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Was der König mit Simplicio und Simplicius mit dem König geredet
Dies war das End unsers Gesprächs, weil wir uns dem Sitz des Königs näherten, vor welchen ich ohne Zeremonien oder Verlust einziger Zeit hingebracht wurde: Da hatte ich nun wohl Ursach, mich über seine Majestät zu verwundern, da ich doch weder eine wohlbestellte Hofhaltung noch einziges Gepräng, ja aufs wenigst keinen Kanzler oder geheime Rät, noch einzigen Dolmetschen, oder Trabanten und Leibguardi, ja sogar keinen Schalksnarrn, noch Koch, Kellner, Page, noch einzigen Favoriten oder Tellerlecker nicht sah; sondern rings um ihn her schwebten die Fürsten über alle Seen, die sich in der ganzen Welt befinden, ein jedweder in derjenigen Landsart aufziehend, in welches sich ihr unterhabender See von dem Centro Terrae aus erstreckte; dannenhero sah ich zugleich die Ebenbilder der Chinesen und Afrikaner, Troglodyten und Novazembler, Tatarn und Mexikaner, Samojeden und Molukkenser, ja auch von denen, so unter den Polis arctico und antarctico wohnen, das wohl ein seltsames Spektakul war; die zween, so über den wilden und schwarzen See die Inspektion trugen, waren allerdings bekleidet, wie der so mich convoyiert, weil ihre Seen zunächst am Mummelsee gelegen, zog also derjenige, so über den Pilatussee die Obsicht trug, mit einem breiten ehrbaren Bart und einem Paar Pluderhosen auf wie ein reputierlicher Schweizer, und derjenige so über den obgemeldte See Camarina die Aufsicht hatte, sah beides mit Kleidern und Gebärden einem Sizilianer so ähnlich, daß einer tausend Eid geschworen hätte, er wäre noch niemalen aus Sicilia kommen und könnte kein teutsches Wort; also sah ich auch, wie in einem Trachtenbuch, die Gestalten der Perser, Japonier, Moskowiter, Finnen, Lappen und aller andern Nationen in der ganzen Welt.
Ich bedurfte nit viel Komplimente zu machen, denn der König fing selbst an fein gut Teutsch mit mir zu reden, indem sein erstes Wort war, daß er fragte: »Aus was Ursach hast du dich unterfangen, uns gleichsam ganz mutwilliger Weis so einen Haufen Stein zuzuschicken?« Ich antwortet kurz: »Weil bei uns einem jeden erlaubt ist, an einer verschlossenen Tür anzuklopfen.« Darauf sagte er: »Wie, wenn du aber den Lohn deiner vorwitzigen Importunität empfingest?« Ich antwortet: »Ich kann mit keiner größern Straf belegt werden, als daß ich sterbe, sintemal ich aber seithero so viel Wunder erfahren und gesehen, die unter so viel Millionen Menschen keiner das Glück nit hat, würde mir mein Sterben ein geringes und mein Tod für gar keine Straf zu rechnen sein.« »Ach elende Blindheit!« sagte hierauf der König, und hub damit die Augen auf, gleichwie einer der aus Verwunderung gen Himmel schauet, ferner sagend: »Ihr Menschen könnt nur einmal sterben, und ihr Christen solltet den Tod nit eher getrost zu überstehen wissen, ihr wäret denn vermittelst eures Glaubens und Liebe gegen Gott durch eine unzweifelhafte Hoffnung versichert, daß eure Seelen das Angesicht des Höchsten eigentlich anschauen würden, sobald der sterbende Leib die Augen zutäte: Aber ich habe für dieses Mal weit anders mit dir zu reden.«
Darauf sagte er: »Es ist mir referiert worden, daß sich die irdischen Menschen und sonderlich ihr Christen des jüngsten Tags ehestens versehen, weilen nicht allein alle Weissagung, sonderlich was die Sibyllen hinterlassen, erfüllt, sondern auch alles was auf Erden lebt, den Lastern so schrecklich ergeben sei: also daß der allmächtige Gott nicht länger verziehen werde, der Welt ihr Endschaft zu geben. Weilen denn nun unser Geschlecht mitsamt der Welt untergehen und im Feur (wiewohl wir des Wassers gewohnt sind) verderben muß, also entsetzen wir uns nit wenig wegen Zunahung solcher erschrecklichen Zeit; haben dich derowegen zu uns holen lassen, um zu vernehmen, was etwa deswegen für Sorg oder Hoffnung zu machen sein möchte? wir zwar können aus dem Gestirn noch nichts dergleichen abnehmen, auch nichts an der Erdkugel vermerken, daß ein so nahe Veränderung obhanden sei; müssen uns derowegen von denen benachrichtigen lassen, welchen hiebevor ihr Heiland selbsten etliche Wahrzeichen seiner Zukunft hinterlassen; ersuchen dich derowegen ganz holdselig, du wollest uns bekennen, ob derjenige Glaub noch auf Erden sei oder nit, welchen der zukünftige Richter bei seiner Ankunft schwerlich mehr finden wird?« Ich antwortet dem König, er hätte mich Sachen gefragt, die mir zu beantworten viel zu hoch seien, zumaln Künftigs zu wissen und sonderlich die Ankunft des Herrn allein Gott bekannt. »Nun wohlan dann«, antwortet' der König hinwiederum, »so sage mir denn, wie sich die Stände der Welt in ihrem Beruf halten, damit ich daraus entweder der Welt und unsers Geschlechts Untergang oder gleich meinen Worten mir und den Meinigen ein langes Leben und glückselige Regierung konjekturieren könnte; hingegen will ich dich sehen lassen was noch wenig zu sehen bekommen, und hernach mit einer solchen Verehrung abfertigen, deren du dich dein Lebtag zu erfreuen haben wirst, wenn du mir nur die Wahrheit bekennest.« Als ich nun hierauf stillschwieg und mich bedachte, fuhr der König ferner fort und sagte: »Nun dran, dran, fang am Höchsten an und beschließe es am Niedersten, es muß doch sein, wenn du anders wieder auf den Erdboden willst.«
Ich antwortet: »Wenn ich an dem Höchsten anfangen soll, so mach ich billig den Anfang an den Geistlichen, dieselben nun sind gemeiniglich alle, sie seien auch gleich was für Religion sie immer wollen, wie sie Eusebius in einem Sermon beschrieben; nämlich rechtschaffene Verächter der Ruhe, Vermeider der Wollüste, in ihrem Beruf begierig zur Arbeit, geduldig in Verachtung, ungeduldig zur Ehr, arm an Hab und Geld, reich am Gewissen, demütig gegen ihre Verdienste und hochmütig gegen die Laster; und gleichwie sie sich allein befleißen Gott zu dienen, und auch andere Menschen mehr durch ihr Exempel als ihre Wort zum Reich Gottes zu bringen; also haben die weltlichen hohen Häupter und Vorsteher allein ihr Absehen auf die liebe Justitiam, welche sie denn ohne Ansehen der Person einem jedweden, Arm und Reich, durch die Bank hinaus schnurgerad erteilen und widerfahren lassen: Die Theologi sind gleichsam lauter Hieronymi und Bedae, die Kardinäl eitel Borromaei, die Bischöfe Augustini, die Äbte andere Hylariones und Pachomi und die übrigen Religiosen miteinander wie die Kongregation der Eremiten in der thebanischen Wildnis! Die Kaufleute handlen nicht aus Geiz oder um Gewinns willen, sondern damit sie ihren Nebenmenschen mit ihrer War, die sie zu solchem Ende aus fernen Landen herbringen, bedient sein können. Die Wirte treiben nicht deswegen ihre Wirtschaften, reich zu werden, sondern damit sich der Hungrige, Durstige und Reisende bei ihnen erquicken, und sie die Bewirtung als ein Werk der Barmherzigkeit an den müden und kraftlosen Menschen üben könnten: Also sucht der Medicus nicht seinen Nutz, sondern die Gesundheit seines Patienten, wohin denn auch die Apotheker zielen: Die Handwerker wissen von keinen Vorteiln, Lügen und Betrug, sondern befleißigen sich, ihre Kunden mit daurhafter und rechtschaffener Arbeit am besten zu versehen: Den Schneidern tut nichts Gestohlenes im Aug wehe, und die Weber bleiben aus Redlichkeit so arm, daß sich auch keine Mäus bei ihnen ernähren können, denen sie etwa ein Knäul Garn nachwerfen müßten: Man weiß von keinem Wucher, sondern der Wohlhäbige hilft dem Dürftigen aus christlicher Liebe ganz ohngebeten: Und wenn ein Armer nicht zu bezahlen hat, ohne merklichen Schaden und Abgang seiner Nahrung, so schenkt ihm der Reich die Schuld von freien Stücken: Man spüret keine Hoffart, denn jeder weiß und bedenkt, daß er sterblich ist: Man merket keinen Neid, denn es weiß und erkennet je einer den andern für ein Ebenbild Gottes, das von seinem Schöpfer geliebet wird: Keiner erzürnt sich über den andern, weil sie wissen, daß Christus für alle gelitten und gestorben: Man höret von keiner Unkeuschheit oder unordentlichen fleischlichen Begierden, sondern was so vorgehet, das geschieht aus Begierd und Liebe zur Kinderzucht: Da findet man keine Trunkenbold oder Vollsäufer, sondern wenn einer den andern mit einem Trunk ehret, so lassen sich beide nur mit einem christlichen Räuschlein begnügen: Da ist keine Trägheit im Gottesdienst, denn ein jeder erzeigt einen emsigen Fleiß und Eifer, wie er vor allen andern Gott rechtschaffen dienen möge, und eben deswegen sind jetzund so schwere Krieg auf Erden, weil je ein Teil vermeint, das andere diene Gott nicht recht: Es gibt keine Geizigen mehr sondern Gesparsame; keine Verschwender sondern Freigebige; keine Kriegsgurgeln, so die Leut berauben und verderben, sondern Soldaten, die das Vaterland beschirmen; keine mutwilligen faulen Bettler, sondern Verächter der Reichtümer und Liebhaber der freiwilligen Armut; keine Korn- und Weinjuden, sondern vorsichtige Leut, die den überflüssigen Vorrat auf den besorgenden künftigen Notfall für das Volk zusammenheben.«