Josef Haltrich
Sächsische Volksmärchen aus Siebenbürgen
Josef Haltrich

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68. Wie soll ich denn sagen?

Ein Mann, der zu seinem Zeichen dumm war, mehr als es recht ist und sich schickt, sprach einmal zu seiner Frau: »Ich möchte gern die Welt besehen, gib mir einen Spruch auf den Weg!« – »Daraus wird nichts!« sagte diese ganz kurz, denn sie fürchtete, er werde ihr draußen nur Schande machen. Der Mann aber glaubte, das sei der Spruch, lief fort und sprach immer vor sich hin: »Daraus wird nichts! Daraus wird nichts!«

Indem kam er an ein Ackerfeld, da waren Leute, die säeten Korn und sprachen untereinander: »Das kann eine gute Ernte geben!« – »Daraus wird nichts!« rief der Dumme jetzt, indem er seinen Spruch etwas laut sagte. Alsbald nahmen jene ihre Prügel und fielen über ihn her und durchwalkten ihn tüchtig. »Wie soll ich denn sagen, wenn das nicht recht ist?« seufzte er. »Herr, gib mehr!« sprachen sie. Da lief er weiter und sprach immer: »Herr, gib mehr, Herr, gib mehr!« Da kam er zu zweien, die lagen sich in den Haaren und schlugen sich mit den Fäusten, »Herr, gib mehr!« rief der Dumme. Gleich ließen die einander aus und kamen über den Fremden und stießen und schlugen ihn, daß es eine Art hatte. »Wie soll ich denn sagen, wenn das nicht recht ist?« – »Gott scheide euch!« sprachen sie. Nun lief er weiter und murmelte immer vor sich hin: »Gott scheide euch, Gott scheide euch!« Indem kam er zu einem verliebten Paar, die taten sich gerade schön. »Gott scheide euch!« rief der Dumme seinen Spruch. Da fielen beide über ihn her; der Jüngling »knufeite« und zerstieß ihn, die Jungfer zerzauste und zerkratzte ihn rechtschaffen. »Wie soll ich denn sagen, wenn das nicht recht ist«, heulte er vor Schmerz. »Neiget euch zu und küßt einander!« sprachen sie. Nun ging er wieder weiter und sagte seinen Spruch vor sich hin. Da kam er bei einigen vorbei, die hockten unter einem Zaun und misteten gerade. »Neiget euch zu und küßt einander!« rief der Dumme seinen Spruch. Da wurden jene ärgerlich, sprangen auf und fielen über den Spötter und zerarbeiteten ihm den Rücken. »Wie soll ich denn sagen, wenn das nicht recht ist?« – »Laßt's liegen, es stinkt!« sprachen sie. Nun lief er weiter und rief immer vor sich hin: »Laßt's liegen, es stinkt l« So kam er an eine Fleischbank, wo viele Leute herumstanden und Fleisch begehrten. »Laßt's liegen, es stinkt!« rief der Dumme seinen Spruch. Da wurden die Fleischhauer wütend, fielen über ihn her und ließen mit ihren derben Fäusten einen Hagel von welschen Nüssen auf sein Haupt und seinen Rücken herabfahren, daß ihm darunter das Hören und Sehen verging. »Wie soll ich denn sagen, wenn das nicht recht ist?« fragte er jammernd. »Nehmt ein Stück und bratet's!« sprachen sie.

Nun lief er weiter und murmelte vor sich seinen Spruch, und so kam er zu einem, der stand um seine tote Kuh und sprach: »Ich armer geschlagener Mann, was soll ich jetzt machen?« – »Nehmt ein Stück und bratet's!« rief der Dumme. Da fiel jener über ihn her und schlug ihn mit beiden Fäusten, daß er zu Boden sank. »Sollst du in meinem Unglück mich noch verspotten?« – »Aber wie soll ich denn sagen, wenn das nicht recht ist?« – »Gott behüt dich vor Unglück!« sprach jener. Also lief nun der Dumme weiter und kam mit diesem Spruch überall unangefochten in der Welt durch, endlich zog er wieder nach Hause. Seine Frau hatte ihn schon lange vergessen und war von Grund ihres Herzens froh, daß sie seiner los war. Da ging die Türe auf, und ihr Mann trat ein und rief freudig: »Gott behüt dich vor Unglück!« Sogleich lief diese ins Vorhaus, holte den langen Backofenwisch, schlug auf ihn und schrie: »So fahre denn zum Teufel, du lebendiges Unglück!« Da lief er in einem fort bis in die Hölle. Die Teufel erbarmten sich seiner Dummheit, nahmen ihn auf und machten ihn zum Feuerschürer, und das ist er bis auf den heutigen Tag; wer's nicht glaubt, kann hingehen und sich überzeugen.


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