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XXIV

Es verging ein ganzer Monat.

In der Bucht war es still, keine Tätigkeit, kein Verkehr, aber Bürgermeister Joakims kleine Wiesen und Äcker standen wirklich schön, und draußen auf der Neusiedlung war es natürlich die reine Herrlichkeit mit grünen Wiesenstrecken von den Häusern bis ganz hinunter zu den Klippen. Was war es wohl, das hier stand und Sommer feierte und wuchs und reif wurde? Gerste, Hafer, Gras, Rüben in frisch umgebrochenem Land, und Kartoffeln, fünferlei Arten pure Nahrung für Menschen und Tiere.

Der Großbauer konnte sich freuen über seinen Besitz, er sah Segen aus seinem Streben kommen. Nichts war so dankbar für Arbeit und Pflege wie die Erde, sie gab aus vollem Schoß zurück, lohnte mütterlich, lohnte göttlich. Im Herbst hatte er alle Hände voll zu tun, um zu empfangen und immer wieder zu empfangen. Keinen Weizen und keinen Mais, – nein, Ezra und Hosea kannten nur das Brotgetreide, mit dem Martinus Halskar und andere Buchtbewohner uralt geworden waren, manche achtzig, andere neunzig und hundert Jahre. Mit diesem Alter hatten sie das Recht, sich hinzusetzen und zuzuschauen, wie andere alt wurden.

August Weltumsegler erzählte ihnen von Industrie und Geld, – was sollten sie damit, den Pfarrer bezahlten sie mit dem Opferscheffel und dem Gerechtsamengewicht, den König und die Gemeinde mit Kalbfellen, Butter und Käse und Birkenholz, von allem etwas, dann und wann einen Stier an die Honoratioren der Inneren Gemeinde. Und so ging es auch, ging ausgezeichnet und nach Bauernart. August Weltumsegler hatte sie seinerzeit viel gelehrt, jetzt lehrte er sie etwas anderes; daß alles sich mit Tausenden »lohnen« sollte, mit unverständlichen Zahlen. –

August hatte es wohl aufgegeben, die Maschinen für die Fabrik noch in diesem Leben zu bekommen. Auf sämtliche Telegramme, die Pauline für ihn aufgegeben hatte, hatte die Maschinenfabrik auch nicht ein Wort geantwortet. August besprach diese merkwürdige Sache mit Pauline, und keines von ihnen begriff sie. Vielleicht zweifeln sie daran, daß du bezahlen kannst? meinte sie. Dumm genug wären sie dazu, antwortete er. Warum schreiben sie aber da nicht und bitten um Sicherheit? Die hätten sie doch auf die erste Anfrage hin bekommen, ich habe ja Wertpapiere auf drei und vier Länder! August fluchte kräftig und schwor, die Maschinenfabrik aufzusuchen und ihr seine Meinung zu sagen, wenn er nun in einiger Zeit seine Reise zur Bank von Norwegen machte. Warum fährst du nicht sofort? fragte Pauline, wie gewöhnlich ohne Verstand im Kopf. Konnte er denn von seiner Plantage fortfahren, jetzt, wo sie gerade in Blüte stand!

Er war sehr beschäftigt mit seinem Stückchen Acker. Es war ein Wunder, wie seine Pflanzen wuchsen und buschig wurden und mit den großen Blättern im Wind wogten. Noch hatte August keinem anderen als Teodor offenbart, daß es Kartoffeln waren, die er da zog; gewöhnlichen und durchschnittlichen Kartoffeln glich es auch immer weniger und weniger, es sah offen gestanden allem anderen viel ähnlicher; und was für eine Art von Kartoffeln mochte es da wohl sein? Merkwürdig war auch, daß August nach und nach die größten Blätter von seinen Pflanzen abnahm, sie daheim preßte und Saft ziehen und gären ließ.

Edevart war einige Zeit bei Ezra beschäftigt, sie rodeten neues Ackerland, dann zog er wieder in sein Zimmer über dem Café und wohnte zusammen mit seinem Kameraden wie früher.

Nein, er war nicht dazu gekommen, Briefe zu schreiben. Er gab August die Schuld, der ihm abgeraten hatte.

Hast du wenigstens telegraphiert? fragte August.

Nein, das auch nicht gerade.

August kratzt sich hinter den Ohren: Bist du denn ganz verrückt geworden? Wenn du gleich telegraphiert hättest, könntest du sie jetzt schon hier haben. Aus was bist du eigentlich gemacht? Aus Holz oder aus Stein? Gott verzeih mir meine Sünden!

Edevart sitzt da und denkt darüber nach, blinzelt mit den Augen und denkt; er ist so schwerfällig und unwissend: So einfach ist es nun nicht, sagt er, ich hatte ja auch kein Geld, ehe ich bei Ezra etwas verdiente.

Kleinigkeit für August: Geld für ein Telegramm? Pauline hätte es doch einstweilen für dich auslegen können.

Ich war auch nicht so sicher, ob ich es überhaupt tun sollte, murmelte Edevart.

So, du warst nicht so sicher, ob du telegraphieren solltest! Jetzt war August ganz verwirrt und wußte überhaupt nicht mehr, was er sagen sollte: die eigene Frau im fremden Land, der Mann hier, – wozu hatte er sie denn dann? Er redete und besprach die Angelegenheit mit sich selber, fragte und antwortete. Müßte er nicht selber in Edevarts Namen ein Telegramm senden und die Frau zu ihrer Pflicht zurückrufen? Wie war die Adresse? Das sollte seine geringste Mühe sein, Mrs. Andrews innerhalb eines Monats hier in dieses Zimmer treten zu lassen. –

Edevart blinzelte und lachte. Er sagte: Bei dir ist es eben so, daß du Lust aufs Leben hast.

Sollte ich vielleicht Lust auf den Tod haben? August redete wieder, holte weit aus und sagte viel. Aber er bekam keine Antwort. Endlich verstand er wohl, daß der Kamerad sich nicht ohne weiteres durch Worte überzeugen ließ, er ging zum Ofen hin und fragte von dort her: Hast du einen Verdacht, daß du vielleicht nicht der einzige um sie bist?

Edevart: Wieso? Nein, das weiß ich nicht.

Es geht mich ja eigentlich nicht das geringste an, meinte August.

Aber ja, jetzt hatte er Edevart wohl getroffen, hatte diesen Gaul an einer wunden Stelle getroffen. Er schien verlegen, bückte sich und hob einen Span vom Boden auf und spielte damit.

Nein, es geht mich natürlich nichts an, fuhr August fort und ging jetzt zum Fenster hinüber. Aber ich wüßte mir etwas Besseres, als herumzulaufen und um eines Frauenzimmers willen in Verlegenheit zu sein.

Das war wohl als Trost gedacht, aber es munterte den Kameraden nicht auf, er beugte sich tiefer über den Span und sah bedrückt aus. Trug er am Ende wirklich großen Gram und Kummer im Herzen? Oder wollte er nur den Anschein erwecken, als tue er das?

August: Solche Sachen sind natürlich nicht so einfach. Aber um alles in der Welt, was sollten wir Seeleute und Reisenden denn tun, wenn wir nicht einfach in den nächsten Hafen segeln und sie vergessen könnten? Das wäre ja eine schöne Geschichte, wenn wir immer mit einem kummervollen Gesicht herumlaufen wollten.

Es ist nun einmal so, sagte Edevart, daß es früher eben nichts anderes gab als nur sie und mich. Und wir konnten nicht fern voneinander sein, und wir konnten einander nicht nahe genug sein.

Ja, auf diese Art spielen sich solche Dinge ja immer ab! ruft August als Kenner aus.

Ja, aber wir haben am falschen Ende angefangen, fuhr Edevart fort. Sie war vorher verheiratet gewesen und konnte ihn wohl nicht vergessen.

Ein richtig widerlicher Kerl, habe ich gehört.

O nein, antwortete Edevart. Er stammte von ihrem eigenen Grund und Boden, und ich kam von draußen und war ein Fremder. Das muß wohl etwas bedeutet haben, ich weiß nicht. Aber er war in allen Dingen besser als ich und war ein großartiger Liebhaber.

Na, du selber warst doch auch nicht so ohne!

Ich selber, antwortete Edevart träumerisch. Ich war so jung, ich konnte weder Ziehharmonika spielen noch trinken, noch mich mit anderen Mädchen herumtreiben. Für mich gab es nur sie. Er war auch ein gelernter Spengler und konnte viele schöne Dinge und Siebe und Schöpfer und Eimer anfertigen. Er war eben Nummer eins bei ihr. Sie fuhr mit ihm nach Amerika.

Hätte er nicht allein reisen können?

Wer weiß, ob sie das wollte, sie ging mit ihm. Und nach einiger Zeit verschwand er in Amerika –

Ach, pfeif auf ihn! unterbrach August ihn. Wir reden jetzt doch von ihr.

Ja, aber man weiß nicht, wo er hingekommen ist, ob er gestorben oder durchgebrannt ist.

Er ist durchgebrannt, sagte August, schnurstracks durchgebrannt, das sieht ihm ähnlich! Keine Spur von Gewissen für Frau und Kinder! August begriff diese törichte Unparteilichkeit des Kameraden nicht und regte sich ordentlich auf. Eine schöne Eifersucht! August hätte an seinem Mitbewerber kein gutes Haar gelassen, nicht für einen Heller Ehre, nein, kein menschliches Aussehen.

Ein widerlicher Kerl, sagte er. Zuchthäusler und alles miteinander! Du hättest dich strammer halten sollen, Edevart, sie hat keinen Ernst bei dir gesehen. Wenn ich an deiner Stelle gewesen wäre!

Sie war die ganze Zeit recht gut, bis zu dem Augenblick, da sie anfing, ihn zu suchen. Von da an war ich nichts mehr für sie.

August stutzte: Sucht sie ihn denn? Aber der Kerl ist doch tot! Ich habe nie geglaubt, daß er durchgebrannt ist, obgleich es ihm ähnlich gesehen hätte, nein, er ist doch gestorben, abgekratzt, und nicht einmal auf eine anständige Art, sondern durch ein Eisenbahnunglück, oder er ist geradeswegs in den Hudson River gelaufen. Ich kenne doch zahlreiche Leute, die das getan haben! Zum Teufel noch einmal, was muß sie denn herumstreunen und nach einem toten Mann suchen. Wenn ich doch nur einmal ein Wörtchen mit ihr reden könnte!

Sie hat sicher auch ihre Kinder zum Suchen angestellt.

Das ist doch das Tollste, was ich je gehört habe: einen toten Mann suchen!

Wenn sie das eben nur sicher wüßten!

August stapfte empört, wieder zum Ofen zurück: Großartig, wie heilig und gottesfürchtig du darüber reden kannst! Ist sie denn nicht deine eigene Frau, nach Recht und Gesetz? Warum führst du dich denn so auf, du Trottel; oder sitzt du da und hast den Kopf voll lauter Cholera? Du redest ja von ihrem Spengler gerade als wäre er ein Goldschmied! Jetzt laß mich endlich einmal ihre Briefe lesen!

Die Briefe? fragte Edevart. Warum? Ich glaube nicht, daß ich sie noch habe.

So, Edevart hatte sie nicht mehr, er bewahrte die kostbaren Briefe nicht auf? Der heimgekehrte Landstreicher hatte sie in seiner Gleichgültigkeit vielleicht nicht einmal ordentlich durchgelesen. Es schien schlecht bestellt zu sein um seine Liebe, obgleich er hier saß und darüber redete. Seine Eifersucht war ja der reine Schund.

Du sollst mich die Briefe lesen lassen, habe ich gesagt! kommandierte August. Denn ich weiß jetzt ganz genau, was wir tun müssen.

Edevart stand ärgerlich auf: Was willst du denn mit den Briefen? Vielleicht habe ich den letzten noch! Er suchte im Bett, – nein, suchte in den Taschen, suchte auch in den Taschen des Sonntagsanzuges, der an der Wand hing. Vielleicht hat ihn jemand genommen, meinte er. Nun, das war ja eine großartige und lebendige Liebe! Endlich fand er den Brief auf dem Boden, er war unter das Bett gefallen.

Er war vom letzten Herbst und nicht von großer Wichtigkeit: daß sie nun in dieser Abendstunde schreibe und an ihn denke, und daß er bald herüberkommen solle. Es geht einigermaßen gut mit ihrem Geschäft, sie hat sechs Zimmer gemietet und vermietet sie wieder an die Leute von der Eisenbahn und hat darunter Boarding. Die Augenbrauen, von denen er so oft redete, rieb sie jetzt jeden Abend mit Kokosnußöl von der Apotheke ein. Er konnte also sehen, daß sie ihn nicht vergaß. Sie hatte im übrigen vorgehabt, das nächste Mal ganz bis Frisko zu reisen, aber es war eine lange Reise jetzt vor dem Winter und ins Ungewisse hinein, aber an Kleidern fehlte es ihr nicht, und sie hatte einen neuen Mantel mit Kragen aus Coonspelz und Coonspelz an den Ärmeln. Sie bat ihn, zu schreiben, wie er lebe, und sie nicht zu vergessen. Zum Schluß grüßte sie von unserer Tochter, Mrs. Adams, die jetzt kein Wort Norwegisch mehr könne, sondern nur noch Englisch –

Edevart saß da und hörte aufmerksam zu, einiges aus dem Brief schien neu für ihn zu sein, er blickte manchmal auf und sagte: So, da will sie also das nächste Mal bis ganz nach Frisko, ja ja. Sie versteht ja fabelhaft zu reisen und überall hinzukommen.

August war nicht zufrieden und sprach sich überlegen aus: An dem Brief ist nichts auszusetzen, sagte er, aber er ist nicht Fisch noch Fleisch. Du kannst ihr nichts vorwerfen, sie ist viel besser als damals, als sie hier war. Du hättest sofort antworten und ihr deine Meinung sagen sollen; wie die Dinge nun liegen, hast du sie tun lassen, was sie wollte, und sie fortreisen und kommen und über euch beide herrschen lassen, – ich hätte mich schönstens bedankt! Jetzt telegraphieren wir, das steht fest! August verfaßt den Wortlaut: Tu deine Pflicht und komme sofort. Liege im Sterben. Die Erbschaft soll verteilt werden –

Edevart sieht ihn mit offenem Mund an.

Ja, darin soll keine Lüge und Übertreibung sein, sagte August, lag ich nicht selber lange Zeit im Sterben, und das wollen wir hineinmischen. Ich werde es formulieren. Im übrigen telegraphieren wir auf norwegisch, und da kommt es ja unklar an.

Nein, sagte Edevart und schüttelte den Kopf.

August stellte unbeeinflußt fest: Das tun wir. Die Hauptsache ist, daß sie einen Schock bekommt. Liege im Sterben, – die Erbschaft soll verteilt werden –

Was für eine Erbschaft?

Die Erbschaft hier, sagte August. Glaub nur ja nicht, daß du nichts zu vererben hättest, wenn du jetzt sterben würdest. Du kannst nicht einfach hergehen und sie deinen Geschwistern geben, sonst wirst du festgenommen und verhaftet, denn du hast direkte Erben, – von allen deinen ledigen Kindern will ich gar nicht reden. Ich werde es formulieren. Und wenn sie dann gekommen ist und hier steht, werde ich mit ihr reden.

Edevart schüttelte den Kopf, schüttelte den Kopf.

August: Beantworte mir jetzt nur eines: hat sie deiner Meinung nach ihren Mann gefunden, – oder hat sie einen anderen gefunden?

Was meinst du? Kann ich das wissen?

Nein. Aber nun sollst du ihr eine Chance geben, wie man das nennt, und sie heimkommen lassen. Ich werde es nach der Adresse hier im Brief formulieren. Und wenn sie dann hier in diesem Zimmer steht, dann roll sie nach deiner Pfeife tanzen. Es soll in Zukunft kein Gelaufe mehr durch ganz Amerika geben, nach einem steintoten Mann. Ich weiß, wie man mit ihr umgehen muß. Denn ich habe selber schon einmal in der gleichen Geschichte gesteckt.

August hatte einen guten Augenblick. Bei der Aussicht, sich auch in diese Angelegenheit einmischen zu können, wurde er sehr gut aufgelegt, hoho, ungeschwächt von allem Widerstand und unverändert feurig, ohne Drang zur Vorsicht. Er dichtete stehenden Fußes eine Geschichte zusammen, schwätzte, war in vollstem Maße ausschweifend, wie bei seinen tollsten Lügengeschichten in Joakims Stube. Es war ein Genuß für ihn, zu erfinden, seine wasserblauen Augen wurden nach und nach immer größer und größer, als könnte er sich selber kaum glauben. Wie phantastisch war er doch, wie schamlos, vielleicht auch verdorben, etwas ungesund und geschändet. Er meinte es gut, wollte keinem schaden, wünschte im Gegenteil gerade in diesem Fall, dem Kameraden mit seinem Erlebnis zu helfen, aber wie alle seine Geschichten verlor auch diese unterwegs ihr Ziel und lief auf Sand auf.

Natürlich handelte es sich um ein oder zwei Damen, und die eine war jedenfalls die Tochter des »Generalpräsidenten«, sagte er. Wenn also Mrs. Andrews käme, so sollte sie zu hören bekommen, wie auch andere feine Damen sich in ihrer Ehe nach dem Mann hatten richten müssen.

Was wußte denn August von Ehe? Doch, er war mit ihr verheiratet gewesen, nicht gerade sehr lange, aber jedenfalls ordentlich verheiratet, ohne Übertreibung. Und jetzt sollte Edevart zuhören!

Er war auf einem Tankschiff, sie luden Öl, die Mannschaft wohnte während des Verladens an Land, denn diese Art von Ladung ist so gefährlich, daß kein Weißer sich damit abgibt. Auf diese Weise wurde er mit einem Mädchen bekannt, eingeboren und dunkel, oh, ein unvergleichliches Weib, was den Körper anbetrifft, und das Haar zum Beispiel, das sie hatte, war ganz wie bei einem feuersprühenden Löwen und stand ihr wie ein Wagenrad um den Kopf. Aber Verzeihung, sie wollte sich nur um jeden Preis mit ihm verheiraten und ließ ihm keinen Frieden damit, sie wollten ein Heim gründen, sagte sie, und auf eine andere Art wollte sie nichts mit ihm zu tun haben. Es nützte alles nichts, soviel er ihr auch zuredete, denn dann ging sie ihrer Wege und hielt sich an einen anderen, und das konnte August doch auch nicht mit ansehen. Er überlegte, ob er sie nach den Staaten mitnehmen und dort sehen lassen könnte, aber das wollte sie nicht, ihr Land wollte sie nicht verlassen, und sie sollten nur heiraten und bei ihr wohnen, denn sie hatte ein Heim und eine Plantage. Aber was war das schon für eine großartige Wohnung und Heimstätte und Plantage für ihn, der es besser gewöhnt war: ein Bambusdach mit Blättern darauf und keine Wände, – nein, sie mußte schon entschuldigen! Nun waren aber keineswegs alle Frauen dort Besitzerinnen eines so guten Bambusdaches, und sie hatte es noch von ihrem Mann her, der durchgebrannt war, – genau wie der Spengler von Mrs. Andrews, der auch durchgebrannt oder an irgend etwas gestorben war.

August half sich nun damit, daß er ihr auf der Ziehharmonika vorspielte und den Nebenbuhler ausstach, und wahrhaftig, sie tanzte auch und schonte sich nicht. Danach fragte er: Willst du jetzt mit mir gehen? Aber nein, erst sollten sie heiraten! Du kannst mich gern haben! sagte August und ging seiner Wege. Wie war es denn nur möglich, daß sie nichts mit ihm zu tun haben wollte, – denn in jenen Gegenden und Landstrichen nahmen die Frauen es doch damit nicht so genau. Ja, sie war eben so in ihn vernarrt und verliebt, daß sie ihn an sich binden und fürs Leben haben wollte, sie konnte nicht ohne ihn leben, das merkte er sehr wohl. Aber er dachte ja gar nicht an so etwas, und darum ging er jetzt fort.

Als er einige Stunden gegangen war, sah er sich um, – sie folgte ihm nach. Was? Ja, sie folgte ihm nach. Sie ging dahin und weinte und war verliebt und verschossen in ihn und konnte nicht vergessen, wie wunderhübsch er bei ihr Ziehharmonika gespielt hatte und wie fein er mit seinen Goldzähnen gewesen war. Er aber kümmerte sich nicht im geringsten um sie und ging nur weiter. Sie folgte ihm drei Tage und Nächte lang, dann kehrte sie um, sie wagte nicht, weiter mitzugehen, denn hier regierte der Generalpräsident.

August blieb nun dort und wurde an der höchsten Stelle empfangen, und alle Leute warfen sich vor ihm nieder, denn er war ein weißer Gott mit Goldzähnen. Er hatte jetzt schöne Tage, heiratete die Tochter und wohnte in einem Schloß mit Wachen vor den Pforten und bekam vier Doktoren nur zu seinem eigenen Gebrauch, für den Fall, daß er zum Beispiel krank werden sollte, und nicht genug damit, es standen ihm auch noch eine Lustjacht auf dem Meer, Plantagen, viele Sklaven zur Verfügung, und sieben Elefanten für den Fall, daß er jeden Tag auf einem anderen reiten wollte.

August hält in seiner Erzählung inne und schüttelt den Kopf: Das Schlimme war, daß er hier zu plötzlich gehandelt und sich nicht genügend Bescheid über die Dame eingeholt hatte, ehe er heiratete, aber wer konnte auch so eine feine Person verdächtigen? Nun sollte Edevart hören!

Ob sie schön war und herrlich aussah? Sprich nicht davon und nimm so etwas gar nicht in den Mund, ein Bildnis der Jungfrau Maria war gering im Vergleich zu ihr, und sonst hätte August sie ja auch gar nicht genommen. Aber was half das alles, – die Dame wollte ja nichts von ihm wissen. Es war nicht zu begreifen und zu ergründen, aber sie ging nur umher und war fein und wollte weder bei Tag noch bei Nacht etwas von ihm haben. Sie küßten sich zwar ein wenig, aber es war nie ein sonderlich süßes und überragendes Benehmen an ihr. Was sollte er mit einer solchen Frau! Sie hatte einen Namen, der auf norwegisch gar nicht auszusprechen war, denn es waren ganz andere Buchstaben als die unseren, und sie waren so fein, daß jedesmal, wenn August sie rief und etwas von ihr wollte, ihre Buchstaben ramponiert und abgenützt wurden, so daß sie neue bekommen mußte. Aber wenn ein Mensch so fein wird, so ist das ja keine Frau für ihren Mann, der sie zu sich rufen und dies und jenes von ihr haben möchte. August fragte, ob ihr etwas fehle? Keineswegs, o nein! Und sie zeigte ihm vier Kinder, von denen sie sagte, es seien ihre eigenen, es fehlte ihr also nicht das geringste. Nun, dann sollte sie aber auch zum Teufel –! August rief sie da zu sich heran und wollte sie mit Gewalt nehmen. Niemals würde er dieses Erlebnis vergessen, und jetzt sollte Edevart hören: sie war ein Zwitter.

Das ist doch nicht möglich? preßte Edevart hervor.

August selber standen die Augen ganz starr bei dieser merkwürdigen Aufklärung. Ein Zwitter! sagte er. Alles mußte er doch durchmachen, meinte er nun auch, und alles mußte er auf dieser Erdkruste kennenlernen. Da kam ihm nun wieder diese Sache in die Quere. Aber das Weitere in dieser Sache war natürlich, daß August augenblicklich Weib und Schloß verließ und ausriß, er lief wie gejagt aus Land und Reich und kam wieder zum Hafen hinunter. Er glaubte nicht, daß etwas gegen ihn eingewendet werden könnte, weil er seine Frau verlassen hatte, und die vier ledigen Kinder, die sie ihm gezeigt hatte, waren nur Prahlerei gewesen.

Da lag nun sein Schiff und war geladen und sollte am Morgen in See stechen. Nun weiß ja jeder Seemann, wie gefährlich es ist, bei großer Hitze mit einer Ölladung zu fahren. Der Druck hebt die Luken ab und sprengt das Schiff in wenigen Stunden mit Mann und Maus in die Luft. Aber August wollte alles lieber, als mit der Tochter des Generalpräsidenten verheiratet sein, pfui Teufel! sagte er. Und Edevart konnte sich kaum vorstellen, wie widerlich und ekelhaft sein Erlebnis mit ihr gewesen war. Ein Mann stand nun hier auf dem Kai, zündete eine Zigarette an und warf das Zündholz ins Wasser. Was geschah? Ja, das Wasser geriet in Brand, das Wasser rings um das Schiff brannte von dem öl, das aus den Tanks im Schiffsrumpf herausgesickert war. August war sich klar darüber, daß es so gut wie sicher den gewissen Tod bedeutete, mit diesem feuergefährlichen Schiff zu fahren, aber er wollte um jeden Preis fortkommen. Pfui Teufel!

Am letzten Abend ging er wieder an Land und zu dem Mädchen mit dem Löwenhaar. Welch ein Unterschied besteht doch zwischen den Weibern! Hier war keine Rede davon, daß ihr etwas fehlte, aber Verzeihung, sie wollte wiederum nur heiraten. Sollte sich ihm denn jedesmal und jedesmal etwas in den Weg stellen! Heiraten, – warum denn? Aber sie war ein apartes, unvergleichliches Frauenzimmer, sie wand ihm einen Blätterkranz und legte ihn ihm um den Kopf und schmückte ihn, und sie selber hatte sich mit einem spärlichen kleinen Rock um die Hüften geschmückt und trug sonst keine Kleider, denn es war so warm.

August hielt wieder inne und schüttelte den Kopf: Wenn er jetzt an diesen Abend dachte, so konnte er kaum schnaufen! Sie brachte eine Art Wein, von dem sie beide tranken, es war nichts anderes als Kokosnußmilch, die eine Zeitlang gestanden und gegoren hatte, aber sie wurden ein wenig betrunken und närrisch davon und fingen an zu singen und kollerten unter das Bambusdach. Jetzt bekam er sie unter sich und ließ nicht mehr los. Ich tu' es nicht, sagte sie, morgen ist Markt, und da werde ich ihn treffen! Das hörte sich ja reizend an, und es durchfuhr ihn heiß. Hier sollte Edevart nun beachten, daß es eine Kleinigkeit für ihn gewesen wäre, sie umzubringen, aber August tat das nicht, er versprach ihr das Leben. Aber wie dem nun auch war, vielleicht glaubte sie nicht, daß er es ehrlich meinte, sie hob jedenfalls das Knie und stieß damit gegen ihn, und das war kein geringer Stoß.

Du bist ein Satan, daß du so etwas tust, sagte August zu ihr, und es ist unpassend und geschmacklos, sagte er. Sie stieß wieder nach ihm und auf die gleiche empfindliche Stelle. Nein, nun paß einmal auf, findest du selber, daß so etwas sein darf? fragte er und wollte ihre Meinung hören. Ich werde ihn morgen treffen! sagte sie. Und nun schlug er zu, nicht vorher, aber jetzt gebrauchte er die geballte Faust und machte sie ruhig. So, jetzt bleibst du aber still liegen! riet er ihr, und damit es ja kein Mißverständnis geben konnte, wollte er ihr noch etwas versetzen, er hob auch schon die Hand, ließ sie jedoch wieder sinken, wer weiß, vielleicht lag sie im Sterben, ein zweiter Hieb wäre also Verschwendung gewesen.

Aber hat man schon jemals von so einem Satansweib gehört? Er verließ das Bambusdach und ging von der Dame weg, machte sich auf den Weg zum Schiff, taumelte ein wenig, fluchte. Plötzlich ist dieses Frauenzimmer wieder aufgesprungen und stand nun aufrecht hinter ihm. Willst du heute fortfahren? fragte sie. Ja, das wollte er. Komm! sagte sie und winkte. Sie gingen wieder unter das Dach, und sie suchte eine schöne Stelle mit Blättern heraus und ließ dann den kleinen Rock fallen.

Jetzt aber sollte Edevart hören: danach wurde sie freundlich und wußte gar nicht mehr, was sie ihm alles Gutes antun sollte, und behielt ihn bis zum letzten Augenblick unter dem Dach und wollte noch einmal so, wie er wollte. Sie hatte einige Beulen und Merkzeichen von ihm im Gesicht, aber das tue nichts, sagte sie, und zum Schluß ordnete sie seinen Kranz wieder und flocht noch mehrere Blätter hinein, bis er an Bord ging.

Und diesen Kranz hob er auf, anfangs nur zum Spaß, später aber mit der größten Sorgfalt: es waren viele halboffene Samenkapseln an den Stielen, und es entstand in ihm der Gedanke, daß dies vielleicht ein merkwürdiger und wertvoller Samen sei, wie ihn nur wenige Sterbliche besäßen. So war es wirklich!

August gab sich förmlich einen Anlauf und fuhr fort: Das ist der Samen, den ich oben auf meinem Acker ausgesät habe!

So, sagte Edevart.

So, sagst du nur, aber das ist der Samen, der vielleicht die allerwichtigste Nahrungsquelle und Industrie für die Bucht und unsern ganzen Landesteil wird. Was sagst du nun?

Ist es nicht Tabak?

August zuckte zusammen: Zum Teufel, woher weißt du das?

Es schien mir so.

Du sagtest doch im Winter, daß du noch nie ein Tabaksfeld gesehen hättest?

Edevart erwiderte, daß er vielleicht doch schon eines gesehen habe, er wisse nicht genau –

Ich habe nicht gewagt, es zu sagen, erklärte August, denn dann kommen sie alle zusammen, und dann strömt der Teodor hinzu und stiftet Unheil und braucht die ganze Jahresernte auf. Es ist ja ein wahres Glück, daß du es bist, der die Geschichte erfaßt hat, und nicht irgendein anderer, denn du schweigst ja halbjahrweise und bringst den Mund vielleicht erst wieder einmal im Winter auf, und bis dahin dürfen die Buchtbewohner es gern erfahren. Was ich sagen wollte: wenn es nun zum Tabakanbau im großen Stil käme, hier im Bezirk? Die Fabrik steht da, wir können Kautabak herstellen und Zigarren und Zigaretten wickeln und Schnupftabak mahlen, am Absatz wird es nicht fehlen, und die Maschinen will ich schon bezahlen, wenn ich einmal nach dem Süden komme. Was meinst du dazu?

Ja, sagte Edevart. Vielleicht läßt sich das genau so gut machen wie etwas anderes.

Ganz richtig! Die Fabrik steht da, und sie soll uns zu vielen Auswegen dienen. Da gingen nun die Leute im Winter herum und hungerten und sangen Psalmen, weil sie nur einen einzigen Ausweg wußten, sie wollten Kartoffeln haben, aber sie sahen nicht ein, daß wir Industrie und Geld brauchten, sie erklärten, Geld sei keine Nahrung. Doch, Geld ist ja gerade Nahrung! Hätten wir im Winter Geld genug gehabt, so hätten wir diesen Weizen-Corner in Amerika durchbrochen und Nahrung bekommen.

Wie ging es dann weiter, fragte Edevart, seid ihr dann mit dem Tankschiff in die Luft geflogen?

Und ob wir in die Luft geflogen sind! entgegnete August. Und ich für mein Teil habe nur das nackte Leben gerettet, – ja, und den Samen. Aber war das nun nicht auch ein Schicksal und eine Fügung, daß sie mir diesen Blätterkranz um den Kopf wand?

Sie hatte dich lieb, soviel ich verstehe.

Ich weiß nicht. Ja, ungeheuer lieb. Aber sie war eine Hexe, sie war es auch, von der ich ein Andenken bekam.

August ist abgekühlt, er hat seine Schilderung geliefert und ist nun ins Stocken geraten. Als er merkt, daß er immer noch Lovise Magretes Brief in der Hand hält, versucht er eine Art Schlußfolgerung aus seiner Geschichte zu ziehen: Du siehst nun also, Edevart, hätte ich bei diesem Frauenzimmer nicht Ernst gemacht, so hätte ich nicht das geringste bei ihr erreicht. So sind sie alle miteinander. Sie müssen den Ernst sehen. Gibt es irgendwo in der Welt ein Beispiel dafür, daß sie den Oberbefehl haben sollen? Nicht ihre Pfeife ist es, sondern die unsere, nach der sie tanzen sollen. Und diese Sache, daß ich ein verheirateter Mann war und nichts von ihr bekam, die vergleiche ich damit, daß Mrs. Andrews in Amerika lebt und du hier bist. Darum habe ich dir erzählt, wie alles zugegangen ist. Jetzt soll Mrs. Andrews freundlichst nach Hause kommen, und du kannst eine Zeitlang fortgehen, Edevart, denn ich will das Telegramm formulieren Und du sollst nicht mehr dastehen und den Kopf schütteln –

Kurz darauf übergibt er Pauline sein Telegramm, bittet sie, die Gebühr für ihn auszulegen und es am nächsten Sonntag auf dem Telegraphenamt aufzugeben. Ja, sagt Pauline bereitwillig und nickt, – als sei auch sie ganz darauf versessen, Mrs. Andrews in die Bucht zurückzurufen.


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