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Der ander Page bekommt sein Lehrgeld, und Simplicius wird zum Narren erwählt
Als mein Herr aufgestanden, schickt' er seinen Leibschützen hin, mich aus dem Gänsstall zu holen, der brachte Zeitung, daß er die Tür offen, und ein Loch hinter dem Riegel mit einem Messer geschnitten gefunden, vermittelst dessen der Gefangene sich selbst erledigt hätte: Ehe aber solche Nachricht einkam, verstund mein Herr von andern, daß ich vorlängst in der Küchen gewesen. Indessen mußten die Diener hin und wieder laufen, die gestrigen Gäst zum Frühestück einzuholen, unter welchen der Pfarrer auch war, welcher zeitlicher als andere erscheinen mußte, weil mein Herr meinetwegen mit ihm reden wollte, ehe man zur Tafel säße. Er fragte ihn erstlich, ob er mich für witzig oder für närrisch hielte? oder ob ich so einfältig oder so boshaftig sei? und erzählet' ihm damit alles, wie unehrbarlich ich mich den vorigen Tag und Abend gehalten, welches teils von seinen Gästen übel empfunden und aufgenommen werde, als wäre es ihnen zum Despekt mit Fleiß so angestellt worden, item daß er mich hätte in einen Gänsstall versperren lassen, sich vor dergleichen Spott, so ich ihm noch hätte zufügen können, zu versichern, aus welchem ich aber gebrochen und nun in der Küchen umgehe, wie ein Junker, der ihm nicht mehr aufwarten dürfe; sein Lebtag sei ihm kein solcher Poß widerfahren, als ich ihm in Gegenwart so vieler ehrlicher Leut gerissen, er wisse nichts anders mit mir anzufangen, als daß er mich lasse abprügeln, und weil ich mich so dumm anließe, wieder für den Teufel hinjage.
Inzwischen als mein Herr so über mich klagte, sammleten sich die Gäst nach und nach, da er aber ausgeredet hatte, antwort der Pfarrer: Wenn ihm der Herr Gouverneur ein kleine Zeit mit ein wenig Geduld zuzuhören beliebte, so wollte er von Simplicio der Sachen halber eines und anders erzählen, daraus nicht allein seine Unschuld zu vernehmen sein, sondern auch denen, so sich seines Verhaltens halber disgustiert befinden wollten, alle ungleichen Gedanken benommen würden.
Als man dergestalt oben in der Stuben von mir redete, akkordierte der tolle Fähnrich, den ich an meine Stell selbander eingesperrt hatte, unten mit mir in der Küchen, und brachte mich durch Drohwort und einen Taler, den er mir zusteckte, dahin, daß ich ihm versprach, von seinen Händeln reinen Mund zu halten.
Die Tafeln wurden gedeckt, und wie den vorigen Tag mit Speisen und Leuten besetzt, Wermut-, Salbei-, Alant-, Quitten- und Zitronenwein mußte neben dem Hippokras den Säufern ihre Köpf und Mägen wieder begütigen, denn sie waren schier alle des Teufels Märtyrer. Ihr erstes Gespräch war von ihnen selbsten, nämlich wie sie gestern einander so brav vollgesoffen hätten, und war doch keiner unter ihnen, der gründlich gestehen wollte, daß er voll gewesen, wiewohl den Abend zuvor teils bei Teufelholen geschworen, sie könnten nicht mehr saufen, auch ›Wein mein Herr!‹ geschrien und geschrien hatten. Etliche zwar sagten, sie hätten gute Räusch gehabt, andere aber bekenneten, daß sich keiner mehr vollsöffe, seit die Räusch aufkommen. Als sie aber von ihren eigenen Torheiten beides zu reden und zu hören müd waren, mußte sich der arme Simplicius leiden: Der Gouverneur selbst erinnerte den Pfarrer, die lustigen Sachen zu eröffnen, wie er versprochen hätte.
Dieser bat zuvörderst, man wollte ihm nichts für ungut halten, dafern er etwa Wörter reden müßte, die seiner geistlichen Person übel anständig zu sein vermerkt würden; fing darauf an zu erzählen, erstlich aus was für natürlichen Ursachen mich die Leibesdünste zu plagen pflegten, was ich durch solche dem Secretario für eine Unlust in die Kanzlei angerichtet; was ich neben dem Wahrsagen für ein Kunst dawider gelernet, und wie schlimm solche in der Prob bestanden; item wie seltsam mir das Tanzen vorkommen, weil ich dergleichen niemalen gesehen, was ich für Bericht deshalber von meinem Kameraden eingenommen, welcher Ursachen halber ich dann die vornehme Dame ergriffen, und darüber in Gänsstall kommen. Solches aber brachte er mit einer wohlanständigen Art zu reden vor, daß sie sich trefflich zerlachen mußten, entschuldigt' dabei meine Einfalt und Unwissenheit so bescheidentlich, daß ich wieder in meines Herrn Gnad kam und vor der Tafel aufwarten durfte, aber von dem was mir im Gänsstall begegnet, und wie ich wieder daraus erlöst worden, wollte er nichts sagen, weil ihn bedünkte, es hätten sich an seiner Person etliche saturnische Holzböck geärgert, die da vermeinten, Geistliche sollten nur immer sauer sehen; hingegen fragte mich mein Herr, seinen Gästen ein Spaß zu machen, was ich meinem Kameraden geben hätte, daß er mich so saubere Künste gelehret? und als ich antwortet »nichts!« sagte er: »So will ich ihm das Lehrgeld für dich bezahlen«, wie er ihn denn hierauf in ein Futterwanne spannen und allerdings karbeitschen ließ, wie man mirs den vorigen Tag gemacht, als ich die Kunst probiert und falsch befunden hatte.
Mein Herr hatte nunmehr genug Nachricht von meiner Einfalt, wollte mich derowegen stimmen, ihm und seinen Gästen mehr Lust zu machen, er sah wohl, daß die Musikanten nichts galten, solang man mich unterhanden haben würde, denn ich bedünkte mit meinen närrischen Einfällen jedermann, über siebzehn Lauten zu sein. Er fragte, warum ich die Tür an dem Gänsstall zerschnitten hätte? Ich antwortet: »Das mag jemand anders getan haben.« Er fragte: »Wer denn?« Ich sagte: »Vielleicht der, so zu mir kommen.« »Wer ist denn zu dir kommen?« Ich antwortet: »Das darf ich niemand sagen.« Mein Herr war ein geschwinder Kopf, und sah wohl, wie man mir lausen mußte, derowegen übereilt' er mich, und fragte, wer mir solches denn verboten hätte? Ich antwortet gleich: »Der tolle Fähnrich« -. und demnach ich an jedermanns Gelächter merkete, daß ich mich gewaltig verhauen haben müßte, der tolle Fähnrich, so mit am Tisch saß, auch so rot wurde wie ein glühende Kohl; also wollte ich nichts mehr schwätzen, es würde mir denn von demselben erlaubt. Es war aber nur um einen Wink zu tun, den mein Herr dem tollen Fähnrich anstatt eines Befehls gab, da durft ich reden was ich wußte. Darauf fragte mich mein Herr, was der tolle Fähnrich bei mir im Gänsstall zu tun gehabt? Ich antwortet: »Er brachte eine Jungfer zu mir hinein.« »Was tat er aber weiters?« sagte mein Herr. Ich antwortet: »Mich deuchte, er wollte im Stall sein Wasser abgeschlagen haben.« Mein Herr fragte: »Was tat aber die Jungfer dabei, schämte sie sich nicht?« »Ja wohl nein Herr!« sagte ich, »sie hub den Rock auf, und wollte dazu (mein hochgeehrter, zucht-, ehr- und tugendliebender Leser verzeihe meiner unhöflichen Feder, daß sie alles so grob schreibt, als ichs damals vorbrachte) scheißen.« Hierüber erhub sich bei allen Anwesenden ein solch Gelächter, daß mich mein Herr nicht mehr hören, geschweige etwas weiters fragen konnte, und zwar war es auch nicht weiters vonnöten, man hätte denn die ehrliche fromme Jungfer (scil.) auch in Spott bringen wollen.
Hierauf erzählte der Hofmeister vor der Tafel, daß ich neulich vom Bollwerk oder Wall heimkommen und gesagt: Ich wüßte wo der Donner und Blitz herkäme, ich hätte große Blöcher auf halben Wagen gesehen, die inwendig hohl gewesen, in dieselben hätte man Zwiebelsamen samt einer eisernen weißen Rüben, der der Schwanz abgeschnitten, gestopft, hernach die Blöcher hintenher ein wenig mit einem zinkigen Spieß gekitzelt, davon wäre vornenheraus Dampf, Donner und höllisch Feuer geschlagen. Sie brachten noch mehr dergleichen Possen auf die Bahn, also daß man schier denselben ganzen Imbiß von sonst nichts als nur von mir zu reden und zu lachen hatte. Solches verursachte einen allgemeinen Schluß zu meinem Untergang, welcher war, daß man mich tapfer agieren sollte, so würde ich mit der Zeit einen raren Tischrat abgeben, mit dem man auch den größten Potentaten von der Welt verehren, und die Sterbenden zu lachen machen könnte.