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In Samoa lebten einst zwei Schwestern, die hießen Soa'angautala und Soa'angataiala. Sie waren beide sehr schön und saßen eines Tages am Wege, die eine auf der einen, die andere auf der andern Seite und zogen das Unkraut heraus.
Da kamen von ungefähr Wanderer des Wegs gezogen, Tiotala und sein Gefolge. Und als sie an der Soa'angautala vorüberkamen, schaute diese von ihrer Arbeit auf und rief: »Heda, Tiotala!« – »Nun?« fragte dieser. »Warum zeigst du mir denn nicht dein Gesicht und gehst ohne Gruß an mir vorüber? Komme doch, rauche eine Zigarette, und ich bereite dir Kawa.« Da erst sah Tiotala, wie schön das Mädchen war; er ging mit ihr nach Hause, blieb bei ihr und war fortan ihr Mann.
Bald darauf kamen andere Wanderer des Wegs, Vasa und sein Gefolge. Und als sie an der Soa'angataiala vorüberkamen, schaute diese von ihrer Arbeit auf und rief: »Heda, Vasa!« – »Nun?« fragte dieser. »Warum zeigst du mir denn nicht dein Gesicht und gehst ohne Gruß an mir vorüber? Komme doch, rauche eine Zigarette, und ich bereite dir Kawa.« Da erst sah Vasa, wie schön das Mädchen war; er ging mit nach ihrem Hause am Strande, blieb bei ihr und war fortan ihr Mann.
Bald wurde die ältere Schwester schwanger, und als dann auch die jüngere guter Hoffnung war, sagte Soa'angautala: »Tiotala, geh' doch zu meiner Schwester und sag' ihr, daß ihr Kind nicht früher zur Welt kommen dürfe als meins.«
Dann gebar Soa'angautala ihrem Manne einen Knaben, und kurz hernach Soa'angataiala dem Vasa ebenfalls einen Knaben. Sprach die ältere Schwester: »Hör' Tiotala, geh' doch zu meiner Schwester und sage ihr, daß sie ihrem Knaben nicht eher einen Namen geben dürfe, bis unser Kind einen Namen bekommen hat.« Da ging Tiotala zur Schwägerin und sagte: »Gebt eurem Kinde jetzt einen Namen; unser Knabe heißt Tingilau.« Vasa und Soa'angataiala nannten ihren Jungen Timalimalononga.
Die Kinder wuchsen heran und wurden Jünglinge.
Eines Tages sagte die ältere Schwester zu ihrem Manne: »Geh' zu Vasa und der Schwester und bestelle ihnen, sie möchten für unsern Sohn Tingilau die Hochzeitsgaben, Speisen und einen schönen Schurz, bereit halten; dann sollt ihr euch alle auf den Weg machen und für unsern Sohn um das schöne Mädchen werben, das auf der andern Seite unserer Insel wohnt. Timalimalononga mag einen alten, zerrissenen Schurz umbinden, und er soll die Werbegeschenke tragen.«
So geschah es. Als sie vor der Hütte des jungen Mädchens angekommen waren, rief eins der Gespielinnen, die bei ihr im Hause saßen: »Hallo, da kommt eine Reisegesellschaft!« Das schöne Mädchen schaute auf und sprach: »Wer ist denn das? – Ach, das ist ja Tingilau, er geht als erster; der zweite ist Vasa, hinter ihm kommt Tiotala und der letzte, der die Last trägt, das ist Timalimalononga; der gefällt mir, er ist viel hübscher als der Tingilau; Timalimalononga soll mein Gatte werden, mit dem will ich gehen.«
Dasselbe sagten die andern Mädchen; sie wollten alle den Timalimalononga zum Manne haben. Nur ein Weib mit dicken, geschwollenen Beinen meinte:
»Üm, üm, dann will ich mir den Tingilau nehmen.«
Früh am andern Morgen brach die Hochzeitsgesellschaft auf. Die Mädchen taten, wie sie es besprochen hatten; alle gingen mit Timalimalononga.
Als dann Soa'angautala die Gesellschaft zurückkommen sah, rief sie ihrem Manne zu: »Was bedeutet denn das? Du bringst ja ein krankes Weib mit?«
»Was kann ich dazu tun?« antwortete Tiotala, »ist's meine Schuld, wenn alle jungen Mädchen nur den Timalimalononga leiden mögen?«
Timalimalononga ging am Hause der Muhme vorüber, und alle jungen Mädchen folgten ihm nach. Sie wollten baden.
Haß und Eifersucht ergriffen die Soa'angautala. Sie sagte zu ihrem Sohne: »Jetzt gehst du hin, gräbst das Grab meines Vaters auf und erzählst ihm, wie es dir mit deiner Werbung erging. Die Pest soll er über den Kerl bringen!« Tingilau tat wie ihm geheißen war und öffnete das Grab. Eine Stimme kam von unten herauf: »Wer ist da?« – »Ich,« antwortete der Enkel. »Was willst du?« – »Ich möchte dich bitten, daß du die Pest über den Schurken, den Timalimalononga, bringst.« Und wieder kam von unten die Stimme: »Schämst du dich nicht? Du bist wohl auf deinen Vetter eifersüchtig? Aber komm, hier ist die rottende Krankheit, die die Haut runzelt und das Fleisch faulen macht.« – »Ach, gib mir die Krankheit.« – »So sei es denn!« sprach die Stimme.
So gelangte die Krankheit in die Hände des Tingilau, und er begab sich damit zum Timalimalononga.
»Da kommt ja Tingilau,« rief eins von seinen Weibern, »was mag er uns bringen, noch dazu in dieser Sonnenglut?« Als er nahe beim Hause war, rief ihm sein Vetter zu: »Kommst du?« – »Ja, ich komme und bringe die Pest über dich.«
Da wurde Timalimalononga sehr krank; seine Haut runzelte, seine Glieder verfaulten, alle seine Schönheit schwand. Seine Weiber fingen an zu jammern und zu klagen. Er wußte sich nicht zu helfen und bat seine Frauen: »Ach, bringt mich zu meinen Eltern an den Strand!« Sie hoben ihn auf, trugen ihn zu den Eltern hinab und ließen ihn allein; den häßlichen Mann mochten sie nicht mehr leiden. Alle verließen ihn und gingen fort.
Timalimalononga aber bat den Vater, er möchte ihm ein Haus im Gebirge erbauen, einsam und abgelegen und hart am Abgrunde.
Tingilau hielt nun die Zeit gekommen, sich um die schönen Frauen zu bemühen, sie für sich selber zu gewinnen.
Vasa trug seinen Sohn ins Gebirge und legte ihn an der Stelle nieder, wo er ihm das erbetene Haus errichten wollte. Plötzlich horchte der Kranke auf und hörte, wie im Walde Feuerholz geschlagen wurde. »Aha,« dachte er, »jetzt wirbt Tingilau um meine Frauen, jetzt schlagen sie Holz, um die Speisen für die Werbegeschenke zu kochen.« Angst beschlich ihn, und er wollte sich der Frauen versichern. Sein Vater sollte für ihn von neuem werben. »Vater,« so sprach er, »geh' doch, hol' etwas Taro für ein Hochzeitsgeschenk, auch ein Huhn.« Als das geschehen war, und Taro und Huhn gekocht waren, sagte er: »Jetzt nimm das Huhn, zerlege es und gib mir einen Flügel; iß selber den andern Flügel und ein Bein; das andere Bein aber nimm mit dir und werbe für mich um die Gunst der Frauen.«
Vasa begab sich also zu den Frauen; er fand dort eine große Anzahl Männer, die sich alle um die Verlassene bewarben. Mancherlei Geschenke waren da ausgebreitet. »Hier bringe ich dir ein Schwein als Geschenk«, sagte der eine; »Hier bringe ich dir ein Huhn als Geschenk«, sprach ein anderer; und so hatte ein jeder etwas anderes. Schließlich sagte Vasa: »Auch ich bringe dir ein Geschenk, ein Stück Taro und ein Hühnerbein!« Kläglich fielen diese Geschenke gegen die übrigen ab; die schöne Frau wunderte sich auch, daß Vasa, der Alte, sich noch um sie bewerbe, doch bald ahnte sie, daß er es nur für Timalimalononga tat. Und da waren diese Geschenke ihr doch die liebsten. Sie sagte zum Vasa: »Komm du zu mir, ich will mit dir zusammen deine Geschenke verzehren, hier sind so viele Speisen, sie möchten sonst verderben.«
Vasa setzte sich neben die Schöne und aß mit ihr; und als es Abend geworden, die Schlafenszeit nahte, erhob sie sich und verteilte die Matten an ihre Bewerber; die eigene Matte aber behielt sie für Vasa und sich selber zurück. Da wußte Vasa, wem ihre Gunst gelten sollte.
Die Schöne fragte: »Wo ist denn Timalimalononga?«
»Der ist sehr krank«, antwortete Vasa.
»Warum trugst du ihn denn nicht auf dem Rücken hierher?«
»Dazu ist er viel zu krank!«
Das betrübte die Schöne; doch als am andern Morgen Vasa sich zu seinem Sohne begab, beschloß sie, sich einen andern Mann zum Gatten zu erwählen; es konnte der Kranke ihr doch nichts nützen.
Als Vasa bei seinem kranken Sohne wieder angelangt war, fragte dieser: »Nun, wie ist es dir denn in der Nacht ergangen?« – »Ach,« erwiderte der Vater, »auf einer ganz gewöhnlichen Flurmatte habe ich geschlafen, eine grüne Kokosnuß war mein Kopfkissen.« Er wollte den Sohn nicht betrüben.
Da sagte Timalimalononga: »Nun wirf mich hier in den Fluß, ich will nicht länger dies qualvolle Dasein leben.«
Der Vater erfüllte ihm den Wunsch und warf seinen Sohn in den Fluß; die Wellen spülten den Körper ins salzige Meerwasser, und mit der Flut trieb er später an den Strand. In der Nähe des Grabes vom Großvater wurde er auf den Sand geworfen.
Es war Nacht und die Stunde, wo die Geister der Verstorbenen sich am Strande ergingen. Als der Großvater auf den Leib des Timalimalononga trat, rief dieser aus: »Wehe mir, wehe mir Armen, ich bin noch so jung und möchte doch wieder lebendig werden!« Da sprach der Greis: »Bist du es mein Lieber, du, auf den ich die böse Krankheit brachte?« – »Ja, der bin ich!« – »So stelle dich aufrecht auf deine Füße.«
Da erhob sich Timalimalononga; in neuer, herrlicher Körperschönheit war er wieder zum Leben erwacht.
»Nun gehe zu den Eltern,« sprach der Greis, »bereite sogleich deine Hochzeitsgeschenke und gehe sofort zu der Schönen, sonst kommst du zu spät, und sie möchte sich einen andern Gatten erwählt haben. Nie wieder werde ich dem Tingilau folgen.«
Der Jüngling ging jetzt zu seinen Eltern. Sie freuten sich über den Wiedergeschenkten. Der gedachte der Worte des Großvaters. »Gebt mir ein Fischnetz!« und zu seinem Vater Vasa sprach er: »Komm sogleich mit einem Fischkorb zum Strande hinunter.«
Timalimalononga eilte voraus, warf das Netz aus und fing eine gewaltige Menge Fische. Sie sollten das Werbegeschenk bei der Schönen bilden.
»Komm, füll' sie in deinen Korb und trage ihn zu der Schönen!« bat er den Vater.
Und Vasa trug die schwere Last zu der umworbenen Frau.
Beim Anblick der gewaltigen Menge Fische rief sie aus: »Kein anderer als der wiedererstandene Timalimalononga soll fortan mein Gatte sein!«
So heirateten die beiden einander; und kein böser Tingilau, keine eifersüchtige, neidische Muhme hat ihnen ihr Glück gestört.
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