verhältnis zwischen Nachfrage und Angebot gestört wird und die Preise sinken.

Halt! Einen Augenblick! Was ist da gesagt worden? Die Nachfrage zöge sich zurück, der Umlauf des Geldes wäre rechnerisch unmöglich, sobald die Preise zurückgehen! Aber die Preise gehen doch zurück, gerade weil das Angebot von Geld ungenügend ist! Und weil das Geldangebot nicht genügend ist, um einen Preisrückgang zu verhüten, zöge es sich zurück, würde also noch kleiner?

Gewiß, so ist es; es ist kein Schreib- oder Druckfehler in diesem Satze. Das Geld zieht sich tatsächlich vom Markte zurück, der Umlauf des Geldes ist unmöglich, rechnerisch unmöglich, sobald das Angebot des Geldes ungenügend ist und ein Rückgang der Warenpreise eintritt oder erwartet wird.

Als nach Einführung der Goldwährung die Geldherstellung um den ganzen Betrag der Silberförderung abnahm und die Preise fielen, da war auch der Umlauf des Geldes unmöglich geworden, und das Geld häufte sich in den Banken an. Der Zinsfuß ging ständig zurück. Als dann die Bimetallisten (Vertreter der Doppelwährung) ihren Kriegszug gegen die Goldwährung eröffneten und die damals herrschende andauernde Wirtschaftskrise mit einer ungenügenden Geldversorgung begründeten, da wiesen die Bamberger und Genossen auf die großen Bankbestände, auf den niedrigen Zinsfuß und erklärten diese Erscheinungen als einen unumstößlichen Beweis dafür, daß es eigentlich noch zu viel Geld gäbe. Den Preisfall begründeten sie mit einem allgemeinen Rückgang der Erzeugungskosten (auch des Goldes?), mit einer Zuvielerzeugung (Überproduktion) an Waren.

Die Doppelwährungsfreunde, vor allen Laveleye, entkräfteten diese Beweisführung glänzend durch den Nachweis, daß das Geld kaufmännisch nicht umlaufen kann, sobald es nicht in einer Menge angeboten wird, die genügt, um einen Rückgang der Preise zu verhindern. Die großen Bankbestände, der niedrige Zins wären der schlagendste Beweis dafür, daß nicht genügend Geld angeboten wurde.

Jedoch unsere im Wertnebel herumirrenden Währungsphilosophen haben diesen Sachverhalt niemals begriffen. Und auch heute noch ist er ihnen nicht klar, obschon die Entwicklung der Geldverhältnisse ihnen inzwischen genügende Beweise für die Richtigkeit dieser bimetallistischen Theorie geliefert hat. Denn seitdem der Zufall große Mengen Goldes hat finden lassen und die Warenpreise auf der ganzen Linie mächtig aufwärts streben, sind die großen Bankbestände verschwunden und der Zinsfuß ist höher als je. Also ist es doch so, daß die Banken sich füllen, daß der Zinsfuß fällt, weil es an Geld fehlt; und daß umgekehrt die Banken sich leeren und der Zinsfuß steigt, weil zuviel Geld angeboten wird.

Und die Preise fallen ja gerade darum, weil das Geldangebot ungenügend ist.

Dabei ist es gar nicht einmal nötig, daß die Warenpreise tatsächlich fallen, um das Geld zu veranlassen, sich vom Markte in seine Festung zurückzuziehen. Es genügt dazu, daß nach allgemeiner Ansicht die Preise fallen werden (wobei es wieder ganz einerlei ist, womit solche Ansicht begründet wird), um die Nachfrage stutzig zu machen, um das Angebot des Geldes zu verhindern und um dadurch das, was man erwartet oder befürchtet, wirklich eintreten zu lassen.

Liegt in diesem Satz nicht eine Offenbarung? Zeigt sie uns die Natur der Wirtschaftskrisen nicht mit einer Deutlichkeit, die keine der dickleibigen Untersuchungen über den Gegenstand erreicht? Der Satz zeigt uns, wie es kommt, daß manchmal über Nacht ein Krach, eine Krise, ein schwarzer Freitag ausbrechen kann, der Tod und Verderben um sich streut.

Die Nachfrage verschwindet, verbirgt sich, weil sie ungenügend war, um den Austausch der Waren aus Grund des bisherigen Preisstandes auszuführen! Das Angebot war größer als die Nachfrage, darum muß sich die Nachfrage ganz zurückziehen. Der Kaufmann schreibt eine Bestellung aus auf Kattun. Hört er aber, daß die Kattunherstellung gestiegen ist, so wirft er den Bestellungsbogen in den Papierkorb! Ist das nicht köstlich?

Aber wirft die Erzeugung nicht ständig neue Warenmassen auf den Markt, und wachsen darum nicht die Bestände, sobald der Absatz stockt? Steigt nicht das Wasser im Flußbett, wenn man die Schleusen schließt?

Das Angebot wird also größer, dringender, weil die Nachfrage zögert, und die Nachfrage zögert ja nur darum, weil das Angebot zu groß ist im Verhältnis zur Nachfrage.

Auch hier ist weder Schreib- noch Druckfehler. Die vom Standpunkt des Unbeteiligten so lächerliche Erscheinung der Wirtschaftskrisen muß auch eine lächerliche Ursache haben. Die Nachfrage wird kleiner, weil sie schon zu klein ist, das Angebot wird größer, weil es schon zu groß ist. Hier mögen die Mitglieder des Vereins zum Schutze der deutschen Goldwährung »einen Seufzer fahren lassen und, wenn es geht, noch einen«.

Aber das Lustspiel wächst sich noch zum Trauerspiel aus. Nachfrage und Angebot bestimmen den Preis, d. h. das Verhältnis, in dem Geld und Waren ausgetauscht werden. Je mehr Waren angeboten werden, desto größer ist die Nachfrage nach Geld. Die Waren, die im Tauschhandel oder auf Kreditwegen den Käufer erreichen, sind für die Nachfrage nach Geld verloren. Die Preise steigen also, wenn die Leihverkäufe zunehmen, denn die gegen Geld angebotenen Warenmassen nehmen um den Betrag dieser Kreditverkäufe ab, und Nachfrage und Angebot bestimmen die Preise, d. h. das Verhältnis, in dem Geld und Waren ausgetauscht werden.

Umgekehrt müssen darum auch die Preise fallen, wenn die Kreditverkäufe abnehmen, weil dann die Waren, die auf diesen Seitenkanälen den Käufer erreichten, auf die Nachfrage nach Bargeld zurückfallen.

Das Angebot von Waren gegen Bargeld wächst also im Verhältnis wie die Kreditverkäufe abnehmen.

Die Kreditverkäufe nehmen dann ab, wenn die Preise fallen, wenn der Verkaufspreis unter dem Einstand steht, wenn der Kaufmann der Regel nach an seinen Warenbeständen verliert, wenn er die Stücke des Lagerbestandes, für die er 1000 gezahlt hat, jetzt am Tage der Bestandsaufnahme für 900 kaufen kann und darum auch für 900 in die Inventur einstellen muß. Die Sicherheit des Kaufmannes steigt und fällt mit den Preisen seiner Waren, und darum fallen und steigen auch die Kreditverkäufe mit dem Fallen und Steigen der Warenpreise.

So bekannt diese Sache ist, so wenig Absonderliches hat man darin gefunden. Und die Sache ist doch seltsam genug.

Steigen die Preise, d. h. ist die Nachfrage größer als das Angebot, so kommt der Kredit herbeigeeilt, entzieht dem Geld einen Teil der Waren und treibt so die Preise noch höher. Fallen aber die Preise, so zieht sich der Kredit zurück, die Waren fallen auf das Bargeld zurück und drücken die Preise noch weiter hinunter!

Braucht man noch weiter nach einer Erklärung der Wirtschaftskrisen zu suchen? Im Reichstag wurde 1907 der Betrag der in Deutschland umlaufenden Wechsel mit 35 Milliarden Mark angegeben. Wenn es sich hier vielleicht auch nur um die Gesamtsumme der während eines Jahres abgestempelten Wechsel handeln sollte, die dann, auf 3-Monats-Wechsel umgerechnet, auf 9 Milliarden Mark zusammenschrumpft, so zeigt diese Summe doch, welche Gefahr für die Stetigkeit der Nachfrage (und der Preise) dieser von Stimmungen und Marktverhältnissen abhängige Kredit und Wettbewerber des Geldes in sich birgt.

Weil wir unsere Erzeugungsmittel verbesserten, weil wir fleißig und erfinderisch waren, weil wir gutes Wetter, gute Ernten hatten, weil wir fruchtbar waren, weil wir die Arbeitsteilung, die Mutter allen Fortschritts gepflegt haben usw., ist das Angebot von Waren, die Nachfrage nach Geld gewachsen, und weil wir dieser größeren Nachfrage nach Geld kein verstärktes Angebot von Geld entgegenwarfen, fielen die Preise der Waren.

Und weil die Preise fielen, wurde die Nachfrage zurückgezogen, das Geld verscharrt. Und weil die Nachfrage zurückgezogen wurde und der Absatz stockte, türmten sich die Waren zu Bergen an, wie die Eisschollen auf dem Rhein, wenn der Eisgang irgendwo stockt. Das Angebot durchbricht die Dämme, überschwemmt die Märkte, und zu jedem Preise werden die Waren losgeschlagen. Aber gerade weil die Preise auf der ganzen Linie zurückgehen, kann kein Kaufmann Ware kaufen, denn er muß ja befürchten, daß das, was er heute so verlockend billig kauft, von seinem Konkurrenten morgen noch billiger gekauft wird, und daß er dann nicht schritthalten kann. Die Waren sind unverkäuflich, weil sie zu billig sind und noch billiger zu werden drohen. Die Krise!

Aber gerade weil die Krise ausgebrochen ist, weil das Haben (Altivum) der Kaufleute zusammenschrumpft, während das Soll (Passivum) (den Aktiven gegenüber) gestiegen ist, weil jeder, der Geldlieferungsverträge Geldlieferungsverträge sind Wechsel, Schuldscheine, Schuldverschreibungen, Pacht und Mietverträge, Versicherungen aller Art usw. abgeschlossen hat, diesen der sinkenden Warenpreise (Aktiva) wegen nicht nachkommen kann, weil auch schon Zahlungseinstellungen vorkommen und der ganze Warenaustausch in ein Glücksspiel ausgeartet ist, darum werden die Kreditverkäufe eingeschränkt, und dann wächst die Nachfrage nach Bargeld um die ganze Masse der auf dem Kreditwege bis dahin ausgetauschten Waren – gerade zu einer Zeit, wo das Bargeld ungenügend vertreten ist und darum vergraben wird!

Wie das Feuer den Luftzug erzeugt, der den Brand belebt, so stärkt heute die Unterbrechung des Geldumlaufes die Nachfrage nach Geld. Nirgendwo sieht man die ausgleichenden Kräfte wirken, von denen noch so viele träumen. Verschärfung, nicht Milderung; von Ausgleich, von regelnden Kräften nirgendwo eine Spur.

Diesen Ausgleich bei wachsender Nachfrage nach Geld (Angebot von Waren) suchen noch manche in einem beschleunigten Geldumlauf, indem sie annehmen, daß der Wunsch, billig zu kaufen, das Geld in verstärktem Maße zu Markte führen muß, und zwar aus den Rücklagen! Aber das Umgekehrte ist der Fall. Die Preissteigerung reizt den Kaufmann zum Kauf, nicht der Preisrückgang. Der Preisrückgang kann ihm ja nur Schaden bringen. Die Furcht, daß das, was heute so billig Billig ist im kaufmännischen Sinne keine Ware an sich, sondern nur im Verhältnis zum Erlös. Solange die Preise fallen, sind alle Waren teuer; billig werden sie, wenn die allgemeine Preissteigerung den Verlaufspreis über den Einstandspreis hebt. angeboten wird, morgen noch billiger sein wird, schnürt alle Börsen zu, und tatsächlich sehen wir ja auch nur so oft und so lange offene Börsen, wie man eine Preissteigerung erwartet. Übrigens, wo sind diese berühmten Rücklagen? Etwa bei den Banken? Die Banken ziehen ihre Gelder aus dem Verkehr, wenn der Verkehr keine Sicherheit mehr bietet infolge allgemeinen Preisrückganges der Waren, aber die Millionen, die so dem Markte zu einer Zeit entzogen werden, wo sie dort am nötigsten sind, können doch nicht als Rücklagen betrachtet werden. Wenn bei einer Mißernte der Gerichtsvollzieher dem Bauer die Kuh pfändet, so wächst darum der Viehbestand nicht. Die Banken sind immer überfüllt, wenn die Preise fallen, d. h. also, wenn das Geldangebot unzureichend ist; sie sind leer, wenn die Preise steigen. Wäre es umgekehrt, so könnte man von Rücklagen reden. Wenn es also Rücklagen gibt, so müßte man sie zur Förderung des Warenaustausches so schnell wie möglich auflösen, denn ihr Dasein wäre eine weitere Ursache für Preisschwankungen. Rücklagen, also Geldansammlungen, können nur dadurch gebildet werden, daß man das Geld dem Umlauf, dem Markte, dem Warenaustausch, seiner Bestimmung entzieht; wenn man aber solche Rücklagen immer nur dann bildet, wenn es sowieso schon auf dem Markte an Geld fehlt, so müssen wir sie geradezu als Gift bezeichnen.

Das ist also das Gesetzmäßige in der Nachfrage, daß sie verschwindet, sobald sie ungenügend ist.

Aber wie ist es, wenn sie etwa im Verhältnis zum Angebot zu groß ist, wenn die Warenpreise steigen? Denn auch mit einer solchen Möglichkeit muß man rechnen. Es geht auch das aus unserer Darstellung (S. 177) klar hervor, und die Marktgeschichte der letzten Jahrzehnte ist da, um solches zu beweisen. Es leugnet niemand, daß alle Preise, trotz großartig vermehrter Warenerzeugung, etwa seit 1895 arg gestiegen sind.

Was macht nun der Besitzer des Geldes, wenn die Preise steigen, wenn er das, was er heute kauft, voraussichtlich oder gar erfahrungsgemäß morgen teurer verkaufen kann, wenn also die Preissteigerung alles billig macht (vergl. die Fußnote S. 187), wenn der Umsatz des Geldes steigenden Gewinn abwirft?

Antwort: er kauft soviel er kann, d. h., für soviel, wie sein Geld und das, was er geborgt erhält, erlauben. Und Kredit genießt der Kaufmannsstand – solange die Preise steigen, solange der Verkaufspreis der Waren über dem Einstandspreis steht. Dabei bringt es die rosige Stimmung, die die steigenden Gewinnsätze bei der Kaufmannschaft unterhalten, wieder mit sich, daß man sich rascher als sonst zum Kauf entschließt, daß man das Geld nicht zehnmal umdreht, ehe man es ausgibt. Das Geld läuft schneller um, wenn die Preise steigen, der Geldumlauf erreicht in der geschäftlichen Glanzzeit (Hochkonjunktur) die Höchstgeschwindigkeit, die die Handelseinrichtungen überhaupt gestatten.

Und die Nachfrage ist gleich der Masse und der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes. Und Nachfrage und Angebot bestimmen die Preise.

Also weil die Preise stiegen, wächst die Nachfrage nach Waren durch beschleunigten Geldumlauf, und gleichzeitig geht das Angebot von Waren (gegen Bargeld) zurück wegen vermehrter Kreditverkäufe. Die Preise steigen also weiter, weil die Preise steigen. Die Nachfrage wird belebt, sie wächst, weil sie zu groß ist. Der Kaufmann kauft Ware weit über den unmittelbaren Bedarf hinaus, er sucht sich zu decken – weil das Angebot zu gering ist im Verhältnis zur Nachfrage. Als das Angebot wuchs und im Verhältnis zur Nachfrage zu groß war – da beschränkte der Kaufmann seine Bestellungen auf das Mindestmaß, auf das, was er unmittelbar absetzen konnte. Er wollte und konnte zwischen Kauf und Verkauf keine Zeit verstreichen lassen, denn in dieser Zeit wäre der Verkaufspreis unter den Einstandspreis gefallen. Jetzt, da es an Waren fehlt, – da kann er nicht genug kaufen, da scheint ihm alles, was er kauft, zu wenig, da möchte er ein großes Lager haben. Die Wechselschulden, die er etwa hierbei macht, schrumpfen gegenüber seinem Haben, den Aktiven, die durch die Preissteigerung immer größer werden, täglich zusammen, sie machen ihm keine Sorgen – solange die Preise steigen.

Ist auch das nicht wieder eine ganz tolle Erscheinung, würdig der tollen Erscheinungen in der Hochkonjunktur?

Die Nachfrage nach Waren wächst, muß gesetzmäßig weit über das gewöhnliche Maß hinaus wachsen, so oft und solange das Angebot ungenügend ist.

Jawohl, die Metallwährung, unsere mit dem Wertbrei gespeiste Goldwährung, bewährt sich. Das hat unsere Untersuchung klar bewiesen. Sie erzeugt eine wachsende Nachfrage, wenn diese schon an sich zu groß ist, und schränkt die Nachfrage auf die persönlichen, leiblichen Bedürfnisse der wenigen Geldbesitzer ein, sobald sie an sich schon zu klein ist. Man gibt dem Hungrigen nichts zu essen, weil er hungrig ist, und den Satten füttert man zum Platzen, weil er satt ist.

 

Worin die Nützlichkeit des Geldes besteht, haben wir (S. 126ff.) gezeigt. Diesen Nutzen des Geldes hat man bisher leider immer übersehen, was zur Folge hatte, daß sich niemand eine Nachfrage nach solchem Geld (Papiergeld) denken konnte, das aus nutzlosem Stoff hergestellt ist. Irgend etwas mußte doch die Leute zum Ankauf des Geldes reizen, und war es nicht der Nutzen des Tauschmittels, so mußte es der Nutzen seines Stoffes sein.

Nun ist das Gold tatsächlich ein gewerblich verwendbarer Stoff. Diese Verwendbarkeit würde noch viel größer sein, wenn das Gold nicht so teuer wäre. Nur der hohe Preis des Goldes bewirkt, daß man das Gold nicht in vielen Fällen anstelle von Eisen, Blei, Kupfer verwendet.

Immerhin aber ist das Gold nicht so teuer, daß es nicht wenigstens für Schmuckwaren, wo es nicht auf die Billigkeit ankommt, gebraucht wird. Und tatsächlich ist das Gold der besondere Rohstoff der Edelmetallindustrie. Armbänder, Ketten, Uhrgehäuse und sonstigen Zierrat macht man aus Gold, ebenso Kelche für den Kirchendienst; Beschläge für Kraftwagen, Turmuhren, Blitzableiter, Bilderrahmen usw. usw. werden mit Gold überzogen, auch Photographen und Zahnkünstler verbrauchen viel Gold. All dieses Gold wird der Münze entzogen. Gemünztes Gold ist in der Regel für die Goldschmiede der billigste Rohstoff.

Die Verwendung des Goldes in diesen Edelmetallgewerben wächst natürlich mit der Prachtliebe, mit dem Wohlstand und Reichtum, und dieser Reichtum vermehrt sich mit der Warenerzeugung, mit der Arbeit. In guten Jahren arbeiten die Goldschmiede mit Überstunden; in schlechten Jahren bringen ihnen die in Not geratenen Bürger die Schmucksachen zum Einschmelzen zurück.

Also, je mehr Waren erzeugt werden, je größer die Nachfrage nach Geld (Tauschmittel) ist, desto größere Mengen goldener Münzen wandern in den Schmelztiegel der Goldschmiede.

Halt! Halt! Was ist da wieder für widersinniges Zeug gesagt worden? Je mehr gearbeitet wird, je mehr Waren erzeugt werden, desto größer der Reichtum, und je größer der Reichtum, desto mehr Geld (Tauschmittel der Waren) wird zu Prunkwaren eingeschmolzen? Habe ich da richtig gehört?

Jawohl, genau das ist gesagt worden. Es ist hier kein Mißverständnis, und ich sage es mit der Ruhe, womit ein Richter ein Todesurteil ausspricht. Ich weiß, in den wenigen Worten liegt Anhalt genug, um die Goldwährung zu verurteilen. Und man bringe mir den Mann vor meine Augen, der es wagt, das Gesagte zu bestreiten!

Ich wiederhole: Je mehr Waren erzeugt werden, desto größer werden Wohlstand und Reichtum, und um so mehr wird der Prachtliebe gefrönt. Das durch die Warenerzeugung (Warenangebot) wohlhabend gewordene Volk leert die Schmuckwarenläden, und die Goldschmiede werfen das für ihre Ware erhaltene Geld in den Schmelztiegel, um mit dem Geldstoff (Gold) Ersatz für die verkauften Ketten, Uhren usw. zu schaffen.

Also, weil wir viele Waren erzeugt haben, weil die Ernten gesegnet waren, weil Thomas ein Verfahren erfand, mit welchem schlechte Erze vorzüglichen Stahl liefern, weil wir mit diesem Stahl zu vorzüglichen Werkzeugen gelangen, die das Erzeugnis unserer Arbeit verzehnfachen, weil zudem noch die Rückstände des Thomasverfahrens sich als wertvoller Düngestoff erwiesen, der den Ertrag unserer Felder verdreifacht hat, weil die Arbeiter in Schulen gelernt haben, ihre Hände mit Verstand zu gebrauchen, kurz, weil das Angebot von Waren gewachsen war – darum vernichten wir die Nachfrage, indem wir das Tauschmittel, den Träger der Nachfrage, einschmelzen!

Was würde man sagen, wenn in guten Erntejahren und dann, wenn die Industrie mit Volldampf arbeitet, die Bahnverwaltung zur Feier solcher Ereignisse die Eisenbahnwagen verbrennen, vernichten wollte?

Wenn die Kartoffeln dieses Jahr gut geraten – so kaufe ich meiner Frau eine goldene Halskette, sagt der Gutsbesitzer.

Wenn meine Kuh dieses Jahr zwei Kälber gibt, so kaufe ich meiner Braut Heuer den goldenen Trauring, sagt der Bauer.

Wenn ich mit der Maschine doppelt soviel Hosen nähen kann, so kaufe ich mir eine goldene Uhr, sagt der Handwerker.

Wenn ich mit meinem neuen geschützten Verfahren zehnmal soviel Stickstoff gewinne, so lasse ich auf meine Kosten die Kapelle zu Mariahilf neu vergolden, sagt der Chemiker.

Wenn das Stahlwerk dieses Jahr wiederum eine größere Erzeugung aufweist als vorher, so kaufe ich mir ein goldenes Tafelgeschirr, sagt der Rentner.

Kurz, das Mittel für den Ankauf des Trauringes, der Halskette usw. ist immer und regelmäßig die vermehrte Warenerzeugung (Angebot), und das Gold für diese Ketten, Ringe usw. wird immer der Nachfrage, der Münze entzogen. (Auch das ungemünzte Gold ist durch das Gesetz Geld.)

Weil nun das vom Goldschmied eingeschmolzene Geld für die Nachfrage nach Waren verloren geht, weil dies auch schlimmerweise gesetzmäßig gerade zu einer Zeit geschieht, wo das Warenangebot groß ist (s. o.), und weil doch Nachfrage und Angebot die Preise bestimmen, so gehen die Preise zurück. Und der Preisrückgang unterbricht den Warenaustausch, die Warenherstellung; er erzeugt Arbeitslosigkeit und Bettelei.

Die Goldwährung, die Nützlichkeit des Geldstoffes als Rohstoff für das Schmuckwarengewerbe, ist also eigentlich die Säge, womit man den Ast absägt, auf dem der Wohlstand wachst. Das Geld ist die Voraussetzung der Arbeitsteilung, die Arbeitsteilung führt zum Wohlstand, und dieser vernichtet das Geld. Gesetzmäßig endet also der Wohlstand immer als Vatermörder.

Goldwährung und Bettler gehören zusammen, und wenn Friedrich der Große sich schämte, über ein Bettlervolk zu regieren, so zeigt das nur, daß er ein empfindliches Ehrgefühl hatte. Sonst hatte gerade er als König keinen besonderen Anlaß, zu erröten. Denn überall wo die Edelmetallwährung eindrang, haben die Könige immer nur über Bettlervölker regiert. Solange der Mensch den Prunk liebt und den gesunden Stand seiner Einkünfte dazu benutzt, Goldwaren zu kaufen, und solange gleichzeitig dieses Gold den Rohstoff für seine Tauschmittel liefern muß – ist der Wohlstand der Volksmassen unmöglich.

 

Nicht immer wird der Bauer die gute Ernte dazu benutzen, um seiner Frau eine goldene Kette zu kaufen, und nicht alle Chemiker erstehen den Segen für ihre Erfindungen mit dem Gelübde, das Bildnis der Muttergottes vergolden zu lassen.

Wenn die Ernte gut ausfällt, werde ich eine Säemaschine kaufen, sagt der Bauer.

Wenn ich Glück im Stalle habe, werde ich den Sumpf entwässern, sagt der Gutsbesitzer.

Wenn meine Erfindung den Erwartungen entspricht, werde ich eine Fabrik gründen, sagt der Chemiker.

Wenn das Werk dieses Jahr gut arbeitet und der Streik beigelegt wird, werde ich eine Mietskaserne bauen, sagt der Rentner.

Also, je mehr Ware erzeugt wird, desto mehr wachsen die Anlagen zur Erzeugung von mehr Ware, vermehren sich die Sachgüter (das sogenannte Realkapital).

Aber von diesen Anlagen, vom Realkapital, erwartet man Zins, und der Zins fällt in dem Maße, wie das Realkapital im Verhältnis zur Bevölkerung wächst. Viele Wohnungen, wenig Mieter = niedriger Hauszins. Viele Fabriken und wenig Arbeiter = niedriger Fabrikzins.

Fällt also der Zins der Realkapitalien infolge der neuen Anlagen unter das herkömmliche Maß, so wird kein Geld mehr für solche Anlagen hergegeben. Kein Zins, kein Geld! Ich verweise hier auf die Lehre vom Zins am Schlusse dieses Buches.

Halt! halt! einen Augenblick. Habe ich da wieder recht verstanden? Wenn der Zins der Fabriken, Häuser, Schiffe fällt, dann werden keine Häuser mehr gebaut, weil niemand mehr Geld hergibt für neue Realkapitalien! Ist das wahr? Und wie sollen dann die billigen Wohnungen entstehen?

Jawohl, das ist wahr, das habe ich gesagt, und wer wird es wagen, mir das zu bestreiten? Wenn der Zins der Häuser, überhaupt der Zins der Sachgüter fällt, so zieht sich das Geld, das in diesen Anlagen bis dahin Verwendung fand, zurück, und was geschieht dann mit den Waren, die in der Erneuerung und Vergrößerung der Realkapitalien verwendet werden? Nach Angaben, die Landesbankrat Reusch-Wiesbaden auf dem deutschen Wohnungskongreß machte, beansprucht allein die Geldbeschaffung für den Wohnungsbau in Deutschland jährlich 1500 bis 2000 Millionen Mark.

Hochkonjunktur und Krach U (Umlaufsgeschwindigkeit), S (Geldsurrogate), G (Geldmenge) sind die Komponenten der Nachfrage. W (Waren) ist das Angebot. U und S sind durchaus von den Preisen abhängig; sie wachsen im Mißverhältnis zu den Preisen. Die durch die wachsende Geldmenge angeregte Preissteigerung fördert die Warenerzeugung. Wächst diese im Mißverhältnis zu der wachsenden Geldvermehrung, so beginnen die Preise zu sinken. Als Folge davon scheiden U und S aus der Nachfrage aus, und der Preisrückgang geht bei A in Preissturz über, besonders auch darum, weil der Preisrückgang gleichbedeutend mit Absatzstockung ist, wodurch W (Warenangebot) in die Höhe schießt. Nur solange U, S, G, W parallel laufen oder die Abweichungen sich ausgleichen, bleibt P (Preis) unverändert.

Abb. 3.

Also wenn das Volk fleißig und erfinderisch war, wenn die Ernte von Sonne und Regen begünstigt wurde, wenn viele Erzeugnisse zur Verfügung des Volkes stehen, um Wohnungen und Arbeitsstätten zu erweitern, dann, gerade dann zieht sich das Geld, das den Tausch hier vermitteln soll, zurück und wartet.

Und weil das Geld sich zurückzieht, weil die Nachfrage fehlt, gehen die Preise herunter, und der Krach (die Krise) ist wieder da.

Gesetzmäßig muß also der Krach ausbrechen, wenn als Folge vermehrter Realkapitalien der Fabrik- und Hauszins heruntergeht.

In der am Schlusse dieses Buches behandelten Zinstheorie wird der Beweis erbracht, daß der Geldzins unabhängig vom Zins der Realkapitalien ist (aber nicht umgekehrt), daß der hier zu erwartende Einwand, der Geldzins ginge mit dem Zins der Realkapitalien zurück, und daß darum auch bei niedergehendem Realkapitalzins das Geld für neue Realkapitalien nicht fehlt, auf Irrtum beruht.

Also auch aus diesem Grunde kann die Volkswirtschaft sich nur von einer Krise zur andern entwickeln. Unter der Herrschaft des Metallgeldes muß das Volk gesetzmäßig obdachlos als Bettler sein Leben fristen. Das Gold – das ist unser angestammter König, der wahre »roi des gueux«.


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