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Allweg mit Beben setzte sich Jakob am folgenden Morgen auf die Eisenbahn, und als sie zu surren und zu schnurren begann, der Boden unter ihm dahinflog, da klopfte ihm das Herz, und es war ihm wirklich, als müßte der Zug Flügel kriegen und gen Himmel fahren. Indessen dauerte das Bangen nicht lange, machte dem Behagen Platz und dem Wohlgefallen, Städte und Dörfer an sich vorbeifliegen und im Rücken Platz nehmen zu sehen. Als er nach wenig Stunden dreißig im Rücken hatte, da erschrak er ordentlich, im Hui war er am Ziele, daheim, wußte, ob die Großmutter lebe oder gestorben sei. Wie sehr man sich auch nach einem Ziele gesehnt, wenn es einem so plötzlich auf den Leib gerückt wird, kann man doch unwillkürlich darob erschrecken, und unwillkürlich macht man Halt, macht langsam die letzten Schritte.
So tat auch Jakob. Der raschen Fahrt legte er zu mehreren Malen einen Hemmschuh unter, weilte Stunden, halbe Tage bald hier, bald dort, schaute sich die Dinge an, schaute sich um unter den Menschen. Wenn er sich dann wieder zu einer neuen Fahrt einsetzte, und zehn, zwanzig Stunden Wegs, an welchen er sich Tage müdegelaufen hätte, flogen in ebenso viel Stunden ihm unter den Füßen weg, er wußte nicht wie, und am Ende ging es ihm doch nicht schnell genug, die Ungeduld, am Orte zu sein, ehe man dazu sich einsetzt, -- und er konnte auch schon sagen, diesmal sei man verflucht schlecht gefahren -- so drängte sich ihm der Gedanke auf, ob nicht die Eisenbahnen viel schuld seien an den Schwindeleien der Zeit. Ehedem war es ein mühsam Wandern, viel Schweiß vergießen, viel Staub verschlucken, viel leiden an müden Beinen mußte man, ehe man des Abends absitzen konnte in der Herberge, dann war aber auch das Ruhen süß, und diese Ruhe glich die Ungleichheit aus zwischen dem Fahrenden und zu Fuße Gehenden, denn diese Süßigkeit der Ruhe wird nur im Schweiße seines Angesichts errungen. So nahm man auch das Leben, begriff, der Tag sei zum Schaffen da, der Abend zum Ruhen, nahm ein mühsames Schaffen als eine Notwendigkeit, freute sich dessen was man zurückgelegt, wie der Wanderer über zurückgelegte Stunden. Was man mit harter Mühe erworben, hielt man auch fest und hoch in Ehren, und das wars, was dem Handwerk den goldenen Boden gab, in den Herzen ein christliches Genügen erhielt, den Neid vertrieb, die Haushaltungen ehrbar machte und die Menschen ehrenwert und tüchtig zu allem Guten.
Jetzt setzt man sich auf eine Eisenbahn wohlfeil, was man am Zehren erspart, zahlt fast das Fahren, kriegt keine müden Beine mehr, ist am Ziele, ehe man es denkt, und Reiche und Arme akkurat gleich schnell, es ist bloß der kleine Unterschied noch, daß die einen etwas weicher sitzen und etwas mehr zahlen, aber auch dieser wird sicherlich noch ausgeglichen werden. Es sind diese Eisenbahnen ein ungeheurer Schritt in der Gleichstellung aller Menschen, und, von Eisenbahnen weg, muß man nicht das Sehnen ins Leben hinübertragen, diese Gleichstellung in allen Verhältnissen zu vermitteln? Warum soll der junge Mensch von vornen anfangen mit wenigem, sich hart plagen um weniges, vieles aber entbehren, sparen für Tage, von denen er nicht weiß, ob sie je kommen werden, schaffen und müde werden für einen andern, der es sich behagen läßt, soll langsam im Schweiße seines Angesichtes vorwärts steuern, wo Tag um Tag verrinnt, die zurückgelegte Strecke aber kaum ersichtlich ist? Warum nicht auch wie auf einer Eisenbahn, ein rascher Zug, und die Sache ist fertig? Nicht daher das Schnappen und Haschen, die Sucht, mit einem Wurf für das ganze Leben zu sorgen, die Ungeduld, welche am Ziele sein will, ehe man zur Reise angesetzt, welche vorfrißt, wie der Schweizer sagt, was man in Jahren erst zu erarbeiten gedenkt, genießen will beim Anfang des Alters Beute, die Frucht eines fleißigen, tüchtigen Lebens? Daher das Scheuen aller Mühe, das Ungenügen bei ehrlichem Lohn, der Haß gegen die, welche das Roß nicht beim Schwanze wollen zäumen lassen, der Neid wegen jedem Bissen, den ein anderer in den Mund stößt oder mit leichterer Mühe erhalten hat als ihnen ihre Bissen kosten. Daher die gleichmachende Richtung der Zeit, wo man nicht einmal mehr den Unterschied im Werte der Arbeit anerkennen will, sondern bloß den Aufwand der rohen Kraft berechnet, welche zu einer Arbeit verbraucht wurde, wo der Steinbrecher seine Arbeit höher schätzt als die des Bildhauers, der Töpfer besser bezahlt sein will als der Maler, der Schulmeister um größerer Anstrengung der Lungen willen größere Ansprüche auf Besoldung macht als Professoren an einer Hochschule und zwar nicht etwa bloß provisorische, sondern sogar ordentliche.
So mußte Jakob immer denken, und besonders wenn er daran dachte, er sollte nun die durchgesausten Meilen zu Fuße wieder zurückmessen. Es schauderte ihn ordentlich den Rücken auf, wenn er sich vorstellte, er müsse morgen das Felleisen aufnehmen und wieder daran hin. Das Wandern war ihm in der letzten Zeit durchaus nicht beschwerlich gewesen, im Gegenteil, und jetzt nach wenig Tagen war er so verwöhnt, daß er mit Grausen daran dachte, wie schnell eine Gewohnheit komme über einen Menschen, wie schnell über einen kommen könne das Grausen vor Anstrengung und Arbeit. Ob luftigem Fahren und schwerem Denken kam Jakob, ehe er sich umsah, auf die letzte Station, wo er die Eisenbahn verlassen mußte, um heimzukommen.
Am Orte war er bekannt, es heimelte ihn eigens, und fast wäre er dem ersten besten Menschen um den Hals gefallen und hätte ihn abgeküßt. Doch hielt er sich, wollte warten, bis jemand ihn erkenne, aber das geschah nicht, als einen wildfremden Menschen behandelte man ihn. Es war auch ganz natürlich. Er war als ein Junge ausmarschiert, als Mann kam er wieder, war um mehrere Zoll gewachsen, viel dicker geworden, hatte mächtigen Bart gekriegt und eine dunkle Haut, wie die Frühlingssonne alle Backen färbt, welche sich ihr aussetzen. Keine Seele dachte daran, daß das der Jakob sei, von welchem die Großmutter gesagt: »Du bist ein Esel und bleibst ein Esel!« Als Jakob dies merkte, hielt er mit Gewalt an sich, tat fremd, behielt sein Inkognito, hütete sich auch vor allen verdächtigen Fragen, durch welche man sich so leicht verrät. Fragen ist eine schwere Kunst, wird selten verstanden, sehr oft von Professoren nicht, nicht einmal von provisorischen. Er nahm sein Felleisen auf und machte sich bangen Herzens auf den Weg, und je weiter er ging, desto höher schwoll es ihm auf, desto schwerer ward es ihm. Und doch wollte er nicht fragen, ob die Großmutter noch lebe, wollte wie ein Fremder tun bis zum Häuschen. Er hatte viel hundertmal sich es ausgedacht, auf welche Manier er heimkommen wolle, und wie das gehen werde, wenn man endlich darüberkomme, daß er der Jakob sei. Nun dachte er an keine Künste und Spaße mehr, zum Häuschen wollte er gehen und die Großmutter suchen; wie es dann ihm und ihr sein werde, wenn er sie noch finde, das wußte er.
Als er endlich sein Dörfchen wiedersah, saß er nieder und weinte, aber er wußte es nicht. An seiner Seele gingen die Wege vorüber, durch die ihn Gott geführt; jetzt am Ziele dankte er inbrünstig und aus Herzensgrund der väterlichen Hand, die ihn gezüchtigt, und dem Vater, der ihn so sehr geliebet. Er hatte Ursache dazu. Welcher Geselle hätte sie nicht, der nach Jahren heimkehrt aus der Fremde und zwar mit reicher Beute? Kehrt ein Schiff heim dem reichen Kaufherrn, mit kostbarem Gut beladen, übers wilde Meer her unversehrt und wohlbehalten, so dankt derselbe, wenn er nämlich nicht die moderne Bildung im Leibe hat, wohl auch seinem Gott, daß er es geführt durch Sandbänke und Klippen und den Wellen geboten, daß sie es sicher ließen. Nun aber, wenn ein Bursche heimkömmt nach Jahren mit Gott im Herzen, in der Seele die Weisheit, die Quintessenz der Erfahrungen, in den Gliedern die volle Handwerkstüchtigkeit, da möchten wir wohl fragen: Wo ist das Schiff, sei es von welcher Sorte es wolle, von welcher Nation es wolle, ein Ostindienfahrer, oder wäre es selbst das erste und reichste aller Schiffe, welche je von Mexiko nach Spanien gefahren, welches so reiche Beute heimgebracht hat als ein Bursche, der Tüchtigkeit in den Gliedern, Weisheit in der Seele und über beiden Gott heimbringt? Ja, Kaufmann, hättest du alle Silberflotten, welche je über das Meer gefahren, in deinen Gewölben, und hättest weder Weisheit in der Seele noch Gott im Herzen, so wärest du ein armer Tropf gegen jenen Burschen, welcher sein Felleisen auf dem Rücken hat, aber auch Gott im Herzen. Und was hilft es dir, du armer Tropf, wenn du auch die Schätze der Welt hast, und hast in deiner Seele nichts, im Herzen nichts, hast nichts in dir als viele Würmer und noch mehr Gelüste? Und was ist das Meer gegen die Fremde? Das Meer hat Wellen und Klippen, Sandbänke und Seeräuber, elendiglich kann der Mensch ums Leben kommen. Die Fremde aber, was hat die alles? Nicht bloß Meere, sondern Wasser von allen Arten, hat Gründe und Schlünde, hat Dampfwagen und Theater, wo der Mensch ums Leben kommen kann auf die jämmerlichste Weise. Dann geht nicht bloß der Teufel alleine umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge, es fahren Legionen Höllengeister herum und suchen um Leib und Seele zu bringen den Menschen. Darum geziemt es dem, der glücklich gerettet aus der Fremde heimkehrt und mit reicher Beute noch, zu beten und zu danken dem, dessen Auge über ihm gewacht, dessen Angesicht man nicht entflieht, stiege man gen Himmel, oder bettete man sich im Grabe, dessen Hand jeden geleitet, und würde er die Flügel der Morgenröte nehmen und bleiben an des Meeres äußersten Grenzen.
Langsam, leise, wie die Mutter an die Wiege des Kindes tritt, wenn sie sehen will, ob es wache oder schlafe, schritt Jakob der Großmutter Häuschen zu. Es war Feierabend, die Straße war belebt, die einen gingen Geschäften nach, andere saßen vor den Häusern. Freundlich grüßte er, man dankte, sah ihm verwundert nach, aber niemand erkannte ihn. Da stand es endlich vor ihm, das wohlbekannte Häuschen, zugemacht war die Türe, niemand sichtbar um dasselbe. Ängstlich pochte Jakob das Herz, er durfte nicht klopfen, es war ihm, als würde weither eine Stimme rufen: »Gib dir nicht Mühe, hier wohnt niemand mehr, das Häuschen steht leer!« Er suchte durch die Fensterchen zu gucken. Da schien ihm eine Gestalt am Tische zu sitzen, und die Gestalt schien ihm der Großmutter Gestalt. Gerade so saß sie, wenn sie in der Bibel las. Da kam ihm Trost ins Herz, er faßte Mut und klopfte, denn so gerade hineingehen wie ehedem der Jakob und sagen: »Guten Abend, Großmutter!« wollte er doch nicht, sondern sehen, ob sie ihn kenne oder nicht. Gespannt horchte er auf das Öffnen der innern Türe, das Klappern von der Großmutter Schuhen, aber stille blieb es drinnen. Er klopfte wieder, horchte wieder, stille blieb es wieder. Er klopfte zum dritten Male, und ängstlicher kann der nicht draußen stehen, der pocht an des Himmels Türe, und sie will sich nicht öffnen, stille bleibt es drinnen, als Jakob stand vor dem verschlossenen Häuschen, in welchem sich niemand regen wollte. Da pochte er hart zum vierten Male, da regte es sich drinnen, die innere Türe ging auf, Schuhe klapperten, es rasselte an der äußern Türe, sie öffnete sich ein wenig, in der Spalte stand die Großmutter mit der Brille auf der Nase und unwilligem Gesichte. Scharf sah sie ihn an, seiner Rede gewärtig, plötzlich riß sie die Brille ab und rief: »Jakob, Jakob, bists, oder bists nicht? Mein Gott, wie gut du bist!« Um den Hals fiel sie dem geliebten Kinde, ließ ihrer Liebe freien Lauf, wie Jakob es nie erlebt hatte. Endlich führte sie ihn mit freudetrunkenen Augen ins Stübchen, ihr geübter Blick hatte alsbald erkannt, daß der Jakob nicht wiederkehre als Vagabund und Bettler, sondern als ehrenwerter Bursche, gereift zum ehrenfesten Meister. Als Jakob in das Stübchen trat, war die Kammertüre offen, unwillkürlich warf er einen Blick hinein, sah dort die drei Felleisen hängen und daneben das vierte, und alsbald erkannte er es als das seine, welches in Genf ihm verschwunden war.
Erstaunt stand er still und frug: »Um Gott, Großmutter, wie kömmt dies hieher?« »Sollst es erfahren, aber jetzt sitz nieder und wart!« sprach sie. In ihrer alten Rührigkeit bereitete sie ihm einen Imbiß samt einem guten Trunk. »Da nimm und labe dich! Wie es mit dem Felleisen kam, will ich dir sagen, großen Kummer und Verdruß hat es mir gemacht. Deine dummen Briefe machten mir Kummer, ich betete viel für dich, daß Gott aufbessere Wege dich führe. Nachher bekam ich keine Briefe mehr, das machte mir weiter keinen Kummer, ich dachte, besser keine als so dumme, und wenn ich inbrünstig bete, so werde unser Herrgott nicht weit von dir sein. So ging es lange, da kam im letzten Herbste zu deinem Lehrmeister ein Bursche und suchte Arbeit. Der Alte erkennt, daß das Felleisen, welches er auf seinem Rücken trug, das deine sei, ist dumm genug und schreit auf: ›Du mein Gott, das ist ja das Felleisen vom Jakob, was wird die Großmutter sagen, wenn das Felleisen ohne den Jungen wiederkömmt!‹ Der Schuft riecht gleich Lunte, es war einer von den abgeriebenen, welche zu allen Streichen fix sind, und sagt alsbald, wie er froh sei, daß man sogleich es erkannt habe, nun sei er doch sicher, daß man ihn für keinen Betrüger halten werde. Er habe eben den Auftrag von dir erhalten, es mir zu bringen samt den letzten Grüßen. Wie es nun kam, daß er in aller Eile bei deinem Lehrmeister viel herauslockte, oder ob er dich wirklich kannte, ich weiß es nicht, allein er wußte mir dich ganz natürlich zu machen, daß ich immer seufzen mußte: ›Blieb er denn immer der gleiche Esel?‹ Er erzählte mir, wie du, statt dem Handwerk obzuliegen, für die Freiheit und die Rechte der Menschheit gelebt, so daß ich immer denken mußte: ›Was ging das dumme Zeug den Esel an?‹ Aber dann wußte er es recht rührend zu machen, wie er dich verwundet aus einer großen Schlacht getragen, wo du ein Held gewesen seist für die Freiheit und die Religion, dieweil man dich zu einem Jesuiten habe machen wollen. Da habest du ihm gesagt: ›Nimm mein Felleisen, bringe es der Großmutter, sage ihr, ich sei groß gestorben, und sei du ihr Sohn!‹ darauf seiest du gestorben, und lange habe er bei dir trostlos geweint und habe dich ehrlich begraben wollen, da aber seien die Feinde über sie gekommen, und er habe rasch das Felleisen genommen, um seinen Auftrag auszurichten, jetzt sei er da damit, und wenn es das Leben gekostet, er hätte ihn ausgerichtet, denn er hätte dich schrecklich lieb gehabt, ihr seiet akkurat wie natürliche Brüder gewesen. Dabei schluchzte dann der Hund, daß Steine breiweich wurden. Und ich dumme Alte glaubte das Zeug, nahm ihn auf ins Haus, wollte als Sohn ihn halten. Da tat der Kerl erst spröde, ließ es sich endlich gefallen, ließ aber alsbald seine Hörner so hervor, daß er mich ins Grab oder auf die Gasse gebracht hätte. Er hudelte ganze Wochen, ich sollte nur Geld schaffen, und schaffte ich es nicht, tat er wie ein Ungetüm, behandelte mich als seinen Schuhwisch. Da faßte ich mich kurz: ›Auftrag hin, Auftrag her!‹ dachte ich, ›entweder hat der Kerl gelogen, oder der Jakob war ein Esel, als er ihn gab. Mich geht er nichts an, dummerweise in die Grube bringen lasse ich mich nicht.‹ Als er einmal trunken heimkam, daß er nicht stehen konnte, nahm ich einen Stock, jagte ihn von der Türe weg und warf ihm seinen Bündel nach, das Felleisen behielt ich. Er spektakelte grimmig, aber die Nachbarn halfen mir, und endlich war er froh, mit ganzen Knochen fortzukommen.
Hinterher hatten ihm alle den Betrüger ansehen, aber mich nicht betrüben wollen. Hintendrein, als ich selbst den Verstand gekriegt, gingen plötzlich allen die Mäuler auf; hielt ihnen nicht viel darauf. Wie er fort war, kam mir alles vor wie Lug und Trug, und immer mehr stellte sich mir der Glaube fest, du lebtest noch, und meine Augen würden dich noch einmal schauen. Ich betete fleißig und wartete getrost auf dich, denn es ward mir nach jedem Gebete leichter ums Herz. So war es mir auch vorhin, es war mir, als sähe ich dich im Buche hinter jedem Blatte, darum konnte ich nicht aufhören, nicht aufstehen, ich hörte dein Klopfen wohl. Und als ich es endlich tat, aber unwillig, da standest du draußen und, Gott Lob und Dank, weder als Bettler noch Vagabund, sondern als ehrlicher Leute Kind, mit einem Felleisen, wenn schon mit einem von der ältern Sorte, und bist gewachsen in die Länge und in die Breite und siehst mir aus wie ein Mensch und nicht wie ein Lümmel.«
Als nun die Großmutter fertig war mit Nötigen und Erzählen und Jakob mit dem Essen, kam an ihn das Erzählen. Er tat es kurz, aber aufrichtig, die Großmutter streute bündige Glossen dazwischen, seufzte zuweilen und schloß Jakobs Erzählung mit den Worten: »Gott Lob und Dank, daß du wieder heim bist! Was doch so ein Mensch ausstehen kann, wenn Gott mit ihm ist und jemand ist, der für ihn betet, wenn er es selbst nicht tut, und wie sich ihm alles zum Besten wendet! Und daß du kein Mädel mitgebracht, ist mit lieb und dir gut. Daß du die Kathri gewollt, war recht, aber lieb hätte ich die nie gehabt, es war ein dumm Mensch, hätte sich sonst nicht so an einen Esel gehängt. Die Eiseli möchte ich einmal sehen und ihr danken, daß sie dich wieder zur Religion gebracht und nicht zum Manne genommen, dein Lebtag wärest du vor dieser der dumme Jakob geblieben, und fremde Meistersfrauen taugen selten viel.
Aber du mein Gott, wenn ich gewußt hätte, wie so ganz du vom Glauben gekommen, ich wäre dir nachgelaufen, hätte es barfuß sein müssen, hätte dich bei den Ohren heimgeführt. Aber lieb muß der liebe Gott uns haben, mich und dich, daß er aus so großem Elend dich heimgeführt hat und nicht als ein Bettler, sondern als ehrlicher Leute Kind. Die Welt wird wieder neu, aber der alte Gott bleibt der gleiche, und für die verlornen Söhne hat er immer noch das alte, gute Herz, Lob und Ehre gebührt ihm, und die sollst du ihm bringen dein Leben lang. Jetzt sterbe ich gerne, ich fahre im Frieden hin. Wenn ich zu den Alten komme, und sie fragen mich: ›Hanne, was macht der Jakob?‹ dann kann ich fröhlich sagen: ›Gott sei Lob und Ehre, Preis und Dank, er führte ihn in die Hölle und wieder hinaus, als ehrenwerter Bursche kam er heim, als ehrenfester Meister schafft er jetzt, wo ihr geschafft, und so Gott will, kömmt er seinerzeit auch dahin, wo ihr seid, in Gottes Freude und Herrlichkeit.‹«
So sprach die Großmutter bewegt und reichte dem Jakob die Hand. Sie hatte ihr Tagewerk auf Erden vollbracht, das machte sie glücklich und weich, wie Jakob sie nie gesehen hatte. Noch an demselben Abend mußte er einen fünften Nagel einschlagen, neben den vier andern sein alt Felleisen aufhängen, und die Großmutter hatte an demselben so viel Freude als vor Zeiten eine Rittersfrau an einem Schilde, welchen ihr Sohn als königliches Ehrengeschenk oder als Preis aus einem Turniere in die väterlichen Hallen brachte. Selbe Nacht schlief die gute Frau wenig, aber die Schlaflosigkeit plagte sie nicht, süße Freude füllte ihre Seele, sie genoß den Vorgeschmack der Seligkeit.
Ebenso süß war der folgende Morgen und zwar für beide. Wer kennt es nicht, das unbeschreibliche Wonnegefühl, wenn man jemand wieder hat, den man verloren glaubte, und der nun wieder gefunden ist! Da weiß man es, wie man sich über ein Kind mehr freuen kann als über neunundneunzig andere. Aber ists nicht auch süß, daheim zu sein, die Heimat wieder ergriffen zu haben, nun ruhen und weilen zu können unter sicherm Obdach, am folgenden Morgen nicht auf die Straße zu müssen, nicht wissend, wo man am Abend sein Haupt niederlegt? Auch dies ist ein Vorgeschmack des Himmels. Es sehnt sich unser Geist nach einem Festen und Bleibenden, nach einer Heimat, wo kein Wandern, kein Wechsel mehr ist, wo man nicht mehr Pilger und Fremdling ist, sondern Bürger im von Gott erbauten Reiche. Heil allen, welche jenseits die wahre Heimat suchen und diesseits ein freundlich Heim finden mit dem Vorgeschmack des jenseitigen! Möchten alle, die wandern gehen, heimkehren christlich und ehrenwert, diesseits eine freundliche Stätte finden, Pfand und Siegel der festen und bleibenden im Himmel!