Josef Haltrich
Sächsische Volksmärchen aus Siebenbürgen
Josef Haltrich

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

49. Der Kreuzträger

Ein Bauer hatte eine gar böse Frau; die zankte vom Morgen bis zum Abend mit ihm, und wie sehr er sich Mühe gab, so konnte er ihr doch nichts recht machen. Eines Tages dachte der Arme bei sich: ›Du willst etwas versuchen!‹ und ging damit in die Stadt zu einem Maler und bat diesen, er solle ihm den Teufel malen. »Aber wozu?« fragte der Maler verwundert. »Ach, Herr Maler«, sprach der Bauer jammernd, »ich habe daheim eine böse Frau, die zankt ewig mit mir, so daß ich es nicht länger aushalten kann; sie möchte ich nun mit dem Teufel schrecken!« – »Das hilft Euch nichts!« sagte der Maler mitleidig, »denn leider treibt ein Teufel den andern nicht aus!« – »So malet mir den Scharfrichter«, bat der Bauer wiederum. »Das wäre für Euch selbst nicht gut«, sprach der Maler, »denn sie würde sagen: ›Siehe da, der wird dich kriegen, weil du deine Frau so schlecht hältst!‹« – »So malet mir den Tod!« bat der Bauer fort, »daß sie sich fürchtet, wenn sie ihn sieht!« – »Auch das hilft Euch nichts!« sagte der Maler, »denn der Tod würde sich am Ende mehr fürchten!« – »So will ich denn«, rief der Bauer unwillig, »mir einen Strick drehen und, wenn sie zankt, zuschlagen, bis der Zankteufel ausfährt!« – »Auch damit erreicht Ihr nichts«, sagte der Maler, »denn mit jedem Schlag zieht ein neuer Teufel in Eure Frau ein!« – »Nun, was soll ich denn tun? So ratet mir doch«, jammerte der Bauer, »ich kann ja länger nicht aushalten!« – »Euer Kreuz mit Geduld tragen!« sprach der Maler.

Hatte dieser vielleicht auch schon die traurige Erfahrung gemacht oder machte sie noch fort? Der Bauer ging sehr unbefriedigt nach Hause; doch klangen ihm die Rezeptworte in den Ohren fort, und als seine Frau gleich bei seinem Eintritt ihn wieder hart anfuhr und schalt, nahm er sie geduldig, ohne etwas zu erwidern, auf und trug sie hin und her. »Wozu das?« sprach die Frau. »Ein weiser Mann hat mich gelehrt: ich solle mein Kreuz mit Geduld tragen!« Nun schämte sich die Frau und zankte von da an nicht mehr.


 << zurück weiter >>