Josef Haltrich
Sächsische Volksmärchen aus Siebenbürgen
Josef Haltrich

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86. Der Wolf und das Menschenkind

Der Wolf rühmte sich einmal gegen den Fuchs, er sei der Stärkste auf Erden, er fürchte sich vor niemand. Da sprach der Fuchs: »Ich kenne doch wohl einen, der stärker ist, das ist das Menschenkind.« – »Was?« rief der Wolf, »dem möcht ich doch alle Knochen zerknatschen und zerbeißen, wenn ich es sähe!« – »Ich will dich zu einem hinführen«, sagte der Fuchs. Als sie so hingingen, kam ein alter Mann ganz krumm und gebückt. »Ist das ein Mensch?« rief der Wolf. »Das war einer!« sagte der Fuchs. Sie gingen ein wenig weiter, da spielte ein Kind im Felde. »Ist das ein Mensch?« – »Das wird einer!« sagte der Fuchs. Sie machten nur einige Schritte, da trat der Jäger aus dem Wald hervor. »Nun, das ist ein Mensch«, sprach der Fuchs ängstig und schlich auf der Stelle seitwärts. Der Wolf aber war ganz wild und trotzig, ging auf den Jäger los und sprach: »Dem will ich bald die Nieren prüfen!« Der Jäger stand ruhig und wartete; als der Wolf schußgerecht war, zielte er und drückte los. Der Wolf stutzte über das Krachen, und sogleich kitzelte ihn etwas so unangenehm ins Gesicht, und das Blut rann ihm von der Stirne. Er ging aber dennoch auf den Jäger zu; der griff nach dem Hirschfänger, und als der Wolf ihn packen wollte, stocherte er ihm einige Male in die Seite, daß diesem die Lust dazu verging und er laut heulte und fortlief. Der Fuchs lachte sich in den Bauch, als er den Wolf kommen sah. »Nun, wer ist stärker, Gevatter?« – »Der Teufel!« sprach der Wolf, »das war mir so ein Kerl, der hatte ein langes, krummes Holz, hinten rauchte es und vorne fuhr das Donnerwetter heraus, dann nahm er eine Handvoll Steinchen und warf mir ins Gesicht, und zuletzt zog er eine Rippe aus seiner Seite und stocherte mir in den Magen, das war noch das ärgste. Ja, so einen habe ich nicht mehr gesehen!«


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