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Viele, viele Jahre, bevor die Weißen nach Samoa kamen, herrschten die Tonganer auf den Inseln Upolu und Savaii. Und in der Stille berieten die Samoaner, wie sie das Joch der Tongaleute wohl abzuschütteln vermöchten. Denn Könige, die ihnen hätten raten können, gab es damals noch nicht im Lande.
Endlich schien ihnen ein Plan zu reifen.
Heimlich errichtete man in den Dörfern große und starke Wälle, die noch heute zu sehen sind; und wenn die Tonganer fragten, weshalb sie die vielen Steine zusammentrügen, antworteten sie, daß sie nur Vorbereitungen zu einem großen Tanze träfen.
Ha! Zu welchem Tanze!
Zum Matamata me!
In Sangana lebten die Brüder Tuna und Fata, beide tapfer, tüchtig und brav; heiß war ihre Liebe zur Heimat, groß der Haß gegen die fremden Unterdrücker. Frei wollten sie das Land, vernichtet seine Feinde sehen.
Des Nachts begaben sie sich, ein jeder mit einer Keule nach dem Dorfplatze, wo Tuna seine Keule auf der einen, Fata die seine an der andern Seite vergrub. Fürchterliche Rache gedachten die beiden an den Tonganern zu nehmen.
Am nächsten Tage fand der große Tanz statt. Die Tonganer wünschten sehr, den Tanz zu sehen. Man sang:
Matamata me,
Matamata me!
Grabe mit dem Fuße!
Greife mit der Hand!
Weh euch Tonganern!
Die Tonganer lachten.
Tuna und Fata tanzten nahe den Stellen, wo sie die Keulen vergraben hatten. Mit den Füßen scharrten sie den Sand weg, und als die Keulen zum Vorschein kamen, griffen sie mit den Händen danach und stürzten mit Gewalt und Geschrei auf die überraschten, verhaßten Feinde.
Sie wurden alle erschlagen.
Doch waren noch viele übrig.
Ha! Wie kämpften Tuna und Fata!
Beide trennten sich; Fata wandte sich zur Rechten, Tuna zur Linken, und wohin sie kamen, erschlugen sie die Kriegsmacht der Tonganer.
Als Tuna mit seinen Kriegern nach Mulifanua und Fatuosofia gelangte, trieb er die Feinde ins Meer, daß sie eiligst auf die Schiffe flüchteten. Frauen, Kinder und Habe, alles mußte zurückbleiben.
Ha! Schlauheit der Frau versöhnte die feindlichen Heere!
Der Beherrscher von Tonga, der Tui Tonga, hatte mehrere schöne Frauen; auch sie waren am Lande geblieben. Eigentümlich waren seine Gewohnheiten; ängstlich war er bedacht, daß niemand die Frauen ihm stehle, niemand die Ehre ihm kränke.
Schlau war das Mittel, doch schlauer die Frauen.
Mit rotgelber, stark duftender Lenga, in mühsamer Arbeit aus den Knollen des Ingwer gewonnen, bestrich er ihnen die Achselhöhlen, den Nabel, die Leisten und den Schamberg; bestrich er ihnen die Stirn, daß weithin die Farbe leuchtete. Also war sein Sinnen und zuverlässig sein Plan: Erscheinen die Frauen nackt, nahm ich ihnen den weichen, weißen Siapo, sagt mir die Farbe, ob sie die Treue gehalten. Verwischte die Lenga auf Nabel, Leisten und Schamberg, ließen sie mit anderen Männern sich ein. Leuchtet die Farbe nur matt, ist an der Stirn sie verlaufen, haben sie mit einem Freunde den Nasengruß getauscht. Also werden die Farben die Frauen behüten; ist unverletzt die Lenga, hat niemand die Frauen berührt!
Schlau war sein Mittel, doch schlauer die Frauen.
Tuna fand die Frau des Tui Tonga; sie war die schönste; und wohl gefiel ihr der stattliche, tapfere Krieger.
Sie schliefen beide zusammen.
Listig war die Frau: Mit einer weichen, weißen Siapo deckte sie den Nabel, die Leisten, den Schamberg, damit Schenkel und Leib von Tuna die Lenga nicht streiften. Herrlich gelang die List; vielmals schliefen sie zusammen; und als sie sich von den Matten erhoben, war die Farbe auf den Leisten, am Schamberg, an Nabel und unter den Achseln an keiner Stelle verletzt.
Aufrecht, auf einem Felsen stand am Strande der Tui Tonga, als man die Frau ihm brachte.
Ob wohl die Lenga verwischte?
Tui Tonga entblößte die Frau und sah, daß die Farbe an keiner Stelle auch nur im geringsten verletzt war. Seine Freude war groß; der Anblick weitete ihm das Herz, jetzt hielt er den Tuna für einen gerechten und guten Häuptling, denn er hatte ihm seine Frau ungefährdet zurückgesandt.
»Ua malie tau, Malietoa, du kämpftest brav, tapferer Krieger, Malietoa! Zur rechten Zeit hast gut und gerecht du gehandelt. Nach Tonga kehre ich zurück. Begraben sei unser Krieg! Als friedliche Reisende werden wir nun in Zukunft auf Besuch kommen und nie wieder einen Krieg mit euch führen!«
Also verabschiedete sich der Tui Tonga vom Tuna. Tui Tonga ging in seine Heimat; die Samoaner blieben zurück. Tuna war der erste König, der Malietoa von Samoa geworden. Die Worte des Tui Tonga sind bis zum heutigen Tage wahr geblieben.
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